Gbk 2021/9/28 GBK I/884/19-M

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Veröffentlicht am 28.09.2021
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Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Sonstige Arbeitsbedingungen (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit), Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion), sexuelle Belästigung durch den/die Arbeitgeber/in, Belästigung durch den/die Arbeitgeber/in (ethnische Zugehörigkeit, Religion)

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl Nr 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 28. September 2021 über den am 20. März 2019 eingelangten Antrag von A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Z 6 GlBG (BGBl I Nr 66/2004 idgF), aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 17 Abs 1 Z 6 GlBG, aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG, aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und der Religion bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 7 GlBG, aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GlBG, aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit und der Religion durch eine Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 21 Abs 1 Z 1 GlBG durch Z (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl II Nr 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/884/19-M, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

1.   A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Z 6 GlBG durch Z (Betreiberin des Unternehmens X) diskriminiert worden.

2.   A ist nicht aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 17 Abs 1 Z 6 GlBG durch Z diskriminiert worden.

3.   A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG durch Z diskriminiert worden.

4.   A ist nicht aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 7 GlBG durch Z diskriminiert worden.

5.   A ist nicht aufgrund der Religion bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 7 GlBG durch Z diskriminiert worden.

6.   A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.

7.   A ist nicht aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 21 Abs 1 Z 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.

8.   A ist nicht aufgrund der Religion durch eine Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 21 Abs 1 Z 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.

9.   Der Antrag betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung betreffend mangelnde Abhilfe im Rahmen der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin wurde nicht überprüft.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von 1. Juni 2018 bis 11. Dezember 2018 beim Unternehmen X als Barista geringfügig beschäftigt gewesen. Es habe sich um die X1 (Franchise), Filiale U-Bahn-Station 1, gehandelt. Sie sei Land 1 Staatsangehörige und Bakkalaureat-Studentin im Fach …. Von dem Job habe sie über eine Facebook-Gruppe für Sprache2 sprechende Menschen in Österreich erfahren. Eine Mitarbeiterin der Filiale, wahrscheinlich B, Land1 Staatsangehörige, habe gepostet, dass in der X1 junge Frauen, ausschließlich Studentinnen, als Mitarbeiterinnen gesucht seien. Das Bewerbungsgespräch habe Y auf Sprache2 geführt. Die Mitarbeiterin B sei dabei zwar in der Filiale anwesend gewesen, habe aber gearbeitet. Beim Bewerbungsgespräch sei die Antragstellerin gefragt worden, wie lange sie schon in Österreich sei und ob sie hier Freunde/Freundinnen, Familie oder Bekannte habe. Ihrer Wahrnehmung nach habe Y ausschließlich drittstaatsangehörige Frauen, die neu im Land seien und keine Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern/Staatsbürgerinnen und nicht Jus studieren, angestellt. Österreicher/Österreicherinnen und Bewerber/Bewerberinnen, die nicht diesem Profil entsprechen würden, seien während ihrer Zeit bei X1 abgelehnt worden.

Y sei der Ehemann der Geschäftsführerin Z.

Gegen Y gebe es den Informationen der Antragstellerin zufolge bereits ein „gerichtliches Urteil" wegen sexueller Belästigung, das bewirkt habe, dass er kein Unternehmen mehr in seinem Namen führen dürfe. Deswegen stehe am Papier der Name seiner Frau, er selbst sei normaler Angestellter. Tatsächlich trete er aber sowohl den Angestellten als auch den Kunden/Kundinnen gegenüber als Chef auf.

Sie sei dann mit 10 Stunden pro Woche geringfügig angestellt worden. Tatsächlich habe sie aber 20 bis 50 Stunden pro Woche gearbeitet. Sie sei neben C die einzige Mitarbeiterin aus Land1 gewesen.

Von Anfang an sei die Antragstellerin von Y äußerst unangemessen behandelt worden:

-    Bis zum Dienstantritt von C habe er sie nur „Land1“ genannt, anstatt sie beim Namen zu nennen.

-    Y habe regelmäßig verkündet, dass er alle aus Land1 stammenden Menschen hasse. Er habe dort gelebt und sei schlecht behandelt/geschlagen worden, deshalb würde er alle aus Land1 stammenden hassen. Alle aus Land1 stammenden Menschen seien dumm, seien Loser.

-    Y habe regelmäßig gesagt, sie sei nur fürs Kloputzen gut. Tatsächlich hätten C und sie als einzige Mitarbeiterinnen immer putzen müssen.

-    Ihr sei mehrmals mit der Kündigung gedroht worden. Y habe zu ihr gesagt: „Wohin sollst du gehen, wer soll dir Arbeit geben? Du bist aus Land1, niemand wird dir Arbeit geben.“

-    Y habe auch regelmäßig zu ihr gesagt: „Ihr aus Land1/Ausländer habt keine Rechte.“

-    Er habe auch regelmäßig mit der Abschiebung gedroht. Er habe Geld und könne die Abschiebung bezahlen. Er habe auch damit gedroht, dass ihr Studierendenvisum nicht verlängert werden würde, weil sie mehr gearbeitet habe als es erlaubt sei.

-    Er habe oft zu ihr gesagt: „Menschen aus Land1 haben keine Rechte.“

-    Er habe sich oft bei ihr nach ihrem Sexualleben erkundigt und gefragt, ob sie schon Sex habe, ob sie mit Männern geschlafen habe.

-    Y habe oft zu ihr gesagt, dass sie eine Hure sei und mit den Kunden für ein besseres Trinkgeld schlafe.

-    Er habe ihr oft gesagt, sie sei dumm, weil sie eine Frau sei und Frauen nur Aufgaben im Bereich „Kinder, Küche und Kirche“ hätten. Ihre Aufgabe als Frau wäre es lediglich „gut im Bett“ zu sein.

-    Im Sommer sei es sehr heiß in der Filiale gewesen, weshalb die Antragstellerin kurze Hosen unter ihrer Arbeitsschürze getragen habe. Y habe ohne ihr Einverständnis davon ein Foto gemacht und es zudem ohne ihr Einverständnis anderen männlichen Kunden und Mitarbeitern eines Kebab-Standes nebenan mit den Worten: „Schaut, was ich für eine knackige Mitarbeiterin habe“ gezeigt.

-    Im Winter hingegen, wenn es kälter gewesen sei, habe sie die Heizung aufdrehen wollen, wobei das von Y abgelehnt worden sei, weil „das nur Strom koste“.

-    Er habe ihr gesagt, dass sie „keinen Arsch und keine Brüste“ habe.

-    Er habe ihr gesagt, dass sie keine Religion habe (das sei eine Anspielung darauf, dass sie nicht an Gott glaube) und dass sie deswegen „nicht normal sei“.

-    Sie sei 24 Stunden pro Tag per Video überwacht worden.

-    Einmal seien während einer Schicht der Antragstellerin „Junkies“ in der Filiale gewesen, (außer ihr sei noch eine Kollegin namens D) anwesend gewesen). Diese „Junkies“ hätten Drogen konsumiert und auf die Terrasse uriniert. Beide hätten Angst gehabt und Y angerufen. Der jedoch habe gemeint, dass das nicht sein Problem sei. Schließlich habe sie den Urin aufputzen müssen.

-    Sie sei gezwungen worden, trotz Krankheit arbeiten zu gehen - auch bei hohem Fieber. Einmal habe Y sie gezwungen, bei hohem Fieber eine Stunde lang vor der Station in der Kälte Werbeflyer zu verteilen. Andere Mitarbeiter, die nicht aus Land1 gewesen seien, seien im Krankenstand in Ruhe gelassen worden.

-    Die Antragstellerin sei Diabetikerin und gezwungen gewesen, sich das notwendige Insulin vor den Kunden/Kundinnen zu spritzen, da sie keine Pausen machen habe dürfen. Manchmal habe sie stundenlang keine Möglichkeit gehabt, sich Insulin zu spritzen. Y habe in diesem Zusammenhang zu ihr gesagt, dass sie bald sterben werde und keine 30 Jahre alt werden würde.

-    Er habe sie beschuldigt, eine Diebin zu sein und das auch zu Sprache1 sprechenden Kunden gesagt.

Mit den Mitarbeiterinnen habe Y grundsätzlich Sprache2, mit Kunden/Kundinnen Deutsch oder Sprache2 gesprochen, auch über die Mitarbeiterinnen.

Am Samstag, dem 8. Dezember 2018 habe sie von 5:30 bis 16:30 arbeiten sollen. C sei um 11:00 Uhr dazu gekommen, um sie zu unterstützen. Bis dahin habe sie keine Zeit gehabt, sich Insulin zu spritzen. C sei auch aus dem Grund gekommen, damit sie nicht alleine sein müsse, für den Fall, dass der Chef komme. Der Dienstantritt der Kollegin sei erst später gewesen. Um 14:00/15:00 Uhr habe C die Antragsgegnerin angerufen und ihr von den Demütigungen und Bedrohungen erzählt. Sie habe ihr erzählt, dass sie beide Angst vor dem Chef hätten und sie gebeten, zu kommen. Beide haben nicht mit ihm alleine sein wollen. Diese habe geantwortet, dass die beiden dies verstehen müssten. Er sei ein Mann aus dem Osten, die Männer „seien eben so“. Er werde um 18:00 Uhr kommen. So lange sei die Antragstellerin im Lokal geblieben.

Als er nicht gekommen sei, sei sie nach Hause gegangen. Er sei dann erst gegen 22:00 Uhr, als C alleine gewesen sei, gekommen. Er habe herumgeschrien, warum die beiden so wenig eingenommen hätten.

Am 11. Dezember 2018 habe Y sie angerufen, das Arbeitsverhältnis sofort beenden wollen und sie aufgefordert, ins Geschäft zu kommen, um den Lohnzettel zu unterschreiben und die Schlüssel zurückzubringen. Als sie ihm mitgeteilt habe, dass sie sich im Krankenstand befinde, habe Y sie (wegen Unterschlagung) bei der Polizei angezeigt, woraufhin sie die Schlüssel nach Vorsprache bei der Polizei abgegeben habe.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 17. April 2019 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die Antragsgegnerin habe immer ein gutes Verhältnis zur Antragstellerin gehabt. Niemals habe sie von ihr oder von jemandem anderen über Diskriminierungen gehört. Bis jetzt würden zwei Mädchen aus Land1 bei ihr arbeiten, die zur gleichen Zeit wie die Antragstellerin gekommen seien. Der Ehegatte der Antragsgegnerin, Y, komme selbst aus Land1. Die Antragstellerin habe vielmehr Y diskriminiert. Sie habe mehrmals gesagt, dass es jetzt in Land1 besser geworden sei, seit alle Juden weggefahren seien. Sie habe gemeint, die Juden hätten die Luft schmutziger gemacht, es sei dort damals schwer zu atmen gewesen. Auch habe sie gesagt, es sei schade, dass Hitler gestorben sei, sonst würde er Stadt 3 auch „sauberer“ machen. Diese unglaublichen Sachen hätte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin gehört. Die Antragstellerin habe wahrscheinlich vergessen, dass die Antragsgegnerin und ihre drei Kinder auch Juden seien. Zu solchen antisemitischen Aussagen habe die Antragsgegnerin niemals etwas gesagt.

In der Arbeit hätten sie oft Uniformen tragen müssen, aber diese Regel habe nicht für die Antragstellerin gegolten. Sie sei in Unterhosen in die Arbeit gekommen. Alle Kunden/Kundinnen seien schockiert gewesen. Wegen ihrer Person habe sie zu viele Beschwerden vonseiten der Kunden/Kundinnen gehabt. Die Antragstellerin habe die Rezepte schlecht gekonnt, mit der Kassa auch viele Probleme gehabt, da sie nicht rechnen habe können.

Es gehe um persönliche Sachen zwischen zwei Angestellten. Die Antragsgegnerin habe nichts von Diskriminierungen und sexuellen Belästigungen gewusst. Es handle sich um selbstgeschriebene Märchen.

Die Antragsgegnerin sei auch eine Frau, die Unterstützung brauche. Zwei Freundinnen, die Antragstellerin und C, würden sie und ihre Familie vor allen Organisationen, die ihnen kostenlos helfen können, attackieren. Die Antragsgegnerin bekomme auch von den Freunden der Antragstellerin Anrufe, in denen diese von ihr Geld verlangen würden. In X1 arbeite die Antragsgegnerin nun seit mehr als fünf Jahren und habe niemals Probleme gehabt. Ihr Umgang mit den Angestellten sei immer korrekt.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 20. Juli 2021 und jene von der Antragsgegnerin vom 15. Juni 2021. Als weitere Auskunftspersonen wurden E und Y am 15. Juni 2021 befragt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass Y zunächst als Zweitantragsgegner geladen war, weil aus dem schriftlichen Vorbringen nicht eindeutig hervorging, ob er der Antragsgegnerin zugerechnet werden kann oder nicht. Dies war durch das mündlich ergänzte Vorbringen abzuklären.

Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die vorgelegte Klage gegen die Antragsgegnerin vor dem Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Juni 2019.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl I Nr 66/2004 idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht […]

6.   bei den sonstigen Arbeitsbedingungen,

7.   bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.“

„§ 6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person

1.    vom/von der Arbeitgeber/in selbst sexuell belästigt wird […]

(2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

1.    eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder

2.    der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird. […]“

„§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht […]

6.    bei den sonstigen Arbeitsbedingungen,

7.    bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. […]“

„§ 21. (1) Eine Diskriminierung nach § 17 liegt auch vor, wenn eine Person

1.    vom/von der Arbeitgeber/in selbst belästigt wird […]

(2) Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Verhaltensweise, die mit einem der Gründe nach § 17 im Zusammenhang steht, gesetzt wird,

1.    die die Würde der betroffenen Person verletzt oder dies bezweckt,

2.    die für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

3.    die ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. […]“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3, 6, 17, 21 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers/der Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe, die Antragstellerin sei aufgrund des Geschlechtes, ihrer ethnischen Zugehörigkeit und ihrer Religion in verschiedenen Kontexten diskriminiert worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin ist Staatsangehörige Land1 und war von 1. Juni 2018 bis 11. Dezember 2018 als Barista (Arbeiterin) bei der Antragsgegnerin in der X1-Filiale bei der U-Bahn-Station 1 geringfügig für zehn Wochenstunden zu einem Bruttomonatslohn von EUR 479,44 angestellt.

Die Antragsgegnerin ist Einzelunternehmerin und leitet mit der Unterstützung ihres Mannes Y unter anderem die X1 in …. Dort arbeiteten ausschließlich Sprache2 sprechende Studierende. So hatte die Antragstellerin über eine Facebook-Gruppe für Sprache2 sprechende Personen in Österreich von der Tätigkeit erfahren und wurde nach einem von Y geführten Bewerbungsgespräch eingestellt. Neben der Antragstellerin gab es eine weitere Angestellte Staatsangehörigkeit Land1, C.

Von Beginn an fühlte sich die Antragstellerin von Y, der den Angestellten im X1 gegenüber als Geschäftsführer auftrat, schlecht und respektlos behandelt und belästigt. Während der Arbeitszeit wurden die Mitarbeiterinnen per Video überwacht und bekamen Arbeitsanweisungen zum Teil über einen Lautsprecher mitgeteilt.

Es konnte allerdings nicht festgestellt werden, dass Y die Antragstellerin „Land1“ rief, anstatt sie bei ihrem eigentlichen Namen zu nennen und mehrmals seinen generellen Unmut gegenüber Menschen mit Herkunft aus Land1 äußerte. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass C und die Antragstellerin im Gegensatz zu nicht-aus Land1 stammenden Angestellten putzen mussten und die Antragstellerin Y zufolge nur „für’s Kloputzen“ gut sei. Auch seine Aussagen, dass die Antragstellerin dumm sei, weil sie eine Frau sei und Frauen in erster Linie „gut im Bett sein“ sollten, ihre Aufgaben im Bereich „Kinder, Küche und Kirche“ lägen, konnten gleichsam wie seine Fragen nach ihrem Sexualleben und Behauptungen, dass sie für besseres Trinkgeld mit Kunden schliefe nicht festgestellt werden.

Überdies konnte nicht festgestellt werden, dass Y die Antragstellerin, die im Sommer aufgrund der Hitze eine kurze Hose unter der Arbeitsschürze trug, unbemerkt fotografierte, um das Bild später männlichen Kunden zu zeigen.

Letztlich konnten auch die von Y ausgehenden Äußerungen bezüglich ihrer „Gottlosigkeit“ ebenso wenig festgestellt werden wie die Tatsache, dass er die Antragstellerin gezwungen habe, mit Fieber in der Kälte Werbeflyer zu verteilen, während Mitarbeiter ohne Hintergrund aus Land1 im Krankenstand in Ruhe gelassen wurden.

Am 11. Dezember 2018 teilte Y der Antragstellerin telefonisch mit, das Arbeitsverhältnis sofort beenden zu wollen und forderte sie auf ins Geschäft zu kommen, um ihren Lohnzettel zu unterschreiben und die Schlüssel zurückzubringen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Antragstellerin im Krankenstand.

Am 11. Juni 2019 brachte die Antragstellerin eine Klage gegen die Antragsgegnerin auf Leistung von EUR 1.050,40 s.A. und Ausstellung eines Dienstzeugnisses (bewertet mit EUR 750,00 s.A.) vor dem Arbeits- und Sozialgericht ein. Die Antragstellerin forderte insbesondere aushaftende Lohnzahlungen sowie aliquote Urlaubsersatzleistungen, Sonderzahlungen und eine Kündigungsentschädigung. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Vorab war festzuhalten, dass Y zunächst als Zweitantragsgegner geladen war. Im Ermittlungsverfahren stellte sich heraus, dass er gegenüber den Angestellten der Antragsgegnerin als Geschäftsführer auftrat. Nach Auffassung des Senates war für betriebsfremde Personen jedenfalls der Anschein gegeben, dass er diese Funktion innehatte. Dies äußerte sich unter anderem darin, dass er für die Einstellung des Personals verantwortlich zeichnete und den Angestellten Arbeitsanweisungen übermittelte und ihre direkte Ansprechperson darstellte. Auch die Antragsgegnerin räumte ein, dass ihr Ehemann Y die gleichen Tätigkeiten übernehme, die ihr als eigentliche Geschäftsführung zukamen. Y war daher als De facto-Geschäftsleiter des Einzelunternehmens anzusehen, weshalb der Antrag betreffend die mangelnde Abhilfe durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin nach § 6 Abs 1 Z 2 GlBG nicht überprüft wurde (Spruchpunkt 9.).

1.     Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 3 Z 6 GlBG vor.

2.     Es liegt keine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei den sonstigen Arbeitsbedingungen gemäß § 17 Abs 1 Z 6 GlBG vor.

Beim Begriff der „sonstigen Arbeitsbedingungen“ handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der weit auszulegen ist.4 Er umfasst neben den rechtlichen auch die faktischen Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im laufenden Arbeitsverhältnis.5 Es werden darunter u.a. die Schwere (Erschwerung) der Arbeitsleistung und die Wertschätzung im Betrieb verstanden. Darüber hinaus kann eine Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen beispielsweise auch in folgenden Situationen vorliegen: bei der Einteilung des Arbeitsorts, der Zuweisung des konkreten Einsatzbereichs (zB im Reinigungsdienst) oder bei der Ausgestaltung und Beschaffenheit des Arbeitsplatzes.6

Das Verbot der Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes basiert zwar grundsätzlich auf dem Geschlecht im biologischen Sinn, beinhaltet aber auch alle anderen Fallkonstellationen, in denen das Geschlecht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis als Unterscheidungskriterium verwendet wird, obwohl es – abgesehen von den wenigen Fällen der Unverzichtbarkeit eines bestimmten Geschlechtes für die Ausübung der Tätigkeit – im Arbeitsleben kein entscheidendes Kriterium sein darf bzw sein dürfte.7

Neben der Generalklausel nach § 3 Satz 1 GlBG („Auf Grund des Geschlechtes … darf … niemand … diskriminiert werden“) wird mit § 3 Z 6 GlBG praktisch eine zweite Generalklausel geschaffen, von der alle weiteren („sonstigen“) Arbeitsbedingungen erfasst sind, denen nicht schon ein bestimmter (anderer) Diskriminierungstatbestand aus dem Katalog des § 3 zugeordnet ist. § 3 Z 6 ist somit ein weit auszulegender Auffangtatbestand, der sowohl die rechtlichen als auch die faktischen Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im laufenden Arbeitsverhältnis umfasst.8 Da § 17 GlBG dem § 3 im I. Teil des GlBG nachgebildet wurde, ist von einem gemeinsamen Begriffsverständnis der „sonstigen Arbeitsbedingungen“ auszugehen.9

Die im Antrag behaupteten Vorwürfe, Y habe die Antragstellerin putzen lassen und schlecht behandelt, weil sie eine Frau sei, können grundsätzlich eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei den sonstigen Arbeitsbedingungen darstellen. Das Lokal zu putzen oder den Urin von Passanten zu beseitigen zählt nicht zu den eigentlichen Aufgaben eines/einer Barista und fällt im Rahmen der Zuweisung eines konkreten Einsatzbereichs unter den Auffangtatbestand der sonstigen Arbeitsbedingungen.

Gemäß § 17 Abs 1 Z 6 GlBG darf aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei den sonstigen Arbeitsbedingungen.

Adressaten/Adressatinnen der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit sind Personen, die als fremd wahrgenommen werden, weil sie aufgrund bestimmter Unterschiede von der regionalen Mehrheit als nicht zugehörig angesehen werden. Eine unterschiedliche Behandlung knüpft überwiegend an Unterschiede an, die auf Grund von Abstammungs- oder Zugehörigkeitsmythen als natürlich angesehen werden und die die betroffenen Personen nicht ändern können. Häufige Erscheinungsformen sind Diskriminierungen wegen der Hautfarbe und anderer äußerer Merkmale sowie wegen einer als fremd angesehenen Muttersprache oder Kultur.10

Die Antragstellerin brachte vor, dass Y nur sie und ihre ebenfalls aus Land1 stammende Kollegin dazu gezwungen habe, zu putzen. Außerdem habe er sie im Gegensatz zu Angestellten, die nicht … Abstammung waren, trotz Fiebers arbeiten lassen und ihr aufgetragen, in der Kälte Werbeflyer zu verteilen. Dabei habe Y folglich abzielend auf ihre Herkunft in der Umgangsweise mit seinen Angestellten unterschieden. Auch diese Tatbestände wären vom Begriff der sonstigen Arbeitsbedingungen erfasst, da kein anderer Diskriminierungstatbestand aus dem Katalog des § 3 anwendbar sein könnte.

Betreffend die Beweiswürdigung ist in Bezug auf alle der Prüfung unterzogenen Diskriminierungstatbestände festzuhalten, dass die Antragstellerin ihre Vorwürfe in ihrem schriftlichen Antrag glaubwürdig dargestellt hat, weshalb diesbezüglich ein Verfahren vor der GBK eingeleitet und durchgeführt wurde.

Allerdings konnte die Antragstellerin bei der mündlichen Befragung sämtliche vorgebrachten Vorwürfe gegenüber der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit dem Verhalten von Y nicht weiter konkretisieren. Es gelang der Antragstellerin daher nicht, die in ihrem Antrag angeführten Vorkommnisse glaubhaft zu machen.

Für den Senat entstand der Eindruck, als ob sowohl die Ausführungen von der Antragstellerin als auch jene der Antragsgegnerin übertrieben dargestellt wurden. Zwar bestritten die Antragsgegnerin und Y sämtliche Vorwürfe und verneinten das gesamte Vorbringen, doch fanden sich auch in den Aussagen der Antragstellerin mehrfache Widersprüche, die an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln ließen. Beispielsweise konnte der Senat nicht nachempfinden, dass die Antragstellerin immer noch zu zittern beginne, wenn sie einen großen Mann mit Kappe sehe. Der Senat glaubte der Antragstellerin zwar, dass für sie unangenehme Situationen am Arbeitsplatz stattgefunden hatten. Sie hatte sich in diesem Umfeld nicht mehr wohlgefühlt und war insbesondere mit Y schlecht ausgekommen. Mangels ihrer Glaubwürdigkeit kann der Senat die Schwelle einer Diskriminierung allerdings nicht als erreicht ansehen.

Die Antragstellerin gab außerdem an, wohlhabende Eltern zu haben und diesem Job nicht aufgrund des Geldes nachgekommen zu sein. Daher war schwer nachzuvollziehen, wieso sie trotz dieses Umstands nur wegen der „experience“ ein halbes Jahr lang dort angestellt bleiben wollte. Überdies war sie bereits seit fünf Jahren in Österreich und konnte wissen, dass ihr Vorgesetzter nicht dafür sorgen konnte, sie auf dessen Willen und Rechnung abschieben zu können, womit er ihr angeblich gedroht hatte.

Die Auskunftsperson E, eine Freundin der Antragstellerin, die im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Y telefoniert hatte, konnte ebenfalls nicht dazu beitragen, den Standpunkt der Antragstellerin zu verstärken. Sie vermittelte insbesondere den Eindruck, dass es der Antragstellerin vor allem um Gerechtigkeit ginge und sie die von ihr geleisteten Arbeitsstunden noch ausbezahlt zu bekommen habe. Dies geschah vergleichsweise vor dem Arbeits- und Sozialgericht mittels einer einmaligen Zahlung von EUR 300,-- der Antragsgegnerin an die Antragstellerin.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG und des § 26 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist, eine Diskriminierung durch die Antragsgegnerin glaubhaft zu machen. Daher kommt es zu keiner Beweislastverlagerung und geht dieses Beweisdefizit folglich zu Lasten der Antragstellerin.

3.       Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG vor.

4.       Es liegt keine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 7 GlBG vor.

5.       Es liegt keine Diskriminierung aufgrund aufgrund der Religion bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 7 GlBG vor.

Der Begriff der „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ im § 3 Z 7 GlBG ist nicht auf eine bestimmte Art des Arbeitsverhältnisses oder eine bestimmte Art der Beendigung beschränkt und ist daher weit zu verstehen. Vom Geltungsbereich des GlBG sind somit auch Probearbeitsverhältnisse und befristete Arbeitsverhältnisse erfasst.11

Aus § 3 Z 7 GlBG folgt, dass der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin bei der Kündigung nicht nach dem Geschlecht auswählen darf.

§ 17 Abs 1 Z 7 GlBG verbietet die unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Orientierung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da § 17 wie oben bereits erwähnt dem § 3 GlBG nachgebildet wurde, ist von einem gemeinsamen Begriffsverständnis auszugehen.12

Bezüglich der Begriffe des „Geschlechtes“ und der „ethnischen Zugehörigkeit“ kann auf oben verwiesen werden.

Der Begriff Religion iSd GlBG ist nicht auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften beschränkt, sondern kann auch andere Religionsgemeinschaften – wie zum Beispiel die staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaften – oder sonstige, häufig als Vereine organisierte religiöse Gruppierungen erfassen. Im deutschsprachigen Raum werden Religionsgemeinschaften typischerweise als Zusammenschluss von Personen beschrieben, die das Weltganze universell zu begreifen und die Stellung des Menschen in dieser Welt aus der umfassenden Weltsicht zu erkennen und zu bewerten suchen sowie diese Weltsicht umfassend bezeugen und danach handeln wollen.13

Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Religion erfasst auch Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen ohne religiöses Bekenntnis, auch wenn Bekenntnislosigkeit selbst bei weiter Auslegung nicht als Religion qualifiziert werden kann. Weder das Vorliegen noch das Fehlen einer Religion soll in der Arbeitswelt als Differenzierungsmerkmal herangezogen werden.14

Der Schutz vor Diskriminierungen auf Grund der Religion oder der Weltanschauung nach dem GlBG greift auch dann ein, wenn der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin hinsichtlich des Vorliegens eines geschützten Merkmals einer Fehleinschätzung unterliegt. Irrtümer hinsichtlich der im § 17 Abs 1 aufgezählten Merkmale können Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots nicht rechtfertigen. Denn der Schutz vor Diskriminierungen gilt unabhängig davon, ob das Merkmal, auf Grund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird. 15

Im gegenständlichen Fall sah die Antragstellerin einen Zusammenhang zwischen dem von ihr behaupteten Verhalten Y und seinen auf ihr Geschlecht, ihre ethnische Zugehörigkeit und ihre Religion bezogenen, herabwürdigenden Aussagen, weshalb der Antrag auch auf jene Kriterien in Bezug auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 11. Dezember 2021 untersucht wurde.

Allerdings ist mangels Glaubhaftmachung des Vorgebrachten vonseiten der Antragstellerin auf die obigen Ausführungen zur Beweiswürdigung zu verweisen, weshalb der Senat im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG und des § 26 Abs 12 GlBG zur Ansicht gelangte, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist ihr Anliegen weiter zu konkretisieren und die behaupteten Vorfälle zu untermauern.

6.       Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GlBG vor.

Unter dem Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise Bemerkungen über Figur und sexuelles Verhalten im Privatleben. Es hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob ein bestimmtes Verhalten bereits der sexuellen Sphäre zugehörig ist, wobei auf eine Betrachtung des Gesamtgeschehens abzustellen ist.16

Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 sprechen zu können, muss durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten des Weiteren die Würde einer Person beeinträchtigt oder deren Beeinträchtigung zumindest bezweckt werden.17 Ein die Würde verletzendes Verhalten liegt erst ab einem gewissen Mindestmaß an Intensität vor. Nach den Gesetzesmaterialien zum ArbBG sollen Beispiele wie das Nachpfeifen oder die unerwünschte Einladung zum Kaffee oder zum Essen „grundsätzlich“ nicht genügen, um bereits die Voraussetzung der Verletzung der Würde und damit den Tatbestand der sexuellen Belästigung zu erfüllen. Anders zu sehen ist dies aber unter Umständen dann, wenn zwar die einzelnen Belästigungshandlungen nicht das gebotene Mindestmaß an Intensität erreichen, dafür aber immer wieder erfolgen.18

Das belästigende Verhalten muss für die betroffene Person weiters unerwünscht, unangebracht oder anstößig sein (§ 6 Abs 2). Ein Verhalten ist dann unerwünscht, wenn es gegen den Willen oder ohne Einverständnis der betroffenen Person erfolgt. Einzelne Menschen sollen selbst bestimmen, welches Verhalten für sie noch akzeptabel ist und welches Verhalten sie bereits als beleidigend empfinden. Durch die Unerwünschtheit wird eine sexuelle Belästigung von freundschaftlichem Verhalten, das willkommen und gegenseitig ist, unterschieden. 19

Was das ablehnende Verhalten der betroffenen Person betrifft, so dürfen an dieses keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Demnach ist ein Verhalten nicht erst dann abgelehnt und somit unerwünscht, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt. Möglich ist es auch, dass die Ablehnung eines konkreten Verhaltens schlüssig erfolgt.20

Weitere Tatbestandsvoraussetzung des § 6 Abs 2 Z 1 ist, dass ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Meistens wird die „Arbeitsumwelt“ erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Doch wie schon oben erwähnt, kann bereits eine einzelne Belästigungshandlung derartig schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.21 Durch körperliche Kontakte gegen den Willen der betroffenen Person (sog. „Begrapschen“) wird im Allgemeinen die Toleranzgrenze überschritten. Es handelt sich aber nicht nur bei einem Berühren der Geschlechtsteile oder einem Küssen um ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten. Vielmehr geht es auch um die psychische Verletzbarkeit, um Beeinträchtigungen der menschlichen Würde, um Persönlichkeitsverletzungen. Auch im Gebrauch ordinärer Worte sowie in unsittlichen Anträgen trotz Aufforderung, dieses Verhalten abzustellen, oder sonst erkennbarer Unerwünschtheit kann bereits eine sexuelle Belästigung liegen.22

Die Antragstellerin hielt der Antragsgegnerin vor, mehrfach Aussagen mit sexualisiertem Inhalt seitens Y über sich ergehen habe lassen müssen. So soll er ihr gesagt haben, „keine Brüste und keinen Arsch zu haben“. Auch soll er sich nach ihrem privaten Sexleben erkundigt haben und habe wissen wollen, ob sie bereits Sex gehabt habe. Überdies habe er der Antragstellerin unterstellt, für ein besseres Trinkgeld mit Kunden zu schlafen und betont, dass Frauen in erster Linie gut im Bett sein müssen und für die Aufgaben „Kinder, Küche und Kirche“ in Betracht kommen. Einmal soll Y unbemerkt ein Foto von ihr in kurzen Hosen gemacht haben und dies mit herabwürdigenden Aussagen Kunden gezeigt haben.

Bei diesen Vorwürfen handelt es sich zweifelsohne um unter den Tatbestand der verbalen, sexuellen Belästigung subsumierendes Verhalten. Solche Begebenheiten wären der sexuellen Sphäre zuzurechnen, unerwünscht und sind zumindest dafür geeignet, die Würde eines/einer Betroffenen zu verletzen. Allerdings kann auch der Vorwurf sexueller Belästigung selbstverständlich nur aufgrund feststellbaren Tatsachensubstrats zur Bejahung einer Diskriminierung führen. Dieses fehlt hier einmal mehr, da es an der Glaubhaftmachung der Inhalte durch die Antragstellerin fehlte.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist, eine sexuelle Belästigung durch die Antragsgegnerin glaubhaft zu machen. Daher kam es zu keiner Beweislastverlagerung gemäß § 12 Abs 12 GlBG auf die Antragsgegnerin.

7.       Es liegt keine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit durch eine Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 21 Abs 1 Z 1 GlBG vor.

8.       Es liegt keine Diskriminierung aufgrund der Religion durch eine Belästigung durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin gemäß § 21 Abs 1 Z 1 GlBG vor.

Die Bestimmungen des GlBG zur Belästigung greifen, wenn eine Verhaltensweise, die mit einem der Diskriminierungsgründe in Zusammenhang steht, gesetzt wird, die die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.23

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass dieses Verhalten für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.24

Je nach Massivität des Verhaltens können – ähnlich wie bei einer sexuellen Belästigung – wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.25

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Auch Belästigungshandlungen während der Bewerbungsphase, vor Beginn des Dienstverhältnisses, sind ebenfalls erfasst. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird. 26

Die Begriffe „ethnische Zugehörigkeit“ und „Religion“ wurden bereits oben näher erläutert.

Y wurde von der Antragstellerin vorgeworfen, Aussagen wie „Leute aus Land1 haben keine Rechte“ und „ich hasse alle aus Land1“ getätigt zu haben, weshalb eine Belästigung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit grundsätzlich in Frage käme. Auch soll er die Antragstellerin als „nicht normal“ bezeichnet haben, da sie nicht an Gott glaube und Atheistin sei, weshalb das Kriterium der Diskriminierung aufgrund der Religion herangezogen werden konnte. Er selbst sei Jude und ebenfalls aus Land1, gehöre dort allerdings einer Minderheit an und sei als Kind schlecht von Leuten aus Land1 behandelt worden.

Letztlich fehlte die Glaubhaftmachung der Antragstellerin auch in Bezug auf diese Vorwürfe. Die Aussagen konnten daher – nicht nur aufgrund der Tatsache, dass ihr Vorgesetzter die gleiche Nationalität teilte – nicht nachvollzogen und daher keine Belästigung festgestellt werden.

Zusammenfassend vermeinte der Senat im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 26 Abs 12 GlBG, dass die Antragstellerin eine Belästigung aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und Religion nicht glaubhaft machen konnte, wodurch das Beweisdefizit zu ihren Lasten ging.

Wien, 28. September 2021

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. zB VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 3 Rz 129, 132.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 3 Rz 129.

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 3 Rz 133.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 3 Rz 2.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 3 Rz 132.

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 17 Rz 121.

10  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 17 Rz 15.

11  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 3 Rz 137.

12  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 17 Rz 125.

13  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 17 Rz 19.

14  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 17 Rz 23.

15  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 17 Rz 52.

16  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 6 Rz 20.

17  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 6 Rz 21.

18  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 6 Rz 24.

19  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 6 Rz 25.

20  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 6 Rz 26.

21  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 6 Rz 28.

22  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 6 Rz 29/1.

23  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 21 Rz 6f.

24  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 21 Rz 7.

25  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 21 Rz 11.

26  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2021) § 21 Rz 14.

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2022
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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