Entscheidungsdatum
18.03.2022Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §87Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
I.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde der AA. **** Z, Adresse 1, v.d. Rechtsanwalt BB, **** Y, gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 8.2.2022, Zl. *** wegen Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid diesbezüglich behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
II.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde der AA. **** Z, Adresse 1, v.d. Rechtsanwalt BB, **** Y, gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 8.2.2022, Zl. *** wegen Entziehung der Gewerbeberechtigung den
Beschluss:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid diesbezüglich aufgehoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde unter Spruchpunkt 1. der AA die Gewerbeberechtigung für die Ausübung des Gewerbes „Gastgewerbe …“ gemäß § 87 Abs 1 Z 1 iVm § 91 Abs 2 GewO 1994 entzogen und unter Spruchpunkt II. der Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung gemäß § 26 Abs 4 GewO 1994 als unzulässig zurückgewiesen.
Dagegen wurde rechtzeitig und zulässig Beschwerde eingelegt und zusammenfassend vorgebracht, die Voraussetzungen für eine Entziehung der Gewerbeberechtigung seien nicht vorgelegen.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol richtete in weiterer Folge eine E-Mail vom 10.3.2022 folgenden Inhaltes an die belangte Behörde:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
in der gegenständlichen Angelegenheit ist dem Akt der „Antrag auf Nachsicht wegen gerichtlicher Verurteilung gemäß § 26 Abs 4 GewO 1994“ nicht zu entnehmen – dieser möge umgehend übermittelt werden.
Ebenfalls kritisch angemerkt wird, dass das bezughabende Urteil des LG Innsbruck vom 26.4.2018, HV *** ebenfalls nicht im Akt einliegt, sodass die konkreten Erwägungen des erkennenden Gerichts in die Entscheidung nicht einfließen konnten. Ebenfalls wäre es zur Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des CC geboten, eine Abfrage der Verwaltungsstrafvormerkungen vorzunehmen – auch dies wurde offenkundig unterlassen.“
Die belange Behörde beantwortete diese Anfrage mit E-Mail vom 15.3.2022 wie folgt:
„Anbei werden Ihnen die Verwaltungsstrafen-Abfrage sowie die Strafregisterabfrage bezüglich Herrn CC und das Schreiben vom Rechtsanwalt BB vom 14.12.2021 (hier wurde der Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss im Sinne § 26 GewO angeführt) übermittelt.“
Beweis wurde weiters aufgenommen durch Einsicht in den behördlichen Akt.
II. Erwägungen:
Zu Spruchpunkt 2. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 8.2.2022, Zl. *** wegen Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung:
Hier hat die Behörde über einen Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung nach § 26 Abs 4 GewO 1994 entschieden, obwohl ein derartiger Antrag im vorgelegten Akt nicht auffindbar ist und offenbar auch gar nicht vorliegt. Der alleinige Hinweis auf einen derartigen Antrag in einer weiteren Eingabe, die sich zudem noch auf eine andere Geschäftszahl bezieht (siehe die Eingabe Rechtsanwalt BB vom 14.12.2021) kann jedenfalls einen notwendigen Antrag nicht ersetzen. Damit hat die Behörde, und zwar völlig unabhängig von der Zulässigkeit eines derartigen Antrages in der vorliegenden Fallkonstellation, eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr mangels Antrag nicht zugekommen ist. Der diesbezügliche Spruchpunkt war daher zu beheben.
Zu Spruchpunkt 1. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 8.2.2022, Zl. *** wegen Entziehung der Gewerbeberechtigung:
Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
In § 28 VwGVG ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (vgl VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt insbesondere in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl VwGH 26.06.2014, 2014/03/0063). Letzteres liegt im gegenständlichen Fall vor. Es liegt für das Gericht geradezu auf der Hand, dass die belangte Behörde maßgebliche Ermittlungen unterließ und ihr schwere Verfahrensfehler unterlaufen sind.
Im Einzelnen ist dazu auszuführen wie folgt:
Nach § 87 Abs 1 Z 1 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlussgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Die belangte Behörde bezieht sich bei der nach § 87 Abs 1 Z 1 GewO 1994 zu beurteilenden Persönlichkeitsbildes des CC als Geschäftsführer (siehe den Auszug aus dem Gewerberegister vom Seite 1 des vorgelegten behördlichen Aktes) allein auf einen Auszug aus dem Strafregister (Abfragedatum 22.11.2021). Obgleich das erkennende Gericht ausdrücklich auf diesen Umstand hingewiesen hat (siehe das oben wiedergegebene E-Mail vom 10.3.2022), legte die belangte Behörde „wiederum“ lediglich den ohnehin schon im behördlichen Akt einliegenden Strafregisterauszug vor.
Damit konnte sie jedoch die – bisher unbekannten – Erwägungen des Gerichtes in ihre Entscheidung nicht einfließen lassen. Hier sind insbesondere die Erschwerungs- und Milderungsgründe, die für das Ausmaß der Strafe herangezogen wurden, hervorzuheben. Aber nicht einmal die Verwaltungsstrafvormerkungen bei der eigenen Behörde wurden eingeholt. Zudem wäre es in der vorliegenden Fallkonstellation erforderlich gewesen, den Geschäftsführer CC mit den entsprechenden Ermittlungen zu konfrontieren und etwa in Form einer persönlichen Einvernahme die Möglichkeit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen. Hiebei hätte sich die belangte Behörde durch entsprechende Befragung überdies ein besseres Bild von der Persönlichkeit des Geschäftsführers machen können. All dies hat die belangte Behörde unterlassen
Zusammenfassend steht sohin fest, dass von der Behörde - wie oben eingehend dargelegt - offenkundig keine zielführenden Ermittlungen durchgeführt wurden. Diese Vorgangsweise ermächtigt das Landesverwaltungsgericht zur spruchgemäßen Entscheidung.
Der für die Aufhebung und Zurückverweisung notwendige Sachverhalt stand aufgrund der Aktenlage ausreichend fest. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden. Die Akten haben erkennen lassen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Einem Entfall der mündlichen Verhandlung standen daher weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist sowohl im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren als auch im gegenständlichen führerscheinrechtlichen Verfahren unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Triendl
(Richter)
Schlagworte
Entziehung Gewerbeberechtigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.22.0616.3Zuletzt aktualisiert am
04.04.2022