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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BDG 1979 §123Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Dipl. Ing. A B in C, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2021, W208 2245901-1/3E, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdisziplinarbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis leitete das Bundesverwaltungsgericht gegen den Revisionswerber gemäß § 123 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ein Disziplinarverfahren ein, weil er im Verdacht stehe seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und 2, § 44 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben und umschrieb diese Dienstpflichtverletzungen spruchgemäß wie folgt (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„[Der Revisionswerber] steht im Verdacht, in Wien als Direktor der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt, [...]
1.) a. die sachliche und rechnerische Richtigkeit von Taxenzahlungen ohne rechtliche Grundlage bzw ohne schriftliche Vereinbarung an insgesamt 27 Mitarbeiter*innen in den Jahren 2016 und 2017 für Tätigkeiten bestätigt zu haben, die Teil der Arbeitsplatzbeschreibung sind bzw. die Arbeitsplatzbeschreibungen so formuliert/interpretiert zu haben, dass Tätigkeiten, die eigentlich dem Arbeitsplatz inhärent sind, als nicht dem Arbeitsplatz zugehörig erscheinen, um Taxenzahlungen zu rechtfertigen, wodurch Taxenzahlungen in Höhe von bis zu € 921.754,89,- zu Unrecht erfolgt sind;
c. entgegen § 9 BHV die sachliche und rechnerische Richtigkeit von Taxenzahlungen im Zeitraum Februar 2016 bis Dezember 2018 an sich selbst bestätigt zu haben;
3.) die sachliche und rechnerische Richtigkeit von ‚Sonderprämien‘ iHv € 76,00 anlässlich einer Kostenaufstellung am 27.09.2017 ohne nachvollziehbare qualitative und/oder quantitative Begründung und ohne entsprechende Dokumentation als Teil der Taxenzahlungen an die Mitarbeiter*innen bestätigt zu haben;
4.) den Erlass ‚Aufgabenprofil und Verrechnung der Gebarung der Versuchsanstalten‘ vom 13.01.2014 (BMUKK-18.100/15-II/2e/2013) nicht eingehalten zu haben, indem er
b. die Vorgaben zur Auftragskalkulation nicht eingehalten habe;
d. die Taxenabrechnung ohne Zugrundelegung quantitativer Parameter geduldet habe
5.) Spätestens ab 2011 von einer falschen Arbeitsplatzbeschreibung den [...] betreffend, gewusst zu haben und hinsichtlich dieses Arbeitsplatzes - trotz wiederholter Aufforderung an die Personalabteilung der Versuchsanstalt und nicht mehr vorliegender Identität des Arbeitsplatzes - keine Neubewertung beim Bundesminister beantragt zu haben;“.
Hinsichtlich weiterer Anschuldigungspunkte hob das Verwaltungsgericht den Einleitungsbeschluss der Bundesdisziplinarbehörde auf und stellte das Disziplinarverfahren ein.
Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner nur gegen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gerichtete Revision zunächst im Bedarf an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Festlegung von Grenzen für den Begriff „notwendige Ermittlungen“ in § 123 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979, die nach § 94 Abs. 1 BDG 1979 zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führen. Dies insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem Ermittlungsaufträge in zeitlicher Nähe zum Zeitpunkt der sonst eintretenden Verjährung erteilt würden.
5 Mit diesem bloß allgemein gehaltenen und in keiner Weise auf den hier zu beurteilenden Fall Bezug nehmenden Vorbringen, wird eine grundsätzliche Rechtsfrage, von deren Beantwortung eine Entscheidung über die Revision abhinge, nicht aufgezeigt.
6 Vorweg ist festzuhalten, dass der erste - 22 Unterpunkte enthaltende - Ermittlungsauftrag von der Bundesdisziplinarbehörde am 16. Dezember 2020 und ein weiterer am 25. Februar 2021 erteilt wurde. Verjährung wäre nach den nicht bestrittenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis am 13. Juli 2021 eingetreten (bei einer Zustellung des behördlichen Einleitungsbeschlusses am 21. Juli 2021). Von einer zeitlichen Nähe zwischen den Ermittlungsaufträgen und einer sonst eintretenden Verjährung kann daher keine Rede sein.
7 Vor allem aber behandelte das Bundesverwaltungsgericht konkret und detailliert für jeden einzelnen Tatverdacht gesondert den bereits in der Beschwerde erhobenen Einwand, dass die Ermittlungsaufträge der Bundesdisziplinarbehörde nicht notwendig gewesen wären und entkräftete ihn für die verbliebenen Sachverhalte mit näherer Begründung. Mit dieser setzt sich das Zulässigkeitsvorbringen jedoch in keiner Weise auseinander, sodass insoweit für den vorliegenden Fall keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.
8 Soweit der Revisionswerber zweitens im Unterlassen der Durchführung einer nach Art. 6 EMRK gebotenen mündlichen Verhandlung die Zulässigkeit seiner Revision erblickt, übersieht er nicht nur die vom Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis dafür dargelegten Erwägungen, sondern auch die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand von Einleitungsbeschlüssen nach § 123 BDG 1979, für welche noch keine abschließende Klarheit hinsichtlich Schuld und Strafe, sondern nur ein sachverhaltsmäßig und rechtlich ausreichend konkreter Verdacht bestehen muss, die Unterlassung der Durchführung der beantragten Verhandlung an den Vorgaben des § 24 Abs. 4 VwGVG zu messen ist (ausführlich VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007, VwSlg. 19038 A/2015; 13.12.2016, Ra 2016/09/0102; 19.7.2021, Ra 2021/09/0164). Ist aber eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht weder gemäß Art. 6 EMRK noch gemäß Art. 47 Abs. 2 GRC geboten, obliegt es dem Revisionswerber die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wie der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung darzulegen (VwGH 27.5.2020, Ra 2019/12/0055), was hier nicht erfolgt.
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, sodass sie nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
Wien, am 9. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090271.L00Im RIS seit
04.04.2022Zuletzt aktualisiert am
29.04.2022