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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. November 1994, Zl. IIc/6702 B - AIS 16834 SCHE, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin (Inhaberin der A) beantragte die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den bosnischen Staatsangehörigen V. für die Tätigkeit als Reklamefachmann.
Mit Bescheid vom 2. August 1994 lehnte die Behörde erster Instanz den Antrag gemäß § 4 Abs. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 AuslBG ab. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei davon auszugehen, daß auf dem relevanten Teilarbeitsmarkt der Werbefachleute Arbeitssuchende vorgemerkt seien, die für eine Vermittlung in Betracht kämen. Es spreche daher die Lage auf dem Arbeitsmarkt gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung. Auch habe der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In der Berufung wies die Beschwerdeführerin auf die Wichtigkeit der Beschäftigung von V. für ihren Betrieb hin. Da die Beschwerdeführerin ausschließlich "jugoslawische" Video- und Musikkassetten verleihe, sei es unbedingt erforderlich, daß dieser Werbefachmann nicht nur über nötige Sprachkenntnisse verfüge, sondern auch bereits längere Zeit in diesem Bereich tätig gewesen sei und einschlägige Erfahrung habe. V. erfülle alle Voraussetzungen des erforderlichen Berufsbildes. Der Betrieb befinde sich noch in der Aufbauphase und bedürfe dringend einer Erweiterung des Geschäftsbereiches, um wirtschaftlich bestehen zu können. Die Behauptungen im Bescheid, wonach vorgemerkte Werbefachleute für die Vermittlung in Betracht kämen, gehe insofern ins Leere, als die vorgemerkten Werbefachleute "mit Sicherheit" weder über die erforderlichen Sprachkenntnisse noch über die erforderliche einschlägige Erfahrung im Video-Verleihbereich verfügten.
Einen in den Verwaltungsakten aufliegenden Vordruck vom 19. August 1994, in dem darauf hingewiesen wurde, das "Arbeitsamt könne Ihnen aus seinem Stand an arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten, die für die Tätigkeit, für die sie den/die obige(n) Ausländer/Ausländerin beantragt haben, zur Verfügung stehen", beantwortete die Beschwerdeführerin durch Ankreuzen der Rubrik: "Ich ersuche um die Zuweisung von Arbeitskräften, die ich ANSTELLE des (der) beantragten Ausländers/Ausländerin beschäftigen möchte und lege den ausgefüllten Vermittlungsauftrag bei" (ein Vermittlungsauftrag für einen Werbefachmann war angeschlossen).
Über das in der Folge offensichtlich durchgeführte Vermittlungsverfahren findet sich in den vorgelegten Akten lediglich ein Bewerbungsbogen einer Frau Heidemarie K, die wegen - näher ausgeführter - fehlender Qualifikationen von der Beschwerdeführerin nicht eingestellt wurde. Die Rubrik "weitere Vorstellungen erwünscht" ist in dem Vordruck vom 19. September 1994 angekreuzt.
Zusammen mit der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin ein behördliches Schriftstück vom 18. Oktober 1994 vor, das als Mängelbehebungsformblatt gestaltet war und zum Punkt "Sonstiges" folgende Fragestellung enthielt: "Stellungnahme zum Ersatzkräfte-Angebot - Soll dieses gestoppt werden?" (Anm.: In den vorgelegten Verwaltungsakten ist diese Anfrage nicht vorhanden).
Im Antwortschreiben vom 29. Oktober 1994 führte die Beschwerdeführerin aus, "aufgrund Ihrer Aufforderung teilen wir Ihnen mit, daß wir keine weiteren Vorstellungen mehr wünschen. Leider haben alle von Ihnen geschickten Arbeitnehmer nicht einer Anforderung entsprochen".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. November 1994 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 1 und § 13 AuslBG keine Folge.
In der Begründung zitierte die belangte Behörde die einschlägigen Rechtsvorschriften und führte dazu aus, die im Zuge des Berufungsverfahrens durchgeführte Überprüfung der Lage auf dem verfahrensgegenständlichen Teilarbeitsmarkt habe ergeben, daß derzeit Ersatzarbeitskräfte, die für die konkret beantragte Beschäftigung geeignet seien, zur Vermittlung vorgemerkt seien und zur Deckung des Arbeitskräftebedarfes zur Verfügung stünden. Angesichts dieser Situation sei die Möglichkeit eine Ersatzstellung für die beantragte ausländische Arbeitskraft angeboten worden. Es sei von der Beschwerdeführerin zwar ein Vermittlungsauftrag erteilt, jedoch keine einzige der zugewiesenen Personen eingestellt worden. "Weiters teilten Sie auf der retournierten Vorstellungskarte der zugewiesenen Ersatzkraft K Heidemarie mit, daß keine weiteren Vorstellungen gewünscht werden, bzw. teilten Sie dies auch mit Ihrem Schreiben vom 29.10.1994 ausdrücklich mit." Die Beschwerdeführerin habe damit unbestritten kundgetan, daß die Vermittlung (weiterer) Ersatzkräfte nicht gewünscht werde. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß die Beschwerdeführerin an Ersatzkräften desinteressiert (gewesen) sei, bevor noch festgestanden sei, daß aus dem vorhandenen Ersatzkräftepotential keine für die offene Stelle geeignete und gewillte Kraft gestellt werden konnte. Ein derartiger vorzeitiger Abbruch des bereits begonnenen Ersatzkräftestellungsverfahrens stelle im Ergebnis eine unbegründete Ablehnung von Ersatzkräften dar, welche eine weitere Prüfung entbehrlich mache, ob für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder ein bevorzugt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung stünden. Aus diesen Gründen seien daher die Erteilungsvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 AuslBG nicht gegeben und die Tatbestände des § 4 Abs. 6 Z. 2 leg. cit. somit auch nicht weiter zu prüfen gewesen.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (jedoch offenkundig unvollständig) vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung ausschließlich auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt.
Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, 92/09/0179, und viele andere).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. auch das Erkenntnis vom 23. April 1993, 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.
Diese Beweisführung erübrigt sich dann, denn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. September 1993, 93/09/0155, vom 19. Februar 1993, 92/09/0242, und vom 20. April 1995, 94/09/0390).
Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde von einer derartigen unberechtigten Ablehnung des (weiteren) Ersatzkräftestellungsverfahrens seitens der Beschwerdeführerin aus. Dazu ist zunächst festzustellen, daß das dafür herangezogene erste Argument, auf der Vorstellungskarte der zugewiesenen Ersatzkraft K sei vermerkt, daß keine weiteren Vorstellungen gewünscht würden, aktenwidrig ist. Der im Akt erliegenden Vorstellungskarte (Bewerbungsbogen) ist vielmehr zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin die Rubrik "weitere Vorstellungen erwünscht" angekreuzt hat. Die Annahme der unberechtigten Ablehnung der Ersatzkraftstellung kann aber auch nicht auf das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 29. Oktober 1994 gestützt werden. Die diesbezügliche Anfrage vom 18. Oktober 1994 enthielt nämlich im wesentlichen nur die bloße Frage, ob das Ersatzkräfte-Angebot "gestoppt" werden solle. Es wird dazu von der Behörde in diesem Schriftstück nicht einmal die Behauptung aufgestellt, daß überhaupt (noch) nach Ansicht der Behörde geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung stünden. Dies wäre umso mehr notwendig gewesen, weil offensichtlich ein bisher ergebnisloses Ersatzkräftestellungsverfahren stattgefunden hatte und die Anfrage mangels weiterer Differenzierung durchaus auch dahingehend verstanden werden konnte, die Behörde gehe ebenfalls von einer Erfolglosigkeit eines weiteren Arbeitskräftestellungsverfahrens mangels geeigneter Bewerber aus (worauf auch die Ausführungen im Antwortschreiben zum Nichtentsprechen der "geschickten Arbeitnehmer" hindeuten).
Die belangte Behörde ging damit im Ergebnis zu Unrecht von einem unbegründeten Abbruch des Ersatzkräftestellungsverfahren seitens der Beschwerdeführerin aus, sodaß der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0379).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger i.S.d. § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1996, 95/09/0261). Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Umsatzsteuer, die neben dem Pauschalbetrag nicht zuzuerkennen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994090386.X00Im RIS seit
20.11.2000