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Naturschutz Landschaftsschutz UmweltschutzNorm
AVG §45 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Waldner und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Dr. HM, Rechtsanwalt in Wien I, Fichtegasse 2A, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 7. Oktober 1986, Zl. MA 22-B 14/85, betreffend nachträgliche Vorschreibung einer Ersatzpflanzung nach dem Wiener Baumschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes in Wien nn, F-Weg 16, gemäß § 14 Abs. 1 des Wiener Baumschutzgesetzes, LGBl. Nr. 27/1974 (im folgenden: BaumschutzG), aufgetragen, an Stelle der 16 im September 1983 auf dem genannten Grundstück gefällten Bäume 40 Ersatzbäume zu pflanzen. Weiters wurde gemäß § 6 Abs. 5 leg. cit. das Ausmaß der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung mit 48 Bäumen festgestellt.
In der Begründung führte die belangte Behörde - soweit hier von Belang - aus: Es stehe unbestritten fest, daß auf dem bezeichneten Grundstück in der Zeit vom 15. bis 20. September 1983 insgesamt 16 nach dem BaumschutzG geschützte Bäume mit jeweils mehr als 40 cm Stammumfang in 1 m Höhe ohne behördliche Bewilligung gefällt worden seien. Zum Berufungsvorbringen, die Baumentfernung sei ohne Wissen und Willen des Beschwerdeführers erfolgt, wird in der Begründung ausgeführt: Es seien dazu der Leiter der Wiener Geschäftsstelle der Firma RJ KG, Ing. JH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer, Ing. ES, und ihr gewerberechtlicher Geschäftsführer, Ing. EK, als Zeugen vernommen worden. Über ausdrückliches Ersuchen des Beschwerdeführers sei außerdem Dipl.Ing. HD als Zeuge vernommen worden. Der Zeuge Ing. JH habe ausgesagt, der RJ KG sei von der „Firma B“ (richtig wohl: B und H Gesellschaft m.b.H.) der Auftrag erteilt worden, auf dem gegenständlichen Grundstück aus Werbegründen eine Tafel aufzustellen. Dies sei im Frühjahr 1983 gewesen. Noch im Jahre 1983 sei dann von der „Firma B“ um die Baubewilligung für ein Reihenhausprojekt auf dem gegenständlichen Grundstück angesucht worden. Als Bauführer sei damals die RJ KG aufgetreten. Von der erfolgten Baumfällung habe der Zeuge erst durch Zeitungsberichte erfahren. Es sei ihm aber nicht bekannt, wer die Fällung veranlaßt habe. Der Zeuge Ing. ES habe angegeben, die RJ KG habe den Auftrag erhalten, am Zaun des gegenständlichen Grundstücks eine Firmentafel anzubringen. Die Bäume seien aber nicht von seinen Arbeitern und nicht in seinem Auftrag gefällt worden. Auch dieser Zeuge habe keine Angaben darüber machen können, von wem die Bäume gefällt wurden. Der Zeuge Dipl.Ing. HD schließlich habe vorgebracht, weder die „Firma B“ noch der Beschwerdeführer hätten ihm den Auftrag gegeben, die Bäume zu fällen. Diese Zeugenaussagen seien nicht geeignet darzulegen, daß die Baumentfernung ohne Wissen und Willen des Beschwerdeführers erfolgt sei. Wie aus den Unterlagen der Magistratsabteilung 37 hervorgehe, habe der Beschwerdeführer am 20. Juli 1983 um (die Bewilligung zur) Errichtung eines Wohnhauses auf dem gegenständlichen Grundstück angesucht. In dem zu einer näher genannten Zahl anhängigen Bauverfahren seien der Beschwerdeführer als Bauwerber und die RJ KG als Bauführer aufgetreten. Am 19. September 1983 sei durch einen Nachbarn die telefonische Anzeige der Baumentfernung erfolgt. Allein schon der zeitliche Zusammenhang lege es nahe, daß die Baumentfernung im Zuge der Bauführung durchgeführt worden sei. Sie sei als Vorbereitung der Bauführung auch im Interesse des Beschwerdeführers als des Bauwerbers im gegenständlichen Bauverfahren gelegen gewesen. Es liege daher auf der Hand, daß die Baumentfernung im Zuge der Bauführung erfolgt sei. Dafür, daß die Baumentfernung von einer anderen Person eigenmächtig vorgenommen worden sei, gebe es keinen Anhaltspunkt. Zudem hätte eine dritte Person bei eigenmächtiger Baumentfernung mit einer Bestrafung rechnen müssen; es sei nicht einzusehen, warum sie sich einer solchen Gefahr ausgesetzt haben sollte. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Baumentfernung sei ohne sein Wissen und seinen Willen erfolgt, widerspreche solcherart auch den Erfahrungen des täglichen Lebens.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; er beantragt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens, einschließlich des den Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsstrafaktes, vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der mit „Nachträgliche Vorschreibung einer Ersatzpflanzung oder Ausgleichsabgabe“ überschriebene § 14 BaumschutzG bestimmt in seinem Abs. 1: Hat der Grundeigentümer (Bauberechtigte) oder mit dessen Wissen und Willen ein Dritter ohne behördliche Bewilligung einen Baum entfernt oder die Erhaltungspflicht nach § 2 verletzt, so ist unbeschadet der Strafbarkeit dem Grundeigentümer (Bauberechtigten) eine Ersatzpflanzung oder Ausgleichsabgabe vorzuschreiben.
Nach der insofern eindeutigen Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde ihre Entscheidung auf den Tatbestand der konsenslosen Entfernung eines geschützten Baumes durch einen Dritten mit Wissen und Willen des Grundeigentümers gestützt. Dieser Tatbestand erfordert den von Amts wegen zu führenden Nachweis, daß die Baumentfernung „mit Wissen und Willen“ des Grundeigentümers erfolgt ist. Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, normiert dieser Tatbestand des § 14 Abs. 1 BaumschutzG keine gesetzliche Vermutung zum Nachteil des Grundeigentümers mit der Folge, daß er im Falle einer konsenswidrigen Baumentfernung durch Dritte den Nachweis seines Nichtwissens und Nichtwollens zu erbringen hätte. Das hat die belangte Behörde freilich nicht behauptet. Auch läßt sich nicht, wie der Beschwerdeführer anscheinend meint, der Begründung des angefochtenen Bescheides zweifelsfrei entnehmen, daß die belangte Behörde von dieser unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen wäre. Wohl aber ergibt sich aus der Bescheidbegründung insgesamt, daß die belangte Behörde aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens den Schluß gezogen hat, es sei die Baumentfernung „mit Wissen und Willen“ des Beschwerdeführers erfolgt, und damit diese Tatbestandsvoraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt.
Der Beschwerdeführer bestreitet mit seinen Verfahrensrügen der Sache nach die Berechtigung dieser Schlußfolgerung. Er ist damit im Recht.
Feststeht, daß der (die) unmittelbare(n) Täter unbekannt geblieben ist (sind) und daß keiner der vernommenen Zeugen angegeben hat, der Beschwerdeführer habe den Auftrag zur Baumentfernung gegeben oder von ihr Kenntnis gehabt und sie gewollt. Der Begründung des angefochtenen Bescheides zufolge war für die Schlußfolgerung der belangten Behörde ihre Annahme entscheidend, der Beschwerdeführer habe ein Interesse an der Baumentfernung gehabt. In der Tat könnte der zeitliche Zusammenhang zwischen der Stellung des Antrages auf Erteilung der Baubewilligung für die geplante Reihenhausanlage im Juli 1983 und der Baumentfernung im September dieses Jahres die Annahme eines Interesses des Beschwerdeführers an der Baumentfernung nahelegen. Diese Annahme setzt jedoch voraus, daß die Baumentfernung wenigstens zum Teil für die Realisierung des eingereichten Projektes notwendig war. Das aber hat die belangte Behörde selbst nicht angenommen. Dafür bieten auch die Ermittlungsergebnisse keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil: Der in dem den Beschwerdeführer betreffenden Strafverfahren als Zeuge vernommene, bei der planenden Gesellschaft tätige Dipl.Ing. HD erklärte bei seiner Vernehmung am 4. Juni 1984 ausdrücklich: „Bei diesem Projekt war kein Baum im Wege“. Davon abgesehen beruht die Argumentation mit dem Interesse des Beschwerdeführers auf der Annahme, er allein habe ein Interesse an der Baumentfernung gehabt. Demgegenüber weist der Beschwerdeführer zu Recht darauf hin, daß mit dem eingereichten Projekt ein Bauorganisator, ein Planverfasser und ein Bauunternehmen gegen Entgelt befaßt und daß daneben zwei Käufer ideeller Anteile (darunter Dr. HL) vorhanden gewesen seien. Bei all den Genannten kann ein gewisses Interesse an der Baumentfernung, deren Notwendigkeit vorausgesetzt, angenommen werden. Bei den Käufern ideeller Anteile liegt sogar die Annahme eines erheblich größeren Interesses als jenes des Beschwerdeführers an der gegenständlichen Baumentfernung nahe, entspricht es doch der Lebenserfahrung, daß die Kosten der Ersatzpflanzung bzw. die Ausgleichsabgabe letztlich nicht den Grundstückseigentümer belasten, weil sie von diesem auf die Erwerber der Wohnobjekte überwälzt werden können. Schließlich ist auch das in der Gegenschrift der belangten Behörde angeführte Verhalten des Beschwerdeführers (Unterlassen einer zivilrechtlichen Klage und einer Strafanzeige) nicht geeignet, die Annahme, die Baumentfernung sei mit Wissen und Willen des Beschwerdeführers erfolgt, zu stützen: Abgesehen von der Unmöglichkeit einer zivilrechtlichen Klage gegen Unbekannte, läßt das Unterlassen einer Strafanzeige keineswegs zwingend den Schluß auf vorgängiges Wissen und Wollen des Beschwerdeführers zu. Der Hinweis der belangten Behörde auf die übliche Reaktion auf eine vorsätzliche Sachbeschädigung, nämlich die Erstattung einer Anzeige, läßt außer acht, daß die eigenmächtige Baumentfernung durch einen Dritten im Hinblick auf die Regelungen des BaumschutzG und die daraus resultierenden Belastungen nicht notwendigerweise einen „Schaden“ für den Grundeigentümer zur Folge haben muß.
Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Ermittlungsergebnisse vermögen die Annahme der belangten Behörde, die Baumentfernung sei „mit Wissen und Willen“ des Beschwerdeführers erfolgt, nicht zu tragen. Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie dessenungeachtet bei ihrer Entscheidung von dieser Annahme ausgegangen ist, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der angefochtene Bescheid ist aus diesem Grund, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren ist abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides genügte.
Wien, am 2. Mai 1988
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1988:1986100195.X00Im RIS seit
06.04.2022Zuletzt aktualisiert am
06.04.2022