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90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
FSG 1997 §1 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des D B in M, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 29. Juli 2021, Zl. LVwG-652163/2/KH, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 2021 wurde dem Revisionswerber (in Bestätigung eines Mandatsbescheides vom 26. Mai 2021) die Lenkberechtigung im gesamten Berechtigungsumfang für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheins (23. Mai 2021), gemäß (u.a.) §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Z 1, 24 Abs. 1 Z 1 sowie 26 Abs. 2 Z 4 FSG entzogen. Unter einem wurde die Absolvierung einer Nachschulung gemäß § 24 Abs. 3 FSG angeordnet und (durch Abweisung eines diesbezüglichen Antrags in der Beschwerde) die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aberkannt.
2 Begründend verwies die Behörde darauf, dass der Revisionswerber am 23. Mai 2021 einen PKW auf einem Parkplatz in G in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,67 mg/l) in Betrieb genommen habe. Aus diesem Grund sei er gemäß §§ 5 Abs. 1 iVm. 99 Abs. 1a StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden. Somit sei vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinn von § 7 Abs. 3 Z 1 FSG auszugehen und die Lenkberechtigung des Revisionswerbers gemäß § 26 Abs. 2 Z 4 FSG für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen. Da gegenständlich keine Umstände vorlägen, die für eine Verlängerung der Mindestentziehungsdauer sprächen, sei die Entziehungsdauer mit vier Monaten festzulegen gewesen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Unter einem wurde der in der Beschwerde formulierte Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgewiesen. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht setzte sich mit der in der Beschwerde (wie bereits zuvor in der Vorstellung) vorgetragenen rechtlichen Argumentation des Revisionswerbers auseinander, wonach das FSG auf die bloße Inbetriebnahme eines Fahrzeuges nicht anwendbar und daher unter diesem Gesichtspunkt die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit des Revisionswerbers unzulässig sei. Aus näher dargestellten Gründen erachtete das Verwaltungsgericht diese Rechtsauffassung als unzutreffend. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers erweise sich auch die Anordnung einer Nachschulung in der vorliegenden Konstellation als gesetzlich geboten (§ 24 Abs. 3 Z 3 FSG). Die Abweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begründete das Verwaltungsgericht dahin, dass der vorzeitige Vollzug des Bescheides der belangten Behörde einerseits aus bereits von dieser dargestellten zwingenden Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich sei und andererseits die Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Revisionswerber in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand durch die polizeiliche Kontrolle verhindert worden sei, weshalb nicht auszuschließen sei, dass der Revisionswerber ohne Einschreiten der Beamten eine Gefahr für die Verkehrssicherheit dargestellt hätte.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob das FSG auf die bloße Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges anwendbar sei; gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. sei dies nicht der Fall. Die bloße Inbetriebnahme eines Fahrzeuges führe nicht zur Verkehrsunzuverlässigkeit; dies ergebe sich aus § 7 Abs. 1 erster Satz FSG (arg: „beim Lenken“). Aufgrund der Ingangsetzung des Motors habe der Revisionswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1a zweiter Fall StVO 1960 zu verantworten. Eine Verkehrsunzuverlässigkeit sei daraus aber nicht abzuleiten. Fallbezogen verstoße die Unterlassung einer Wertung gemäß § 7 Abs. 4 FSG gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob auch derjenige, der einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand bloß zum Beheizen des Fahrgastinnenraumes gestartet, das Fahrzeug aber nicht gelenkt habe, eine Nachschulung absolvieren müsse. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall stehe mit der hg. Rechtsprechung nicht in Einklang. Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung betreffend die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei mangelhaft begründet. Im Zusammenhang mit der Verkehrssicherheit habe gegenständlich auch keine Gefahr in Verzug bestanden. Es fehle zudem Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit betreffend den Ausspruch über die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu einem Zeitpunkt, in dem die Beschwerde bereits erledigt gewesen sei.
Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen nicht vor:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 22.3.2018, Ra 2018/11/0034, mwN).
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die gesetzliche Rechtslage eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn dazu noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist, sofern nicht fallbezogen eine Konstellation vorliegt, die es im Einzelfall erforderlich macht, aus Gründen der Rechtssicherheit korrigierend einzugreifen (vgl. etwa VwGH 30.1.2020, Ra 2018/11/0210 bis 0212, mwN).
11 Gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 FSG gilt als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1, wenn jemand „ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat“. Ebenso stellen die in § 26 Abs. 1 und 2 FSG genannten Übertretungen jeweils auf „ein Lenken oder Inbetriebnehmen“ eines Kraftfahrzeuges ab (siehe etwa VwGH 16.10.2012, 2012/11/0171; betreffend u.a. die Inbetriebnahme von Fahrzeugen im Ausland vgl. auch VwGH 25.2.2020, Ro 2019/11/0006).
12 Es folgt schon aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, dass als bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG insbesondere die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges gilt, wenn dabei (wie hier) eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen wurde. Der Deliktskatalog des § 7 Abs. 3 FSG knüpft ganz offenkundig nicht hinsichtlich sämtlicher Tatbestände daran an, dass diese beim Lenken eines Fahrzeuges verwirklicht wurden. Vielmehr werden in der zuletzt genannten Bestimmung unterschiedliche Konstellationen aufgezählt, bei deren Vorliegen typischer Weise von der mangelnden Verkehrszuverlässigkeit des Betroffenen auszugehen ist, d.h. angenommen werden muss, dass dieser wegen seiner Sinnesart beim Lenken eines Kraftfahrzeuges (vgl. § 1 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 FSG) u.a. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird. Die von der Zulässigkeitsbegründung unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 FSG in Abrede gestellte Erfüllung des Entziehungstatbestandes des § 7 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FSG im Fall der „bloßen“ Inbetriebnahme eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand (hier: Übertretung gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960) unterliegt keinem Zweifel. Hinsichtlich der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe eine bestimmte Tatsache im Sinn von § 7 Abs. 3 Z 1 FSG verwirklicht, wirft die Revision somit keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.
13 Es entspricht auch der ständigen hg. Rechtsprechung, dass in der vorliegenden Konstellation, in der die Entziehungsdauer mit der in § 26 Abs. 2 Z 4 FSG vorgesehenen Mindestentziehungsdauer festgesetzt wurde, keine Wertung im Sinn von § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmen ist (vgl. z.B. VwGH 17.11.2009, 2009/11/0023 [Slg. Nr. 17788/A]; 29.1.2018, Ra 2017/11/0285).
14 Dass fallbezogen zwingend eine Nachschulung anzuordnen war, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls im Einklang mit der hg. Judikatur angenommen (VwGH 20.6.2006, 2006/11/0040 [Slg. Nr. 16948/A]). Sofern sich der Revisionswerber auf die Nachschulungsverordnung (FSG-NV) beruft, wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch deshalb nicht aufgeworfen, weil aus den im Zusammenhalt mit dem Gesetzeswortlaut aufzufassenden Regelungen der genannten Verordnung nichts Gegenteiliges abzuleiten ist.
15 Vor diesem Hintergrund gelingt es der Zulässigkeitsbegründung im vorliegenden Fall, in dem keine rechtlich relevanten sachverhaltsbezogenen Aspekte klärungsbedürftig waren, auch nicht aufzuzeigen, dass das Absehen von der Durchführung einer (im Übrigen von dem anwaltlich vertretenen Revisionswerber in der Beschwerde nicht beantragten) mündlichen Verhandlung im Widerspruch zur hg. Rechtsprechung betreffend § 24 VwGVG stünde (vgl. VwGH 21.11.2017, Ra 2017/11/0261).
16 Ein relevanter Begründungsmangel wird von der Zulässigkeitsbegründung, die auch die verwaltungsgerichtliche Entscheidung betreffend die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung als verfehlt erachtet, nicht dargetan. Der Verwaltungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen einen Ausspruch über die Entziehung der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (abgesehen von in hier nicht gegebenen Konstellationen) für zulässig (VwGH 27.4.2017, Ra 2017/11/0049).
17 Die Entscheidung über die Zuerkennung bzw. Aberkennung (Ausschluss) der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde - wie gegenständlich - eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung vom Verwaltungsgericht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 2.11.2018, Ra 2018/03/0111, 0112).
18 Im Zusammenhang mit der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für den zeitgleich mit der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Entziehungsbescheid ergangenen (einen diesbezüglichen Antrag des Revisionswerbers abweisenden) Beschluss über die Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung wirft die Zulässigkeitsbegründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ebenfalls nicht auf (vgl. § 22 Abs. 3 VwGVG).
19 Da somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt wird, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110137.L00Im RIS seit
04.04.2022Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022