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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S S, vertreten durch Mag. Thomas Payer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Paris-Lodron-Straße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. August 2021, W265 2206556-1/27E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, in seinem Heimatort als Taxifahrer tätig gewesen zu sein und dabei auch Mitglieder der afghanischen Nationalarmee transportiert zu haben. Deshalb hätten ihn die Taliban der „Spionage“ beschuldigt, seinen Cousin entführt und diesen getötet. Nun drohe ihm Verfolgung durch die Taliban und durch seinen Onkel, der den Revisionswerber für den Tod des Cousins verantwortlich mache.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag in Bestätigung eines Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21. August 2018 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
Über Beschwerde des Revisionswerbers hob der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2021, E 3466/2021-12, in Bezug auf die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz und die darauf aufbauenden Spruchpunkte auf; im Übrigen lehnte er die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich nur mehr gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten und macht zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend, dem BVwG seien mehrere - grundsätzliche Rechtsfragen aufwerfende - Verfahrensmängel unterlaufen. Im Folgenden wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG, mit der dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers kein Glauben geschenkt worden ist. Sie argumentiert, bei entsprechender Würdigung der Aussagen des Revisionswerbers „hätte diesem zweifellos Glauben geschenkt werden müssen und wären insbesondere die vorgelegten Urkunden, welche die Mitgliedschaft des Cousins zur afghanischen Armee sowie dessen Ermordung bestätigen, zur Feststellung des Sachverhalts entsprechend zu würdigen gewesen“. Zudem drohe dem Revisionswerber auf Grund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Rückkehrer aus westlichen Ländern Gefahr der individuellen Verfolgung.
4 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
7 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG in Bezug auf die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nur dann vor, wenn diese Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden ist (vgl. etwa VwGH 24.1.2022, Ra 2021/18/0412, mwN).
9 Dass diese Voraussetzungen fallbezogen gegeben wären, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das BVwG hat sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers eingehend auseinandergesetzt. Es hat auf die Steigerung des Vorbringens im Laufe des Verfahrens, auf die Detailarmut der Aussagen des Revisionswerbers und auf näher dargestellte Ungereimtheiten seines Fluchtvorbringens (auch im Zusammenhang mit der behaupteten Entführung und Ermordung des Cousins) hingewiesen. Außerdem hat es näher begründet, weshalb es den erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos, welche die Hinrichtung des Cousins dokumentieren sollen, keinen entscheidenden Beweiswert zuerkennt. So wies das BVwG darauf hin, dass der Revisionswerber vor dem BFA angegeben habe, keine - weiteren - Beweismittel zu haben. Außerdem könne die Person auf den Fotos nicht identifiziert werden.
10 Wenn die Revision dem entgegenhält, dem Revisionswerber sei die Bedeutung dieser Beweismittel erst in der mündlichen Verhandlung bewusst geworden, weshalb er sie zuvor noch nicht vorgelegt habe, kann dies angesichts seines Fluchtvorbringens und des Verfahrensverlaufes nicht nachvollzogen werden. Welche zusätzlichen relevanten und in der mündlichen Verhandlung angeblich vorgelegten Dokumente das BVwG in seine Beweiswürdigung nicht einbezogen hätte, legt die Revision nicht konkret dar.
11 Insgesamt gelingt es ihr deshalb nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit des Verfahrens oder der Beweiswürdigung darzutun.
12 Das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen betreffend eine asylrelevante Bedrohung des Revisionswerbers wegen des Aufenthalts im „westlichen“ Ausland stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung (§ 41 VwGG) dar und ist schon deshalb nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.
13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.
Wien, am 3. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021180325.L00Im RIS seit
04.04.2022Zuletzt aktualisiert am
11.04.2022