TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/6 LVwG-AV-1327/001-2021

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Veröffentlicht am 06.01.2022
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Entscheidungsdatum

06.01.2022

Norm

KFG 1967 §48a Abs2 litd

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Weber als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 15.07.2021, Zl. ***, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14.12.2021 zu Recht:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens „***“ stattgegeben.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Am 07.07.2021 beantragte der Beschwerdeführer die neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens „***“.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 15.07.2021, Zl. ***, wurde dieser Antrag um neuerliche Ausstellung des Rechtes

zur Führung des Wunschkennzeichens „***“ wegen Anstößigkeit der Ziffernkombination „***“ gemäß § 48a Abs. 2 lit. d KFG 1967 abgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, dass die Ziffernkombination „***“ in rechtsextremen Kreisen laut Liste des Mauthausen Komitees als Code für
„B“ verwendet werde. Die Geschäftszahl des Erlasses des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen laute BMVIT-179.493/0011-IV-ST4/2015. In diesem sei die Ziffernkombination „***“ explizit angeführt unter den Kombinationen, die jedenfalls als anstößig anzusehen seien. Entsprechend dem § 3 Verbotsgesetz 1947 sei es jedermann untersagt, sich, sei es auch außerhalb dieser Organisationen, für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu betätigen. Es werde daher im Sinne des oben angeführten Erlasses die gewählte Buchstabenkombination als anstößig im Sinne einer möglichen Verbindung zu einer verbotenen Organisation gesehen und könne daher die Verlängerung des Wunschkennzeichens nicht erfolgen.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.08.2021 fristgerecht Beschwerde und führte begründend aus, in ***, ***, im Haus seiner Eltern aufgewachsen zu sein. Er habe im Jahre 1991 das Haus *** in *** gekauft, renoviert und hergerichtet und sei ca. drei Jahre nach dem Ankauf mit seiner Familie eingezogen. Damals hätten ihm seine Eltern im Zusammenhang mit der Hausnummer *** das Wunschkennzeichen für seinen PKW „***“ geschenkt, mit welchem er all die Jahre gefahren sei. Da dieses Kennzeichen am 11.05.2021 erloschen wäre, habe er einen Antrag auf Verlängerung gestellt. Das Wunschkennzeichen sei ausschließlich ein Hinweis auf seinen Familiennamen, nämlich *** für ***, und die Nummer *** sei die Hausnummer seines Hauses. Dieses Wunschkennzeichen sei in keiner Weise als Ziffernkombination für B entstanden, sondern sei auf seine persönlichen Lebensverhältnisse zurückzuführen. Er sei keinesfalls Mitglied irgendeiner rechtsextremen Organisation, habe sich von solchen Kreisen immer distanziert und heiße deren Ziele nicht gut.

Der Beschwerdeführer stellte die Anträge, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, in eventu wegen Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze aufzuheben, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und ihn als Partei einzuvernehmen.

3.   Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 14.12.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers durch.

Der Beschwerdeführer führte aus, am *** in *** geboren zu sein und seit seiner Geburt in *** in der *** mit seinen Eltern gewohnt zu haben. Sein Vater sei bereits verstorben, seine 91-jährige Mutter lebe nach wie vor im Haus ***. Im Jahre 1991 habe er das Haus *** schräg vis-a-vis von seinem Elternhaus gekauft. Es habe sich damals um ein altes Haus (ca. 100 Jahre alt) gehandelt und er habe sehr viel renovieren müssen. Ca. drei Jahre später sei er gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter eingezogen, wo er auch heute noch immer wohne. Anlässlich seines Einzuges in dieses Haus habe er von seinen Eltern das Wunschkennzeichen „***“ bekommen. Das *** stehe für *** und die Nummer *** für die Hausnummer. Mit diesem Wunschkennzeichen sei er schließlich 30 Jahre gefahren. Das von ihm erworbene Haus habe schon immer die Nummer *** gehabt. Seine Eltern hätten ihm dieses Kennzeichen mit der Nummer *** unter anderem aus Spaß geschenkt und das auch nur deshalb gemacht, dass er „immer nach Hause finden möge“. Diese Ziffernkombination habe überhaupt nichts mit B bzw. irgendeinem rechtsextremen Gedankengut zu tun. Hätte das erworbene Haus eine andere Nummer gehabt, so hätte er diese als Wunschkennzeichen bekommen. Er habe mit rechtsextremem Gedankengut überhaupt nichts zu tun und wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass diese Ziffernkombination anstößig sein könne, zumal er selbst erst 1952 auf die Welt gekommen sei. Er wolle dieses Wunschkennzeichen weiterführen, da es sich um ein Geschenk seiner Eltern gehandelt habe.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erachtet es das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich als zweifelsfrei erwiesen, dass das bereits vor 30 Jahren beantragte Wunschkennzeichen „***“ auf den Initialen des Familiennamens sowie auf der Hausnummer *** gründet.

4.   Rechtliche Erwägungen:

§ 48a Abs 1 KFG lautet:

„Die nicht behördenbezogenen Teile eines Kennzeichens (Vormerkzeichen) können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen frei gewählt werden (Wunschkennzeichen).“

§ 48a Abs 2 lit. d KFG lautet:

„Auf schriftlichen Antrag ist ein Wunschkennzeichen zuzuweisen oder zu reservieren, wenn es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.“

Dieser § 48a Abs 2 lit. d KFG wurde im Zuge einer Novelle des Kraftfahrgesetzes,

BGBl Nr. 72/2015, geändert und die Frage der Beurteilung der Zulässigkeit eines Wunschkennzeichens neu geregelt, wobei in den Erläuterungen dazu Folgendes ausgeführt wurde:

„Die derzeitige Regelung betreffend die Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Wunschkennzeichens bezieht sich lediglich auf die Buchstabenkombination und nicht auch auf die Behördenbezeichnung bzw. die Ziffern. Aktuelle Fälle zeigen, dass es in Verbindung der Behördenbezeichnung mit der gewählten Buchstabenkombination anstößige oder lächerliche Kennzeichen geben kann. Weiters gibt es Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden. Daher wird die Regelung erweitert und soll auch Kombinationen ausgewählter Buchstabenkombination und Behördenbezeichnung sowie Kombinationen aus Buchstaben und Ziffern umfassen.“

Mit dem Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom

23.07.2015, GZ: BMVIT-179.493/0011/IV-ST4/2015, betreffend anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen wurde unter Punkt 3 wie folgt ausgeführt:

„Die in diesem Punkt genannten Kombinationen sind jedenfalls anstößig iSd § 48a

Abs 2 lit. d KFG. Es handelt sich um keine abschließende Aufzählung. Für alle genannten Kombinationen gilt, dass sie auch dann anstößig sind, wenn sie sich erst unter Einbeziehung der Behördenbezeichnung ergeben.

3.3. Weiters auch die folgenden Buchstaben- bzw. Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden (Liste laut Mauthausen Komitee): u.a. auch „***“ (B).“

Das erkennende Gericht stellt fest, dass einem Erlass (als eine generelle Weisung an untergeordnete Behörden) Rechtsnormqualität nicht zukommt. Ein derartiger Erlass gehört somit nicht zu den von einem Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des ihm vorgelegten Falles anzuwendenden Rechtsnormen (vgl. VwGH vom 27.09.2018,

Ro 2018/10/0031, VwGH vom 04.04.2019, Ra 2017/11/0302). Der oben angeführte Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23.07.2015 ist daher für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht als Rechtsnorm anzuwenden.

Wie bereits oben ausgeführt hat das durchgeführte Ermittlungsverfahren zweifelsfrei ergeben, dass das bereits vor 30 Jahren beantragte Wunschkennzeichen „***“ auf den Initialen des Familiennamens sowie auf der Hausnummer *** gründet.

Das erkennende Gericht kann gegenständlich in keinster Weise feststellen, warum von einem Durchschnittsbetrachter, auf welchen nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes abzustellen ist, das beantragte Wunschkennzeichen „***“ als lächerlich oder anstößig wahrgenommen werden könnte (vgl. LVwG NÖ vom 28.10.2019, LVwG-AV-711/001-2019, LVwG Vorarlberg vom 04.11.2016,

LVwG-418-1/2016-R8). Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer mit dem neuerlichen Antrag einen anstößigen oder lächerlichen Zweck verfolgen wollte.

Es war daher der Beschwerde Folge zu geben, der Bescheid zu beheben und dem Antrag des Beschwerdeführers stattzugeben.

5.    Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Wunschkennzeichen; Anstößigkeit; Lächerlichkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1327.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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