TE OGH 2022/2/2 6Ob230/21y

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Veröffentlicht am 02.02.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache betreffend den Gemeindeschießstand *, wegen Bestellung eines Abwesenheitskurators, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers Mag. B* S*, vertreten durch Dr. Wolfgang Lang, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 9. November 2021, GZ 3 R 278/21m-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

[1]            Aufgrund einer Urkunde vom 18. 3. 1898 ist als Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, bestehend aus dem GST-NR *, eine Schützengesellschaft, der „Gemeindeschießstand *“ (vgl dazu und zu dessen fehlender „Vollbeendigung“: 5 Ob 47/21d), einverleibt.

[2]            Der Antragsteller strebt die Bestellung eines Abwesenheitskurators für den „Gemeindeschießstand *“ an. Dieser sei seit 1920 aufgelöst, eine Rechtsnachfolge habe nicht stattgefunden. Die Liegenschaft sei herrenlos. Er strebe infolge seiner bereits abgegebenen Aneignungserklärung die Anerkennung und Eintragung seines Eigentumsrechts im Grundbuch an, wobei hiefür davor die Dereliktion festzustellen sei. Mangels eines mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Gegenübers sei es jedoch nicht möglich, die vom Grundbuchsgericht geforderte Dereliktionserklärung einzuholen. Eine solche sei aber Voraussetzung für eine Herrenloserklärung eines Grundstücks. Der Antragsteller sei in seinem berechtigten Interesse beeinträchtigt, die Herrenlosigkeit und das Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft eintragen zu lassen.

[3]                     Das Erstgericht wies den Antrag ab.

[4]       Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[5]       Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[6]       1. Eine Kuratorbestellung zur Wahrung von Interessen dritter Personen soll grundsätzlich nur dann möglich sein, wenn dadurch ein gerechtfertigtes Interesse, nämlich die Ermöglichung der Rechtsdurchsetzung, verfolgt wird. Ein Dritter hat nach § 277 Abs 3 ABGB nur dann ein Recht, dass für einen anderen ein Kurator bestellt wird, wenn der Dritte ansonsten an der Durchsetzung seiner Rechte aus seinem Rechtsverhältnis mit dem anderen diesem gegenüber gehindert wäre (5 Ob 181/19g).

[7]            2. Auch bei Liegenschaften besteht die Möglichkeit der Preisgabe und deren Aneignung (5 Ob 47/21d; RS0110725). Die Preisgabe erfolgt durch die tatsächliche Aufgabe des Besitzes mit dem Willen, das Eigentum an der Sache aufzugeben (§ 362 ABGB). Sie ist eine Willensbetätigung und setzt voraus, dass der Wille zur Aufgabe des Eigentums aus dem verwirklichten äußeren Tatbestand zu erschließen ist. Dazu bedarf es eines von außen erkennbaren Akts der Dereliktion (5 Ob 47/21d; vgl 1 Ob 213/13z). Bei verbücherten Liegenschaften ist für deren Wirksamkeit zusätzlich die Eintragung (der Herrenlosigkeit) im Grundbuch erforderlich (RS0110726). Eine herrenlose Liegenschaft kann von jedermann durch Aneignung erworben werden (5 Ob 126/98k). Derjenige, der sich eine herrenlose Sache aneignet, erwirbt die Sache daher originär und nicht derivativ von einem Vormann. Die in den §§ 317, 381 ABGB erwähnte angeborene Freiheit auf Zueignung gewährt auch kein anderes ausschließendes subjektives Recht auf Besitzergreifung (1 Ob 26/91).

[8]            3. Das Rekursgericht war der Ansicht, aus dem Vorbringen des Antragstellers sei nicht abzuleiten, dass oder auf Grundlage welchen Rechtsverhältnisses ihm ein Recht auf Abgabe einer Dereliktionserklärung durch die abwesende Partei zukommen sollte. Auch wenn die vorherige Dereliktion Voraussetzung für die vom Antragsteller angestrebte Aneignung sein mag, fehle es an einer entsprechenden Grundlage für ein Recht des Antragstellers auf Abgabe einer solchen Erklärung und damit an einem berechtigten Interesse an der beantragten Kuratorbestellung. Diese Beurteilung findet Deckung in den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen. Der Revisionsrekurs legt auch nicht dar, aus welchem Rechtsgrund ein Anspruch des Antragstellers auf Abgabe einer Dereliktionserklärung durch den „Gemeindeschießstand *“ bzw einen allenfalls für diesen zu bestellenden Kurator bestehen sollte.

[9]          4. Der Antragsteller stützt sich erstmals im Revisionrekurs darauf, dass er auch deshalb ein berechtigtes Interesse an der Bestellung eines Kurators habe, weil zur Durchsetzung seines ersessenen Eigentumsrechts an der Liegenschaft die Zustellung einer Feststellungsklage an den Ersitzungsgegner erforderlich sei. Damit verstößt er jedoch gegen das Neuerungsverbot des § 66 Abs 2 AußStrG (RS0119918).

Textnummer

E134305

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00230.21Y.0202.000

Im RIS seit

06.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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