TE Vwgh Erkenntnis 1975/2/12 1930/74

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Veröffentlicht am 12.02.1975
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Index

Abgabenverfahren
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §134 Abs2
BAO §135 Abs1
BAO §276 Abs1
BAO §92

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Finanzkommissär Dr. Heinrich, über die Beschwerde des WK in E, vertreten durch Dr. Winfried Mörth, Rechtsanwalt in Linz, Goethestraße 25/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 24. September 1974, Zl. 252/1-V/Ha-1974, betreffend Verspätungszuschlag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 11. Oktober 1973 das nicht näher begründete Ansuchen des durch einen Wirtschaftstreuhänder vertretenen Beschwerdeführers vom 31. März 1973 auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für 1972 mit dem Beifügen ab, daß die Erklärungen jedoch dann als fristgerecht eingebracht gelten, wenn sie bis längstens 14. November 1973 eingereicht würden. Begründet wurde dieser Bescheid damit, daß die Erklärungen aus arbeitstechnischen Gründen benötigt würden. Vor Ablauf der Nachfrist suchte der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers am 12. November 1973 um eine weitere Fristerstreckung bis 30. November 1973 an und begründete dies mit der Mehrarbeit durch Betriebsprüfungen und andere „Abberufungen“. Das Finanzamt wies dieses Ansuchen um Erstreckung der Nachfrist mit Bescheid vom 14. November 1973 ab. Mit der gleichen Begründung wie im Antrag vom 12. November 1973 beantragte der Steuerberater des Beschwerdeführers mit Eingabe vom 30. November 1973 eine weitere Fristerstreckung bis 31. Dezember 1973.

Das Finanzamt behandelte diese letztere Eingabe nicht mehr, sondern führte die Veranlagung 1972 wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen im Schätzungswege durch. Mit dem „kombinierten“ Bescheid vom 18. Dezember 1973 setzte es die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer fest und ebenso einen Verspätungszuschlag von S 24.846,-- (das waren 2 % der mit insgesamt S 1,242.301,-- festgesetzten Einkommen- und Gewerbesteuer 1972). Dieser Bescheid wurde am 20. Dezember 1973 zugestellt. Am 14. Dezember 1973 suchte der bevollmächtigte Vertreter unter Hinweis auf eine plötzliche Erkrankung abermals um Fristerstreckung bis 31. Jänner 1974 an.

Gegen die genannten Abgabenbescheide erhob der Beschwerdeführer Berufung, der auch die Einkommensteuer und die Gewerbesteuererklärung für 1972 angeschlossen waren. Der Berufungsschriftsatz vom 11. Jänner 1974 bezeichnet die Berufung ausdrücklich als a) gegen die Festsetzung der Steuern 1972, b) gegen die Festsetzung der Vorauszahlungen und c) gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages von S 24.846,-- gerichtet.

Soweit sich die Berufung gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages richtete, wurde im wesentlichen ausgeführt, daß das Finanzamt bei der Prüfung der Verschuldensfrage im Sinne des § 135 BAO offenbar die besondere „Lagerung“ des Falles nicht berücksichtigt habe. Zu einer Verspätung sei es nämlich nur deswegen gekommen, weil das Finanzamt den rechtzeitig gestellten Fristverlängerungsanträgen nicht entsprochen, die gesetzte Nachfrist nach den gegebenen Umständen zu kurz bemessen und sich „so“ über Verhältnisse hinweggesetzt habe, „deren Beachtung auch bei der dem Finanzamt zustehenden Ermessensübung vom Gesetzgeber verlangt“ werde. Die Fristverlängerungsanträge hätten deswegen gestellt werden müssen, weil im Zusammenhang mit einer allzu kurzfristig vorgenommenen Umstellung auf ein neues Umsatzsteuersystem vom Gesetzgeber selbst ein „Arbeitsnotstand“ hervorgerufen worden sei, der nur langsam habe abgebaut werden können. Schon seit September 1972 sei die „Erklärungsarbeit“ aufs Ärgste behindert worden, weil die Abgabenpflichtigen alle „Umstellungsprobleme“ vom betreuenden Steuerberater gelöst wissen wollten. Auch seien durch die „hektischen Aufklärungshandlungen“ der verschiedensten Stellen die Abgabepflichtigen „kopfscheu“ gemacht worden, so daß der tägliche Arbeitsablauf (gemeint wohl: in den Wirtschaftstreuhänderkanzleien) lange. Zeit hauptsächlich darin bestanden habe, Verständnis für die behördlichen Maßnahmen zu wecken, Aufklärung und Rat zu geben und überhaupt die vielen „Ecken der Umstellung nach Möglichkeit zu runden“. Durch die Umstellung auf elektronische Datenverarbeitung bei der Finanzverwaltung sei ebenfalls eine bedeutende Mehrbelastung aufgetreten und es zu einer ungewöhnlichen Häufung von Rechtsmitteln gekommen. Alle diese Umstände seien außergewöhnliche. Zu vermerken wäre noch, daß die Verzögerung der Erklärungslegung „zuletzt“ noch dadurch „mitverursacht“ worden sei, daß der Steuerberater des Beschwerdeführers durch Lungen- und Rippenfellentzündung einen Monat lang absolut arbeitsunfähig gewesen sei. Die Berufung richte sich in erster Linie gegen die Abweisung der Ansuchen um Verlängerung der Erklärungsfrist. Die Finanzverwaltung habe wiederholt erklärt, sie wolle den Schwierigkeiten der Steuerpflichtigen aus der Umstellung auf das Mehrwertsteuersystem und aus der Änderung des Einkommensteuergesetzes durch eine wohlwollende Verwaltungsübung Rechnung tragen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. Jänner 1974 änderte das Finanzamt die Abgabenfestsetzungen, indem es im wesentlichen die in den Abgabenerklärungen enthaltenen Bemessungsgrundlagen der Abgabenberechnung zu Grunde legte. Den Verspätungszuschlag setzte das Finanzamt abermals mit 2. v. H. - allerdings von den verminderten Abgabenbeträgen - somit mit S 10.318,-- fest. Der Beschwerdeführer stellte fristgerecht den Antrag, seine Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. In dem diesbezüglichen Schriftsatz ist folgendes ausgeführt:

„Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. 1. 1974 hat das Finanzamt meinen in der Berufung gegen die Steuerbescheide für 1972 gestellten Rechtsmittelantrag, den auferlegten Verspätungszuschlag zurückzunehmen, abgelehnt. Dagegen beantrage ich die Entscheidung durch die Abgabenbehörde II. Instanz, weil ich der Ansicht bin, daß das Vorgehen des Amtes gegen den Sinn des Abkommens verstößt, das in der Fristenangelegenheit zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und der Kammer der Wirtschaftstreuhänder geschlossen wurde. Es darf sicher als Sinn dieses Abkommens hervorgehoben werden, jenen Schwierigkeiten in gutem Einvernehmen Rechnung zu tragen, wie diese durch die steuerlichen Umstellungen auf beiden Seiten entstanden sind. Über die Gründe der Verzögerung in der Erklärungslegung habe ich bereits in der Berufungsschrift ausführlich berichtet. Ich möchte diesen Ausführungen nur anfügen, daß mein Klient zu den gewissenhaften und steuerwilligen Abgabepflichtigen gezählt werden darf, daß von ihm - aber auch von mir - das möglichste getan wurde, dem Wunsche des Referates nachzukommen, daß aber durch den außergewöhnlichen Arbeitsnotstand, durch andere vorzuziehende Arbeiten und durch meine schwere Erkrankung ein früherer Termin nicht einzuhalten war. Hervorheben möchte ich noch, daß sämtliche Erklärungsfälle des zuständigen Referates von mir bereits abgeschlossen werden konnten, dies allerdings unter Zurückstellung anderer Erklärungsfälle anderer Referate. Mein Klient hat die Abgabennachforderung in voller Höhe abgestattet, obwohl ihm die Entrichtung in Raten bereits bewilligt war; immerhin nutzte er das Einfließen größerer Außenstände dazu, seine Steuerschuld rasch abzudecken.

Ich bitte die Abgabenbehörde II. Instanz, den gegebenen außergewöhnlichen Verhältnissen und dem bewiesenen guten Willen dadurch Rechnung zu tragen, daß der angefochtene Verspätungszuschlag zurückgenommen wird.“

Mit der als Mitteilung bezeichneten Erledigung vom 14. März 1974 (enthalten auf dem Vordruck „Mitteilung über die rechnungsmäßige Behandlung von Anträgen gemäß § 276 BAO“) gab das Finanzamt dem Beschwerdeführer bekannt, daß zufolge seines Antrages auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO ihre Wirkung verliere und somit an Stelle der in der Berufungsvorentscheidung festgesetzten Steuerschuldigkeiten wieder die im angefochtenen Bescheid ausgewiesenen treten. Im folgenden wurden als solche nicht nur der ursprünglich festgesetzte Verspätungszuschlag, sondern auch die ursprünglich festgesetzten Abgabenbeträge ausgewiesen.

Mit dem in den Verwaltungsakten enthaltenen Schreiben vom 28. Mai 1974 hat die belangte Behörde das Finanzamt in Kenntnis gesetzt, daß die Mitteilung über die Wiedervorschreibung von Steuerschuldigkeiten nur insoweit gerechtfertigt sei, als sie den Verspätungszuschlag betreffe, da gegen die Berufungsvorentscheidung, mit der über die Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide abgesprochen worden sei, kein „Vorlageantrag“ gestellt worden sei, sie somit rechtskräftig geworden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge gegeben, als sie den Verspätungszuschlag mit S 10.318,-- (statt mit S 24.846,--) festsetzte. Im übrigen hat sie die Berufung abgewiesen. Der Bescheid ist folgendermaßen begründet:

Im vorliegenden Fall sei das Fristerstreckungsansuchen vom 31. März 1973 mit Bescheid des Finanzamtes vom 11. Oktober 1973 abgewiesen und gleichzeitig eine Nachfrist bis 14. November 1973, also über ein Monat, gesetzt worden. Mit Bescheidzustellung sei somit die Frist zur Einreichung der Steuererklärungen abgelaufen, denn die Nachfrist sei nicht eine neue, wieder verlängerbare Frist, sondern schütze nur den Abgabepflichtigen bei deren Einhaltung vor Säumnisfolgen. Der Beschwerdeführer habe weder bis zum 14. November 1973 die Steuererklärungen eingebracht, noch sei nach der Aktenlage irgendeine Anstrengung zu erkennen, dem behördlichen Auftrag so weit wie möglich zu entsprechen. Denn in „Mißachtung“ des Fristablaufes für die Einreichung der Steuererklärungen habe er am 30. November 1973 und 14. Dezember 1973 neuerliche Fristerstreckungsansuchen gestellt. Damit sei jedenfalls ein Verschulden im Sinne des § 135 BAO gegeben. Hinsichtlich der Höhe des Verspätungszuschlages sei bei der Festsetzung von Bedeutung gewesen, daß der Beschwerdeführer auch schon im Vorjahr bei Einbringung der Abgabenerklärungen säumig gewesen sei, das Finanzamt damals aber noch keinen Verspätungszuschlag festgesetzt habe. Ferner sei von Bedeutung gewesen, daß die Frist erheblich überschritten und damit die Veranlagungstätigkeit des Finanzamtes behindert worden sei. Mit Rücksicht auf diese Umstände sei durch die Festsetzung mit 2 % der maßgeblichen Abgaben den Argumenten des Beschwerdeführers weitgehend Rechnung getragen. Grundlage für die „Zuschlagsfestsetzung“ sei der bescheidmäßig festgesetzte Abgabenbetrag. Der Zuschlag sei demnach von der mit der Berufungsvorentscheidung rechtskräftig vorgeschriebenen Einkommen- und Gewerbesteuer des Jahres 1972 zu berechnen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde führt vorerst aus, daß sich die Berufung sowohl gegen die Festsetzung der Abgaben als auch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages gerichtet habe. „Der Rahmen des Rechtsmittels“ habe daher „zwangsläufig auch im weiteren Verfahren den gesamten Bescheid umschlossen“ und nicht etwa nur die Festsetzung des Verspätungszuschlages. Das Finanzamt habe das auch so verstanden und mit der Mitteilung vom 14. März 1974 das „Bescheidbündel 1972 ohne Einschränkung“ aufgehoben. Dieser Mitteilung komme Bescheidcharakter im Sinne des § 92 BAO zu. Nach den Feststellungen dieses Bescheides habe die Berufungsvorentscheidung auf Grund des Antrages vom 25. Februar 1974 ihre Wirkung verloren. Die Berufung sei somit im vollen Umfang unentschieden geblieben und „erstrecke sich daher nach wie vor auf die veranlagte Einkommensteuer, die veranlagte Gewerbesteuer und die veranlagte Umsatzsteuer“. Die belangte Behörde sei zur Erlassung des angefochtenen Bescheides unzuständig gewesen, weil gemäß § 260 Abs. 2 lit. c BAO die Entscheidung über die Berufung gegen „solcherart veranlagte Steuern“ dem Berufungssenat obliege. Zu diesem Beschwerdevorbringen ist zu sagen:

Was zunächst die Rechtsansicht des Beschwerdeführers anlangt, die Mitteilung des Finanzamtes vom 14. März 1974 sei ein Bescheid, so kann der Verwaltungsgerichtshof dieser nicht folgen. Richtig ist, daß Erledigungen der Abgabenbehörden gemäß § 92 Abs. 1 BAO als Bescheide zu erlassen sind, wenn sie für einzelne Personen a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen. Bei der Konstruktion des in der Bundesabgabenordnung geregelten Abgabenfestsetzungs-, Abgabeneinhebungs- und Abgabenrechtsmittelverfahrens kann aber keine Rede davon sein, daß die gegenständliche Mitteilung den sich aus § 92 Abs. 1 BAO ergebenden Bescheidcharakter hat. Wird eine Abgabe festgesetzt, so steht dem Abgabepflichtigen gemäß § 243 BAO das Recht zu, den Abgabenbescheid mit Berufung zu bekämpfen. Die Berufung kann gemäß § 276 Abs. 1 BAO, soweit ein Anlaß zur Zurückweisung nicht vorliegt und etwaige Formgebrechen und inhaltliche Mängel behoben sind, die Abgabenbehörde erster Instanz durch Berufungsvorentscheidung erledigen. Ein solcher Bescheid wirkt - so fährt das Gesetz fort - wie eine Entscheidung über die Berufung, es sei denn, daß der Berufungswerber binnen einem Monat beantragt, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen. Ausdrücklich ordnet das Gesetz an, daß, wenn der Berufungswerber dieses Antragsrecht fristgerecht ausübt, die Berufungsvorentscheidung ihre Wirkung verliert. Hat das Finanzamt von seiner gesetzlichen Ermächtigung, über eine Berufung gegen einen Abgabenbescheid durch Berufungsvorentscheidung meritorisch zu entscheiden, in der Weise Gebrauch gemacht, daß es den (die) in dem (den) mit Berufung bekämpften Bescheid(en) festgesetzten Abgabenbetrag (-beträge) änderte, so ergibt sich aus der aufgezeigten gesetzlichen Regelung zwangsläufig, daß diese Änderung rückgängig zu machen ist, wenn ein Antrag im Sinne des § 276 Abs. 1 BAO eingebracht wird. Einer bescheidmäßigen Absprache über diese Rückgängigmachung bedarf es jedoch nicht, weil eine solche in diesem Verfahrensstadium ipso lege eintritt und die weitere Entscheidung über die Berufung(en) ausschließlich der Rechtsmittelbehörde (der Abgabenbehörde zweiter Instanz) vorbehalten ist. Die genannte „Rückgängigmachung“ ist lediglich eine Maßnahme, die auch kassentechnisch die Anpassung des Verrechnungskontos des Abgabepflichtigen an die aufgezeigte Prozeßlage ermöglicht und dem Abgabepflichtigen nur deswegen „mitgeteilt“ wird, damit er über die Höhe seines Rückstandes (oder seines Guthabens) informiert wird. Naturgemäß ist es nicht ausgeschlossen, daß in einer eine solche „Rückgängigmachung“ der Berufungsvorentscheidung Rechnung tragenden Mitteilung Fehler unterlaufen können, die zu einem unrichtigen Ausweis der Höhe der geschuldeten Abgabenrückstände auf dem Abgabenkonto führen. Solche Unrichtigkeiten sind gemäß § 216 BAO über Antrag des Abgabepflichtigen durch Abrechnungsbescheid zu beseitigen. Aus Vorstehendem folgt, daß die gegenständliche Mitteilung nicht nur nach ihrer äußeren Form und Bezeichnung keinen Bescheid darstellt, sondern daß auch, vom Gesichtspunkt der Parteieninteressen, keinerlei Notwendigkeit besteht, hierin einen in subjektive Rechte des Abgabepflichtigen eingreifenden Bescheid zu erblicken. Die gegenteilige Auffassung würde übrigens zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Komplikation des Abgabenverfahrens führen.

Mit der Feststellung, daß die „Mitteilung über die rechnungsmäßige Behandlung von Anträgen gemäß § 276 BAO“ kein Bescheid ist, ist über die Unzuständigkeitseinrede des Beschwerdeführers jedoch noch nicht abgesprochen. Für die Erledigung dieses Beschwerdepunktes ist auf § 260 Abs. 2 lit. c BAO zu verweisen, wonach für die Erledigung von Berufungen (u.a.) gegen die veranlagte Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer ein Berufungssenat der Finanzlandesdirektion berufen ist. Ergänzend dazu bestimmt § 261 BAO, daß, wenn im Zusammenhang mit einer Berufung, über die die Finanzlandesdirektion durch einen Berufungssenat zu entscheiden hat, auch Vorauszahlungen, Beiträge oder Zuschläge angefochten werden, die in Verbindung mit einem gemäß § 260 Abs. 2 genannten Bescheid festgesetzt wurden, auch über diese Rechtsmittel der Berufungssenat entscheidet. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß über eine Berufung gegen einen die Festsetzung eines Verspätungszuschlages enthaltenden Bescheid die Finanzlandesdirektion als Abgabenbehörde zweiter Instanz nur dann monokratisch zu entscheiden befugt ist, wenn nicht auch die Abgabenfestsetzung selbst, aus der sich der angeforderte Verspätungszuschlag herleitet, in Berufung gezogen wird. Der Beschwerdeführer irrt jedoch, wenn er glaubt, daß in seinem Fall die Abgabenbehörde zweiter Instanz rechtswirksam auch hinsichtlich der Abgabenfestsetzungen angerufen worden ist.

Zu dem aufgezeigten Irrtum gelangt der Beschwerdeführer dadurch, daß er in der mehrfach erwähnten Berufungsvorentscheidung bloß einen Bescheid erblickt. Das ist deswegen unrichtig, weil jede Abgabenfestsetzung für sich materiell einen Bescheid darstellt. Jeder dieser Bescheide ist selbständig im Rechtsmittelweg anfechtbar und jeder dieser Bescheide kann unabhängig von den anderen selbständig in Rechtskraft erwachsen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das auch für den Fall ausgesprochen, daß mehrere solche Bescheide äußerlich in der Form von sogenannten Sammelbescheiden oder kombinierten Bescheiden auf einem Vordruck zusammengefaßt sind (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 17. Jänner 1964, Zl. 1904/63, Slg. 3009/F, und vom 17. März 1970, Zl. 1855/68). Dies gilt aber nicht nur für „Erstbescheide“ der Abgabenbehörde erster Instanz, sondern auch für von dieser Behörde erlassene Berufungsvorentscheidungen. Im Beschwerdefall war daher jeder in der Berufungsvorentscheidung enthaltene Abspruch über die einzelnen Abgaben, über die Vorauszahlungsfestsetzungen und über die Anforderung des strittigen Verspätungszuschlages selbständig anfechtbar und der Rechtskraft fähig. Aus dem in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Inhalt des „Vorlageantrages“ ergibt sich eindeutig, daß der Beschwerdeführer diese Berufungsvorentscheidung nur insoweit außer Wirksamkeit setzte, als er sich mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlages nicht zufrieden gab. Daher ist es richtig, wenn die belangte Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Ansicht vertritt, daß hinsichtlich der Abgabenfestsetzungen im Sinne des § 276 Abs. 1 BAO durch die Berufungsvorentscheidung endgültig entschieden worden ist. Die belangte Behörde war somit nicht gehalten, auf Grund des § 261 BAO über die Berufung gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages durch einen Berufungssenat zu entscheiden und der diesbezügliche Vorwurf der Unzuständigkeit ist unbegründet.

Auch das weitere Beschwerdevorbringen, das die Festsetzung des Verspätungszuschlages als solche als rechtswidrig bezeichnet, ist nicht geeignet, die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Gemäß § 135 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabenpflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 % der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Ermessensvorschrift. § 134 Abs. 1 BAO sieht vor, daß die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer bis zum Ende des Monates März jedes Jahres einzureichen sind. Diese Frist kann vom Bundesministerium für Finanzen allgemein erstreckt werden. Absatz 2 der zitierten Gesetzesstelle bestimmt, daß die Abgabenbehörde im Einzelfall auf begründeten Antrag die in Abgabenvorschriften bestimmte Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung verlängern kann. § 20 BAO bestimmt, daß Ermessensentscheidungen sich in den Grenzen halten müssen, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Auf Grund dieser Gesetzeslage ist zu prüfen, ob die beschwerdegegenständlichen Abgabenerklärungen objektiv verspätet eingereicht wurden, bejahendenfalls ob eine entschuldbare Verspätung vorliegt und schließlich, wenn eine unentschuldbare Verspätung durch die belangte Behörde bejaht werden konnte, von dem der Behörde eingeräumten Ermessen, einen Verspätungszuschlag festzusetzen, gesetzmäßig Gebrauch gemacht wurde.

Was die erste aufgezeigte Frage anlangt, ist festzustellen, daß die Abgabenerklärungen für 1972 nicht innerhalb der zufolge § 134 Abs. 1 BAO zu wahrenden Frist eingereicht wurden. Eine „allgemeinen Fristerstreckung im Sinne des § 134 Abs. 1 letzter Satz BAO, die die am 14. Jänner 1974 beim Finanzamt eingelangten Abgabenerklärungen als rechtzeitig eingebracht gelten ließen, erfolgte nicht. Zwar bezieht sich der Beschwerdeführer auf den Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 1. März 1973, Zl. 252.091-7a/73, wonach vorerst eine Fristverlängerung bis 20. September 1973 gewährt worden sei.

Durch einen späteren Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen sei diese Frist allgemein bis 31. Jänner 1974 erstreckt worden. Der Beschwerdeführer behauptet jedoch selbst nicht, daß die genannte erlaßmäßige Regelung eine allgemeine Fristerstreckung im Sinne des § 134 Abs. 1 letzter Satz BAO darstellt. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann in dem Erlaß vom 1. März 1973 bzw. in den Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen, die in weiterem Verfolg ergangen sind (Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 4. September 1973, Zl. 260.624-7a/73, vom 19. September 1973, Zl. 261.304-7a/73, und vom 15. November 1973, Zl. 263.682-7a/73), keine „generellen Fristerstreckung erblicken. Dem Inhalt der genannten Verwaltungsanordnungen ist nur zu entnehmen, wie sich die Finanzämter bei der Erteilung „individueller Fristerstreckungen“ (§ 134 Abs. 2 BAO) verhalten sollen. Daher kann bei der Beschwerdeentscheidung davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer die Abgabenerklärungen für 1972 jedenfalls objektiv verspätet eingebracht hat.

Was die behauptete Entschuldbarkeit der verspäteten Einreichung der Abgabenerklärungen für 1972 betrifft, so führt die Beschwerde in größtenteils wörtlicher Wiederholung der diesbezüglichen Berufungsausführungen die durch die Umstellung auf das Mehrwertsteuersystem verbundenen Umstellungsschwierigkeiten in den Wirtschaftstreuhänderkanzleien ins Treffen. Diese allgemein gehaltenen Ausführungen vermögen jedoch die verspätete Einbringung der Abgabenerklärungen nicht zu rechtfertigen. Es handelt sich dabei um Umstände, die - wie dem Beschwerdeführer einzuräumen ist - in mehr oder weniger allen Wirtschaftstreuhänderkanzleien eingetreten sind. Der bloße Hinweis auf diese Umstände vermag jedoch keinen“ begründeten Antrag“ im Sinne des § 134 Abs. 2 BAO darzustellen. Ebenso ist die schon im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung der Erkrankung des den Beschwerdeführern vertretenden Steuerberaters nicht geeignet, eine auf die Verhältnisse des konkreten Besteuerungsfalles zurückzuführende Entschuldbarkeit der verspäteten Erklärungsabgabe darzulegen, weil weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde ausgeführt und bewiesen wurde, warum diese Erkrankung für die Verspätung bei der Einreichung der Abgabenerklärungen für das Jahr 1972 ursächlich war.

Was letztlich die Festsetzung des Verspätungszuschlages unter dem Gesichtspunkt der Ausübung des der Behörde vom Gesetz eingeräumten Ermessens anbetrifft, so erweist sich die Beschwerde auch in diesem Punkt als unbegründet. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß die von der Abgabenbehörde als Abweisungsgrund für eine Fristverlängerung gegebene Begründung, daß die Abgabenerklärungen aus „arbeitstechnischen Gründen“ benötigt würden, dem Gebot der Zweckmäßigkeit im Sinne des § 20 BAO entspricht. Desgleichen vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, daß in der von der Abgabenbehörde erster Instanz gesetzten Nachfrist für die sanktionslos einzubringenden Abgabenerklärungen 1972 bis 14. November 1973 eine Unbilligkeit zu erblicken ist, die einer das gesetzlich festgesetzte Ermessen überschreitenden oder mißbrauchenden Rechtswidrigkeit gleichkommen würde. Für die Festsetzung eines Verspätungszuschlages spricht auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unbestritten festgestellt hat - bereits im Vorjahr bei der Einbringung der Abgabenerklärungen säumig war.

Aus Vorstehendem erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975, insbesondere auf Art. IV Abs. 2 der zitierten Verordnung.

Wien, am 12. Februar 1975

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1975:1974001930.X00

Im RIS seit

05.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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