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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Johann W in B, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 28. März 1995, Zl. 8 BauR1-87/3/1995, betreffend Abtragungsauftrag gemäß § 43 Kärntner Bauordnung 1992 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgemeisters der mitbeteiligten Partei vom 27. Juli 1994 wurde u.a. dem Beschwerdeführer die Beseitigung (Abtragung) des Altteiles des ehemaligen Schmiedegebäudes (Gebäudeteil mit Firstrichtung parallel zur Bundesstraße) auf dem Grundstück Nr. 141, KG B, innerhalb von sechs Wochen ab Rechtskraft des Bescheides aufgetragen.
Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer folgende Eingabe vom 8. August 1994 an das Stadtgemeindeamt B:
"Zahl: 131-9/W.Le 116
Betr.: Johann und Maria W, O-Straße 116,
ALTES SCHMIEDEGEBÄUDE, Parz. 141, KG B,
BESEITIGUNGSVERFÜGUNG
Ich, Johann W, bringe gegen den Bescheid/Spruch das Rechtsmittel der
VORSTELLUNG
ein.
Begründung: Dieselbe wie im Jahr 1993 (siehe Akten).
Weiters teile ich Ihnen mit, daß das Schmiedegebäude innerhalb kürzester Zeit von mir wieder neu errichtet wird (es folgt Bauansuchen an die Gemeinde mit dazugehörigem Plan).
Deshalb beantrage ich die
Aussetzung der Beseitigung
des ehemaligen Schmiedegebäudes.
Der Besitzer:
Johann W e.h."
(es folgt die Unterschrift des Beschwerdeführers)
Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Partei vom 21. Dezember 1994 wurde die wiedergegebene, als Berufung qualifizierte Eingabe gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.
Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Eine Eingabe könne nur dann als Berufung im Sinne des § 63 AVG angesehen werden, wenn sich aus ihr die Erwägungen ergäben, aus denen die Partei die Entscheidung der Behörde bekämpft. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid erster Instanz erhobene, als Vorstellung bezeichnete Berufung lasse nicht erkennen, aus welchen Erwägungen der Beschwerdeführer die Entscheidung der Behörde bekämpfe. Er teile darin nur mit, daß das Schmiedegebäude innerhalb kürzester Zeit von ihm wieder neu errichtet werde und er die Aussetzung der Beseitigung beantrage. Insoweit er aber zur Begründung seines Rechtsmittels auf "dieselbe wie im Jahre 1993 (siehe Akten)" hinweise, sei festzustellen, daß der Verweis auf das bisherige Vorbringen allein für einen begründeten Berufungsantrag nicht ausreichend sei, wozu noch komme, daß nicht einmal konkretisiert sei, welche Aktenstücke aus dem Jahr 1993 gemeint sein sollten. Daraus ergebe sich aber, daß es der als Vorstellung bezeichneten Berufung an einem begründeten Berufungsantrag mangle. Die Berufung des Beschwerdeführers vom 8. August 1994 wäre daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Der Vorstellungswerber sei aber dadurch, daß die Berufungsbehörde über seine Berufung in der Sache abgesprochen habe, statt diese zurückzuweisen, in seinen Rechten nicht verletzt worden. Es sei daher nicht auf die Ausführungen in der Vorstellung einzugehen gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde (die belangte Behörde überdies die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde) beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß einer Berufung eindeutig zu entnehmen sein, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, d.h. es muß aus der Berufung eindeutig erkennbar sein, aus welchen - wenn auch nicht stichhältigen - Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1989, Zl. 89/17/0047, und die dort zitierte Vorjudikatur). Nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1989, Zl. 89/07/0012, und die dort zitierte Vorjudikatur) ist den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine formalistische Auslegung der Begriffsmerkmale eines begründeten Berufungsantrages fremd, die Berufung muß nur - wie bereits dargelegt - erkennen lassen, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Der bloße Hinweis auf ein anderes, in den Akten befindliches Schriftstück substituiert einen begründeten Berufungsantrag nur dann, wenn aus diesem erkennbar ist, womit der Berufungswerber seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 89/07/0012). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in der von der Berufungsbehörde zu Recht als Berufung gedeuteten "Vorstellung" gegen den erstinstanzlichen Bescheid auf dieselbe Begründung "wie im Jahr 1993 (siehe Akten)" verwiesen. Der Verwaltungsakt aus dem Jahre 1993 enthält eine einzige Stellungnahme des Beschwerdeführers, nämlich die vom 6. Juni 1993, in der der Beschwerdeführer dazu Stellung nahm, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei beabsichtigte, gemäß § 43 Kärntner Bauordnung die Beseitigung des Altteiles des ehemaligen Schmiedegebäudes auf der Parzelle Nr. 141, KG B, zu verfügen. In dieser Stellungnahme führte der Beschwerdeführer aus, es entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, daß das "ehemalige Schmiedegebäude" eine Gefahr für die Bevölkerung sei. Es seien entsprechende Maßnahmen mittels einer Holzkonstruktion vorgenommen worden, um ein Einstürzen zu verhindern. Es treffe auch nicht zu, daß das Baugrundstück frei zugänglich sei (dies wird näher ausgeführt). Zum Vorwurf der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wurde vorgetragen, daß sich lediglich am beanstandeten Teil schadhaftes Mauerwerk befinde.
Im Hinblick darauf, daß sich in den Verwaltungsakten nur diese eine Stellungnahme des Beschwerdeführers aus dem Jahre 1993 befand, war für die belangte Behörde eindeutig erschließbar, worauf sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der Begründung seiner Berufung bezogen hatte, auch wenn er die im Jahre 1993 erstattete Stellungnahme nicht unter Anführung des Datums zitiert hat. Aus dieser einen Stellungnahme des Beschwerdeführers im erstinstanzlichen Verfahren ergab sich aber für die Berufungsbehörde, womit der Beschwerdeführer seinen Standpunkt in der Berufung vertreten zu können glaubte (vgl. das angeführte hg. Erkenntnis Zl. 89/07/0012). Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Berufung des Beschwerdeführers schon mangels einer entsprechenden Begründung hätte zurückgewiesen werden müssen, weshalb er - ohne daß dies näher nachgeprüft werden müßte - durch den abweisenden Berufungsbescheid keinesfalls in Rechten verletzt sein könnte. Indem sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinandersetzte, ob die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers zu Recht erfolgte, hat sie den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Entscheidung in der Sache verletzt. Der angefochten Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050142.X00Im RIS seit
20.11.2000