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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des O A, vertreten durch Prof. Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2021, W284 2209873-1/26E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 12. Februar 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, als Journalist gegen die Regierung gearbeitet zu haben und von dieser grundlos für 27 Tage inhaftiert worden zu sein.
2 Mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Mit Beschluss vom 15. Dezember 2021, E 4037/2021-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht, das dem vorgebrachten Fluchtgrund keinen Glauben geschenkt habe, habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt. Zum einen habe es einen Antrag auf Einvernahme einer Zeugin zur Klärung der beruflichen Tätigkeit des Revisionswerbers als Journalist grundlos abgelehnt. Zum anderen habe es die vom Revisionswerber im Original vorgelegten Presseausweise überraschend nicht gewürdigt, und sei dem in der Beschwerdeverhandlung gestellten Antrag, dass „die Original vorgelegten Dienstausweise auf ihre Echtheit geprüft werden“, nicht nachgekommen. Gleichzeitig sei es lebensfremd zum Ergebnis gekommen, dass der Revisionswerber nicht als Journalist gearbeitet habe. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht nicht dazu Stellung genommen, weshalb es ein amtswegiges Tätigwerden unterlassen habe. Es hätte sich nicht ausschließlich auf allenfalls unrichtige bzw. widersprüchliche Angaben des Revisionswerbers stützen dürfen, sondern die journalistische Tätigkeit auch anhand der „Presseausweise“ sowie der beantragten Zeugin einer Würdigung unterziehen müssen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 13.1.2022, Ra 2021/14/0386 bis 0390, mwN).
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 12.10.2021, Ra 2020/14/0229, mwN).
12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, in einer umfangreichen Beweiswürdigung mit den Verfahrensergebnissen, insbesondere den Angaben des Revisionswerbers und deren Plausibilität auseinandergesetzt. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, als regimekritischer Journalist tätig gewesen zu sein, sprach es unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit ab und zeigte im Einzelnen auf, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichtes gegen eine tatsächliche Verfolgung sprechen würden. So stellte es unter anderem dar, dass es den Ausführungen des Revisionswerbers an Details gemangelt habe und veranschaulichende Angaben zu seinen Fluchtgründen vollends unterblieben seien, insbesondere habe der Revisionswerber bis zuletzt keine genaueren Angaben zu seiner behaupteten mehrwöchigen Inhaftierung machen können. Die Ausführungen seien auch in mehreren Aspekten widersprüchlich gewesen, mehrfach habe der Revisionswerber auch Geschehnisse in einem völlig anderen zeitlichen Zusammenhang präsentiert. Ebenso seien die vagen und unsubstantiierten Aussagen der im Rahmen der Verhandlung als Zeugin einvernommenen Mutter des Revisionswerbers aus näher genannten Gründen mangels Nachvollziehbarkeit nicht plausibel. Es gelingt der Revision, die diesbezüglich nur einzelne Aspekte des Bundesverwaltungsgerichtes anspricht, nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit dieser Beurteilung darzulegen.
13 Weiters unterliegt die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Ermittlungspflicht von Amts wegen weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. wiederum VwGH Ra 2021/14/0386 bis 0390, mwN).
14 Entgegen dem Revisionsvorbringen stellte der Revisionswerber in seiner Beschwerde auch keinen Antrag auf Einvernahme einer Zeugin zur „Klärung“ seiner beruflichen Tätigkeit, sondern beantragte die Befragung der Zeugin zum Beweis seiner „Gefährdung als Journalist“. Diesen Antrag lehnte das Bundesverwaltungsgericht nicht ohne Begründung ab, sondern führte ins Treffen, dass es das Risikoprofil journalistisch und regimekritisch tätiger Personen nicht verkenne, fallbezogen jedoch zum Ergebnis gelangt sei, dass der Revisionswerber als Grafikdesigner und nicht als Journalist tätig gewesen sei. Dass diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, vermag die Revision, die den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts nichts Stichhaltiges entgegensetzt, nicht aufzuzeigen.
15 Soweit die Revision schließlich die unterbliebene Würdigung der vom Revisionswerber vorgelegten Ausweise moniert, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Unterlassung der Beweisaufnahme dann kein Verfahrensmangel gelegen ist, wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist (vgl. VwGH 28.5.2021, Ra 2021/20/0070; 14.10.2016, Ra 2016/18/0260, mwN). Der Revisionswerber beantragte in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ohne weitere Begründung lediglich, die - in der Verhandlung vorgelegten - „Dienstausweise“ auf ihre Echtheit überprüfen zu lassen. Der Revision gelingt es nicht, darzulegen, dass das BVwG in seiner Begründung, wonach dieser Beweisantrag unbestimmt sei, von dieser Rechtsprechung abgewichen ist. Auch ist darauf hinzuweisen, dass der Revisionswerber zuvor - wie das BVwG zutreffend darlegte - im Verfahren (insoweit im Widerspruch zum letztgenannten Beweisantrag) behauptet hatte, die Ausweise seien ihm vom Geheimdienst abgenommen und nicht wieder retourniert worden.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 7. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140036.L00Im RIS seit
04.04.2022Zuletzt aktualisiert am
11.04.2022