TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/24 Ro 2020/05/0030

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Veröffentlicht am 24.02.2022
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
BauO Wr §134 Abs3
BauO Wr §134a
BauO Wr §134a Abs1 litd
BauO Wr §69
BauO Wr §69 Abs1
BauO Wr §69 Abs2
BauO Wr §69 Abs3
BauO Wr §7
BauRallg
B-VG Art7 Abs1
VwGG §21 Abs1 Z2
VwGG §47
VwGG §48
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger, Mag. Liebhart-Mutzl, Dr.in Sembacher und Dr.in Gröger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der U W in W, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13. Mai 2020, VGW-111/068/25248/2014-98, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht: 1. Magistrat der Stadt Wien, 2. Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 20. Bezirk; mitbeteiligte Partei: Dipl.-Ing. U J in W, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zelinkagasse 2; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag des Magistrats der Stadt Wien auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1        Die Mitbeteiligte beantragte im Jahr 2013 eine Baubewilligung gemäß § 70 Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) für einen Dachgeschossausbau samt einem Liftturm im Innenhof auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in 1200 Wien. Die Revisionswerberin ist Miteigentümerin einer an den Innenhof angrenzenden, benachbarten Liegenschaft, an der Wohnungseigentum begründet ist.

2        Das Bauvorhaben umfasst in seiner beantragten Form bewilligungspflichtige Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplans. Straßentrakt und Hof des Gebäudes, in dem das Bauvorhaben verwirklicht werden soll, liegen in einer Schutzzone. Der Magistrat der Stadt Wien (in der Folge: Magistrat) legte die Bausache daher gemäß § 133 BO dem für den 20. Bezirk zuständigen Bauausschuss (in der Folge: Bauausschuss) zur Bewilligung der Abweichungen mit der Empfehlung vor, eine Ausnahme nach § 69 BO zu erteilen. Entgegen dieser Empfehlung versagte der Bauausschuss mit Bescheid vom 19. Februar 2014 unter anderem die Ausnahmebewilligung wie folgt:

Gemäß § 69 der BO sind folgende Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes nicht zulässig:

Der Aufzugschacht darf die hintere Baufluchtlinie um insgesamt 2,73 m überschreiten und durch den Zubau von der Bestimmung, diese Fläche gärtnerisch zu gestalten, abgewichen werden.

3        Begründend führte der Bauausschuss aus, dass die Breite der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche zwischen der Liegenschaft des Bauvorhabens und der Nachbarliegenschaft an der kürzeren Seite des Aufzugsschachtes ca. 7,5 m betrage. Unter Berücksichtigung der zulässigen Gebäudehöhe von 18 m würde die Errichtung eines gemauerten Aufzugsschachtes in dieser speziellen Lage eine wesentliche Beeinträchtigung des Lichteinfalls in die benachbarten Innenhöfe bedeuten. Die Überschreitung der Baufluchtlinie sei daher abzulehnen. Darüber hinaus würde der geplante Aufzug nur die Halbstöcke anfahren, sodass der Rest der Stiege weiterhin zu Fuß zu überwinden wäre. Er würde daher nicht der barrierefreien Aufschließung von konsensgemäßen Wohnungen dienen.

4        Die Erhöhung der festgesetzten Gebäudehöhe von 18 m um 1 m und die beantragten Dachgauben seien hingegen (nur) deshalb nicht bewilligt worden, weil für die Bewilligung eines Dachgeschosszubaus die Herstellung eines Aufzugs zwingend erforderlich sei, dessen Zubau jedoch nicht positiv beurteilt werden könne. Aus stadtgestalterischer Sicht hätte ansonsten aber das öffentliche Interesse (§ 69 Abs. 3 BO) am beantragten Dachgeschossausbau überwogen.

5        Unter Bezugnahme auf den ablehnenden Bescheid des Bauausschusses versagte der Magistrat die Baubewilligung mit Bescheid vom 19. März 2014.

6        Gegen beide Bescheide erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht).

7        Nach Einholung mehrerer Sachverständigengutachten erging das angefochtene Erkenntnis vom 13. Mai 2020, mit dem die Bescheide des Bauausschusses und des Magistrats im Sinne einer Bewilligung des Bauvorhabens abgeändert wurden. Begründend führte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, dass der Dachgeschossausbau für ein Gründerzeithaus im Umfang von zwei Dachgeschossen zur Schaffung von drei Wohnungen beantragt sei. Das Haus liege in einer Schutzzone, welche in Bezug auf das bauliche Ensemble neben den dekorierten Fassaden auch die Fensterkonstruktionen und etwaige authentische bauliche Strukturen, Konstruktionen, Foyers und Stiegenhäuser umfasse. Die Anordnung eines Liftturms im Inneren des Gebäudes hinter der straßenseitigen Fassade wäre ebenso wie sein Einbau in der Nähe der Mittelmauer eine Beeinträchtigung von baukulturell wertvollen Gebäudeteilen (Fassade und Foyer). Der Innenhof, in dem der Liftturm errichtet werden soll, könne von außen nicht eingesehen werden.

8        Rechtlich argumentierte das Verwaltungsgericht, soweit relevant, dass der Straßentrakt und der Hof des Gebäudes in einer Schutzzone liegen würden; für den Hofbereich gelte die gärtnerische Ausgestaltung. Durch die Überschreitung der Baufluchtlinie würde die Bebaubarkeit der angrenzenden Liegenschaften nicht vermindert werden. Die Flächennutzung und Aufschließung würden dadurch, dass für den Aufzugsturm lediglich zwei Prozent der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche in Anspruch genommen werden müssten, nicht grundlegend anders werden. Die denkbaren Alternativen durch Errichtung eines Aufzugs innerhalb des Bestandobjektes wären nur unter einem Eingriff in das historische Foyer möglich, das mit dem Stiegenhaus einen halböffentlichen Bereich bilde. Folglich würde die Situierung des Liftturms im Innenhof dem öffentlichen Interesse am Stadtbild am besten dienen, weil er das Stadtbild dort gar nicht beeinträchtigen würde. Es wäre geradewegs absurd, wenn die Ausweisung als Schutzzone dazu führte, dass historische Gebäude bei sinnvollen Adaptierungen ihrer historischen Substanz teilverlustig werden müssten, weil ein schonenderer Eingriff über den von außen nicht einsehbaren Innenhof wegen der Ausweisung als Schutzzone gemäß § 69 Abs. 3 BO verunmöglicht wäre. Die zulässige flächenmäßige Ausnützbarkeit des Bauplatzes würde außerdem nicht überschritten werden.

9        Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für eine solche Konstellation fehle und gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Vergleich mit fiktiven Baumaßnahmen unzulässig sei. Konkret gehe es um die Frage, ob halböffentliche Gebäudeteile (Anmerkung: Foyer und Stiegenhaus) auch dem öffentlichen Interesse des örtlichen Stadtbildes unterliegen würden und ob es dem überwiegenden öffentlichen Interesse entspreche, wenn ein für das Stadtbild wenig ansprechender Aufzugsturm in einer Schutzzone gemäß § 69 Abs. 3 BO im Innenhof „versteckt“ werde.

10       Die vorliegende ordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit darüber hinaus vor, dass die Argumentation des Verwaltungsgerichtes gegen den klaren Wortlaut des § 69 Abs. 3 BO verstoße, wonach es einer positiven Förderung der öffentlichen Interessen bedürfe.

11       Der Magistrat erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er den Ausführungen der Revisionswerberin inhaltlich zustimmte und selbst einen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses stellte.

12       Die Mitbeteiligte trat in ihrer Revisionsbeantwortung den Ausführungen der Revisionswerberin entgegen und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13       Die Revision ist mangels Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob in Schutzzonen das öffentliche Interesse an einem Baukörper zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes gemäß § 69 Abs. 3 BO auch dann zu prüfen ist, wenn der Baukörper keine Auswirkung auf das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes hat, zulässig. Sie ist aber im Ergebnis nicht begründet.

14       Die hier relevanten Bestimmungen der BO, LGBl. Nr. 11/1930 (§ 7 idF LGBl. Nr. 37/2018, § 69 idF LGBl. Nr. 25/2009, § 134a idF LGBl. Nr. 24/2008), lauten auszugsweise:

Schutzzonen

§ 7.

(1) In den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen können die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete (Schutzzonen) ausgewiesen werden.

(1a) Bei der Festsetzung von Schutzzonen sind die prägende Bau- und Raumstruktur und die Bausubstanz sowie auch andere besondere gestaltende und prägende Elemente, wie die natürlichen Gegebenheiten oder Gärten und Gartenanlagen, zu berücksichtigen.

(2) Die Schutzzonen sind von den übrigen Gebieten eindeutig abzugrenzen. Die Grenzen der Schutzzonen können mit Fluchtlinien zusammenfallen.

(3) Für Schutzzonen können im Bebauungsplan über die Festsetzung gemäß § 5 Abs. 4 hinaus die erforderlichen Bestimmungen über die Anordnung einzelner Baukörper (Brunnen, Säulen, Bildstöcke, Schuppen und dergleichen), die Anordnung und Ausgestaltung von Höfen und die Ausgestaltung und Ausstattung der öffentlichen Bereiche (Verkehrsflächen, Beleuchtungskörper und dergleichen) festgesetzt werden.

(4) Umfassen Kataloge oder planliche und bildliche Darstellungen (Fassadenpläne, Fotos u. dgl.) zur Präzisierung der gemäß § 5 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 festgesetzten Bestimmungen einzelne Bauwerke und Bauwerksteile, wie Brunnen, Säulen, Bildstöcke, Dachaufbauten, Ein- und Abfriedungen, Fenster- und Türverzierungen, Hauszeichen, Inschriften u. dgl. einer Schutzzone, bilden diese einen Bestandteil des Bebauungsplanes.

(5) Durch die Verhängung einer zeitlich begrenzten Bausperre über ein Stadtgebiet, das in einer Schutzzone liegt, werden die aus der Schutzzone erfließenden Verpflichtungen nicht berührt.

[...]

Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes

§ 69.

(1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde über die Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes zu entscheiden. Diese Abweichungen dürfen die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nicht unterlaufen. Darüber hinaus darf

1.   die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden,

2.   an Emissionen nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht,

3.   das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst werden und

4.   die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden.

(2) Abweichungen, die die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, sind weiters nur zulässig, wenn sie nachvollziehbar

1.   eine zweckmäßigere Flächennutzung bewirken,

2.   eine zweckmäßigere oder zeitgemäße Nutzung von Bauwerken, insbesondere des konsensgemäßen Baubestandes, bewirken,

3.   der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes dienen oder

4.   der Erhaltung schützenswerten Baumbestandes dienen.

(3) Für Bauvorhaben in Schutzzonen dürfen Abweichungen nach Abs. 1 nur bewilligt werden, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird.

(4) Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, dass die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung der besseren barrierefreien Benützbarkeit des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist.

(5) Die Bestimmungen über Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes finden auch in Gebieten Anwendung, über die gemäß § 8 Abs. 2 eine zeitlich begrenzte Bausperre verhängt ist.

[...]

Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

§ 134a.

(1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a)   Bestimmungen über den Abstand eines Bauwerkes zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

b)   Bestimmungen über die Gebäudehöhe;

c)   Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

d)   Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

[...]“

15       Die Vorgängerbestimmung des § 69 Abs. 3 BO, § 69 Abs. 1 lit. n BO, und § 69 Abs. 2 BO, idF LGBl. Nr. 28/1987, lauteten wie folgt:

„Unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften

§ 69.

(1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde nach Maßgabe des Abs. 2 über die Zulässigkeit folgender Abweichungen von den Bebauungsvorschriften zu entscheiden:

[...]

n)   in Schutzzonen Abweichungen von den Bestimmungen des Bebauungsplanes, insbesondere auch von der festgesetzten Baulinie, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird;

[...]

(2) Durch Abweichungen nach Abs. 1 darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden; an Emissionen darf nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht. Im übrigen darf, abgesehen von den unter Abs. 1 näher genannten Voraussetzungen, von den Bestimmungen des FIächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werden; es dürfen das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflußt und die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden. Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, daß die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung einer zeitgemäßen Ausstattung oder der besseren barrierefreien Benützbarkeit des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist.“

16       Die Gesetzesmaterialien zur Bauordnungsnovelle 1987, LGBl. Nr. 28/1987 (Erl. BlgWrLT Nr. 8/1987), führen zu lit. n aus:

„In lit. n wird bestimmt, daß in Schutzzonen weitestgehende Abweichungen von Bestimmungen des Bebauungsplanes zulässig sein sollen, die jedoch dennoch nicht den Rahmen von unwesentlichen Abweichungen zufolge des Einleitungssatzes des Abs. 1 überschreiten dürfen. Dieser Tatbestand wird deshalb in die Novelle aufgenommen, um auf den jeweils gegebenen Charakter einer Schutzzone im einzelnen Bauverfahren besonders Rücksicht nehmen zu können. Jedenfalls darf aber dadurch die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten werden. Dieser Ausnahmetatbestand erscheint gerechtfertigt, da in Schutzzonen - wie auch die Praxis gezeigt hat - im Zusammenhang mit einem einzelnen Bauvorhaben sich ad hoc öffentliche Interessen am Stadtbild offenbaren können, wobei sich dadurch unwesentliche Abweichungen vom - bereits früher unter anderen damals aktuellen Gesichtspunkten erstellten - Bebauungsplan als notwendig erweisen können. Die sensible Materie der Schutzzonen erfordert es, daß relativ rasch (und nicht erst nach einem aufwendigen und lang dauernden Verfahren zur Änderung des Bebauungsplanes) neu artikulierte öffentliche Interessen berücksichtigt werden können.“

17       Zur Parteistellung der Revisionswerberin:

Die Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte des § 134a BO ist taxativ („ausschließlich“). Die dort genannten Nachbarrechte werden weiter dadurch eingeschränkt, dass die zugrunde liegenden Bestimmungen von Eigentümern benachbarter Liegenschaften nur herangezogen werden können, „sofern sie ihrem Schutze dienen“ - das heißt, wenn der Nachbar durch ihre Nichteinhaltung selbst betroffen wäre (Moritz, BauO für Wien6 (2019) Anm. zu § 134a Abs. 1, 455 f., und die dort angeführte Judikatur des VwGH).

18       Einem Nachbarn steht grundsätzlich ein Anspruch auf Wahrung des örtlichen Stadtbildes und die Beachtung „schönheitlicher Rücksichten“ nicht zu, weil der Gesetzgeber die Pflege dieser Werte primär im Interesse der Allgemeinheit, nicht aber im spezifischen Interesse der Nachbarn gefordert hat (VwGH 29.9.2015, 2013/05/0108; 14.12.2007, 2006/05/0192; 12.10.2004, 2003/05/0019).

19       Für das Verfahren nach § 69 BO gilt Folgendes: Nach Maßgabe des § 134 Abs. 3 BO hat der Nachbar Parteistellung im Verfahren nach § 69 BO und kann seine Nachbarrechte (§ 134a BO), die ihm vor Gewährung der Ausnahme zustehen, geltend machen (Moritz, Anm. zu § 69 Abs. 1, 240). Wurde eine Ausnahmebewilligung von den Bauvorschriften nach § 69 BO erteilt, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind, liegt eine Verletzung von Nachbarrechten vor (vgl. VwGH 28.4.2015, 2012/05/0108, 0109). Der Nachbar hat somit einen Rechtsanspruch, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung eingehalten werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Nachbar im Bauverfahren jenes subjektiv-öffentliche Nachbarrecht, in das durch die Abweichung gemäß § 69 BO eingegriffen wird, rechtzeitig und wirksam im Verfahren geltend gemacht hat (vgl. VwGH 29.9.2015, 2013/05/0108). Wenn sein Schutzbereich betroffen sein kann, kommt ihm ein Mitspracherecht bezüglich der Voraussetzungen für die Ausnahmebewilligung zu, und zwar auch insofern, als nach § 69 BO das vom Flächenwidmungs- und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild durch die Abweichung von Bebauungsvorschriften nicht störend beeinflusst werden darf (wiederum VwGH 28.4.2015, 2012/05/0108, 0109; Moritz, Anm. zu § 69 Abs. 1, 240, und Pauer/Donner/Wedenig, Abweichungen von Bebauungsvorschriften (2012) 139).

20       Konkret macht die Revisionswerberin - soweit nach der Revision noch relevant - geltend, dass der geplante Aufzugsschacht die hintere Baufluchtlinie überschreitet und eine Bewilligung dieser Abweichung nach § 69 BO nicht hätte gewährt werden dürfen. Gemäß § 134a Abs. 1 lit. d BO werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte durch die Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien begründet. Auch der seitliche Nachbar hat ein Recht auf Einhaltung der hinteren Baufluchtlinie, weil sie seine Belichtung und Belüftung betrifft (Moritz, Anm. zu § 134a Abs. 1, 455). Aufgrund der möglichen Betroffenheit ihres Schutzbereiches kommt der Revisionswerberin daher ein Mitspracherecht bezüglich der Voraussetzungen für die Ausnahmebewilligung zu.

21       Als seitliche Nachbarin macht die Revisionswerberin hier daher ein ihr zustehendes subjektiv-öffentliches Recht geltend.

Zur Auslegung des § 69 Abs. 3 BO:

22       Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, dass nach dem Wortlaut des § 69 Abs. 3 BO Abweichungen für Bauvorhaben in Schutzzonen nur bewilligt werden dürfen, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt (und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird). Voraussetzung für die Bewilligung einer Abweichung sei somit, dass das örtliche Stadtbild die Abweichung geradezu fordere. Es genüge nicht bloß, dass das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt werde. Vielmehr sei ein positiver Einfluss auf das Stadtbild eine Bewilligungsvoraussetzung. Da der projektierte Liftturm keinerlei Einfluss auf das öffentliche Stadtbild habe, habe er auch keinerlei Einfluss auf das öffentliche Interesse - weder positiv noch negativ. Für eine Bewilligung bedürfe es jedoch eines Überwiegens des öffentlichen Interesses. Darüber hinaus dürfe auch kein Vergleich mit fiktiven Baumaßnahmen angestellt und geprüft werden, ob alternative Situierungen des Liftturms zu einer Beeinträchtigung der Fassade und des Foyers führen würden.

23       Der Magistrat bringt in seiner Revisionsbeantwortung vor, dass es den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Begriff „halböffentliche Gebäudeteile“ in der Bauordnung nicht gebe. Auch nach Ansicht des Magistrats widerspreche die Interpretation des § 69 Abs. 3 BO durch das Verwaltungsgericht seinem klaren Wortsinn. Es genüge in Schutzzonen nicht, dass Interessen des Stadtbildes nicht entgegenstünden, sondern solche Interessen müssten die Abweichung geradezu fordern (Verweis auf Moritz, Anm. zu § 69 Abs. 3, 245).

24       Der Revisionswerberin und dem Magistrat ist zuzustimmen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Vergleich mit fiktiven Baumaßnahmen nicht zulässig ist. Die Genehmigungsfähigkeit ist auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen (vgl. etwa VwGH 23.6.2015, 2012/05/0019). Beim Baubewilligungsverfahren handelt es sich um ein Projektgenehmigungsverfahren, in dem das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt zu beurteilen ist, wobei der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist (VwGH 12.8.2020, Ra 2019/05/0245 bis 0275, mwN). Die Tatsache, dass die alternative Situierung des Liftes im Foyer oder Stiegenhaus des Gebäudes dem öffentlichen Interesse weniger dienen würde als die beantragte Errichtung im Innenhof, kann daher nicht ausschlaggebend sein.

25       Dennoch ist dem abändernden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes im Ergebnis zuzustimmen:

26       Das Bauvorhaben liegt in einer Schutzzone. § 69 Abs. 3 BO normiert für Bauvorhaben in Schutzzonen besondere Anforderungen an die Bewilligung von Abweichungen nach § 69 Abs. 1 BO: Das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes muss überwiegen. Der Begriff der Schutzzone ist in § 7 BO geregelt, wonach in den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete als Schutzzonen ausgewiesen werden.

27       Mit dem Ausnahmetatbestand für Abweichungen in Schutzzonen sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Abweichungen ohne Änderung des Bebauungsplanes durchführen zu können, wenn es ein entsprechendes öffentliches Interesse daran gibt (s. die Erläuterungen zur Vorgängerbestimmung des § 69 Abs. 3, § 69 Abs. 1 lit. n BO, Erl. BlgWrLT Nr. 8/1987, S. 7 zu lit. n).

28       Durch die Novelle LGBl. Nr. 25/2009 und die Neuformulierung des § 69 BO wurde ein neues System für Abweichungen von Bestimmungen des Bebauungsplanes eingeführt. Anstelle des Kriteriums der „Unwesentlichkeit“ einer Abweichung ist ihre Zulässigkeit seither davon abhängig, ob sie der Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes widerspricht (Erl. BlgWrLT Nr. 27/2008, S. 8 zu Z 73 (§ 69); s auch Geuder/Fuchs, Wiener Baurecht7 (2021) 360). Nach den Materialien legt § 69 Abs. 3 BO - entsprechend dem bis dahin geltenden § 69 Abs. 1 lit. n BO - besondere Kriterien für die Bewilligung von Abweichungen in Schutzzonen fest (Erl. BlgWrLT Nr. 27/2008, S. 9 zu Z 73 (§ 69)).

29       Ohne Zweifel ergibt sich aus der Definition der Schutzzonen in § 7 BO für die Anwendung des § 69 Abs. 3 BO, dass in Schutzzonen bei jenen Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplans, die das äußere Erscheinungsbild berühren, die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 BO erfüllt sein müssen (s. auch Pauer/Donner/Wedenig, Abweichungen von Bebauungsvorschriften, 100).

30       Zunächst ist daher zu klären, ob die Veränderung des Baukörpers im nicht einsehbaren Innenhof eine Änderung des äußeren Erscheinungsbildes der Schutzzone bewirken kann. Das „äußere Erscheinungsbild“ von Gebäuden ist von jeder Änderung betroffen, die von öffentlichen Verkehrsflächen aus wahrnehmbar ist (Moritz, Anm. zu § 8 Abs. 1, 96, unter Hinweis auf die andere Textierung in § 62 Abs. 1 Z 4). Dies steht auch im Einklang mit den Gesetzesmaterialien zur Altstadterhaltungsnovelle 1972, LGBl. Nr. 16/1972. Durch die Novelle sollte das für das Stadtbild Bedeutsame und in seinem äußeren Erscheinungsbild Erhaltungswürdige der Stadt bewahrt werden. Moderne Bauten würden in Stadtkernen in vielen Fällen als störender Fremdkörper empfunden, weswegen nicht nur das architektonische Altstadtbild in seiner Gesamtwirkung beeinträchtigt, sondern auch der Erholungswert dieser Gebiete für weite Kreise der Bevölkerung verringert würde (Erl. BlgWrLT Nr. 10/72, S. 2). Durch die Bestimmungen sollte die Wahrnehmung der besonderen öffentlichen Interessen in Schutzzonen erfolgen (Erl. BlgWrLT Nr. 10/72, S. 7 zu Z 8 (§ 7)). Der historische Gesetzgeber des § 7 BO stellte somit eindeutig auf das für die Öffentlichkeit wahrnehmbare Stadtbild ab. Dieses Ergebnis entspricht auch weiterhin der Systematik der BO und der Zielsetzung der Regelung. Eine Änderung im nicht einsehbaren Innenhof des Gebäudes berührt das äußere Erscheinungsbild des Stadtbildes iSd § 7 BO daher nicht.

31       Fraglich ist nun, ob § 69 Abs. 3 BO die Bewilligung einer Abweichung verunmöglicht, wenn sie im örtlichen Stadtbild nicht nach außen in Erscheinung tritt und daher mangels jeglicher Auswirkung auch keine positive Auswirkung auf das örtliche Stadtbild haben kann. Der reine Wortlaut der Bestimmung gibt keine eindeutige Antwort auf diese von der Revision aufgeworfene Frage. Ihm ist jedoch nicht explizit zu entnehmen, dass Abweichungen, die das äußere Erscheinungsbild nicht berühren, nicht bewilligt werden können. § 69 Abs. 3 BO ist daher für jene Bauvorhaben, die mangels Einsehbarkeit das äußere Erscheinungsbild nicht betreffen können, in seinen systematischen und teleologischen Kontext zu setzen.

32       § 69 Abs. 3 BO ist - wie oben ausgeführt - im Zusammenhang mit § 7 BO zu lesen, der auf in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdige Gebiete abstellt (zum äußeren Erscheinungsbild s. oben). Das äußere Erscheinungsbild von Gebäuden (o.ä.) in Schutzzonen soll nur dann geändert werden können, wenn es ein besonderes öffentliches Interesse an der Änderung gibt. Durch die Abweichung vom Bebauungsplan darf es zu keiner ästhetischen Verschlechterung des örtlichen Stadtbildes kommen; das Interesse der Öffentlichkeit an der Abweichung muss im Vergleich zur Belassung des Status quo überwiegen.

33       Beide Bestimmungen, § 7 und § 69 Abs. 3 BO, sollen das öffentliche Interesse schützen. Dies ergibt sich sowohl aus der Systematik der Bestimmungen als auch aus ihrer teleologischen Betrachtung und der Absicht des historischen Gesetzgebers: Die Materialien zu § 7 BO und zur Vorgängerbestimmung des § 69 Abs. 3 BO betonen das öffentliche Interesse an Bauwerken, die durch ihre äußere Gestaltung das Ortsbild positiv beeinflussen (Erl. BlgWrLT Nr. 10/72, S. 7 zu Z 8 (§ 7)), sowie das öffentliche Interesse am Stadtbild (Erl. BlgWrLT Nr. 8/1987, S. 7 zu lit. n).

34       Im Schrifttum vertreten Pauer/Donner/Wedenig die Ansicht, dass Abweichungen im Inneren des Gebäudes bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen nach § 69 Abs. 1 und 2 BO ohne die Voraussetzungen des Abs. 3 zu genehmigen sind (Pauer/Donner/Wedenig, Abweichungen von Bebauungsvorschriften, 100). Nach Cech müssen diese Grundsätze auch für einen - wie hier - nicht einsehbaren Innenhof gelten. Sein Erscheinungsbild stelle keine für den Ortsbildschutz relevante Front dar (Cech, ZRB 2019, 1/II). Moritz kommt zwar zum Ergebnis, dass Abweichungen, die nicht im Stadtbild in Erscheinung treten, damit offenbar ausgeschlossen sind. Eine sachliche Rechtfertigung dafür erscheint ihm aber fraglich (Moritz, Anm. zu § 69 Abs. 3, 245). Ebenso erachten Geuder/Fuchs die Bestimmung für verfassungsrechtlich bedenklich (Geuder/Fuchs, Wiener Baurecht7 (2021) 361).

35       In der Rechtsprechung befasste sich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.5.2010, 2007/05/0281, zu § 69 BO aF, mit einem geplanten Zubau auf einer hofseitigen, öffentlich nicht einsehbaren Dachterrasse. Nach der Judikatur zu § 69 BO aF hätte die beantragte Abweichung von den Bebauungsbestimmungen nur dann als „unwesentlich“ qualifiziert und genehmigt werden können, wenn das öffentliche Interesse sie geradezu gefordert hätte. Da die Abweichung mangels Sichtbarkeit im öffentlichen Raum nicht im öffentlichen Interesse liegen konnte, wurde sie als „wesentliche“ Abweichung und nicht bewilligungsfähig qualifiziert. Seit der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 ist nach § 69 BO nicht mehr die „Wesentlichkeit“ einer Abweichung zu prüfen, sondern ob die Abweichung der Zielrichtung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes widerspricht und weitere Kriterien erfüllt, sodass das genannte Erkenntnis für den vorliegenden Revisionsfall nicht einschlägig ist.

36       Die von der Revisionswerberin vertretene Auslegung des § 69 Abs. 3 BO würde dem Gebot der Sachlichkeit widersprechen: Sie würde sowohl für Baukörper, die eine Auswirkung auf das äußere Erscheinungsbild der Stadt im Sinn des § 7 BO haben, als auch für jene, die eine solche Auswirkung nicht haben, ein überwiegendes öffentliches Interesse fordern. Ein solches Interesse kann im letzteren Fall mangels einer Auswirkung nach außen, das heißt auf die Öffentlichkeit, aber nicht gegeben sein. Beide Fälle gleich zu behandeln, würde Ungleiches gleich behandeln und gegen das Gebot der Sachlichkeit verstoßen.

37       Ausgehend von der systematischen Einbettung der Bestimmung und ihrer Zielrichtung ist § 69 Abs. 3 BO verfassungskonform wie folgt zu interpretieren: Ein Vorhaben, das keine Auswirkung auf das äußere Erscheinungsbild der Stadt im Sinn des § 7 BO hat, kann sich auch nicht auf das öffentliche Interesse im Sinn des § 69 Abs. 3 BO auswirken. Wird das öffentliche Interesse mangels Sichtbarkeit einer Abweichung nicht tangiert, ist es nicht schützenswert und die Abweichung muss nicht im überwiegenden Interesse der Öffentlichkeit gelegen sein. Ein in einer Schutzzone befindliches Bauvorhaben muss somit eine Auswirkung auf deren äußeres Erscheinungsbild haben, damit die Kriterien des § 69 Abs. 3 BO zur Anwendung gelangen können. Bauvorhaben, die im Stadtbild eine solche Auswirkung nicht haben, sind nur nach § 69 Abs. 1 und 2 BO zu beurteilen. § 69 Abs. 3 BO kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung.

38       Bei der von der Revisionswerberin vertretenen, gegenteiligen Auslegung kommt fallbezogen hinzu, dass jener Teil eines einheitlichen Bauvorhabens, der keine Auswirkung auf das äußere Erscheinungsbild der Stadt hat (Liftturm), die Errichtung eines anderen, nach außen in Erscheinung tretenden und im öffentlichen Interesse gelegenen Teils des Vorhabens verhindern würde. Eine solche Absicht kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

39       Im Ergebnis ist das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes nicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.

Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

40       Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist geklärt. Das vorliegende Revisionsverfahren betraf ausschließlich Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC stehen daher der Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nicht entgegen. In Hinblick darauf konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (vgl. VwGH 13.10.2021, Ro 2021/06/0010, mwN und grdl. etwa VwGH 26.2.2016, Ro 2014/03/0002).

41       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

42       Das Aufwandersatzbegehren des Magistrats war abzuweisen, weil anderen Parteien als der revisionswerbenden Partei (so insbesondere der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht, wenn diese nicht selbst Revision erhebt) auch dann, wenn sie beantragen, der Revision stattzugeben, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung kein Kostenersatz zusteht, da ein Beitritt als Streithelfer auf Seiten der revisionswerbenden Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. VwGH 28.6.2021, Ra 2019/05/0327, mwN).

Wien, am 24. Februar 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Baubewilligung BauRallg6 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020050030.J00

Im RIS seit

04.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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