TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/25 93/05/0278

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland;
L81701 Baulärm Umgebungslärm Burgenland;
L82000 Bauordnung;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82201 Aufzug Burgenland;
L82251 Garagen Burgenland;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
BauO Bgld 1969 §104 Abs3;
BauO Bgld 1969 §31 Abs1;
BauO Bgld 1969 §88 Abs1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Elvira und des Josef F in F, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 11. Oktober 1993, Zl. 02/02/9/7, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Vorstellung gegen die mit Berufungsbescheid vom 1. Februar 1992 erfolgte Bestätigung der im Bescheid vom 23. April 1990 erteilten Auflagen keine Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Burgenland hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer beantragten am 29. September 1988 die Baubewilligung zur Renovierung ihres Hauses P, E-Straße 11. Nach der Baubeschreibung soll die bestehende Dacheindeckung abgetragen und erneuert werden. Die Fassade soll geputzt und blau eingefärbelt werden. Auf die Fassade des ebenerdigen Gebäudes soll eine sogenannte "blinde Wand" aus Betonsteinen bzw. Ziegeln aufgesetzt werden. Auch eine künstlerische Verzierung dieses Aufsatzes war vorgesehen. Schließlich sollen sämtliche Außenfenster dieser Fassade erneuert werden.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1989 untersagte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Fortsetzung der Arbeiten am Bauvorhaben. Die Ausführung eines Vorhabens, das einer Baubewilligung bedürfe, ohne Baubewilligung, sei gemäß § 104 Abs. 3 lit. a der Burgenländischen Bauordnung zu untersagen. Der Bau werde seit einiger Zeit konsenslos durchgeführt; seitens der Baubehörde müsse die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Ortsbildgestaltung und Dorferneuerung abgewartet werden und könne erst nach Vorliegen dieses Gutachtens die Baubewilligung erteilt oder abgelehnt werden.

Bei der Bauverhandlung an Ort und Stelle am 21. April 1989 wurde festgestellt, daß die Bauführung bereits beendet war. Die derzeitige Ausführung laufe aus der Sicht des Ortsbildes dem vorhandenen Charakter der E-Straße zuwider; die Giebelstellung sei untypisch und in der ausgeführten Form habe sie Kulissenwirkung. Den Beschwerdeführern wurde in Aussicht gestellt, daß ihnen eine schriftliche Stellungnahme des Bausachverständigen übermittelt werde.

Im Gutachten des Architekten Dipl. Ing. W vom 31. August 1989 heißt es:

"...

2.0 REGIONALE ASPEKTE ZUR DORFSTRUKTUR:

DIE BEDEUTUNG DER E-STRASSE

Neben der später beschriebenen Charakteristik der Bebauungsart und der Hausform sei hier auf die Tatsache verwiesen, daß die E-Straße ein Produkt einer historisch gewachsenen, vor ca. 50-70 Jahre einsetzenden Dorfentwicklung darstellt - nämlich die schrittweise, zum Ortsrand hin wachsende, achsiale Bebauung entlang der Ein- bzw. Ausfallsstraßen.

Am Beispiel der E-Straße läßt sich auch die sozioökonomische Entwicklung P ablesen. Der längliche Grundstückszuschnitt ist paralell zur "Hauptverkehrsstraße" orientiert und weist keine nennenswerte, zur Bebauung geeignete Tiefe auf. Das weitgehende Fehlen großer, für landwirtschaftliche Zwecke nutzbarer Gebäude wie Scheunen etc. weist zusätzlich auf die Phänomene des Wandels und der Änderung der Erwerbsstruktur und damit verbunden auf die Umschichtung der Bedürfnisstruktur hin.

3.0 RAUM- UND GESTALTPRÄGENDE ELEMENTE IM ZUSAMMENHANG MIT DER

DORFSTRUKTUR UND DORFGESTALT:

3.1 DER STRASSENRAUM:

Die E-Straße ist durch ihren geradlinigen, Nord-Süd gerichteten Verlauf gekennzeichnet. Der im Westen gelegene Fahrbahnrand zeigt einen durch Grünflächen mit Baumpflanzungen unterbrochenen Parkstreifen mit dahinter befindlichem Gehsteig und einer längsorientierten, überwiegend traufenständigen sowie ein- bis eineinhalbgeschoßigen Bebauung. Der östlich gelegene Fahrbahnrand ist durch einen durchgehenden Parkstreifen vor dem Gehsteig gekennzeichnet.

Es handelt sich hiebei um das klassische Erscheinungsbild eines Straßendorfes mit geschlossener Bebauung und steht damit in einem signifikanten Gegensatz zu den im Ortskernbereich vorzufindenden Straßenräumen.

3.2 DIE BEBAUUNG

Die überwiegend ein- bis eineinhalbgeschoßige Bebauung ist bis auf zwei Ausnahmen durchgehend längsorientiert, die Satteldächer sind zur Straße traufenständig und weisen keine Dachgaupen oder andere größere Dachaufbauten auf.

Die Verwendung von industriell gefertigten Materialien, Einbauteilen etc. ist ein weiteres Merkmal für das äußere Erscheinungsbild dieser geschlossenen Häuserzeile und weist damit auf eine in den 60-iger Jahren vorherrschende Baugesinnung hin.

Die wesentliche Charakteristik der Bebauung ist jedoch das Zurücktreten der einfachen, keine dominanten Bauteile aufweisenden Baukörper zugunsten des in geschlossener Bauweise ausgebildeten Ensembles (siehe dazu Abbildung 3 und 4).

4.0 GUTACHTEN ZUR BAUFÜHRUNG AM HAUSE E-STRASSE 11 IN P

4.1 BESCHREIBUNG DES ISTZUSTANDES

Das gegenständliche Gebäude wurde im Frühjahr des Jahres 1989 umgebaut und zeigt in der derzeitig vorliegenden Ausführung folgendes Erscheinungsbild (siehe dazu Abbildung 1 Zustand April 1989, Abbildung 2 ehemaliger Bestand November 1988).

Die Straßenfassade wurde im Traufenbereich mit drei unterschiedlich mächtigen, attikamauerartigen Scheingiebelaufbauten versehen, die äußeren Ränder derselben mit einsäumenden Faschen aus geschäumten Hartschaumstoff verziert.

Eine horizontale, über die gesamte Länge der Fassade durchlaufende Fasche befindet sich ca. um 30 cm höher als die ehemalige Traufenlinie.

Das große nordostseitig gelegene Fenster wurde in zwei kleinere Fenster mit vorgeblendeter Zwischenstütze geteilt, das benachbarte Fenster scheinbar gegenüber dem ehemaligen Bestand verkleinert, das Einfahrtstor wurde an den Überlagerecken halbkreisförmig abgerundet. Alle Öffnungen an der Fassade wurden mit zuvor erwähntem Material faschenartig eingefangen, wobei bei den Fenstern nur eine dreiseitige Ausführung festzustellen ist.

An den Ortgängen über den Feuermauern wurden straßenseitig ebenfalls attikaartige Aufmauerungen angebracht, deren Höhenentwicklung in einem unterschiedlichen Verhältnis zum Eckanschluß der Straßengiebel steht.

Die Dachdeckung wurde komplett erneuert und in rotem, stark strukturiertem Ziegelmaterial gedeckt. Die Dachform ist gegenüber dem Bestand nicht verändert und weist außer Metallstangen keine baukörperhafte Verbindung zu den davor befindlichen Scheingiebeln auf.

Eine zylinderförmige massige Scheibe ist ebenfalls nur an einer schlanken Metallstange mit dem Dach verbunden und überragt dieses am First um ca. einen Meter.

Die Farbe der Faschen ist weiss, die der Fassadenflächen blau, die Fenster sind braun, das Tor blau gehalten.

4.2 BEFUND AUS ORTSBILDGESTALTERISCHER SICHT

Der Baukörper erfährt durch diese Form der Gestaltung eine kulissenhafte Erscheinung, die in mehrfacher Hinsicht zur Irritation des Betrachters beiträgt und einen absolut störenden Einfluß auf das bauliche Ensemble der E-Straße ausübt.

Das Prinzip und die wesentliche Charakteristik der Bebauung - das Zurücktreten der einfachen und keine dominante Bauteile aufweisenden Baukörper zugunsten der additiv aneinandergereihten Häuser innerhalb eines geschlossenen Ensembles - wurde hier empfindlichst gestört und durch die Dominanz der Fassade mit den kulissenhaften Attikamauern mit einer gegenteiligen, nicht eingefühlten Bedeutung belegt - dem Hervortreten des einzelnen Baukörpers aus dem Ensemble.

Die Giebel sind sowohl in ihrer Größe, in ihrer Proportion als auch in ihrer äußeren Form ungleich ausgebildet. Ihre Situierung an der Längsseite entspricht in keinster Weise dem Charakter nordburgenländischer Häuser, ihre "fliehende oder fließende Gestalt" steht im krassen Gegensatz zu den, zweifelsohne als Vorbild dienenden barocken Giebeln, einiger Häuser der Region des Seewinkels. Im Bereich des nordwestlichen Neusiedlerseeufers ist das Vorkommen geschwungener barocker Giebel nicht traditionell.

Die Proportion der "Giebelflächen" wirkt durch diese Überlängen gequetscht und gezogen und steht in keinem Vergleich zu den ausgewogen proportionierten Giebeln an den Schmalseiten der Häuser. Weiters erweckt das Fehlen der körperhaften Verbindung zwischen Dach und Giebelmauer den Vergleich mit von Film und Bühne her bekannter, sogenannter "Kulissenarchitektur". Dieser Eindruck wird zusätzlich durch die Abstützung der Giebel mittels Metallstangen verstärkt und führt sogar zum optischen Eindruck des Kippens in Richtung Gehsteig.

Den "Versuch" zur Minderung dieses Effektes zeigen die, den Feuermauern aufgepfropften "Halb- oder Viertelgiebel" an den Ortgängen. Sie sind zu hoch geraten und stören damit die sensible Entwicklung der Dachlandschaft mit ihrer durch die Feuermauern begrenzten Flächen. Die Ausführungen der Ecklösung bei der Anbindung zur Strassenfassade sind im nordburgenländischen Raum beispiellos.

Die durchgezogene Einsäumung der Giebel sowie die horizontal durchlaufende Fasche im ehemaligen Traufenbereich verstärkt die "Längswirkung" des Baukörpers und steht damit im Gegensatz zu dem beabsichtigten Effekt eines Giebelhausensembles.

..."

In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten verwiesen die Beschwerdeführer zunächst auf die erteilte naturschutzbehördliche Genehmigung. Sie legten eine Reihe von Fotos vor, aus denen hervorging, daß die gewünschte Fassade durchaus landestypisch sei und bei einer Vielzahl von Gebäuden in der näheren und weiteren Umgebung Verwendung finde. Die E-Straße weise kein einheitliches Erscheinungsbild auf und sei das Straßen- und Häuserbild heterogen und vielgestaltig. Auch in P selbst fänden sich ähnliche Fassadenausbildungen, wie von den Beschwerdeführern gewünscht. Weiters wurde ein Bild zum Beweis dafür vorgelegt, daß es in P schon ein Haus mit blauer Fassade gäbe.

Mit Bescheid vom 23. April 1990 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die nachträgliche Baubewilligung zur Erneuerung der gesamten Dachhaut, zum Austausch der Fenster, zum Neuverputz und Einfärben der Nord- und Westfassade. Weiters heißt es im Spruchpunkt I dieses Bescheides: "Ein statischer Nachweis der baulichen Maßnahmen zu Torveränderungen und zur Befestigung des Storchennestes sind beizubringen. Die nichttragende blinde Wand (Giebel) wird nicht bewilligt und ist diese zu beseitigen".

In seiner Begründung verwies der Bürgermeister auf das Gutachten des Ortsbildsachverständigen und führte aus, daß dem Bescheid der Naturschutzbehörde keinesfalls alle ortsbildnerischen Gesichtspunkte zugrundelagen, zumal die Gemeinde einen Dorferneuerungsplan in Auftrag gegeben habe und somit bekundet habe, daß ortsbildrelevanten Fragen höchste Priorität bei der Erteilung von Baubewilligungen einzuräumen sei. Der Istzustand in Form einer nichttragenden "blinden Wand" könne nicht als typisch für die unmittelbare Region um P angesehen werden. Die Gestaltung der Fassade durch die Errichtung des Giebels störe das bauliche Ensemble der E-Straße weit mehr als sie das Erscheinungsbild positiv beeinflusse.

Mit ihrer Berufung bekämpften die Beschwerdeführer diesen Bescheid insoferne, als ein statischer Nachweis der baulichen Maßnahmen zur Torveränderung und Befestigung des Storchennestes vorgeschrieben wurde, und soweit die nichttragende "blinde Wand" nicht bewilligt und deren Beseitigung verlangt wurde. Das Eingangstor sei tatsächlich unverändert geblieben, nur über dem bestehenden Tor sei ein Bogen mit Styropor geschaffen und entsprechend ausgekleidet worden. Dies hätte der Bausachverständige bei einer Besichtigung feststellen müssen, weshalb ein statischer Nachweis nicht erforderlich sei. Das Storchennest sei mit einem Stahlrohr am Dachstuhl befestigt und mit zwei Metallverstrebungen verankert. Auch dies hätte vor Ort festgestellt werden können. Es sei nicht erfindlich, wozu es hier eines statischen Nachweises bedürfe, zumal mit dem Storchennest keinerlei besonderen Lasten oder Einwirkungen auf den Dachstuhl selbst zu erwarten seien. Hinsichtlich der "blinden Wand" habe sich das Sachverständigengutachten nicht der Anforderung unterzogen, Feststellungen darüber anzuführen, welche Häusertypen aus welcher Zeit tatsächlich das Erscheinungsbild prägten, weil sich dann herausgestellt hätte, daß eine Ensemblewirkung gar nicht gegeben sei. Aus den von den Beschwerdeführern vorgelegten Fotos gehe hervor, daß die E-Straße von verschiedensten Bautypen aus verschiedensten Zeiträumen geprägt sei. Fassaden, wie sie im angefochtenen Bescheid untersagt wurden, seien im Burgenländer Raum vorherrschend und entsprächen einer alten Tradition; verschiedenste Gemeinden würden in ihren Fremdenverkehrsprospekten gerade mit solchen Fassaden werben.

In einer weiteren Stellungnahme schlugen die Beschwerdeführer vor, daß an dieser blinden Giebelwand zwei Gaupen eingebaut werden, damit diese kulissenartige Mauer anders ausschaue. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13. April 1992 führte Architekt Dipl Ing. W.K. aus, es müsse hinsichtlich der Torveränderung der Nachweis geführt werden, daß das verwendete Material "Styropor" eine entsprechende Zulassung für die Verwendung im Außenbereich habe. Die Argumentation, es seien derartige Fassaden im Burgenländer Raum vorherrschend, könne nur auf einem Irrtum beruhen. Mit dem Einbau zweier Gaupen würde nur eine geringfügige Kaschierung der bemängelten Situation erfolgen. Die optische Wirkungsweise einer solchen Maßnahme sei eher theoretischer Natur, da durch die seitlichen, auf den Feuermauern befindlichen torsohaften Giebelaufbauten die Einsicht verdeckt werde.

Mit Bescheid vom 1. Februar 1993 wies der Gemeinderat die Berufung ab. Begründend wurde auf die Stellungnahme des Sachverständigen verwiesen.

Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Gemäß § 93 Abs. 4 Bgld. BauO sei in einem Baubewilligungsbescheid auszusprechen, ob und unter welchen Bedingungen und Auflagen, durch deren Erfüllung den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprochen werde, die Bauführung zulässig sei. Die Beibringung statischer Nachweise resultiere aus § 31 Abs. 1 leg. cit., wo bestimmt sei, daß Bauten in allen ihren Teilen so geplant und ausgeführt werden müssen, daß sie den Bestimmungen dieses Gesetzes und den Erkenntnissen der Wissenschaft entsprechen. Unter die dort genannten Anforderungen der Sicherheit, Festigkeit, des Brandschutzes usw. fielen auch die Beibringung von statischen Nachweisen der baulichen Maßnahmen zur Torveränderung und zur Befestigung des Storchennestes.

Hinsichtlich der "blinden Wand" sei der Gemeinderat zwar seiner Verpflichtung zur Bescheidbegründung insoferne nicht nachgekommen, als sich die Begründung in der bloßen Wiedergabe des Sachverständigengutachtens erschöpfte. Allerdings hätte die Baubehörde zweiter Instanz auch bei Einhaltung der Begründungspflicht zu keinem anderen Ergebnis kommen können. Der Sachverständige habe aufgrund vollständiger Befundaufnahme (Bebauungsweise der E-Straße, Dorfstruktur- und Dorfgestalt, Beschreibung des gegenständlichen Gebäudes) schlüssig klargestellt, daß das Bauvorhaben das Ortsbild störe. Bei den Bauten in der E-Straße handle es sich um das klassische Erscheinungsbild eines Straßendorfes mit geschlossener, einbis eineinhalbgeschoßiger Bebauung; die Satteldächer der Bauten seien zur Straße traufenständig und wiesen keine Dachgaupen oder andere großen Dachbauten auf. Im klaren Gegensatz dazu stehe der gegenständliche Bau durch die aus dem baulichen Ensemble der E-Straße hervortretenden Giebel, durch die Dominanz der Fassade mit den kulissenhaften Attikamauern.

Jedenfalls habe das Sachverständigengutachten fundierte Feststellungen und Schlüsse enthalten, sodaß es der Baubehörde möglich gewesen sei, unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung den Sachverhalt unter Anwendung der Rechtsvorschriften zu beurteilen.

In der vorliegenden Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und auf gesetzeskonforme Anwendung des "Baugesetzes" verletzt. Sie begehren Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auflagen bezüglich Storchennest und Torveränderung

Die belangte Behörde sieht in § 93 Abs. 4 der Bgld. BauO (LGBl. Nr. 13/1970, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 27/1990, im folgenden: BO) die Grundlage für diese Aufträge. Danach ist im Bescheid auszusprechen, ob und unter welchen Bedingungen und Auflagen, durch deren Erfüllung den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprochen wird, die Bauführung zulässig ist. Dabei handelt es sich um jenen Bescheid, mit dem gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ÜBER DAS BAUANSUCHEN zu entscheiden ist. Der Baubewilligungsbescheid ist somit ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt; mit dem Bauansuchen und den gemäß § 90 Abs. 1 Z. 3 BO vorzulegenden Plänen und Beschreibungen steckt der Bauwerber die Grenzen des Begehrens ab. Der Bescheid kann daher nur über dieses Begehren absprechen, und nur im Rahmen dieses Begehrens können im Bescheid Bedingungen und Auflagen erteilt werden.

Im vorliegenden Fall ist im Ansuchen und in der Baubeschreibung von einem Storchennest keine Rede, der Plan enthält keine diesbezügliche Einzeichnung. Dem Protokoll über die Bauverhandlung ist nicht zu entnehmen, daß der Bauwerber sein Projekt erweitert hätte, und auch den Berufungsausführungen kann eine entsprechende Projektsänderung, wonach also die Beschwerdeführer eine Baubewilligung für das Storchennest begehrten, nicht entnommen werden. Liegt aber somit kein Antrag vor, dann durfte keine diesbezügliche Baubewilligung erteilt werden, weshalb eine keine diesbezügliche Auflage erteilt werden durfte. Der Schlußsatz im Bauansuchen, daß der Bauwerber die Erteilung "aller erforderlicher Baubescheide" wünsche, muß im Zusammenhang mit der Konkretisierung in den Beilagen verstanden werden; nur für das, was dort seinen Niederschlag fand, wurden sämtliche erforderlichen Genehmigungen begehrt. Der Hinweis in der Gegenschrift, daß "nach üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen" um ALLE notwendigen Baubewilligungen angesucht werde, läßt unberücksichtigt, daß der Bauwerber Herr des Verfahrens ist, welches gegen seinen Willen nicht durchgeführt werden kann; fehlt ein Antrag in einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren, dann ist die Entscheidung rechtswidrig und nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 51).

Nichts anderes gilt für die "Torveränderungen". Aus dem Plan sind keine Veränderungen ablesbar, weil der Plan die im § 91 Abs. 6 BO vorgeschriebene Färbelung nicht enthält. Im Ansuchen und in der Baubeschreibung werden wohl die Fenster, nicht aber das Eingangstor genannt; auch kann dem Ersuchen um Bewilligung der Verputzerneuerung kein Ansuchen um Bewilligung irgendwelcher Veränderungen am (offenbar hölzernen) Tor entnommen werden. Es liegt also auch hinsichtlich des Tores kein Ansuchen vor, sodaß auch diesbezüglich nicht mit einer Erledigung und sohin Vorschreibung einer Auflage vorgegangen werden durfte.

Es mag sein, daß die Baubehörde durch ihre Vorgangsweise auf besonders ökonomische und bürgerfreundliche Weise den Bauwerbern einen Konsens für diese Bauteile verschaffen wollte; die Bauwerber haben aber deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie dafür keine Baubewilligung wünschen. Allenfalls wird die Behörde, wenn die Voraussetzungen vorliegen, nach § 104 Abs. 3 letzter Satz BO vorzugehen haben.

Die belangte Behörde belastete damit, daß sie der Vorstellung hinsichtlich der erteilten Auflagen keine Folge gab, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

2. Zur Abweisung und zum Auftrag bezüglich der "blinden Wand".

Gemäß § 93 Abs. 1 BO müssen Ansuchen gemäß § 90 auf ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften dieses Gesetzes geprüft werden. § 31 Abs. 1 BO sieht vor, daß sich Bauten dem Charakter der Landschaft anpassen müssen und das Ortsbild nicht stören dürfen.

Die Baubehörde erster Instanz stützt ihre Abweisung hinsichtlich dieser "blinden Wand" auf gravierende, das Ortsbild betreffende Mängel der Ausführung. Die Gestaltung der Fassade durch die Errichtung des Giebels störe das bauliche Ensemble der E-Straße weit mehr, als sie das Erscheinungsbild positiv beeinflusse. Demgegenüber hat sich die Berufungsbehörde, wie schon von der Vorstellungsbehörde aufgezeigt, bei ihrer Begründung mit einer Wiedergabe des Textes des Gutachtens begnügt.

Die Frage, ob ein Vorhaben geeignet ist, das Orts- oder Landschaftsbild zu stören, ist Gegenstand des Beweises durch den Sachverständigen; die Frage der Störung des Orts- und Landschaftsbildes hat die Behörde von Amts wegen zu beantworten und das im Gegenstand erstattete Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen (hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 1995, Zl. 94/05/0198, m.w.N.).

Die belangte Behörde hat sich im Rahmen der ihr obliegenden vollen Prüfung des Berufungsbescheides mit den Ausführungen des Sachverständigen und den Argumenten der Beschwerdeführer auseinandergesetzt und gelangte zu dem Ergebnis, daß der gegenständliche Bau durch die aus dem baulichen Ensemble der E-Straße hervortretenden Giebel, durch die Dominanz der Fassade mit den kulissenhaften Attikamauern im klaren Gegensatz zu den einfachen, keine dominanten Bauteile aufweisenden Baukörpern in der E-Straße stehe. Dem können die Beschwerdeführer nichts entgegensetzen. Gerade was allfällige Gaupen oder sonstige Dachaufbauten betrifft, liegt sehr wohl eine einheitliche Bebauung vor. Eine derartige Scheinfassade, die laut Plan die Höhe der Fassade nahezu verdoppelt, findet zumindest in P überhaupt kein Beispiel, dominiert das Straßenbild eindeutig und verstößt somit gegen charakteristische Merkmale des vorliegenden Ortsbildes.

Auch aus den vorgelegten Fotos läßt sich nicht entnehmen, daß eine derartige aufgesetzte Scheinfassade "landestypisch" wäre; im übrigen geht es hier um das Ortsbild von P.

Der Verwaltungsgerichtshof hat immer wieder betont, daß ein auf einem ausreichenden Befund beruhendes schlüssiges Gutachten eines Amtssachverständigen in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges (Privat-)Gutachten erschüttert werden kann; Sache der Partei ist es im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht, auf gleichem fachlichen Niveau den Ausführungen des Sachverständigen entgegenzutreten. Bloß laienhafte Gegenbehauptungen vermögen ein taugliches Gutachten des Amtssachverständigen nicht in Diskussion zu stellen (siehe die Nachweise bei Hauer-Leukauf, Verwaltungsverfahren4, 318 ff).

Jedenfalls läßt sich dadurch, daß die Behörden von Amts wegen kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt haben, kein Verfahrensmangel erkennen. Insbesondere liegt der behauptete Widerspruch zum naturschutzbehördlichen Verfahren nicht vor. Im Bescheid vom 30. November 1988 sprach die belangte Behörde anläßlich der Erteilung der naturschutzbehördlichen Genehmigung aus, daß das Bauvorhaben das Landschaftsbild nicht in einer i.S.d. § 19 Abs. 1 des NSchG LGBl. Nr. 23/1961 i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 9/1974 abträglichen Weise beeinflusse; nach der zuletzt genannten Bestimmung sollen aber "grobe, den Naturgenuß beeinträchtigende Eingriffe in das Landschaftsbild" hintangehalten werden. Hier geht es nicht um den Naturgenuß, sondern um das Ortsbild.

Schließlich ist auch darin kein Verfahrensverstoß zu erkennen, daß die Baubehörde die Versagung der

- nachträglichen - Baubewilligung mit einem Auftrag gemäß § 104 Abs. 3 BO verbunden hat. Nachdem schon mit Bescheid vom 15. Februar 1989 gemäß § 104 Abs. 3 erster Satz BO mit der Untersagung der Fortsetzung der Arbeiten vorgegangen worden war, mußte die Baubehörde nach der Versagung der Bewilligung entsprechend dem letzten Satz dieser Bestimmung die Herstellung des ursprünglichen Zustandes verfügen; dem entsprach der Auftrag, die nichttragende "blinde Wand" zu beseitigen. Keine Verfahrensbestimmung ordnet an, daß ein derartiger Ausspruch nicht mit der Entscheidung über das Bauansuchen verbunden werden darf.

Damit erwies sich die Beschwerde, soweit die Vorschreibung von Auflagen bekämpft wurde, als begründet, hinsichtlich der Abweisung des Bauansuchens und des damit verbundenen Auftrages aber als unbegründet. Der angefochtene Bescheid war daher zum Teil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, zum Teil war aber die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 50 VwGG, i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, wobei auf deren Art. III Abs. 2 gesondert hingewiesen wird.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchSpruch und Begründungfreie BeweiswürdigungSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Bautechniker Ortsbild Landschaftsbild

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993050278.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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