Gbk 2021/10/19 GBK I/1012/21-M

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Veröffentlicht am 19.10.2021
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Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Begründung des Arbeitsverhältnisses (Geschlecht, Alter)

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl Nr 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 19. Oktober 2021 über den am 25. Mai 2021 eingelangten Antrag von A (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG (BGBl I Nr 66/2004 idgF) und aufgrund des Alters bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 1 GlBG durch Z (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl II Nr 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/1012/21-M, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

1.   A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.

2.   A ist nicht aufgrund des Alters bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 1 GlBG durch Z diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Der Antragsteller habe sich am 22.11.2020 beim Antragsgegner, Z, Unternehmen 1… in Stadt 1 als Sekretär beworben.

Im Zusammenhang mit dieser Bewerbung liege eine Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes vor. Folgendes habe sich zugetragen:

Die Stellenanzeige, die auf der Webseite ... geschalten wurde, sei von vornherein als rein weiblich geschalten gewesen. Die Überschrift mit dem Titel ... "eine engagierte Vollzeitsekretärin (40h)“ lasse keinen anderen Schluss zu. Er beantrage daher die Einleitung eines Kommissionsverfahrens, um festzustellen, dass er aufgrund des Geschlechtes, (in eventu) des Alters bei der Begründung seines Arbeitsverhältnisses vom Antragsgegner diskriminiert worden sei.

Die erhaltene Absage vom Antragsgegner vom 25.11.2020 lege deutlich und klar vor, dass er keinen Mann als Sekretär beschäftigen werde, zumal er angegeben habe, die Stelle anderweitig zu vergeben. Zum 15.12.2020 sei die Stellenausschreibung jedoch nach wie vor auf der Jobseite ... abrufbar gewesen. Dies widerspreche der Angabe in der Absage, dass er die Stelle anderweitig vergeben werde.

In eventu werde angeführt, dass die Absage auch aufgrund des (weiteren) Umstands erfolgt sein könnte, da der Antragsteller zum Zeitpunkt der Bewerbung (22.11.2020) 40 ½ Jahre alt war. Dies lasse sich unter die Tatsache subsumieren, dass in der Stellenausschreibung angeführt werde: „Ein junges, dynamisches Team freut sich auf Ihre Bewerbung!“ Dies lasse den Rückschluss zu, dass außerdem lediglich eine junge Bewerberin aufgenommen werde. Die gewünschten Erfahrungen seien bei dieser Stellenausschreibung jedoch nicht näher definiert.

Grundsätzlich führe er aus, dass all diese Kenntnisse und Qualifikationen erfüllt werden könnten.

Der Zusammenhang mit dem Geschlecht sowie ein Zusammenhang mit dem Alter (41) sei mehr als offensichtlich. Gesucht werde immerhin eine engagierte Vollzeitsekretärin. Ein junges dynamisches Team freue sich auf die Bewerbung.

Der Antragsteller verfüge über jahrelange Praxis in der Branche … und war im Zeitraum 2009 bis 2016 immer wieder aushilfsweise bei Dr. X in Unternehmen 2 tätig.

Die Textierung „…nach entsprechender Anweisung und Anordnung“ im vorgelegten Schreiben von Dr. X vom 15.12.2016 sage in dem Zusammenhang aus, dass der Großteil der Bearbeitung der Akten selbständig erfolgt sei. Da der Antragsteller jedoch vorwiegend in den Nachtstunden in Unternehmen 2 die Tätigkeiten ausgeführt habe, wo außer ihm niemand anwesend gewesen sei, seien sogenannte „Post-it“-Anweisungen erforderlich gewesen, was genau zu erledigen sei.

Dies sei automatisch erfolgt, obgleich festzuhalten sei, dass der Antragsteller aufgrund der jahrelangen Erfahrungen diese sogenannten Anweisungen gar nicht gebraucht habe, da er über die erforderliche Qualifikation, Praxiszeit und Routine verfügt habe.

Der Antragsteller betonte, dass eine andere Schlussfolgerung durch die betreffende Stellenausschreibung, wie auch oben näher ausgeführt, von Dr. Z jedenfalls nicht denkbar erscheine und der Antragsgegner in den Augen des Antragstellers nicht vorhatte, einen männlichen Sekretär, der nicht dem Idealbild der Ausschreibung (jung) zu beschäftigen.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von dem Antragsgegner übermittelten Stellungnahme vom 28. Juli 2021 und in der auf Rückfragen des Senates ergänzenden Stellungnahme vom 6. Oktober 2021 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Die Vorwürfe vom Antragsteller würden jeglicher Grundlage entbehren. Richtig sei, dass zur Erweiterung des …Teams eine entsprechende Stellenausschreibung erfolgt sei. Die vom Antragsteller monierte Stellenausschreibung sei mit E-Mail vom 12. November 2020 an die … Kammer in Stadt 1 übermittelt und sodann im Mitteilungsblatt November 2020 am 16. November 2020 … geschalten worden. Die Sekretärin des Antragsgegners Frau Y habe die Ausschreibung an die … Kammer übermittelt und im Vorfeld mit der zuständigen Mitarbeiterin … telefoniert. Dabei sei schlicht und einfach vergessen worden, die Anzeige entsprechend zu gendern.

In der Anlage werde dazu das seitens des Unternehmens ergangene E-Mail an die … Kammer übermittelt. Irrtümlicherweise sei eine alte Vorlage verwendet worden. Er verweise diesbezüglich aber auf eine (weitere) Stellenausschreibung seines Unternehmens vom April 2021, aus welcher eine gendergerechte Behandlung klar und deutlich hervorgehe. Diese Stellenausschreibung sei im Anhang seines Schreibens zu finden.

Die vom Antragsteller getätigten Aussagen seien völlig haltlos. Die Stelle sei an eine weibliche Person mit Geburtsdatum … 1969 vergeben worden, somit an eine Person, welche elf Jahre älter sei als der Antragsteller selbst. Wie sich daraus eine Diskriminierung im Hinblick auf das Alter vom Antragsteller ergeben solle, sei dem Antragsgegner nicht klar. Diese (angebliche) Diskriminierung aus dem Text der Stellenausschreibung „ein junges, dynamisches Team freut sich auf Ihre Bewerbung!“ abzuleiten, entbehre jeglicher Logik.

Die Bewerbung der Kandidatin, die eingestellt worden sei, sei persönlich von der Bewerberin am 25. November 2020 übergeben worden. Die Bewerberin sei dem Sohn und Kollegen des Antragsgegners Mag. W ein paar Tage zuvor von ihrer Schwester empfohlen worden und Mag. W habe sodann mit ihr aufgrund dieser Empfehlung kurzfristig ein Bewerbungsgespräch für den 25. November 2020 organisiert. Nachdem das Bewerbungsgespräch überaus positiv verlaufen sei, sei Frau B unmittelbar im Anschluss des Gespräches eingestellt worden. Aufgrund dessen sei dem Antragsteller am gleichen Tag mit einem Schreiben um 16:04 Uhr abgesagt worden. Die neue Mitarbeiterin sei sodann mit 9. Dezember 2020 in das Dienstverhältnis eingetreten. Die Stellenausschreibung sei – aus welchen Gründen auch immer – noch auf der Jobseite der Kammer geschalten gewesen, die Stelle sei jedoch nachweislich bereits zu diesem Zeitpunkt vergeben gewesen.

Wie viele Bewerbungen genau eingelangt seien, könne leider nicht mehr gesagt werden. Dies deshalb, da im Hinblick auf datenschutzrechtliche Bestimmungen die übermittelten Bewerbungen gelöscht bzw. vernichtet worden seien. Dies sei auch in der Absage an den Antragsteller so mitgeteilt worden. Der Erinnerung des Antragsgegners nach seien es circa zehn Bewerbungen gewesen, davon 2 Männer (einschließlich des Antragstellers).

Bewerbungsgespräche seien lediglich zwei geführt worden, wovon eines mit Frau B geführt worden sei, welche im Anschluss eingestellt worden sei. Den übrigen Bewerbern/Bewerberinnen sei im Anschluss abgesagt worden. Es seien auch nach der Einstellung von Frau B noch Bewerbungen übermittelt worden, wobei diesen Bewerbern/Bewerberinnen in weiterer Folge abgesagt worden sei. Es sei hier im Postausgang noch ein entsprechendes Absagemail gefunden worden, welches im Anhang übermittelt wird. Dieses sei vollkommen gleichlautend mit der Absage an den Antragsteller.

Weiters habe sich neben dem Antragsteller ebenfalls eine männliche Person auf diese Stelle beworben, mit welcher auf ein Vorstellungsgespräch vereinbart worden sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Stelle in der Zwischenzeit anderweitig besetzt worden sei, sei dieses Vorstellungsgespräch jedoch wieder abgesagt worden. Auch dies sei selbstverständlich belegbar.

Auch wie der Antragsteller aus der Absage vom 25. November 2020 ableiten wolle, dass der Antragsgegner keinen Mann als Sekretär beschäftigen werde, sei nicht nachvollziehbar. Dem sei entgegen zu halten, dass sich im Team des Antragsgegners auch ein männlicher Mitarbeiter befinde, welcher als … Assistent beschäftigt sei, dies seit 2011. Darüber hinaus sei von 1995-2010 ein Sekretär angestellt gewesen. Auch für die mit Frau B besetzte Stelle sei selbstverständlich auch ein männlicher Bewerber angenommen worden. Dies zeige auch die beigelegte Stellenausschreibung, nachdem ab Mai 2021 wiederum eine Stelle neu besetzt werden habe müssen. Nachdem Frau B jedoch persönlich empfohlen worden sei und im Zuge des Bewerbungsgespräches einen ausgezeichneten Eindruck vermittelt habe, sei die Stelle mit einer weiblichen Bewerberin besetzt worden.

Da Frau B sodann aus persönlichen Gründen das Arbeitsverhältnis (leider) beendet habe, sei auf der Plattform … erneut ein Inserat geschalten worden. Daraus könne entnommen werden, dass auch hier wiederum die Stellenausschreibung auch an männliche Bewerber gerichtet gewesen sei.

Zusammengefasst müsse gesagt werden, dass der Antragsteller offenbar versuche, die Dinge zu seinem Vorteil zu deuten, wobei ihm dazu jegliche Grundlage fehle. Die Behauptung, dass der Antragsgegner „nicht vorhatte, einen männlichen Sekretär, der nicht dem Idealbild der Ausschreibung (jung)“ entspreche, zu beschäftigen, könne der gesamten Stellenausschreibung nicht entnommen werden und werde auch mit der Tatsache widerlegt, dass die Stelle mit einer 11 Jahre älteren Person besetzt worden sei.

Anzumerken sei noch, dass der Antragsteller selbst in seiner Stellenbewerbung „Bewerbung als Sekretär, Stellenanzeige …, Schwarzes Brett“ anführe. Der Antragsteller sei daher (richtigerweise) ohnehin davon ausgegangen, dass sowohl eine Sekretärin, als auch ein Sekretär gesucht werden und daher die Stellenausschreibung nicht auf ein Geschlecht beschränkt gewesen sei.

Die Vorwürfe vom Antragsteller seien allesamt völlig haltlos. Die vom Antragsteller gezogenen „Rückschlüsse“ seien allesamt unrichtig und es werde damit offenbar lediglich der Zweck verfolgt, die Grundlage für weitere ungerechtfertigte Ansprüche zu konstruieren.

Der Antragsteller sei weder aufgrund seines Geschlechtes noch aufgrund seines Alters bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses vom Antragsgegner diskriminiert worden. Wenn mit Frau B nicht im Zuge ihres Einstellungsgespräches das Arbeitsverhältnis begründet worden wäre, so wäre der Antragsteller selbstverständlich zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden und diesem wären die gleichen Chancen wie den weiblichen Bewerbern eingeräumt worden. Solle sich der Antragsteller durch die irrtümlich falsche Stellenanzeige gekränkt fühlen, so ersuche der Antragsgegner diesen Umstand zu entschuldigen. Der Vorwurf einer Diskriminierung werde jedoch auf das Schärfste zurückgewiesen.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung des Antragstellers vom 28. September 2021. Der Antragsgegner erteilte am 25. August 2021 seine ausdrückliche Zustimmung, dass das Verfahren ohne seine Aussage fortgesetzt werden kann, da ihm eine Teilnahme bei der vorbereitenden Sitzung am 28. September 2021 terminlich nicht möglich war. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Stellungnahmen des Antragsgegners vom 28. Juli 2021 und vom 6. Oktober 2021 sowie auf die vom Antragsteller vorgelegten Bewerbungsunterlagen. Überdies bezog der Senat die vom Antragsgegner vorgelegte Stellenausschreibung vom 26. April 2021 sowie die Bewerbungsunterlagen der erfolgreichen Bewerberin und das Absageschreiben vom 3. Dezember 2021 an eine weitere Bewerberin in seine Beurteilung mit ein.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl I Nr 66/2004 idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1.    bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses […]

„§ 17. (1) Auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1.    bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses […]

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 3, 17 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des Antragstellers/der Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem Antragsgegner/der Antragsgegnerin obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Geschlechtes und des Alters diskriminiert worden zu sein, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Es ist allgemein bekannt, dass in Unternehmen Branche 1 grundsätzlich mehr Frauen als Männer als Sekretäre/Sekretärinnen beschäftigt sind. Der Antragsteller war seit 2000 mit kurzen Unterbrechungen immer wieder in Unternehmen Branche 1 beschäftigt, wo er mit verschiedenen Aufgaben betraut wurde. Der Antragsgegner ist Unternehmer Branche 1 mit Sitz in Stadt 1.

Da sich der Antragsteller schon längere Zeit auf Arbeitssuche befunden hatte, verfasste er einige Bewerbungen pro Woche bei verschiedenen Arbeitgebern. Im Mitteilungsblatt der Kammer Stadt 1 stieß er auf die Stellenausschreibung vom Antragsgegner. Dieser war seiner Ausschreibung nach auf der Suche nach „einer engagierten Vollzeitsekretärin (40h) mit Erfahrungen in den gängigen Bereichen eines Sekretariats eines Unternehmens der Branche 1 zum sofortigen Eintritt“. Der Ausschreibung war auch der Satz „Ein junges, dynamisches Team freut sich auf Ihre Bewerbung! ...“ zu entnehmen. Diese Stellenausschreibung wurde auf Grundlage des E-Mails, das von V‘s E-Mail-Adresse für den Antragsgegner am 12. November 2020 an eine Mitarbeiterin der Kammer Stadt 1 verschickt wurde, am 16. November 2020 veröffentlicht. Zuvor hatte eine Mitarbeiterin des Antragsgegners mit der zuständigen Mitarbeiterin der Kammer telefoniert. Es wurde vergessen, die Anzeige geschlechtsneutral zu verfassen.

Nichtsdestotrotz bewarb sich der Antragsteller am 22. November 2020 im Alter von 40,5 Jahren per E-Mail aufgrund dieser Ausschreibung mit dem Betreff „Bewerbung als Sekretär, Stellenanzeige Kammer Stadt1, Schwarzes Brett“ beim Antragsgegner.

Insgesamt bewarben sich rund zehn Personen auf die ausgeschriebene Stelle. Es wurden zwei Bewerbungsgespräche geführt. Unter den Bewerbern befand sich neben dem Antragsteller ein weiterer Mann, mit dem bereits ein Vorstellungsgespräch vereinbart war. Die Kandidatin, die eingestellt wurde, wurde dem Sohn und Kollegen des Antragsgegners Mag. W persönlich von ihrer Schwester empfohlen. Daher wurde ein Bewerbungsgespräch für den 25. November 2020 organisiert. Nachdem das Bewerbungsgespräch positiv verlaufen war, wurde die Kandidatin im Anschluss des Gesprächs eingestellt.

Am selben Tag, also nur wenige Tage nach der Bewerbung des Antragstellers, erhielt er per E-Mail eine Absage – ohne zuvor zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden zu sein – mit der Begründung, dass die Stelle anderweitig vergeben werde und die übermittelten Bewerbungsunterlagen im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Bestimmungen gelöscht werden.

Am 9. Dezember 2020 trat eine neue Mitarbeiterin in das Unternehmen ein, die elf Jahre älter ist als der Antragsteller. Zu diesem Zeitpunkt war die Ausschreibung jedoch immer noch auf der Website der Kammer zu finden.

Beim Antragsgegner war von 1995 bis 2010 ein Mann als Sekretär beschäftigt. Im Team des Antragsgegners arbeitet derzeit auch ein männlicher Mitarbeiter als … Assistent, der den gleichen Nachnamen wie der Antragsgegner hat.

Der Antragsgegner entschuldigte sich beim Antragsteller für den Fall, dass er sich für die irrtümlich falsche Stellenanzeige gekränkt gefühlt haben sollte.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

1.   Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG vor.

Die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des in der Regel vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen von Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen oder für diese handelnde Personen Bedacht zu nehmen (Vertragsanbahnung).4 Der Schutz vor Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses besteht somit unabhängig davon, ob „der erste Schritt“ vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin (zB durch eine Stellenausschreibung) oder vom/von der Arbeitsuchenden gesetzt wird.5

Erfolgt die Vertragsanbahnung mit Hilfe einer Stellenausschreibung, dann muss das Gleich-behandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach § 3 Z 1 vom Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung gemäß § 9 abgegrenzt werden. Obwohl die beiden Regelungen in engem Zusammenhang stehen, erfüllen nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen „als solche“ in der Regel den Diskriminierungstatbestand gemäß § 3 Z 1 nicht und können daher auch die im § 12 Abs 1 für Einstellungsdiskriminierungen vorgesehenen Rechtsfolgen (Schadenersatzansprüche) nicht auslösen. Ausschreibungsmängel führen hingegen nach § 10 zu Verwarnungen6 oder zu Geldstrafen7 für die nicht normkonform ausschreibenden Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen und Arbeitsvermittler/Arbeitsvermittlerinnen. Somit ist das Ausschreibungsverfahren selbst an § 9 zu messen; die Bearbeitung der daraufhin einlangenden Bewerbungen ist hingegen bereits nach dem Gleichbehandlungsgebot bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses nach § 3 Z 1 zu beurteilen.8

Im vorliegenden Fall war die vom Antragsgegner zu vergebende Position nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben (vgl. § 9 Abs 1 GlBG). Die in § 9 Abs 1 GlBG enthaltene Ausnahmebestimmung, dass geschlechtsspezifisch ausgeschrieben werden darf, wenn ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ist, kommt hier nicht zum Tragen. Es lagen keine Voraussetzungen vor, die ein Tätigwerden des Antragstellers als Sekretär in einem Unternehmen Branche 1 praktisch oder rechtlich ausschließen.9

Der Antragsteller legte nachvollziehbar dar, sich im Bewerbungsverfahren benachteiligt behandelt gefühlt zu haben. Der Senat hielt ihn für glaubwürdig. Dem Antragsteller missfiel insbesondere die Männer nicht berücksichtigende Stellenausschreibung im Zusammenhang mit der Tatsache, dass beim Antragsgegner hauptsächlich Frauen als Sekretärinnen angestellt sind. Auch erweckte die rasche Absage per E-Mail, ohne zu einem Gespräch eingeladen worden zu sein, für ihn den Eindruck, schon aufgrund seines Geschlechtes nicht näher in Betracht gezogen worden zu sein. Dies auch mit der Begründung, dass er über einschlägige Berufserfahrung verfügte, schon in mehreren Unternehmen Branche 1 gearbeitet hatte und sich laufend für mehrere Stellen beworben hatte.

Dennoch hatte er sich von der Ausschreibung nicht zu sehr abschrecken lassen und seine Bewerbung abgeschickt. Dies deutete darauf hin, dass er es zumindest ernsthaft für möglich hielt, dass die Einstellung von männlichen Angestellten durch den Antragsgegner nicht gänzlich ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich muss sich der gesamte Bewerbungsprozess diskriminierungsfrei gestalten. Die nicht korrekte Ausschreibung begründet allerdings nicht automatisch eine Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, sondern ist als Indiz auf eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu werten.

Der Antragsgegner argumentierte in seinen Stellungnahmen, dass es sich bei der Ausschreibung um einen Irrtum einer Mitarbeiterin gehandelt hätte und die nächste Ausschreibung im April 2021 geschlechtsneutral erfolgt wäre. Überdies räumte er ein, dass die Stellenausschreibung auch nach der Einstellung der neuen Mitarbeiterin noch online abrufbar gewesen sei, wobei es sich ebenso um einen „für ihn nicht erklärlichen“ Fehler gehandelt habe.

In seiner Beantwortung der vom Senat formulierten Nachfragen, legte der Antragsgegner schlüssig dar, wie es zur Entscheidung und Einstellung der neuen Mitarbeiterin gekommen war. Aufgrund der Chronologie und des vom Antragsgegner geschilderten Sachverhalts, kam der Senat zu dem Schluss, dass auf Unternehmensseite kein diskriminierendes Motiv vorgelegen hatte. Zwar war das zugrundeliegende Bewerbungsverfahren (für den Antragsteller) nicht transparent, die Schilderungen des Antragsgegners im Nachhinein waren aber in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Es bewarben sich zwei Männer und einige Frauen – insgesamt lagen rund zehn Bewerbungen vor – wobei nur ein einziges Bewerbungsgespräch stattgefunden hatte. Der Senat glaubte dem Antragsgegner auch, dass er bereits für ungefähr fünfzehn Jahre einen Mann als Sekretär in seinem Unternehmen angestellt hatte, was auf seine diesbezügliche Offenheit hinwies.

Weiters war nachvollziehbar, dass die Entscheidung bzgl. der neuen Mitarbeiterin äußerst rasch gefallen war und eine persönliche Empfehlung in dem Zusammenhang ein besonderes Gewicht haben kann, wenn auch der Antragsgegner nicht begründete, warum die andere Bewerberin besser qualifiziert gewesen sei. Das Absageschreiben erfolgte somit erst, nachdem einer anderen Person zugesagt worden war und enthielt denselben Wortlaut wie die Absage, die auch eine andere Bewerberin erhalten hatte.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive ausschlaggebend waren. Er hat somit den Gegenbeweis erbracht.

2.   Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Alters bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs 1 Z 1 GlBG vor.

Hinsichtlich des Inhalts des Diskriminierungsverbots aufgrund des Alters besteht Einigkeit darüber, dass davon alle Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen unabhängig von einem konkreten Alter erfasst werden. Mit „Alter“ wird grundsätzlich das biologische Alter – die vergangene Zeit eines Menschenlebens – gemeint, auch wenn im Bereich der mittelbaren Diskriminierung häufig Überschneidungen mit dem Dienstalter bestehen.10

In Bezug auf die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ kann auf Punkt 1 verwiesen werden. Auch betreffend die Glaubwürdigkeit des Antragstellers und des Antragsgegners gilt Obengenanntes.

Aus der Stellenausschreibung des Antragsgegners ging hervor, dass sich ein „junges, dynamisches Team“ auf die Bewerbungen freute. Darin sah der Antragsteller eine Diskriminierung aufgrund des Alters und leitete daraus ab, dass lediglich eine junge Bewerberin aufgenommen werden würde. Ebenso wie das Vorliegen einer geschlechtsspezifischen Ausschreibung kann der Hinweis auf ein junges, dynamisches Team ein Indiz für eine Diskriminierung sein.

Der Antragsgegner teilte mit, dass die Entscheidung auf eine Frau, die … 1969 geboren ist, fiel und belegte dies mit ihren Bewerbungsunterlagen. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt der Bewerbung 40 ½ Jahre alt, ist 1980 geboren und somit elf Jahre jünger als die letztlich eingestellte Kandidatin. Schon damit konnte entkräftet werden, dass der Antragsgegner nur an der Einstellung von „jungem“ Personal interessiert war. Der Antragsteller konkretisierte sein antragsgegenständliches Vorbringen dazu nicht näher.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 26 Abs 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner gelungen ist zu beweisen, dass das Alter kein ausschlaggebendes Kriterium im Zuge des Bewerbungsverfahrens war.

Wien, 19. Oktober 2021

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. zB VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 3 Rz 13.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 9 Rz 2.

6  Dies gilt gemäß § 10 Abs 2 GlBG für den „ersten Verstoß“ des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin.

7  Vgl. § 10 Abs 1 GlBG für Arbeitsvermittler/Arbeitsvermittlerinnen und § 10 Abs 2 GlBG für den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin bei wiederholter gesetzwidriger Ausschreibung.

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 3 Rz 19.

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 9 Rz 17.

10  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 (2021) § 17 Rz 54.

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2022
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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