Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers J*, vertreten durch Mag. Georg Zechbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin Verlassenschaft nach D*, zuletzt *, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 11. November 2021, GZ 22 R 264/21h-15, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 29. Juni 2021, GZ 33 Msch 10/21h-11, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 335,64 EUR (darin 55,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Im Revisionsrekursverfahren ist zwischen den Parteien nur mehr strittig, ob die Antragsgegnerin nach § 16 Abs 1 Z 3 MRG berechtigt war, dem Antragsteller für die von ihm ab 15. 9. 2017 gemietete Wohnung im Dachgeschoss einen angemessenen Hauptmietzins zu verrechnen.
[2] Das Erstgericht verneinte dies und stellte die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung in näher bezeichnetem Ausmaß sowie den gesetzlich zulässigen monatlichen Hauptmietzins auf Basis des Richtwerts nach § 16 Abs 2 MRG fest.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Den Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, zur Zulässigkeit einer im Schlichtungsstellenverfahren nicht geltend gemachten Einwendung eines Ausnahmetatbestands nach § 16 Abs 1 Z 3 MRG erstmals vor Gericht fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.
[4] In dem dagegen gerichteten – vom Antragsteller beantworteten – Revisionsrekurs strebt die Antragsgegnerin der Sache nach eine Abänderung im Sinn einer Abweisung des Überprüfungsantrags an.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Er zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[6] 1.1. Selbst wenn das Berufungsgericht – zu Recht – ausgesprochen hatte, die ordentliche Revision (oder der Rekurs an den Obersten Gerichtshof) sei zulässig, das Rechtsmittel dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision (der Rekurs) trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059). Dies gilt auch im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG (RS0102059 [T10]; 5 Ob 32/19w).
[7] 1.2. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Vorschaltung der Schlichtungsstelle vor Befassung der Gerichte in außerstreitigen Mietrechtssachen als zwingende Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren habe zwar zur Folge, dass der vor der Schlichtungsstelle vorgebrachte anspruchsbegründende Sachverhalt vor Gericht nicht erweitert werden dürfe, dies gelte aber nicht für die Antragsgegnerin des Schlichtungsverfahrens, selbst wenn sie vor Gericht als Antragstellerin des Sukzessivantrags auftreten sollte, die Antragsgegnerin habe daher auch noch im gerichtlichen Verfahren das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands iSd § 16 Abs 1 Z 3 MRG einwenden dürfen, zieht die Revisionsrekurswerberin nicht in Zweifel, sondern bezeichnet sie ausdrücklich als richtig. Auch die Revisionsrekursbeantwortung beanstandet diese Rechtsauf-fassung – die bereits das Erstgericht vertreten hatte – nicht. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage ist daher entbehrlich.
[8] 2.1. Die Revisionsrekurswerberin meint allerdings, das Rekursgericht sei von – nicht näher bezeichneter – höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen und habe sich von bindenden Feststellungen des Erstgerichts entfernt. Die Beurteilung des Rekursgerichts, aus der Feststellung, im Jahr 1997 sei das Gebäude saniert worden, wofür der Verstorbene mehr als 19 Mio ATS aufgewendet habe, ergebe sich nicht, dass es sich hiebei um Eigenmittel iSd § 16 Abs 1 Z 3 MRG gehandelt habe, sei nicht nachvollziehbar. Damit wirft sie aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[9] 2.2. § 16 Abs 1 Z 3 MRG erklärt Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses ohne die Beschränkungen des § 16 Abs 2 bis 5 MRG bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag dann für zulässig, wenn der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, an dessen Erhaltung aus Gründen des Denkmalschutzes öffentliches Interesse besteht, sofern der Vermieter unbeschadet der Gewährung öffentlicher Mittel zu dessen Erhaltung nach dem 8. Mai 1945 erhebliche Eigenmittel aufgewendet hat.
[10] 2.3. Dass an der Erhaltung des im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Hauses aus Gründen des Denkmalschutzes öffentliches Interesse besteht, ist nicht strittig. Zur weiteren Tatbestandsvoraussetzung „Aufwendung erheblicher Eigenmittel“ liegt bereits eine Reihe von Entscheidungen des Fachsenats vor. Demnach kann der Begriff „Eigenmittel“ in § 16 Abs 1 Z 3 MRG nur den gegenüber dem Begriff „Mittel“ in § 16 Abs 1 Z 5 und 6 MRG (aF) engeren Begriff der Mittel bedeuten, die dem Vermieter als nicht nach § 3 Abs 3 erster Satz, § 20 MRG oder § 6 Abs 1 MG verrechnungspflichtig frei zur Verfügung stehen (RS0068797). Bei der Beurteilung der Frage, ob der Vermieter erhebliche Eigenmittel iSd § 16 Abs 1 Z 3 MRG aufgewendet hat, ist von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufwendung auszugehen. Im Gegensatz zu § 18 MRG sind zukünftige Mietzinseinnahmen nicht zu berücksichtigen. Beachtlich ist auch, ob der Vermieter einmal (rechtmäßig) aufgewendete derartige Eigenmittel in der Folge (noch vor Abschluss der Mietzinsvereinbarung, deren Zulässigkeit gemäß § 16 Abs 1 Z 3 MRG zu untersuchen ist) nicht etwa (rechtmäßig) als Ausgaben in die Mietzinsabrechnung eingesetzt hat (RS0069740). Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 16 Abs 1 Z 3 MRG in all seinen Facetten trifft den Vermieter (RS0111657). Um die Qualität der aufgewendeten Mittel als „erhebliche Eigenmittel“ in diesem Sinn beurteilen zu können, muss über den jeweils maßgeblichen Verrechnungszeitraum für Mietzinsreserven eine vollständige Abrechnung iSd § 20 Abs 1 MRG gelegt und die Kosten dürfen auch nicht nachträglich als Mietzinspassivum verrechnet werden (5 Ob 119/98f mwN; 5 Ob 227/18w). Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, die Antragsgegnerin habe hier die Aufwendung erheblicher Eigenmittel und damit den Ausnahmetatbestand des § 16 Abs 1 Z 3 MRG nicht ausreichend nachgewiesen, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und ist daher nicht korrekturbedürftig.
[11] 3.1. Das Erstgericht stellte fest, im Jahr 1997 wurde das Gebäude saniert, wofür der Verstorbene mehr als 19 Mio ATS aufwendete. Die Mieteinnahmen für das Jahr 1997 betrugen knapp 200.000 ATS. Die Sanierungsarbeiten umfassten aber nicht nur Installationen, Dach- und Fenstersanierungen, sondern auch die Neuschaffung einer über zwei Geschosse reichenden Wohnung. Für das Jahr 1998 wurden 18 Mietobjekte und Mieteinnahmen von etwas über 1 Mio ATS festgestellt. Das Erstgericht konnte aber weder feststellen, welche Objekte vor der Sanierung vermietet waren noch welche Mietzinse für diese bezahlt wurden. Eine Hauptmietzinsabrechnung der letzten 10 Jahre vor der Sanierung im Jahr 1997 hatte die Antragsgegnerin ungeachtet des ausdrücklichen Hinweises des Antragstellers auf ihre Beweispflicht nicht vorgelegt.
[12] 3.2. Die – jedenfalls einzelfallabhängige und daher im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufwerfende (RS0118891) – Auslegung dieser Feststellungen durch die Vorinstanzen, der Antragsgegnerin sei es damit nicht gelungen, die Aufwendung erheblicher Eigenmittel nachzuweisen, ist nicht korrekturbedürftig. Soweit die Antragsgegnerin aus Feststellungen andere tatsächliche Schlussfolgerungen ziehen will, betrifft dies die nicht der Kognition des Obersten Gerichtshofs unterliegende Tatfrage (vgl RS0111996). Das Erstgericht konnte ja schon auf Tatsachenebene nicht feststellen, dass es sich bei den vom Verstorbenen für die Generalsanierung aufgewendeten 19 Mio ATS um Mittel handelte, die weder aus verrechnungspflichtigen Mietzinseinnahmen finanziert noch den Mietern im Weg eines §§ 18 ff MRG Verfahren angelastet worden waren. Soweit sich die Rechtsrüge der Antragsgegnerin darüber hinwegsetzt, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
[13] 4. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
[14] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, dem im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses obsiegenden Antragsteller die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen, in der er auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat (RS0122294 [T1, T2]).
Textnummer
E134328European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00018.22S.0217.000Im RIS seit
07.04.2022Zuletzt aktualisiert am
07.04.2022