Index
L85004 Straßen Oberösterreich;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Johann und der Josefa S, beide in E, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. November 1995, Zl. BauR - 011325/2 - 1995 See/Vi, betreffend Feststellung des Gemeingebrauches nach dem Oberösterreichischen Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit der an den Gemeinderat der mitbeteiligten Partei gerichteten Eingabe vom 8. Oktober 1993 beantragten drei Verkehrsinteressenten, "das Straßenstück vom Haus S, E 7, zur G-Bezirksstraße gemäß § 10 Oö. Straßengesetz für öffentlich erklären zu lassen", da sie diesen Wegabschnitt seit mehr als 30 Jahren benützten. Dieser Weg sei die einzige benützbare Verbindung in diesem Bereich.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 2. Mai 1994 wurde "das im beiliegenden Lageplan ersichtliche Wegstück über die Grundstücke 1405, 1421/2, 1407 und 1408 jeweils der KG G zur Parzelle 2806 KG G (...) hiermit (für) öffentlich erklärt" und ausgesprochen, daß dieses Wegstück "laut § 10 Oö. Straßengesetz als Verkehrsfläche der Gemeinde" gilt. Dieser Weg wurde wie folgt beschrieben:
"Das gegenständliche Wegstück (S-Weg) zweigt bei km 8,520 links im Sinne der Kilometrierung von der G-Bezirksstraße ab und führt über Teile der Parzellen 1405, 1421/2, 1407 und 1408 jeweils KG G zur Parzelle 2806 KG G, dem öffentlichen Weg der Gemeinde E. Das Wegstück hat ca. eine Länge von 390 m und eine durchschnittliche Breite von 2,70 bis 3 m. An der linken Seite, also talwärts, ist ein Bankett vorhanden. Am rechten Straßenrand steigt die Böschung zum Gelände an. Im letzten Bereich von ca. 100 m ist rechts ein Wassergraben mit zwei Querungen zur Wasserableitung angeordnet. Der Weg ist durchgehend geschottert. Er zweigt mit einer Steigung von ca. 5 Prozent von der G-Bezirksstraße ab und verläuft mit einer unterschiedlichen Steigung von 5 bis 12 Prozent bis zur Einmündung in den öffentlichen Weg. Der anschließende öffentliche Weg, Parzelle 2806 ist in derselben Art (Breite zwischen 2,70 und 3 m) und ebenfalls beschottert ausgeführt.
Die bestehende Wegparzelle des öffentliche Gutes Parzelle 2806 im Bereich zwischen dem Wald und der Einmündung des verhandlungsgegenständlichen Wegstückes (S-Weg) ist derzeit in der Natur kaum mehr erkennbar."
Gestützt auf die Bestimmungen der §§ 3, 4 und 10 Oö. Straßengesetz 1991 führte der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei in der Begründung seines Bescheides hiezu aus, das Beweisverfahren habe ergeben, daß der Weg seit vielen Jahrzehnten, jedenfalls seit mindestens 30 Jahren uneingeschränkt im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke bestehe.
Der dagegen von den Beschwerdeführern, welche Grundeigentümer der von der Öffentlicherklärung betroffenen Grundstücke sind, erhobenen Berufung wurde im Spruchpunkt I. des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 5. September 1994 keine Folge gegeben und im Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurden ihre Anträge "auf neuerliche Durchführung des Verfahrens, Einvernahme der Zeugen Alois P, F sowie Dr. A" abgewiesen.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung führten die Beschwerdeführer unter anderem aus, sie hätten zeitgerecht die Ladung und Einvernahme der im Spruchpunkt II. des Berufungsbescheides angeführten Zeugen beantragt. Die Berufungsbehörde wäre verpflichtet gewesen, die nicht erschienenen Zeugen unter Androhung von Zwangsmaßnahmen, allenfalls auch unter Anwendung von entsprechenden Beugemitteln neuerlich vorzuladen. Auf die Einvernahme des Zeugen Dr. A wurde verzichtet.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 14. November 1994 wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer Folge gegeben und festgestellt, daß die Einschreiter durch den genannten Bescheid in ihren Rechten verletzt werden. Tragende Begründung dieses Bescheides war, aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich eindeutig, "daß eine der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegte 30-jährige Benützung des Weges im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke im Umfang des derzeit bestehenden Weges schon in Ermangelung des Fristablaufes nicht bestanden habe, sondern sich dieser Gemeingebrauch allenfalls nur auf eine jedenfalls schmälere Wegbreite bezogen haben kann". Das abgeführte Ermittlungsverfahren decke sich so gesehen nicht mit den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, welcher insoweit jedenfalls ergänzungsbedürftig sei.
Aufgrund der aufhebenden Entscheidung der Vorstellungsbehörde wurde in der Folge mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 26. Mai 1995 der Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 5. September 1994 "mit der Maßgabe bestätigt, daß die öffentlich benützbare Wegbreite jenes Teilstückes des S-Weges, welcher ausgehend von der G-Bezirksstraße über die Parzellen 1405, 1421/2, 1407 und 1408 jeweils KG G zur Parzelle 2806 führt, mit 2,40 m des vorhandenen Weges beschränkt wird". Die Berufungsbehörde ergänzte das Berufungsverfahren nur bezüglich des im Vorstellungsbescheid ausgeführten Aufhebungsgrundes durch Einholung eines Gutachtens eines technischen Amtssachverständigen. Die Wegbreite habe auf Grund von Vergleichswegen und auf Grund der Breite der Fahrzeuge, mit welchen dieser Weg benutzt worden sei, ermittelt werden können.
In der dagegen erhobenen Vorstellung rügen die Beschwerdeführer neuerlich, daß die Berufungsbehörde keine Gründe dafür angegeben habe, warum die Zeugen Alois P und F nicht einvernommen worden seien.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. November 1995 wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge gegeben und festgestellt, daß die Einschreiter durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt werden. Auf Grund des Ergebnisses des von der Gemeindebehörde abgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der großen Anzahl übereinstimmender Stellungnahmen der Interessenten und Beteiligten, sei davon auszugehen, daß der hier zu beurteilende Weg seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen ohne Einschreiten der Grundeigentümer von Fußgängern sowie ein- und mehrspurigen Fahrzeugen (insbesondere auch Fuhrwerken) benützt worden sei. Es habe kein Anhaltspunkt dafür bestanden, die Beweiswürdigung der Behörden in Zweifel zu ziehen. Die Aussage der Beschwerdeführer, daß der gegenständliche Weg nur von jenen Personen habe benutzt werden dürfen, denen sie dazu die Erlaubnis erteilt hätten, lasse grundsätzlich offen, daß der Weg auch von anderen Personen benutzt worden sei. Die Beschwerdeführer hätten sich mit den verschiedensten Aussagen sachlich nicht auseinandergesetzt und deren Richtigkeit nicht in Frage gestellt. Nur damit hätten sie die Feststellungen der Berufungsbehörde glaubwürdig entkräften können. Eine gegenseitige Einflußnahme der Zeugen habe nicht stattgefunden. Der Zeuge Alois P sei zur Verhandlung am 8. März 1994 nachweislich geladen worden. Er sei von seiner Gattin Angela, welche selbst nicht geladen gewesen sei, "bei der Verhandlung als wohl vertreten" anzusehen. Gerade von Angela P sei aber eine eindeutige und umfangreiche Stellungnahme über den bestehenden Gemeingebrauch abgegeben worden. Daß dazu von seiten des der Ladung ohnehin nicht nachgekommenen Gatten widersprüchliche Aussagen abgegeben worden wären, sei jedenfalls sehr unwahrscheinlich und werde von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet. Die erst nach Durchführung der Verhandlung geforderte Einvernahme des F scheine verspätet. Angesichts der geradezu erdrückenden Beweise durch die Vielzahl der schon vernommenen Zeugen erscheine es so gut wie ausgeschlossen, daß mit den weiteren Einvernahmen von Zeugen ein abweichendes Ermittlungsergebnis erzielt worden wäre. In der Unterlassung der beantragten Einvernahmen könne keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erkannt werden. § 10 Oö. Straßengesetz 1991 enthalte das Tatbestandsmerkmal des dringenden Verkehrsbedürfnisses nicht. Die Wegbreite sei vom Sachverständigen im Rahmen eines schlüssigen Gutachtens festgestellt worden. Die Beschwerdeführer hätten dieser Feststellung konkret nichts entgegengehalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Nichtfeststellung des Gemeingebrauchs entgegen den Voraussetzungen des § 10 Oö. Straßengesetz 1991 sowie in ihrem Eigentumsrecht verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 1 des hier anzuwendenden
Oö. Straßengesetzes 1991, LGBl. Nr. 84, hat die Behörde über Antrag des Grundeigentümers oder von Amts wegen durch Bescheid das Vorliegen des Gemeingebrauchs festzustellen, wenn Grundstücke oder Grundstücksteile seit mindestens 30 Jahren unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen im Gemeingebrauch für Verkehrszwecke benützt werden, ohne daß hiefür eine ausdrückliche Widmung vorliegt.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Feststellung eine mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbindende mündliche Verhandlung vorauszugehen; diese Verhandlung ist öffentlich zugänglich. Zur Verhandlung sind die betroffenen Grundeigentümer und dinglich Berechtigten als Parteien zu laden. Jene der Behörde bekannten Personen, die an der Feststellung des Gemeingebrauchs ein berechtigtes Interesse besitzen, sind davon in geeigneter Weise zu verständigen.
Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen hat der Bescheid die Grundstücke oder Grundstücksteile, die im Gemeingebrauch benützt werden, genau zu bezeichnen. Mit der rechtskräftigen Feststellung des Gemeingebrauchs ist die Straße öffentlich und gilt als Verkehrsfläche der Gemeinde.
Das über Anregung von Verkehrsinteressenten von Amts wegen eingeleitete Verfahren nach § 10 Abs. 1 Oö. Straßengesetz 1991 hat die bescheidmäßige Feststellung des Vorliegens des Gemeingebrauchs mit der Folge zum Ziel, daß mit der rechtskräftigen Feststellung des Gemeingebrauchs die Straße öffentlich ist und als Verkehrsfläche der Gemeinde gilt. Für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens sind gemäß § 39 Abs. 1 AVG die Verwaltungsvorschriften maßgebend. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnung enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teile des Gesetzes enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen.
Aus dem im § 39 Abs. 2 AVG normierten Grundsatz der Amtswegigkeit ergibt sich im Zusammenhalt mit § 37 AVG auch der Grundsatz der materiellen Wahrheit des festzustellenden Sachverhaltes. Dies bedeutet, daß grundsätzlich die Behörde von sich aus für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen hat. Die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes erstreckt sich auf die Ermittlung der unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden Rechtsvorschriften im konkreten Falle in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1961, Slg. Nr. 5466/A, u.v.a.). Der sich aus der Offizialmaxime ergebende Grundsatz der materiellen Wahrheit bedeutet, daß die Behörde die objektive Wahrheit, daß heißt den wirklichen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt festzustellen hat. Die Behörde hat - ohne Rücksicht auf allfällige gegenteilige Äußerungen der Beteiligten - den wirklichen Sachverhalt festzustellen (vgl. hiezu die bei Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 6. Auflage, Seite 131, Rz. 323 f referierte hg. Rechtsprechung). Gemäß § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Das im § 45 Abs. 2 AVG normierte Recht der freien Beweiswürdigung der Behörde enthebt diese jedoch weder ihrer Ermittlungspflicht noch ihrer Begründungspflicht. Die freie Beweiswürdigung darf erst nach vollständiger Beweiserhebung einsetzen. Eine vorgreifende (antizipierende) Beweiswürdigung, die darin besteht, daß der Wert des Beweises abstrakt (im vorhinein) beurteilt wird, ist unzulässig. Die Wertung eines Beweises auf seine Glaubwürdigkeit hin setzt nämlich die Aufnahme des Beweises voraus (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
4. Auflage, Seite 311, dargestellte hg. Rechtsprechung).
Gegen den Grundsatz des Verbotes der vorgreifenden Beweiswürdigung haben die Verwaltungsbehörden im Beschwerdefall in auffallender Weise verstoßen. Die von der Feststellung des Vorliegens des Gemeingebrauchs gemäß § 10
Oö. Straßengesetz 1991 als Grundeigentümer betroffenen Beschwerdeführer haben zum Beweis dafür, daß die im § 10 Abs. 1 Oö. Straßengesetz 1991 geforderte 30-Jahresfrist nicht verstrichen ist und auch die Tatbestandsvoraussetzungen des Gemeingebrauchs (§ 6 Abs. 1 Oö. Straßengesetz 1991) nicht vorliegen, in ihrem Schriftsatz vom 24. Februar 1994 die Einvernahme von vier Zeugen beantragt. In der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 2. Mai 1994 wiederholten die Beschwerdeführer die Forderung nach Einvernahme der nicht von der Behörde erster Instanz einvernommenen Zeugen Alois P und F unter Hinweis auf ihren Beweisantrag. Sowohl in der Vorstellung gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 5. September 1994 als auch in der Vorstellung gegen dessen Bescheid vom 26. Mai 1995 wurde von den Beschwerdeführern die Unterlassung der Einvernahme dieser Zeugen als - entscheidungserhebliche - Mangelhaftigkeit gerügt. Im angefochtenen Bescheid begründet die belangte Behörde die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen Alois P damit, daß dieser trotz Ladung zur Verhandlung am 8. März 1994 nicht erschienen und als von seiner Gattin Angela vertreten anzusehen sei. Diese habe eine eindeutige und umfangreiche Stellungnahme über den bestehenden Gemeingebrauch abgegeben und es sei unwahrscheinlich, daß Alois P der Aussage seiner Gattin widersprechende Angaben machen werde. Dies sei von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet worden.
Mit diesen Ausführungen setzt sich die belangte Behörde zu den oben dargelegten Grundsätzen in Widerspruch. Zeugen sind natürliche Personen, die im Verfahren über wahrgenommene - selbst erlebte - Tatsachen eine mündliche Aussage abzulegen haben. Der Zeuge ist verpflichtet, einer behördlichen Ladung Folge zu leisten und eine wahrheitsgemäße, vollständige Aussage abzulegen. Ein Zeuge, der einer Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet und der die Aussage ohne Rechtfertigung verweigert, kann unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 5 AVG zwangsweise zur Aussage verhalten werden. Die Vertretungsregelung des § 10 AVG ist für Zeugen nicht anzuwenden.
Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid weiters aus, daß die "erst nach Durchführung der Verhandlung geforderte Einvernahme" des Zeugen F verspätet erscheine. Angesichts der geradezu erdrückenden Beweise durch die Vielzahl der schon vernommenen Zeugen erscheine es so gut wie ausgeschlossen, daß mit den weiteren Einvernahmen ein abweichendes Ergebnis erzielt worden wäre und könne daher in der Unterlassung der beantragten Einvernahmen keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt werden.
Diese Begründung ist durch den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten nicht gedeckt. Die Einvernahme des Zeugen F ist von den Beschwerdeführern bereits mit Schriftsatz vom 24. Februar 1994 beantragt worden. In diesem Zusammenhang ist jedoch noch darauf hinzuweisen, daß Beweisanträge nur dann abgelehnt werden dürfen, wenn Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0221). Von der Einvernahme eines Zeugen kann von vornherein nur dann abgesehen werden, wenn dessen Einvernahme an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 304 dargestellte hg. Rechtsprechung).
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage bezüglich wesentlicher Grundsätze betreffend den Zweck und Gang des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG) verkannte, belastete sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Für das weitere Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu folgender Klarstellung veranlaßt:
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen der Benützung von Grundstücken oder Grundstücksteilen seit mindestens 30 Jahren unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für Verkehrszwecke gegeben sind, ist auch der Umstand zu berücksichtigen, daß die fortsetzende Benützung einer Grundfläche zu Verkehrszwecken selbst nach dem Untergang eines alten Weges auf einer neuen Verkehrsfläche nicht zur Unterbrechung der 30-Jahresfrist führen muß (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1990, Slg. Nr. 13.232/A). Tatbestandsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Oö. Straßengestz 1991 ist die Benützung von GRUNDSTÜCKEN ODER GRUNDSTÜCKSTEILEN seit mindestens 30 Jahren unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen IM GEMEINGEBRAUCH FÜR VERKEHRSZWECKE ohne daß hiefür eine ausdrückliche Widmung vorliegt. Gemäß § 6 Abs. 1 Oö. Straßengesetz 1991 besteht der Gemeingebrauch in der Möglichkeit der Benützung von bestimmten Grundflächen von jedermann unter gleichen Bedingungen für Verkehrszwecke. Für die Feststellung des Gemeingebrauchs gemäß § 10 Abs. 1 Oö. Straßengesetz 1991 ist maßgeblich, ob eine bestimmte Grundfläche bestimmungsgemäß von jedermann unter den gleichen Bedingungen für Verkehrszwecke benützt wurde.
Ob die gegenständlichen Grundstücksteile der Beschwerdeführer unabhängig von deren Willen von jedermann unter den gleichen Bedingungen seit mindestens 30 Jahren für Verkehrszwecke benützt worden sind, wird somit erst nach Durchführung eines den Grundsätzen der §§ 37 ff AVG im Zusammenhang mit § 10 Oö. Straßengesetz 1991 entsprechenden Verfahrens festgestellt werden können. Hiefür bedarf es insbesondere Ermittlungsergebnisse darüber wer, seit wann, wie oft, mit welchen Verkehrsmitteln, zu welchem Zweck, mit wessen Zustimmung, welche - genau zu beschreibenden - Grundflächen benützt hat.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand für eine überzählige Beschwerdeausfertigung.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung SachverhaltsänderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995050331.X00Im RIS seit
20.11.2000