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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Oktober 1995, Zl. MD-VfR - B XIII - 24 u. 25/95, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: A-GesmbH in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 21. Mai 1992 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für ein Wohnhaus auf den Grundstücken Nr. 308/15, inneliegend der Liegenschaft EZ 328, KG U, sowie Nr. 308/17 und Nr. 308/118, beide inneliegend der Liegenschaft EZ 330, KG U, sämtliche Grundstücke im Eigentum R-AG. An das Grundstück Nr. 308/15 grenzt im Westen das Grundstück Nr. 308/14, inneliegend der Liegenschaft EZ 325, KG U, welches im Miteigentum des Beschwerdeführers steht. Laut Einreichplan des Architekten Dipl.-Ing. T vom 16. März 1992, welcher dem Beschluß des Bauausschusses vom 15. Juli 1993 zugrundelag und auf welchen sich der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 27. Juli 1993 bezieht, soll das eingereichte Projekt im Norden 3,20 m von der vorbezeichneten Grundstücksgrenze entfernt errichtet werden. Plangemäß soll das projektierte Gebäude insgesamt nicht weniger als 3 m von der Grundstücksgrenze zu Liegenschaft EZ 325, KG U, entfernt sein.
Der unter Androhung der Präklusionsfolgen des § 42 AVG persönlich geladene Beschwerdeführer ist zur mündlichen Verhandlung der Baubehörde erster Instanz am 21. Oktober 1992 nicht erschienen.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 27. Juli 1993 wurde gemäß § 70 i. V.m. § 69 Abs. 8 der Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes die beantragte Baubewilligung erteilt. Der Bescheid wurde jedoch dem Beschwerdeführer nicht zugestellt.
Mit Eingabe an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 19. Juli 1994 beantragte der Beschwerdeführer, das gegenständliche Bauverfahren wieder aufzunehmen und den ihm bisher unbekannten Baubewilligungsbescheid aufzuheben. Gegen den ihm nicht zugestellten Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 27. Juli 1993 erhob der Beschwerdeführer auch Berufung mit dem Hinweis, in sämtlichen Plänen sei die Grundstücksgrenze nicht entsprechend den seit 1937 bestehenden Gegebenheiten, sondern derart eingezeichnet, daß zwischen dem geplanten Objekt und der eingezeichneten Grenze unter Zugrundelegung des Planmaßstabes ein Dreimeterabstand bestehe. Auf diesem Umstand werde in den Plänen nicht hingewiesen. Tatsächlich betrage der Abstand des gegenständlichen Bauwerkes von der Grundgrenze lediglich 2,62 m.
Mit Schriftsatz vom 11. August 1995, bei der belangten Behörde eingelangt am 14. August 1995, beantragte der Beschwerdeführer den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag vom 19. Juli 1994 auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.
Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Oktober 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 27. Juli 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A) und der Antrag des Beschwerdeführers, das Baubewilligungsverfahren, wiederaufzunehmen und den Baubewilligungsbescheid aufzuheben, abgewiesen (Spruchpunkt B). In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, auf das gegenständliche Bauvorhaben sei die Bauordnung für Wien in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992 anzuwenden. Die Parteistellung des Beschwerdeführers stehe unbestritten fest. Der Beschwerdeführer habe - wie sich aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom 5. Oktober 1989 (zuletzt verlängert am 23. November 1992), und auf Grund des Lageplanes, in welchem sogar die Bäume eingezeichnet seien, ergäbe - ausreichend Gelegenheit gehabt, sich über das Bauvorhaben auf der Nachbarliegenschaft zu informieren. Allfällige Bedenken gegen die Richtigkeit des in den Plänen dargestellten Grenzverlaufes hätte er rechtzeitig in Form einer Einwendung vorbringen können. Es wäre ihm noch freigestanden, schon bei der Einsichtnahme in die Pläne einen Sachverständigen beizuziehen, der ihn bei der Beurteilung des Grenzverlaufes hätte beraten können. Der Lageplan weise jedenfalls einen Abstand des Bauwerkes von der rechten Grundgrenze auf, der an der Baulinie 3,20 m und im Bereich der hinteren Baufluchtlinie 3 m betrage. In diesem Bereich sollte die seitliche Baufluchtlinie, welche der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausdrücklich aufweise, auch nicht im Wege einer Ausnahmebewilligung gemäß § 69 BO überragt werden. Die Ausnahmebewilligung auf das Überragen der seitlichen Baufluchtlinie beziehe sich auf den zentralen Bereich des Bauplatzes. Sollte es bei der tatsächlichen Ausführung des Bauvorhabens - wie vom Beschwerdeführer behauptet - zu einem Heranrücken des Bauwerkes auf 2,62 m an die im Einreichplan dargestellte Grundgrenze gekommen sein, läge kein Mangel der Baubewilligung, sondern ein Mangel der Bauausführung vor. Ein solcher könne jedoch nicht im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens releviert werden. Vielmehr wäre es Aufgabe der Baubehörde erster Instanz, eine tatsächlich vorgekommene Planabweichung mit einem Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO zu ahnden. Der Beschwerdeführer habe trotz entsprechender Möglichkeit die rechtzeitige Erhebung von Einwendungen gegen das Bauvorhaben unterlassen. Mit seinem nunmehrigen Vorbringen sei er daher präkludiert.
In seinem Wiederaufnahmsantrag berufe sich der Beschwerdeführer ausdrücklich auf § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG. Voraussetzung eines solchen Antrages sei das Fehlen eines Verschuldens der Partei an der nicht rechtzeitigen Geltendmachung von Tatsachen und Beweismitteln. Abgesehen davon, daß die Richtigkeit der vom Beschwerdeführer aufgestellten Behauptungen über den Grenzverlauf keineswegs feststehe, hätte er bei entsprechender Vorbereitung durchaus Gelegenheit gehabt, die nunmehr als neu bezeichneten Tatsachen und Beweismittel (betreffend den Grenzverlauf) schon im erstinstanzlichen Verfahren und vor dem Eintritt der Präklusion vorzubringen. Der Wiederaufnahmsantrag sei daher ebenfalls unbegründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Einhaltung des im § 79 Abs. 3 BO normierten Dreimeterabstandes zwischen der Grundstücksgrenze und dem auf dem Nachbargrundstück errichteten Gebäude und in dem Recht auf Bewilligung des Wiederaufnahmsantrages bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 5. Oktober 1989 wurden die Bebauungsbestimmungen für die oben näher bezeichneten Grundstücke festgesetzt. Demnach besteht für die im Wohngebiet liegenden gegenständlichen Grundstücke Bauklasse II und offene Bauweise.
Gemäß § 79 Abs. 3 der Wiener Bauordnung in der Fassung vor der Bauordnungsnovelle 1992 (BO) muß in der offenen Bauweise der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in den Bauklassen I und II mindestens 6 m betragen. Die Fläche, die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liegt, wird als Abstandsfläche bezeichnet. In den Abstandsflächen darf auf demselben Bauplatz mit nur einem Gebäude an zwei Gebäudefronten auf höchstens die Hälfte dieses Abstandes an die Nachbargrenzen herangerückt werden, wenn die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche innerhalb eines Rechteckes liegt, dessen Umfang nach Abzug der Schnittlängen an keiner der beiden Fronten in den Bauklassen I und II mehr als 21 m beträgt.
Auf die Einhaltung des ihm gegenüber einzuhaltenden Abstandes besitzt der Nachbar einen Rechtsanspruch (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1984, Zl. 83/05/0173, BauSlg. Nr. 178, sowie das hg. Erkenntnis vom 13. April 1993, Zl. 92/05/0305). Es kommt hiebei ausschließlich auf die in den Plänen eingezeichneten Koten und Maße der Grenzabstände an (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zl. 87/05/0097).
Im vorliegenden Fall bedarf es schon deshalb keiner Erörterung, ob der Beschwerdeführer in einem nach § 79 Abs. 3 BO normierten Recht verletzt ist, weil seine Parteistellung als Nachbar im Baubewilligungsverfahren beschränkt ist und er nur nach Maßgabe der Regelung des § 42 AVG einen Rechtsanspruch darauf hat, daß ein Bauvorhaben seine rechtzeitig geltend gemachten, durch baurechtliche Bestimmungen eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte nicht verletzt (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 38). Hat der Nachbar als Partei des Baubewilligungsverfahrens, obwohl er zur Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz ordnungsgemäß geladen wurde, rechtzeitig - spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung - gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers keine Einwendungen erhoben, dann ist anzunehmen, daß er dem Bauvorhaben zustimmt. Verspätet erhobene Einwendungen finden keine Berücksichtigung. Nur hinsichtlich rechtzeitig erhobener Einwendungen hat daher der Nachbar einen Rechtsanspruch auf Überprüfung des unterinstanzlichen Bescheides (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A). Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes haben die Rechtsfolgen einer Präklusion zu berücksichtigen. Mangels rechtzeitiger Geltendmachung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des § 42 AVG ist es der Berufungsbehörde verwehrt, auf erstmals in der Berufung geltend gemachte Einwendungen einzugehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0294).
Eine strittige Grundgrenze begründet ein subjektives Nachbarrecht dann, wenn eine Rechtsverletzung durch das beabsichtigte Bauvorhaben denkbar ist, z.B. weil auf dem strittigen Teilgrundstück das Bauvorhaben errichtet werden soll (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 94/05/0241). Auch ist die Frage des strittigen Grenzverlaufes dann im Baubewilligungsverfahren als Vorfrage zu entscheiden, wenn dies zur Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens (etwa wegen Einhaltung des Abstandes) notwendig ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0195, m.w.N.). Für das gegenständliche Baubewilligungsverfahren ist jedoch ohne Bedeutung, wo die Grenze zwischen den Grundstücken Nr. 308/14 und Nr. 308/15 tatsächlich verläuft. Aus den dem Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 27. Juli 1993 als integrierende Bestandteile zugrundeliegenden Plänen ergibt sich nämlich eindeutig, daß das bewilligte Gebäude von dieser Grundgrenze in einem Abstand von zumindest 3 m zu errichten ist. Über den tatsächlichen Grenzverlauf geben diese Pläne keine Auskunft. Dies war für die Bewilligung des der Beschwerde zugrundeliegenden Bauansuchens der erstmitbeteiligten Partei auch nicht erforderlich. Ob bei Errichtung des bewilligten Baues der - auch vom Beschwerdeführer mangels entsprechender Einwendung als richtig anerkannte - Dreimeterabstand tatsächlich eingehalten worden ist, war im Baubewilligungsverfahren von den Behörden nicht zu prüfen.
In der Beschwerde wird nicht ausgeführt, worin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bezüglich der Abweisung des Wiederaufnahmeantrages liegen soll. Dem auf § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mußte schon deshalb ein Erfolg versagt bleiben, da für das gegenständliche Baubewilligungsverfahren entscheidungswesentliche neue Tatsachen und Beweismittel nicht hervorgekommen sind. Die für den Beschwerdeführer im Beschwerdepunkt als erheblich umschriebene Rechtsfrage des Abstandes des bewilligten Gebäudes von der Nachbargrenze (§ 79 Abs. 3 BO) konnte von den Baubehörden auf Grund der vorgelegten, auch dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Urkunden abschließend beurteilt werden. Gegen den aus den vorliegenden Plänen ersichtlichen Abstand des bewilligten Gebäudes zur Grundstücksgrenze hat der Beschwerdeführer rechtzeitig jedoch keine Einwendungen erhoben.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf den - soweit entscheidungswesentlich - unstrittigen Sachverhalt gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050337.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
22.02.2010