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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11994N002 EU-Beitrittsvertrag Akte Art2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):96/09/0154 E 29. August 1996Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der Fatma S in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 6. März 1996, Zl. III-6704/598514, betreffend Nichtausstellung eines Befreiungsscheines nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und hilfsweise bescheidmäßige Feststellung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 8. Februar 1996 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz den Antrag "mir einen Befreiungsschein auszustellen bzw. mit Bescheid festzustellen, daß ich berechtigt bin, auch ohne zusätzliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz jede von mir gewählte Beschäftigung in Österreich aufzunehmen". Zu diesem Antrag brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei türkische Staatsangehörige, am 1. April 1962 geboren und in W (Vorarlberg) wohnhaft. Ihr "Mann Cemil S" sei seit mehr als zwanzig Jahren ständig in Österreich aufenthaltsberechtigt und beschäftigt. Im Jahre 1978 sei sie "im Rahmen der Familienzusammenführung" nach Österreich gekommen und seither (demnach mehr als fünf Jahre) ständig in Österreich. Sie habe in den letzten Monaten wiederholt (erfolglos) versucht, eine Beschäftigungsbewilligung zu erlangen, zumal sie Arbeitgeber gefunden habe, die bereit gewesen seien, sie zu beschäftigen. Das Arbeitsmarktservice habe dies jedoch abgelehnt. Sie stütze ihr "Recht auf Arbeit" auf das Assoziationsabkommen EWG-Türkei, die ergangenen Zusatzprotokolle und die Beschlüsse des Assoziationsrates (beispielsweise Nr. 1/80). Die daraus sich ergebenden unmittelbaren Rechtsansprüche habe Österreich aufgrund seines Beitritts zur Europäischen Union anzuwenden. Sie berufe sich auf den Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz vom 19. Februar 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin "auf Ausstellung eines Befreiungsscheines gemäß § 15 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 abgelehnt".
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie stellte darin den Antrag "den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, daß mir ein Befreiungsschein ausgestellt bzw. mit Bescheid festgestellt wird, daß ich berechtigt bin, auch ohne zusätzliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz jede von mir gewählte Beschäftigung in Österreich aufzunehmen".
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. März 1996 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin "gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991, in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Z. 1 bis 5 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der geltenden Fassung nach Anhörung des Landesdirektoriums keine Folge gegeben". Zur Begründung führte die belangte Behörde (nach Darstellung der Rechtslage) im wesentlichen aus, die Frage der unmittelbaren innerstaatlichen Anwendbarkeit des Assoziationsabkommens zwischen der EWG und der Türkei sowie des Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 1/80 sei im Schrifttum umstritten. Folge man dazu den von Handstanger und Waldherr in ÖJZ 1995, 321 und 327 zum Ausdruck gebrachten Überlegungen, dann seien das genannte Abkommen sowie der genannte Beschluß wegen Fehlens eines "Ergänzungsprotokolls" in Österreich nicht unmittelbar anwendbar. Zu diesem Problembereich fehle jedenfalls höchstgerichtliche Rechtsprechung. Sollten die von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrages herangezogenen Rechtsquellen dennoch anzuwenden sein, müßte die solcherart für türkische Staatsangehörige bestehende Anspruchskonkurrenz (nach dem AuslBG und dem Assoziationsrecht) im Sinne des § 1 Abs. 3 AuslBG gelöst werden. Für den Vollzug der Art. 6 und 7 des Beschlusses des Assoziationsrates sei keine Zuständigkeit einer innerstaatlichen Behörde festgelegt worden, weshalb der belangten Behörde eine Zuständigkeit hinsichtlich des Vollzuges der genannten Artikel nicht zukomme. Die für die Ausstellung des beantragten Befreiungsscheines notwendigen Voraussetzungen seien daher ausschließlich nach dem AuslBG zu beurteilen. Diese Voraussetzungen im Sinne des § 15 leg. cit. erfülle die Beschwerdeführerin jedoch nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß "ich aufgrund des Assoziationsabkommens EWG/Türkei, der dazu ergangenen Zusatzprotokolle sowie der Beschlüsse des Assoziationsrates freien Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich habe". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin (zusammengefaßt) vor, es stehe ihr aufgrund des als Gemeinschaftsrecht anzusehenden Assoziationsabkommens EWG/Türkei und der auf dieser Grundlage gefaßten Beschlüsse ein unmittelbarer und keiner weiteren innerstaatlichen Umsetzung bedürftiger Rechtsanspruch zu. Das Gemeinschaftsrecht genieße Anwendungs- und Geltungsvorrang und verdränge demnach entgegenstehendes bzw. abweichendes nationales Recht. Es sei daher nicht notwendig, daß sich der Anspruch der Beschwerdeführerin aus dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ergebe.
Bereits mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Türkei haben am 12. September 1963 ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei unterzeichnet. Dieses Abkommen (im folgenden: Assoziationsabkommen) ist (nach Austausch der Ratifikationsurkunden) am 1. Dezember 1964 in Kraft getreten (vgl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1964, Nr. 217, 3685).
Das Assoziationsabkommen enthält unter anderem folgende
Bestimmungen:
"Artikel 6
Um die Anwendung und schrittweise Entwicklung der Assoziationsregelung sicherzustellen, treten die Vertragsparteien in einem Assoziationsrat zusammen; dieser wird im Rahmen der Befugnisse tätig, die ihm in dem Abkommen zugewiesen sind.
Artikel 12
Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 48, 49 und 50 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen.
Artikel 22
(1) Zur Verwirklichung der Ziele des Abkommens und in den darin vorgesehenen Fällen ist der Assoziationsrat befugt, Beschlüsse zu fassen. Jede der beiden Parteien ist verpflichtet, die zur Durchführung der Beschlüsse erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Assoziationsrat kann auch zweckdienliche Empfehlungen abgeben. ...
Artikel 29
(1) Das Abkommen gilt für die europäischen Hoheitsgebiete des Königreichs Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französichen Republik, der Italienischen Republik, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande einerseits und für das Hoheitsgebiet der Republik Türkei andererseits.
(2) Das Abkommen gilt ebenfalls für die französischen überseeischen Departments, und zwar für die Sachbereiche des Abkommens, die den in Artikel 227 Absatz (2) Untersatz 1 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft genannten Sachbereichen entsprechen.
Die Vertragsparteien legen zu einem späteren Zeitpunkt im gemeinsamen Einvernehmen fest, unter welchen Bedingungen die Bestimmungen des Abkommens über die sonstigen Sachbereiche auf die genannten Hoheitsgebiete angewandt werden."
Am 23. November 1970 wurde ein Zusatzprotokoll unterzeichnet, in dem die Bedingungen, die Einzelheiten und der Zeitplan für die Verwirklichung der im Art. 4 des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei genannten Übergangsphase festgelegt sind. Der Abschluß des genannten Zusatzprotokolls wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (L 293/1972, 1 ff) mit Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates am 19. Dezember 1972 veröffentlicht. Diese Verordnung trat zufolge ihres Art. 3 am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Nach diesem Art. 3 der genannten Verordnung ist diese in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Das solcherart in Kraft getretene Zusatzprotokoll enthält unter anderem die folgende Bestimmung:
"Freizügigkeit und Dienstleistungsverkehr
Kapitel I
Arbeitskräfte
Artikel 36
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei wird nach den Grundsätzen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt. Der Assoziationsrat legt die hierfür erforderlichen Regeln fest."
Der Assoziationsrat hat - gestützt auf das Assoziationsabkommen - am 19. September 1980 den Beschluß Nr. 1/80 (auszugsweise abgedruckt bei Kanein-Renner, Ausländerrecht, München 1992, 867 ff) über die Entwicklung der Assoziation gefaßt. Dieser Beschluß enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
"Abschnitt 1: Fragen betreffend die Beschäftigung und die
Freizügigkeit der Arbeitnehmer
Artikel 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat
-
nach einem Jahr ordnungsgemässer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
-
nach drei Jahren ordnungsgemässer Beschäftigung
-
vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
-
nach vier Jahren ordnungsgemässer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemässer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäss festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemässer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.
Artikel 7
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
-
haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemässen Wohnsitz haben;
-
haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemässen Wohnsitz haben.
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäss beschäftigt war.
Artikel 8
(1) Kann in der Gemeinschaft eine offene Stelle nicht durch die auf dem Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten verfügbaren Arbeitskräfte besetzt werden und beschliessen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu gestatten, dass zur Besetzung dieser Stelle Arbeitnehmer eingestellt werden, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft sind, so bemühen sich die Mitgliedstaaten, den türkischen Arbeitnehmern in diesem Falle einen Vorrang einzuräumen.
(2) Die Arbeitsämter der Mitgliedstaaten bemühen sich, die bei ihnen eingetragenen offenen Stellen, die nicht durch dem regulären Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates angehörende Arbeitskräfte aus der Gemeinschaft besetzt werden konnten, mit regulär als Arbeitslose gemeldeten türkischen Arbeitnehmern zu besetzen, die im Hoheitsgebiet des genannten Mitgliedstaates ihren ordnungsgemässen Wohnsitz haben.
Artikel 9
Türkische Kinder, die in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft ordnungsgemäss bei ihren Eltern wohnen, welche dort ordnungsgemäss beschäftigt sind oder waren, werden unter Zugrundelegung derselben Qualifikationen wie die Kinder von Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates zum allgemeinen Schulunterricht, zur Lehrlingsausbildung und zur beruflichen Bildung zugelassen. Sie können in diesem Mitgliedstaat Anspruch auf die Vorteile haben, die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorgesehen sind.
Artikel 10
(1) Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft räumen den türkischen Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein, die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgeltes und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausschliesst.
(2) Vorbehaltlich der Artikel 6 und 7 haben die in Absatz 1 genannten türkischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen in gleicher Weise wie die Arbeitnehmer aus der Gemeinschaft Anspruch auf die Unterstützung der Arbeitsämter bei der Beschaffung eines Arbeitsplatzes.
Artikel 11
Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, die dem regulären Arbeitsmarkt der Türkei angehören, und ihre Familienangehörigen, welche die Genehmigung erhalten haben, zu ihnen zu ziehen, geniessen dort die in den Artikeln 6, 7, 9 und 10 gewährten Rechte und Vorteile, wenn sie die in diesen Artikeln vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen.
Artikel 12
Wenn in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft oder in der Türkei der Arbeitsmarkt ernsten Störungen ausgesetzt oder von ernsten Störungen bedroht ist, die ernste Gefahren für den Lebensstandard und das Beschäftigungsniveau in einem Gebiet, einem Wirtschaftszweig oder einem Beruf mit sich bringen können, so kann der betreffende Staat davon absehen, automatisch die Artikel 6 und 7 anzuwenden. Der betreffende Staat unterrichtet den Assoziationsrat von dieser zeitweiligen Einschränkung.
Artikel 13
Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäss sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.
Artikel 14
(1) Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.
(2) Er berührt nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder zweiseitigen Abkommen zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergeben, soweit sie für ihre Staatsangehörigen eine günstigere Regelung vorsehen.
Artikel 16
(1) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind ab 1. Dezember 1980 anwendbar."
Zur Auslegung des genannten Assoziationsrechtes (mit der Türkei) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zuletzt im Tenor der Urteile vom 20. September 1990, C-192/89, Sevince, vom 16. Dezember 1992, C-237/91, Kus, vom 5. Oktober 1994, C 355/93, Eroglu folgendes ausgesprochen:
"Die Auslegung der Beschlüsse Nrn 2/76 und 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates vom 20. Dezember 1976 bzw. 19. September 1980 fällt in den Anwendungsbereich des Artikels 177 EWG-Vertrag.
Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b des Beschlusses Nr. 2/76 und/oder Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 sowie
Artikel 7 des Beschlusses Nr. 2/76 und/oder Artikel 13 des Beschlusses Nr. 1/80 haben in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft unmittelbare Wirkung.
Der Begriff "ordnungsgemäße Beschäftigung" in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b des Beschlusses Nr. 2/76 und/oder in Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 erfaßt nicht den Fall eines türkischen Arbeitnehmers, der eine Beschäftigung ausüben darf, solange die Vollziehung einer Entscheidung ausgesetzt ist, mit der ihm das Aufenthaltsrecht verweigert wurde und gegen die er erfolglos Klage erhoben hat. (Fall Sevince)
Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ist dahin auszulegen, daß ein türkischer Arbeitnehmer die in dieser Bestimmung vorgesehene Voraussetzung, seit mindestens vier Jahren ordnungsgemäß beschäftigt zu sein, nicht erfüllt, wenn er diese Beschäftigung im Rahmen eines Aufenthaltsrechts ausgeübt hat, das ihm nur aufgrund einer nationalen Regelung eingeräumt war, nach der der Aufenthalt während des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmeland erlaubt ist; dies gilt auch dann, wenn das Aufenthaltsrecht des Betroffenen durch ein Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts, gegen das ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, bestätigt worden ist.
Artikel 6 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 ist dahin auszulegen, daß ein türkischer Staatsangehöriger, der eine Aufenthaltserlaubnis für das Gebiet eines Mitgliedstaats erhalten hat, um dort mit einer Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats die Ehe zu schließen, und der dort seit mehr als einem Jahr mit gültiger Arbeitserlaubnis bei demselben Arbeitgeber gearbeitet hat, nach dieser Bestimmung einen Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis hat, selbst wenn seine Ehe zu dem Zeitpunkt, zu dem über den Verlängerungsantrag entschieden wird, nicht mehr besteht.
Ein türkischer Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Artikels 6 Absatz 1 erster oder dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllt, kann sich unmittelbar auf diese Bestimmungen berufen, um außer der Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu erreichen. (Fall Kus)
Artikel 6 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ist dahin auszulegen, daß er einem türkischen Staatsangehörigen, der Absolvent einer Hochschule ist und aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung für zwei Jahre und entsprechender Arbeitserlaubnisse, die ihm zur Vertiefung seiner Kenntnisse im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit oder eines fachbezogenen Praktikums erteilt worden sind, länger als ein Jahr bei einem Arbeitgeber und anschließend etwa zehn Monate lang bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt gewesen ist, kein Recht auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei seinem ersten Arbeitgeber verleiht.
Ein türkischer Staatsangehöriger, der die tatbestandlichen Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 2 des Beschlusses Nr. 1/80 erfüllt und der sich demzufolge in dem betreffenden Mitgliedstaat auf jedes Stellenangebot bewerben kann, kann sich aufgrund dessen auch auf diese Vorschrift berufen, um eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken. (Fall Eroglu)"
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist Österreich mit dem am 13. Jänner 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten EU-Beitrittsvertrag (BGBl. Nr. 45/1995) der Europäischen Union beigetreten. Diesem EU-Beitrittsvertrag sind Akte über die
Bedingungen des Beitritts ... der Republik Österreich ... und
die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (Beitrittsakte) beigefügt, die unter anderem folgende im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen enthalten:
"Artikel 2
Ab dem Beitritt sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte.
...
Artikel 5
(1) Die von einer der Gemeinschaften mit einem oder mehreren dritten Staaten, mit einer internationalen Organisation oder mit einem Staatsangehörigen eines dritten Staates geschlossenen Abkommen oder Übereinkommen sind für die neuen Mitgliedstaaten nach Maßgabe der ursprünglichen Verträge und dieser Akte verbindlich.
(2) Die neuen Mitgliedstaaten verpflichten sich, nach Maßgabe dieser Akte den von den derzeitigen Mitgliedstaaten zusammen mit einer der Gemeinschaften geschlossenen Abkommen oder Übereinkommen sowie den von diesen Staaten geschlossenen Übereinkünften, die mit diesen Abkommen oder Übereinkommen in Zusammenhang stehen, beizutreten. Die Gemeinschaft und die derzeitigen Mitgliedstaaten im Rahmen der Union leisten den neuen Mitgliedstaaten hierbei Hilfe.
(3) Die neuen Mitgliedstaaten treten durch diese Akte und unter den darin vorgesehenen Bedingungen den internen Vereinbarungen bei, welche die derzeitigen Mitgliedstaaten zur Durchführung der Abkommen oder Übereinkommen im Sinne des Absatzes 2 geschlossen haben.
(4) Die neuen Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um gegebenenfalls ihre Stellung in bezug auf internationale Organisationen oder diejenigen internationalen Übereinkünfte, denen auch eine der Gemeinschaften oder andere Mitgliedstaaten als Vertragspartei angehören, den Rechten und Pflichten anzupassen, die sich aus ihrem Beitritt zur Union ergeben.
Artikel 76
(1) Ab dem 1. Januar 1995 wendet die Republik Österreich die Bestimmungen der in Artikel 77 genannten Abkommen an.
(2) Etwaige Anpassungen werden in Protokollen vorgenommen, die mit den übrigen Vertragsstaaten geschlossen und jenen Abkommen beigefügt werden.
(3) Sollten die in Absatz 2 genannten Protokolle bis zum 1. Januar 1995 nicht geschlossen worden sein, so trifft die Gemeinschaft die erforderlichen Maßnahmen, um dieser Lage zum Beitritt Rechnung zu tragen.
Artikel 77
Artikel 76 findet Anwendung auf
-
die Abkommen mit Andorra, Algerien, ... Tunesien und der
Türkei sowie andere Abkommen mit Drittländern, die ausschließlich den Handel mit den in Anhang II des EG-Vertrags aufgeführten Erzeugnissen betreffen;
-
das am 15. Dezember 1989 unterzeichnete Vierte AKP-EWG-Abkommen;
-
andere ähnliche Abkommen, die gegebenenfalls vor dem Beitritt geschlossen werden."
Ausgehend von dieser Normenlage hat sich Österreich demnach zufolge der Art. 2 und 5 Abs. 2 des genannten EU-Beitragsvertrages unter anderem auch verpflichtet, dem zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschlossenen Assoziationsabkommen beizutreten. Österreich hat zufolge der besonderen Übergangsregelungen (aus Anlaß seines Beitritts) die Verpflichtung übernommen, die in Art. 77 genannten Abkommen - in diesem Artikel sind Abkommen mit der Türkei ausdrücklich genannt - ab dem 1. Jänner 1995 anzuwenden.
Diese von Österreich gegenüber den anderen Vertragsstaaten des EU-Beitrittsvertrages eingegangene Verpflichtung ist eindeutig und an keine Bedingungen geknüpft. Österreich hat somit das Assoziationsabkommen bis zum Wirksamwerden seines Beitritts hiezu, bzw. der in Art. 76 Abs. 2 der Beitrittsakte genannten Anpassungen, ungeachtet des Umstandes anzuwenden, daß zwischen Österreich und der Türkei bis zu diesem Zeitpunkt aus dem Abkommen selbst keine unmittelbaren Verpflichtungen bestehen.
Aus dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umstand, daß in Art. 29 des Assoziationsabkommens dessen territorialer Geltungsbereich durch ausdrückliche Nennung der Gebiete nur jener Staaten umschrieben ist, die im Jahre 1964 Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gewesen sind, kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. In Art. 29 Abs. 1 des Abkommens ist nämlich festgelegt, daß es "unter den im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgesehenen Bedingungen" in den europäischen Gebieten aller Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gelten soll. In der Bestimmung werden bloß sämtliche Mitgliedstaaten aus dem Jahre 1964 ausdrücklich aufgezählt, daran anküpfend regelt Absatz 2, daß das Abkommen für bestimmte Sachbereiche auch in den französischen überseeischen Departements gelten soll. Soweit das Abkommen Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft regelt, ist es für Österreich daher bereits kraft Art. 5 Abs. 1 der Beitrittsakte verbindlich.
Es besteht aber auch kein Zweifel daran, daß mit der
Formulierung "Abkommen mit ... der Türkei" in Art. 77 der
Beitrittsakte auch das Assoziationsabkommen mit der Türkei aus dem Jahre 1964 und die ergänzend und zusätzlich hiezu abgeschlossenen Übereinkünfte erfaßt werden sollten, zumal es sich dabei um das bedeutendste, zwischen der Gemeinschaft, den Mitgliedsstaaten und der Türkei geschlossene Abkommen handelt (vgl. etwa Beutler-Bieber-Pipkorn-Streil, die Europäische Union, 4. Auflage 1993, S 557 ff). Den Vertragsstaaten des EU-Beitrittsvertrages kann daher nicht unterstellt werden, sie hätten in Art. 76 Abs. 1 und Art. 77 der Beitrittsakte eine Verpflichtung Österreichs zur Anwendung dieses Abkommens geschaffen, die wegen der in Art. 29 Abs. 1 enthaltenen Formulierung weitgehend ins Leere ginge. Aus Art. 76 der Beitrittsakte ergibt sich vielmehr mit hinreichender Klarheit, daß Österreich die erfaßten Abkommen auch dann anzuwenden hat, wenn die durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union allenfalls notwendigen - und im zweiten Absatz dieser Bestimmung ausdrücklich erwähnten - Anpassungen bis zum 1. Jänner 1995 noch nicht vorgenommen worden sind. Diesem Fall trägt auch Art. 76 Abs. 3 der Beitrittsakte Rechnung.
Ausgehend davon, daß Österreich das gegenständliche Assoziationsabkommen aufgrund des Art. 76 Abs. 1 der Beitrittsakte anzuwenden hat, unterliegt es weiter keinem Zweifel, daß es hiebei dessen Bestimmungen in jener Bedeutung anzuwenden hat, welche ihnen die nach dem Gemeinschaftsrecht für ihre Auslegung zuständigen Organe, insbesondere der Europäische Gerichtshof - der gemäß Art. 1 Abs. 3 des EU-Beitrittsvertrages auch für die Auslegung des EU-Beitrittsvertrages selbst zuständig ist - beigemessen hat.
Mit seinen Urteilen vom 14. November 1989 in der Rechtssache 30/88, Griechenland/Kommission, Slg. 1989, I-3711, und vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-192/89, Sevince, Slg. 1990, I-3461, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, daß die Beschlüsse des gemäß Art. 22 des Abkommens eingerichteten Assoziationsrates aufgrund ihres unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Abkommen, zu dessen Durchführung sie ergehen, ebenso wie das Abkommen selbst von ihrem Inkrafttreten an integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind (RandNr. 13 bzw. 9 der genannten Urteile). Mit dem genannten Urteil in der Rechtssache Sevince hat der Europäische Gerichtshof auch ausgesprochen, daß Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 des Beschlusses 1/80 (ebenso wie Art. 2 Abs. 1 lit. b und Art. 7 des Beschlusses Nr. 2/70) in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft unmittelbare Wirkung haben (RandNr. 22, mit seinem Urteil vom 5. Oktober 1994, C-355/93, Eroglu, Slg. 1994, I-5114, wurde diese Aussage ebenso im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses 1/80 getroffen (RandNr. 17). Bezüglich beider Bestimmungen sprach der Europäische Gerichtshof aus, daß darin genau bestimmte und an keine Bedingungen geknüpfte Rechte festgelegt sind, die den türkischen Arbeitnehmern unmittelbar zustehen, und daß die Mitgliedsstaaten nicht ermächtigt sind, die Ausübung dieser Rechte an Bedingungen zu binden oder einzuschränken.
Im vorliegenden Fall beruft sich die Beschwerdeführerin auf Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 1/80. Nach dieser Bestimmung haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen, freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Ebenso wie Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 2 des Beschlusses Nr. 1/80 (sowie die oben genannten Bestimmungen des Beschlusses Nr. 2/70) räumt auch diese Bestimmung nach ihrem Wortlaut klar, eindeutig und ohne daß dies an Bedingungen geknüpft wäre, den begünstigten Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer bestimmte Rechte ein. Die Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80, die die Einführung von neuen Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen verbietet, deren Aufenthalt und Beschäftigung im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten ordnungsgemäß sind, gilt auch für sie. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher keinen Zweifel, daß auch die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 unmittelbar anwendbar ist, und daß keine Ermächtigung besteht, die Ausübung des darin festgelegten Rechts an Bedingungen zu binden oder einzuschränken. Durch die Nichtanwendung dieser Bestimmung kann die Beschwerdeführerin daher gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG in Rechten verletzt sein.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies demnach, daß sich die Beschwerdeführerin auf Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates selbst dann mit Erfolg berufen kann, wenn allfällige Anpassungen bzw. Ergänzungsprotokolle nicht errichtet wurden, weil eine etwa die Stellung Österreichs im Assoziationsrat berührende Anpassung ihr nicht entgegengehalten werden darf.
Vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtslage wird eine entgegenstehende innerstaatliche Rechtsnorm in diesem Umfang vom Gemeinschaftsrecht verdrängt (vgl. auch für den Bereich des AuslBG dessen § 1 Abs. 3).
Davon ausgehend ist zu untersuchen, wie die von der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag geltend gemachten Ansprüche angesichts der innerstaatlichen Rechtslage zu behandeln sind.
Das Ausländerbeschäftigungsgesetz regelt zufolge seines § 1 Abs. 1 die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet. Es nimmt jedoch auf das Assoziationsrecht mit der Türkei nicht ausdrücklich Bedacht. So ist auch im § 1 Abs. 2 leg. cit. keine Ausnahme vom Geltungsbereich dieses Gesetzes hinsichtlich des genannten Assoziationsrechtes (mit der Türkei) vorgesehen. Auch bei der Regelung der Voraussetzungen des Befreiungsscheines (§§ 15 ff AuslBG) wird auf das Assoziationsrecht nicht Bedacht genommen. Das genannte Rechtsinstitut steht mit den aus dem Assoziationsrecht sich ergebenden Ansprüchen der Beschwerdeführerin nicht im Einklang, weil der Befreiungsschein konstitutive Wirkung hat (vgl. auch §§ 3 Abs. 1 und 28 Abs. 1 AuslBG) und nur befristet auszustellen ist (§ 15 Abs. 5 leg. cit.). Dem gegenüber genießt die Beschwerdeführerin bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen des Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 freien (demnach keiner konstitutiven Bewilligung bedürftigen) Zugang zu jeder von ihr gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis des jeweiligen Mitgliedsstaates (hier: Österreich), wenn sie in diesem seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz hat.
Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage verbleibt - im Hinblick auf das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage - demnach zu der von der Beschwerdeführerin angestrebten Klärung ob die Voraussetzungen des Assoziationsrechtes im Einzelfall erfüllt sind, nur ein (deklarativer) Feststellungsbescheid als einziges (und letztes) Mittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Verwaltungsbehörden dann befugt, Feststellungsbescheide zu erlassen, wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung oder ein im privaten oder öffentlichen Interesse begründeter Anlaß vorliegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. November 1992, Slg. NF Nr. 13.732/A, und das hg. Erkenntnis vom 6. Februar 1989, Slg. NF Nr. 12.856/A). Ein solches Interesse ist nach der besonderen Rechtslage aber zu bejahen, wenn der Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides ein (notwendiges) Mittel zweckentsprechender Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung darstellt, um Rechte oder Rechtsverhältnisse zur Abwehr künftiger Rechtsgefährdung festzustellen (vgl. insoweit die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1977, Slg. NF Nr. 9461/A, vom 18. Dezember 1978, Slg. NF Nr. 9662/A, und vom 17. Dezember 1986, Slg. NF Nr. 12.354/A). Die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden läßt auch den Grundsatz erkennen, daß diese Bescheidform ein subsidiärer Rechtsbehelf ist (vgl. nochmals das Erkenntnis Slg. NF Nr. 12.856/A), der nur zur Anwendung kommen kann, wenn andere Möglichkeiten der Klärung der maßgeblichen Rechtsfrage nicht vorhanden sind oder - worauf in dem bereits zitierten Erkenntnis Slg. NF Nr. 13.732/A abgestellt wird - nicht zumutbar sind. Das Interesse der Beschwerdeführerin an der im Beschwerdefall begehrten Feststellung kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes schon mit Rücksicht auf die Bedeutung der anzuwendenden Bedingungen des Zuganges der Beschwerdeführerin zum Arbeitsmarkt bzw. der Ausübung einer unselbständigen Arbeit nicht mit Grund verneint werden, zumal die durch das Assoziationsrecht eingeräumte Rechtsstellung ihrem Zweck nach und unbeschadet bestehender Unterschiede eine inhaltliche Verwandtschaft zu den im Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) normierten Einrichtungen der Arbeitserlaubnis und des Befreiungsscheines, die nur über Antrag des ausländischen Arbeitnehmers erteilt werden können, aufweist.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides war zulässig, weil die Rechtsinstitute der Arbeitserlaubnis und des Befreiungsscheines mit Rücksicht auf ihren konstitutiven Charakter keine geeigneten Rechtsbehelfe darstellen und zudem weder die Durchführung eines Verfahrens über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes - in dem die gegenständliche Rechtsfrage als Vorfrage zu klären wäre - noch ein Verwaltungsstrafverfahren gegen einen Arbeitgeber (der Beschwerdeführerin) wegen deren unerlaubter Beschäftigung als zumutbare Mittel angesehen werden können.
Aus der dargelegten (materiellen) Rechtslage ist zu folgern, daß die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG bzw. der Abspruch über diesen (für den Antragsteller an ungünstigere Bedingungen gebundenen) Antrag dann entbehrlich ist bzw. wird, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines positiven Feststellungsbescheides im dargelegten Sinn vorliegen. Im Falle gleichzeitig oder alternativ erhobener Anträge ist demnach vorrangig über das Feststellungsbegehren zu entscheiden und erst danach bzw. nur für den Fall der Erlassung eines negativen Feststellungsbescheides über die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG abzusprechen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 59 Abs. 1 zweiter Satz AVG setzt die Zulässigkeit eines Teilbescheides voraus, daß jeder der getrennten Bescheidpunkte für sich alleine und ohne inneren Zusammenhang mit anderen Punkten einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 4. September 1995, Zl. 95/10/0061, und vom 21. Jänner 1972, Slg. NF Nr. 8151/A;
sowie Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht,
6. Auflage (1995), Rzlen 413 und 415).
Im Beschwerdefall war demnach im Hinblick auf den dargelegten Zusammenhang des alternativ gestellten Antrages ein bloß über die Ausstellung eines Befreiungsscheines nach dem AuslBG absprechender Teilbescheid nicht zulässig.
Der (erstinstanzliche) Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz enthält hinsichtlich des Feststellungsbegehrens weder eine ausdrückliche Abweisung oder einen Entscheidungsvorbehalt, noch wird in dieser Hinsicht eine Begründung gegeben. Dieser Bescheid muß aus der dargelegten Sicht der Unzulässigkeit eines vorrangigen Teilabspruches über den begehrten Befreiungsschein als eine Abweisung des gesamten alternativ gestellten Antrages gedeutet werden. Daß die Erstbehörde nicht das gesamte Ansuchen der Beschwerdeführerin (abweislich) erledigen wollte oder sich etwa eine nachfolgende Entscheidung über das Feststellungsbegehren vorbehalten wollte, ist dem erstinstanzlichen Bescheid jedenfalls nicht zu entnehmen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1996, Slg. NF Nr. 6934/A). Ausgehend von dem so zu verstehenden Entscheidungsumfang des erstinstanzlichen Bescheides kann der belangten Behörde eine Überschreitung der ihr nach § 66 Abs. 4 AVG eingeräumten Entscheidungsbefugnis nicht vorgeworfen werden, wenn sie ausdrücklich auch über das Feststellungsbegehren (negativ) abgesprochen hat (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0207). Solcherart hat die belangte Behörde (wie die Erstbehörde) den zudem in der Berufung wiederholten gesamten Antrag (einschließlich des Feststellungsbegehrens) abgewiesen.
Demnach hätte die belangte Behörde vorrangig prüfen müssen, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des genannten Art. 7 zu erfüllen vermag. Die belangte Behörde hat jedoch in dieser Hinsicht (aufgrund ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht) das ihr von Amts wegen obliegende Ermittlungsverfahren unterlassen, sodaß - entgegen der von der Beschwerdeführerin daraus abgeleiteten Ansicht, der Sachverhalt sei "unbestritten" - noch nicht feststeht, ob die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für den angestrebten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt in tatsächlicher Hinsicht zu erfüllen vermag. Insoweit der amtswegigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes dabei faktische Grenzen gesetzt sein sollten, wird es der Behörde im fortgesetzten Verfahren obliegen, die Beschwerdeführerin zur entsprechenden und erforderlichen Mitwirkung (Bekanntgabe allenfalls erforderlicher persönlicher Daten) aufzufordern (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1993, Zl. 91/08/0123, und vom 21. März 1995, Zl. 94/09/0328).
Der Ansicht der belangten Behörde, im Beschluß des Assoziationsrates Nr. 1/80 sei keine für den Vollzug der Art. 6 und 7 zuständige innerstaatliche Behörde vorgesehen, ist zu erwidern, daß - die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides vorausgesetzt - auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Zuständigkeitsnorm jene Behörde zur Erlassung des Feststellungsbescheides als zuständig anzusehen ist, zu deren Wirkungsbereich der engste sachliche Zusammenhang besteht. Im Beschwerdefall besteht kein vernünftiger Zweifel, daß dies nach dem Inhalt des Antrages der Beschwerdeführerin die zum Vollzug des AuslBG berufenen Behörden sind.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß die belangte Behörde hinsichtlich des die Beschäftigung einer Ausländerin im Bundesgebiet betreffenden Verfahrens nicht als sachlich unzuständige Behörde angesehen werden kann. Die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde wurde nicht bezweifelt.
Die Anregung der Beschwerdeführerin auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war im Hinblick auf den Umstand, daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig war, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt, zumal aus Art. 76 Abs. 1 der Beitrittsakte nur für Österreich eine Verpflichtung entsteht, nicht aufzugreifen.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage aus den dargestellten Gründen verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1996, Zl. 95/09/0261). Für den ergänzenden Schriftsatz vom 28. Mai 1996 (Ordnungszahl 4) steht der beschwerdeführenden Partei Aufwandersatz in Form von Stempelgebühren nicht zu, weil das darin enthaltene Vorbringen bereits mit der Beschwerde hätte erstattet werden können und müssen und dieser Schriftsatz demnach zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.
Gerichtsentscheidung
EuGH 693J0355 Hayriye Eroglu VORAB;Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchVerhältnis zu anderen Materien und Normen AVGAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Aufschiebende Wirkung einer BeschwerdeVerwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideBelangte Behörde als obsiegende ParteiRechtsträger der belangten Behörde Verschiedene RechtsträgerGemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996090088.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
08.09.2015