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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. I. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des S A, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2021, L529 2159296-1/26E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 18. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er zusammengefasst damit begründete, er sei etwa eine Woche nach der Erschießung seines Onkels entführt und verletzt worden. Seitdem leide er an Angstzuständen, weshalb er den Irak verlassen habe.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 29. April 2017 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. Juni 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2021, E 3389/2021-5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Zulässigkeit der Revision wendet sich der Revisionswerber zunächst gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung und bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe entgegen der wiederholten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den psychischen Gesundheitsstatus des Revisionswerbers bei der Würdigung seiner Angaben nicht berücksichtigt.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 12.1.2022, Ra 2021/20/0225, mwN).
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 22.1.2021, Ra 2020/01/0482, mwN).
11 Zum Einwand seines beeinträchtigten Aussageverhaltens ist vorweg festzuhalten, dass der Revisionswerber am Beginn der Verhandlung bejaht hatte, dass er physisch wie psychisch in der Lage sei, der Verhandlung zu folgen. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er an, gesund zu sein und derzeit keine Medikamente zu nehmen. Auch während der Verhandlung wurde nichts Gegenteiliges behauptet. Inwieweit die vorgebrachte psychische Erkrankung des Revisionswerbers sein Aussageverhalten tatsächlich beeinträchtigt hätte, legt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht dar.
12 Soweit der Revisionswerber die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage rügt, ob der Revisionswerber tatsächlich nicht unter einer akut behandlungsbedürftigen Erkrankung leide und ob bzw. in welchem Ausmaß eine Rückführung des Revisionswerbers in den Irak eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde, macht er einen Verfahrensfehler geltend.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 13.1.2022, Ra 2021/14/0386 bis 0390, mwN).
14 Weiters unterliegt die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 8.9.2021, Ra 2021/20/0312, mwN).
15 Vor diesem rechtlichen Hintergrund gelingt es der Revision nicht darzutun, dass dem Bundesverwaltungsgericht vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mängel vorzuwerfen wären.
16 Wenn der Revisionswerber nämlich pauschal vorbringt, insbesondere aus dem Akteninhalt ergebe sich zweifellos eine psychische Beeinträchtigung des Revisionswerbers, und daher hätte das Bundesverwaltungsgericht auf das Gutachten eines Sachverständigen zurückgreifen müssen, legt der Revisionswerber nicht dar, welche konkreten Feststellungen im Fall der Einholung des Gutachtens getroffen hätten werden können und weshalb das Bundesverwaltungsgericht anhand dieser zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 9. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140248.L00Im RIS seit
06.04.2022Zuletzt aktualisiert am
11.04.2022