Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/17/0327Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Anträge des R in K, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, vom 9. April 1996 (hg. Zl. 96/17/0323) und vom 14. Juni 1996 (hg. Zl. 96/17/0327) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung der der Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. Dezember 1995, Zl. Wi(Ge)-451110/1-1995/Pö/Ra, betreffend Vorschreibung von Tourismusabgabe (mitbeteiligte Partei: Gemeinde K), anhaftenden Mängel, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag zu Zl. 96/17/0323 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.
Der Wiedereinsetzungsantrag zu Zl. 96/17/0327 wird zurückgewiesen.
Begründung
1.1. Mit Beschluß vom 22. März 1996, Zl. 96/17/0050-5, stellte der Verwaltungsgerichtshof das eingangs zitierte Beschwerdeverfahren wegen Unterlassung der auftragsgemäßen Mängelverbesserung ein, weil die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 zweiter Satz VwGG als zurückgezogen galt. Nach der Begründung dieses Beschlusses sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, den Tag der Bescheidzustellung anzugeben und eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für die mitbeteiligte Gemeinde beizubringen. Gleichzeitig sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, die in zweifacher Ausfertigung eingebrachte und zur Verbesserung zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde. Der Beschwerdeführer sei darauf hingewiesen worden, daß die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte. Mit Schriftsatz vom 7. März 1996 habe der Beschwerdeführer das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides bekanntgegeben und eine (neue) Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde sowie eine Kopie des angefochtenen Bescheides angeschlossen. Der in zweifacher Ausfertigung zurückgereichte Beschwerdeschriftsatz sei nicht wieder vorgelegt worden. Das Beschwerdeverfahren sei daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen gewesen.
1.2. Am 11. April 1996 langte beim Verwaltungsgerichtshof ein am 10. April 1996 zur Post gegebener, als "Urkundenvorlage" bezeichneter Schriftsatz vom 9. März (richtig wohl: April) 1996 ein und wurde zu Zl. 96/17/0323 protokolliert. Zu diesem Zeitpunkt war der Einstellungsbeschluß vom 22. März 1996 noch nicht zugestellt. Dem Schriftsatz zufolge habe der Beschwerdevertreter am 9. April 1996 festgestellt, daß anläßlich der Einreichung des aufgetragenen Schriftsatzes vom 7. März 1996 die ursprüngliche Beschwerde samt dem bekämpften Bescheid und dem Verbesserungsauftrag nicht mitübersandt worden sei. Diese Schriftstücke seien offensichtlich bei der Postabfertigung in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers nicht in das richtige Kuvert gegeben worden, es würden daher die ursprüngliche Beschwerde sowie der bekämpfte Bescheid und der Verbesserungsauftrag nachgereicht.
Für den Fall, daß mit der erst jetzt erfolgten Nachreichung dieser Unterlagen ein Versäumnis einer Frist eingetreten sein sollte, werde die Wiedereinsetzung gegen die Versäumnis der Frist zur ordnungsgemäßen Mängelbehebung beantragt. Die Versäumnis der zeitgerechten Rückübermittlung der Unterlagen sei auf ein Mißgeschick anläßlich der Postabfertigung zurückzuführen, da anläßlich der Unterfertigung des aufgetragenen Schriftsatzes vom 7. März 1996 sich die genannten Schriftstücke noch im aufgetragenen Schriftsatz befunden hätten.
1.3. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 1996 stellte der Antragsteller einen weiteren Antrag auf "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der frist- und ordnungsgemäßen Mängelbehebung". Dieser Antrag wurde zur hg. Zl. 96/17/0327 protokolliert. Darin heißt es, dem Antragsteller sei der Einstellungsbeschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1996 am 31. Mai 1996 zugestellt worden. Bereits am 9. April 1996 sei anläßlich einer Durchsicht des Aktes in der Kanzlei der Vertreter des Antragstellers festgestellt worden, daß beim seinerzeit aufgetragenen Schriftsatz die ursprüngliche Beschwerde samt bekämpftem Bescheid und Verbesserungsauftrag nicht mitübersandt worden sei. Mit Schriftsatz vom 9. April 1996 seien die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der "fristordnungsgemäßen" Mängelbehebung beantragt und die Urkunden nachgereicht worden. Nach Einlangen des Einstellungsbeschlusses hätten Nachforschungen in der Kanzlei der Vertreter des Antragstellers ergeben, daß offensichtlich von Kanzleiangestellten, die diesen Schriftsatz hätten absenden sollen, entweder der Schriftsatz nicht abgesandt oder wiederum nicht sämtliche Urkunden beigelegt worden seien. Es hätten sich nämlich in der Schreibtischlade der Kanzleiangestellten zwei Urschriften der Beschwerden, eine Halbschrift der Urschrift und zwei Bescheidausfertigungen gefunden. Das Dienstverhältnis zu dieser Kanzleiangestellten sei zwischenzeitig aufgelöst worden, sodaß ein Befragen über den Verbleib der Beschwerde nicht möglich sei. Es habe auch bisher nicht erhoben werden können, ob der Schriftsatz vom 9. April 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sei. Auf alle Fälle sei das nicht fristgerechte Nachreichen der Urkunden nur auf ein Verschulden geringeren Grades zurückzuführen. Eine Kontrolle der Kanzleiangestellten, die sicherstelle, daß tatsächlich sämtliche Schriftstücke bei der Postabfertigung auch in das vorgesehene Kuvert "reingegeben" würden, sei unmöglich.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
2.1. § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 564/1985 lautet:
"Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
2.2. Die Wiedereinsetzung ist zu bewilligen, wenn eine Frist durch ein Verhalten von Angestellten des Bevollmächtigten der Partei versäumt wurde, es sei denn, es läge ein Verschulden der Partei vor (vgl. den hg. Beschluß vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0233 = ZfVB 1993/1/208, und die dort zitierte hg. Judikatur). Dem Verschulden der Partei selbst ist das Verschulden ihres Vertreters gleichzustellen (vgl. den hg. Beschluß vom 26. Juni 1992, Zl. 88/17/0207).
Was das Versehen einer Kanzleibediensteten des Beschwerdevertreters anlangt, ist zu prüfen, ob das Versehen nicht in Wahrheit in der dem Rechtsanwalt selbst zuzurechnenden Sphäre unterlaufen ist und weiters, was die Sphäre der der Kanzleikraft zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragenen Angelegenheiten anlangt, ob ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des einschreitenden Rechtsanwaltes im Hinblick auf seine diesbezüglichen Aufsichts- und Kontrollpflichten vorliegt.
Was den letzteren Gesichtspunkt anlangt, hat es der
Verwaltungsgerichtshof nicht als zweckmäßige und zumutbare
Kontrollmaßnahme angesehen, daß sich der Rechtsanwalt nach
Übergabe sämtlicher Schriftstücke an die bisher bewährte
Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen
Durchführung der Expedierung der Sendung überzeugt (vgl. die
hg. Beschlüsse vom 27. Jänner 1983, Zl. 82/08/0205 = ZfVB
1983/6/2792, vom 22. September 1987, Zl. 83/08/0108 = ZfVB
1984/3/1184, und vom 17. Februar 1992, Zl. 91/10/0171 = ZfVB
1992/5/2167). Die Überwachungspflicht des Parteienvertreters geht also nicht so weit, jede einzelne einfache Arbeitsverrichtung wie die Kuvertierung und Aufgabe von Postsendungen zu kontrollieren (vgl. die hg. Beschlüsse vom 15. März 1995, Zl. 94/13/0215, vom 25. Jänner 1996, Zlen. 95/06/0233, 96/06/0019, und vom heutigen Tag, Zl. 95/17/0605).
2.2. Die Behauptung des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 9. März (richtig: April) 1996 (hg. Zl. 96/17/0323) geht in die Richtung der Geltendmachung eines manipulativen Versehens der zuletzt erwähnten Art, wenn dort ausgeführt wird, die beiden wiedervorzulegenden Beschwerdeschriftsätze seien offensichtlich bei der Postabfertigung der Kanzlei des Beschwerdevertreters nicht in das richtige Kuvert gegeben worden.
Eine namentliche Nennung der mit der Postabfertigung betrauten Kanzleikraft zum Beweis dieses Vorbringens fehlt ebenso wie die Glaubhaftmachung ihrer ausreichenden Erfahrung, die es gestattet hätte, ihr diese Kanzleiaufgaben zur selbständigen Besorgung zu übertragen. Weiters ist von entscheidender Bedeutung, daß im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet wird, der Beschwerdevertreter habe der Kanzleikraft die abzusendenden Schriftstücke zur Kuvertierung und Postabfertigung übergeben. Dabei hätte es freilich bei einer routinierten und verläßlichen Kanzleikraft auch ausgereicht, im Mängelbehebungsschriftsatz selbst klar anzuführen, welche Beilagen mit diesem Schriftsatz mitgeschickt werden sollten.
Letzteres ist hier nicht der Fall: Der Mängelbehebungsschriftsatz erwähnt nur "eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für die mitbeteiligte Gemeinde". Aus dem Mängelbehebungsschriftsatz selbst konnte die Kanzleikraft daher nicht ersehen, daß die zwei zurückgereichten weiteren Beschwerdeausfertigungen gleichfalls hätten mitgesendet werden müssen. Mangels einer Anordnung im Mängelbehebungsschriftsatz ist die Fristversäumung nicht auf "ein Mißgeschick anläßlich der Postabfertigung zurückzuführen", auch wenn "anläßlich der Unterfertigung des aufgetragenen Schriftsatzes vom 07.03.1996 sich die genannten Schriftstücke noch im aufgetragenen Schriftsatz befunden haben" sollten, wie es im Wiedereinsetzungsantrag heißt. In diesem Falle, in dem sich aus dem Mängelbehebungsschriftsatz nur die Beilage einer Beschwerdeausfertigung ergibt, hätte der Wiedereinsetzungswerber eine ausdrückliche Weisung des Beschwerdevertreters behaupten und unter Beweis stellen müssen, daß die Kanzleikraft bestimmte, im Mängelbehebungsschriftsatz nicht erwähnte, weitere Schriftstücke anschließen sollte. Eine solche Behauptung und die eines diesbezüglich weisungswidrigen Verhaltens der Kanzleikraft wurde nicht aufgestellt.
Es liegt daher dem Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers selbst die Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt und damit ein Verschulden zur Last, von dem - zumal bei einem Mängelbehebungsschriftsatz - nicht gesagt werden kann, es handle sich um einen minderen Grad des Versehens.
Dem Antrag zu Zl. 96/17/0323 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist konnte daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben werden.
2.3. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 14. Juni 1996 (Zl. 96/17/0327) erweist sich als verspätet, gibt doch der Antragsteller selbst in beiden Antragsschriftsätzen an, am 9. April 1996 Kenntnis von der durch ein behauptetes Kanzleiversehen verursachten teilweisen Nichterfüllung des Mängelbehebungsauftrages erlangt zu haben. Gemäß § 46 Abs. 2 VwGG war der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses (hier: der mangelnden Kenntnis des Beschwerdevertreters von der unterbliebenen Übersendung der Beschwerdeausfertigungen) zu stellen. Diese Frist war im Zeitpunkt der Stellung des zu Zl. 96/17/0327 protokollierten Wiedereinsetzungsantrages bereits abgelaufen.
Im übrigen würde auch für diesen Antrag - auf dem Boden des Antragsvorbringens und der Aktenlage - gelten, was oben zur Sphäre des eigenen Verantwortungsbereiches des rechtsfreundlichen Vertreters des Antragstellers ausgeführt wurde.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 14. Juni 1996 war daher gemäß § 46 Abs. 2 VwGG als verspätet zurückzuweisen.
2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996170323.X00Im RIS seit
03.04.2001