TE Vwgh Beschluss 2022/3/10 Ra 2021/06/0202

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Veröffentlicht am 10.03.2022
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Index

L82007 Bauordnung Tirol
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

BauO Tir 2018 §36
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des R A Z in R, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 9. September 2021, LVwG-2021/36/1065-2, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Bichlbach; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B (Behörde) vom 2. März 2021, mit dem der Antrag des Revisionswerbers vom 29. Jänner 2021 auf Feststellung des vermuteten Baukonsenses für eine Lagerhalle auf dem Grundstück X KG B gemäß § 36 Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) abgewiesen worden war, als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für nicht zulässig.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, das Verfahren betreffend ein im Jahr 1983 für die Lagerhalle eingebrachtes Bauansuchen sei nicht mit Bescheid abgeschlossen worden. Im Bauakt befinde sich zwar eine als Bescheid bezeichnete Erledigung vom 16. Juli 1987, diese trage jedoch keine Unterschrift des Genehmigenden und sei daher mit absoluter Nichtigkeit belastet (Hinweis u.a. auf VwGH 13.10.1994, 93/09/0302; VfSlg 12.139/1989); auch die dem Revisionswerber übermittelten Ausfertigungen wiesen keine Unterfertigung des Genehmigenden auf und die Planunterlagen enthielten keinen Genehmigungsvermerk. Die „Erledigung“ vom 16. Juli 1987 könne daher keinen Baukonsens für die Lagerhalle begründen.

Mit Bescheid vom 24. Dezember 2020 habe die Behörde dem Revisionswerber aufgrund dessen Antrages eine nachträgliche Bewilligung für die bereits errichtete Halle sowie eine Einfriedung und die Errichtung eines Einfahrtstores erteilt. Auch wenn diese Bewilligung noch nicht rechtskräftig sein sollte, führte dies zu keiner anderen Entscheidung im gegenständlichen Feststellungsverfahren gemäß § 36 TBO 2018. Sollte die Bewilligung in Rechtskraft erwachsen sein, erwiese sich der Feststellungsantrag als unzulässig; durch die Abweisung seines Antrages wäre der Revisionswerber jedoch nicht beschwert.

Mit Hinweis auf § 36 Abs. 1 zweiter Satz TBO 2018 führte das LVwG weiter aus, die Behörde habe den Bauakt betreffend das Bauansuchen aus dem Jahr 1983 übermittelt, was gegen die Annahme spreche, dass aufgrund des Alters der baulichen Anlage oder sonstiger besonderer Umstände keine aktenmäßigen Unterlagen über eine Baubewilligung für die Lagerhalle mehr vorhanden seien. Dass die bauliche Anlage über Jahrzehnte unbeanstandet geblieben sei, stelle keinen besonderen Umstand iSd dieser Bestimmung dar, der die Annahme eines vermuteten Baukonsenses rechtfertigen könnte (Hinweis u.a. auf VwGH 29.9.2016, 2013/05/0183).

5        Im gegenständlichen Verfahren gemäß § 36 TBO 2018 hat die Behörde hinsichtlich jener bewilligungspflichtigen baulichen Anlagen, für die die Baubewilligung nicht nachgewiesen werden kann, im Zweifel von Amts wegen oder auf Antrag des Eigentümers mit Bescheid festzustellen, ob das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist oder nicht.

6        Wenn der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung zum Verfahren im Jahr 1983 vorbringt, ihm sei keine Möglichkeit gewährt worden, den Nachweis des vorliegenden „Konsenses“ zu erbringen, der Baubescheid sei zwar nicht vom Bürgermeister unterfertigt, aber dem Revisionswerber vom Gemeindesekretär dennoch ausgehändigt und an das Finanzamt übermittelt worden, deshalb könne sehr wohl davon ausgegangen werden, „dass dem Revisionswerber der Nachweis gelungen ist, dass der Konsens tatsächlich auch vorliegt“ - und damit offenbar darauf hinaus will, dass die Baubewilligung im Jahr 1987 rechtsgültig erteilt worden sei -, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht zielführend, weil im Fall des Vorliegens einer rechtsgültigen Baubewilligung nicht mehr festzustellen wäre, ob der Konsens zu vermuten ist. Der Feststellungsantrag wäre in diesem Fall zurückzuweisen gewesen, wobei der Revisionswerber durch die Abweisung seines Antrages nicht in Rechten verletzt wäre.

Im Übrigen tritt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung den Feststellungen des LVwG nicht entgegen, wonach die ihm übermittelten Ausfertigungen der Erledigung der Behörde vom 16. Juli 1987 keine Unterschrift des Genehmigenden aufwiesen. Er bringt auch sonst nichts vor, woraus sich eine Fehlbeurteilung des LVwG hinsichtlich des Vorliegens eines „Nichtbescheides“ ergeben könnte.

7        Dem Revisionswerber wurde unstrittig mit Bescheid vom 24. Dezember 2020 (laut Revisionsausführungen zugestellt am 22. Jänner 2021) - somit vor Einbringung des verfahrensgegenständlichen Feststellungsantrages vom 29. Jänner 2021 - eine nachträgliche Bewilligung für die bereits errichtete Halle erteilt. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern das diesbezügliche Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, diese Bewilligung sei aufgrund von E-Mails des Sohnes des Revisionswerbers, die als Beschwerden zu werten und allenfalls einem Verbesserungsverfahren zu unterziehen wären, noch nicht rechtskräftig, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzeigen könnte. Das LVwG ging in seiner Entscheidung nicht von einer rechtkräftigen Genehmigung der Halle mit Bescheid vom 24. Dezember 2020 aus; der Hinweis im angefochtenen Erkenntnis, im Fall der Rechtkraft dieser Bewilligung erwiese sich der Feststellungsantrag als unzulässig, stellt kein tragendes Begründungsargument, sondern lediglich ein obiter dictum dar. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird mit den dazu ergangenen Zulässigkeitsausführungen jedenfalls nicht aufgezeigt.

8        Der LVwG legte seiner Entscheidung ohnehin zugrunde, dass das Gebäude jahrzehntelang unbeanstandet geblieben war, beurteilte diesen Umstand aber - in unbedenklicher Weise - als nicht entscheidungsrelevant. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass eine Verhandlung vor dem LVwG eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen (vgl. etwa VwGH 14.7.2021, Ra 2021/06/0106, Rn. 6, mwN).

9        Schließlich wird noch angemerkt, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung erfolgt und ein Verweis auf die sonstigen Ausführungen der Revision dem Erfordernis der gesonderten Darstellung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nicht genügt (vgl. etwa VwGH 30.7.2021, Ra 2021/05/0127, mwN). Auf die jeweiligen Verweise in der Zulässigkeitsbegründung auf das Vorbringen in der Revisionsschrift war daher nicht einzugehen.

10       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060202.L00

Im RIS seit

04.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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