TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/22 LVwG-AV-45/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.12.2021

Norm

AWG 2002 §2
AWG 2002 §37
AWG 2002 §51
DeponieV 2008 §3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch
Mag. Eichberger, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, in ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 29. Oktober 2019, Zl. ***, betreffend die Kenntnisnahme zur Lagerung bzw. Behandlung zusätzlicher Abfallarten der A GmbH, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

I.       zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, der Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Auflage 3 in Spruchpunkt B) entfällt und die Auflagen 1 und 2 im Spruchpunkt B) abgeändert werden, dass sie zu lauten haben wie folgt:
Auflage 1: Sollten behandelte aluminiumhältige Abfälle vom Standort der Altlast N6 aus ausgewiesenen Flächen gemäß Altlastensanierungsgesetz behandelt werden, so müssen diese als wiederkehrend anfallende Abfälle entsprechend Anhang 4 zur DVO 2008 betrachtet werden.
Dies gilt insbesondere für Abfälle mit den SN 31205, 31222, 31419, 31618 88, 51305 und 51308 gemäß Abfallverzeichnisverordnung idgF.
Auflage 2: Sollten behandelte aluminiumhältige Abfälle vom Standort der Altlast N6 aus ausgewiesenen Flächen gemäß Altlastensanierungsgesetz behandelt werden, müssen zur Sicherstellung, dass das Gefährdungspotential

HP 3 eingehalten wird, für diese Abfälle entsprechende Aufzeichnungen über die durchgeführte Bewertung des Gasbildungspotentials gemäß den Vorgaben des Bescheides der NÖ Landesregierung vom 27.10.2017, ***, in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme ständig aufliegen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Und fasst

II.      den Beschluss:

1.   Der Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 29. Oktober 2019, Zl. ***, wird bezüglich folgender Abfallarten aufgehoben:

Deponie Reststoffkompartiment:

SN

Sp

g/

gn

Abfallbezeichnung

Spezifizierung

falls g (gefährlich),
folgende SN

falls ausgestuft/
nicht gefährlich folgende SN

31613

 

 

Gipsschlamm

 

31620

 

31613

91

 

Gipsschlamm

verfestigt oder stabilisiert

31620 91

 

91103

 

 

Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung

 

 

 

94804

 

 

Schlamm aus der Abwasserbehandlung ohne gefährliche Inhaltsstoffe

 

92801

 

92804

91

 

Schlamm aus der Abwasserbehandlung; ohne gefährliche Inhaltsstoffe

verfestigt oder stabilisiert

94801 91

 

31412

 

g

Asbestzement

 

 

 

31609

 

g

Asbestzementschlamm

 

 

 

54912

77

g

Bitumen, Asphalt

Gefährlich kontaminiert

 

 

Verfestigungsanlage / Stabilisierungsanlage:

SN

Sp

g/

gn

Abfallbezeichnung

Spezifizierung

falls g (gefährlich),
folgende SN

falls ausgestuft/
nicht gefährlich folgende SN

31620

 

g

Gipsschlamm mit produktionsspezifischen schädlichen Beimengungen

 

 

31613

31620

91

g

Gipsschlamm mit produktionsspezifischen schädlichen Beimengungen

verfestigt oder stabilisiert

 

31613 91

94801

 

g

Schlamm aus der Abwasserbehandlung, mit gefährlichen Inhaltsstoffen

 

 

94501, 94502
oder 94804

94804

91

 

Schlamm aus der Abwasserbehandlung, ohne gefährliche Inhaltsstoffe

verfestigt oder stabilisiert

 

94804 91

94804

 

 

Schlamm aus der Abfallbehandlung, ohne gefährliche Inhaltsstoffe

 

94801

 

94804

91

 

Schlamm aus der Abfallbehandlung, ohne gefährliche Inhaltsstoffe

verfestigt oder stabilsiert

94801 91

 

31412

 

g

Asbestzement

 

 

 

Zwischenlager:

SN

Sp

g/

gn

Abfallbezeichnung

Spezifizierung

falls g (gefährlich),
folgende SN

falls ausgestuft/
nicht gefährlich folgende SN

31620

 

g

Gipsschlamm mit produktionsspezifischen schädlichen Beimengungen

 

 

31613

31620

91

g

Gipsschlamm mit produktionsspezifischen schädlichen Beimengungen

verfestigt oder stabilisiert

 

31613 91

91103

 

 

Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung

 

 

 

91103

77

g

Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung

gefährlich kontaminiert

 

 

94801

 

g

Schlamm aus der Abwasserbehandlung, mit gefährlichen Inhaltsstoffen

 

 

94501, 94502 oder 94804

94801

91

g

Schlamm aus der Abwasserbehandlung, mit gefährlichen Inhaltsstoffen

verfestigt oder stabilisiert

 

94804 91

94804

 

 

Schlamm aus der Abwasserbehandlung, ohne gefährliche Inhaltsstoffe

 

94801

 

94804

91

 

Schlamm aus der Abwasserbehandlung, ohne gefährliche Inhaltsstoffe

verfestigt oder stabilisiert

94801 91

 

2. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

I.       § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

II.      § 30 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 29. Oktober 2019, Zl. ***, wurden die Anzeigen der A GmbH vom 18. Juli 2018, 31. August 2018 und 13. September 2019 zur Lagerung bzw. Behandlung zusätzlicher Abfallarten gemäß § 37 Abs. 4 iVm. § 51 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) und unter Vorschreibung von vier Auflagen zur Kenntnis genommen.

Die Anzeige für die Konsenserweiterung bezüglich zusätzlicher Abfallarten betraf die Aufnahme dieser Abfälle in die bestehende Behandlungsanlage, das bestehende Zwischenlager und in die bestehende Reststoff- und Massenabfalldeponie am Standort *** am Grst. Nr. ***, KG ***.

Begründet wurde diese Entscheidung dahingehend, dass die beigezogene Amtssachverständige für Abfallchemie in ihrer fachlichen Stellungnahme ausgeführt hat, dass mit keinen negativen Auswirkungen auf die potentiell betroffenen Schutzgüter zu rechnen sei und das gegenständliche Vorhaben aus fachlicher Sicht als nicht wesentliche Änderung im Anzeigeverfahren zur Kenntnis genommen werden könne. Überdies führte die Amtssachverständige aus, dass die Ablagerung der im nun beantragten Abfallkonsens definierten Abfälle das Gefährdungspotenzial für Reststoff- und Massenabfälle im Deponiekörper nicht erhöhe, weil lediglich Abfälle deponiert werden, die in ihrem Emissionsverhalten sowie den Wechselwirkungen untereinander denjenigen Abfällen, die bereits abgelagert werden dürfen, gleichzusetzen wären.

Nachdem der Antrag der Konsenswerberin eingeschränkt wurde, führte die Amtssachverständige für Abfallchemie weiters aus, dass die im Abfallkonsens beantragten Abfälle, die in der Behandlungsanlage *** gesammelt, zwischengelagert, verfestigt, stabilisiert und deponiert werden können, in den Unterlagen gelistet sind und können in den entsprechenden Einrichtungen (Lagerboxen in einer geschlossenen Halle, Siloanlagen für verschiedene Abfälle, Aufgabebunker, Zwischenlager im Deponiebereich) zwischengelagert werden.

Aus fachlicher Sicht wurde darauf hingewiesen, dass auch in einer Halle für Zwischenlagerungen von staubförmigen und geruchsemittierenden Abfällen grundsätzlich geschlossene, medienbeständige Container, gedeckelte Mulden vorzusehen sind. Am gegenständlichen Standort werden ausschließlich feste bzw. stichfeste Abfälle zwischengelagert.

Für asbesthaltige Abfälle wird in der Reststoffdeponie ein Kompartimentsabschnitt gemäß § 10 DVO 2008 errichtet. Teerhaltiger Straßenaufbruch gemäß § 10a DVO 2008 wird in einem bestimmten Abschnitt der Reststoffdeponie konzentriert.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage wurden von der A GmbH mit Schreiben vom 13.09.2019 verschiedene Abfallarten mit den entsprechenden Schlüsselnummern zurückgezogen.

Weiters wurde in den Begründungen festgehalten, dass die gegenständlichen Änderungen mit keiner mengenmäßigen Erweiterung der

Kapazität verbunden sind.

Wiederholt führte die Amtssachverständige aus, dass aus fachlicher Sicht durch die gegenständliche Erweiterung des Abfallkonsenses mit keinen negativen Auswirkungen auf die potentiell betroffenen Schutzgüter zu rechnen sei, und die Änderung des Anlagenkonsenses aus fachlicher Sicht als nicht wesentlichen Änderung im Anzeigeverfahren zur Kenntnis genommen werden könne.

Aufgrund dieser fachlichen Stellungnahmen der Amtssachverständige für Abfallchemie habe die belangte Behörde die Anwendung der Bestimmung § 37 Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) für zulässig erachtet, da auch bei der gegenständlichen IPPC Anlage keine quantitative Kapazitätserweiterung stattfinde und es sich bei der Konsenserweiterung um keine wesentliche Änderung handle.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Mit der rechtzeitigen Beschwerde der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus (jetzt: für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) vom 25. November 2019 wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 29. Oktober 2019, Zl. ***, in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit angefochten.

Zu den Beschwerdegründen wurde vorgebracht, dass im Gegenstand die Voraussetzungen für die Anwendung des Anzeigeverfahrens nach § 37 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 iVm § 51 Abs. 1 AWG 2002 nicht vorliegen würden.

Die A GmbH (im folgenden: mitbeteiligte Partei) habe mit mehreren Schreiben der Landeshauptfrau von Niederösterreich (im folgenden: belangte Behörde) die Erweiterung ihrer Anlagen hinsichtlich der zu behandelnden und zu lagernden Abfallarten gemäß § 37 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 angezeigt.

Die belangte Behörde habe basierend auf den eingeholten Amtssachverständigengutachten festgestellt, dass mit dem Vorhaben der Behandlung und Lagerung zusätzlicher Abfallarten mit keinen negativen Auswirkungen auf die potentiell betroffenen Schutzgüter zu rechnen sei und habe die angezeigten Änderungen mit Bescheid gemäß § 51 AWG 2002 zur Kenntnis genommen. Der Kenntnisnahmebescheid hätte aber nicht erlassen werden dürfen, da die Voraussetzungen des Änderungsanzeigeverfahrens nach § 37 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 nicht vorliegen würden.

Nach dem klaren Wortlaut des § 51 Abs. 1 AWG 2002 bilde ein Bescheid, der auf dieser Rechtsgrundlage erlassen werde, einen Bestandteil des Genehmigungsbescheides, trete also zur Genehmigung hinzu. Ohne Vorliegen einer aufrechten Genehmigung sei die Erlassung eines Kenntnisnahmebescheides nicht zulässig.

Zumindest seit dem Inkrafttreten der Deponieverordnung 2008 stelle ein Zwischenlager auf einer Deponie eine „andere Anlage“ im Sinne des § 34 Abs. 2 AWG 2002 dar und sei somit nach § 37 AWG 2002 genehmigungspflichtig. Die von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige habe in ihrer abschließenden Stellungnahme wörtlich folgendes ausgeführt: „zusätzlich soll das temporäre Zwischenlager auf der Deponieoberfläche auch als Zwischenlager gemäß § 33 DVO genutzt werden.“ Aus dem Kenntnisnahmebescheid gehe nicht hervor, dass für das Zwischenlager ein abfallrechtlicher Konsens vorliege. Mit dem von der belangten Behörde angeführten Bescheid vom 20. Jänner 2006, Zl. ***, wurde lediglich die Errichtung und der Betrieb einer in zwei getrennte Teilbereiche unterteilte Abfalldeponie und die Errichtung und der Betrieb einer Konditionier-und Kompostieranlage genehmigt, nicht jedoch auch die Errichtung und der Betrieb eines Abfallzwischenlagers. Ohne aufrechte Genehmigung für Abfallzwischenlagerungen sei aber die Erlassung eines Kenntnisnahmebescheides betreffend die Lagerung von zusätzlichen Abfallarten jedenfalls unzulässig.

Die Amtssachverständigengutachten seien auch unschlüssig, ergänzungsbedürftig und unrichtig. Die Erweiterung des Abfallkonsenses bringe zahlreiche weitere Änderungen der Anlagen mit sich, die genehmigungspflichtig seien und nicht im Anzeigeverfahren zur Kenntnis genommen werden können. So sei zum Beispiel für die Ablagerung von Asbestabfällen und künstlichen Mineralfasern, welche gefährliche Abfälle darstellen, ein eigener Asbestkompartimentsabschnitt notwendig. Auch dieser müsse als Änderung genehmigt werden und sei im Anzeigetatbestand des § 37 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 nicht enthalten. Weiters sei bei aluminiumhältigen Abfällen der Altlast N 6 eine Bewertung des Gaspotenzials vorzunehmen, „gemäß den Vorgaben des Bescheides vom 27. Oktober 2017“, welcher nicht näher zitiert sei. Die belangte Behörde habe sich mit diesem Vorbringen in keinster Weise auseinandergesetzt und es sei nicht nachvollziehbar, in welcher Anlage diese Maßnahme durchgeführt werden soll und ob diese Vorgaben im Zusammenhang mit dem sonstigen Betrieb der Anlagen ausreichen.

Es fehle weiters auch jede Auseinandersetzung mit der derzeitigen Ausgestaltung und der zukünftigen Ausgestaltung des Lagers. Für jede Abfallart müsste die zulässige Art der Lagerung festgelegt werden. Auch dies stelle eine anlagenbezogene Änderung dar, die nicht durch § 37 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 abgedeckt sei.

Für die Zwischenlagerung von Staubvermögen und geruchsemittierenden Abfällen müssen geschlossene Behältnisse oder Einrichtungen verwendet werden. Es sei nicht nachvollziehbar, ob diese in ausreichender Anzahl bereits vor Ort seien und ob ausreichend geeignete Ausstellungsflächen vorhanden seien. Aus dem eingeholten Amtssachverständigengutachten gehe dies nicht hervor. Die Amtssachverständige weise in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass „auch in einer Halle für Zwischenlagerungen von schlauchförmigen und geruchsemittierenden Abfällen grundsätzlich geschlossene, medienbeständige Container, gedeckelte Mulden vorzusehen seien.“ Eine entsprechende Auflage sei im Bescheid aber nicht festgelegt worden.

Von dem den Amtssachverständigengutachten zu Grunde liegenden Fachgutachten der B werde einerseits behauptet, „dass unter entsprechender Bewertung der HP-Kriterien und Einhaltung der nachstehenden Auflagen und Bedingungen die Behandlung, Zwischenlagerung und Ablagerung möglich sei.“ Andererseits werde aber davon gesprochen, dass dieses Gutachten nur „eine Beurteilung von gefahrenrelevanten Eigenschaften bestimmter nicht gefährliche Abfälle hinsichtlich der Schadstoffgehalte und deren Gefährdungspotenzial“ beinhaltet. Wenn also vom Gutachter nur „nicht gefährliche Abfälle“ beurteilt wurden, könne dies keine Zwischenlagerung und Behandlung gefährlicher Abfälle darstellen.

Die Ausführungen der Amtssachverständigen, wonach auf das Vermischungsverbot von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen verwiesen werde, sei wiederum keine konkrete Maßnahme zur Umsetzung des Vermischungsverbots. Es bedürfe vielmehr einer konkreten Darstellung, welche Maßnahmen der Anlagenbetreiber der im Spruch genannten Anlagen setze, um die Einhaltung des Vermischungsverbotes bei 700 zusätzlichen Abfallarten, die zum Teil gefährliche Abfallarten seien, zu gewährleisten.

Die belangte Behörde habe daher zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des Änderungsanzeigeverfahrens nach § 37 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 angenommen und zu Unrecht das Anzeigeverfahren durch Kenntnisnahme der Anzeige abgeschlossen.

Die belangte Behörde habe zusätzlich mit Kenntnisnahmebescheid vom 25. Oktober 2019, Zl. ***, eine Grenzwerterhöhung für die Reststoffdeponie genehmigt, welche Auswirkungen auf die hier gegenständlichen zusätzlichen Abfallarten habe. Die Behörde habe es unterlassen, die gleichzeitig vorliegenden Änderungsanzeigen auf ihre wechselseitigen Auswirkungen zu prüfen und ob sie für sich oder gemeinsam eine wesentliche Änderung der Anlage bewirken.

Änderungsanträge seien gemeinsam zu behandeln, selbst wenn sie getrennt gestellt werden, vor allem, wenn es sich, so wie im gegenständlichen Fall, um eine IPPC-Anlage handle (Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Definition in § 2 Abs. 7 Z 3 AWG 2002).

Weiters habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. November 2019, Zl. ***, der Konsensinhaberin einen Auftrag zur Projektvorlage betreffend Staubminderungsmaßnahmen aufgetragen und dies ausdrücklich mit dem Schutz von „Leben und Gesundheit“ begründet. Diese Schutzmaßnahme stehe in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem in beschwerdegezogenen Bescheid und dem oben zitierten Bescheid vom 25. Oktober 2019 und sei ein weiterer Beleg dafür, dass das bloße Anzeigeverfahren von zusätzlichen Abfallarten nicht rechtskonform gewesen sei und der Tatbestand einer wesentlichen Änderung der gegenständlichen Anlage erfüllt sei.

Die Bundesministerin stellte daher die Anträge, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen sowie der Beschwerdefolge geben und den angefochtenen Bescheid beheben.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 14. Jänner 2021 gerichtet an die Landeshauptfrau von Niederösterreich modifizierte die Konsenswerberin ihre verfahrenseinleitende Anzeige.

Es wurden hiermit fünf Schlüsselnummern für das Reststoffkompartiment, acht Schlüsselnummern für die Verfestigungsanlage/Stabilisierungsanlage und acht Schlüsselnummern für das Zwischenlager zurückgezogen.

Beantragt wurde, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge die verfahrensgegenständliche Erweiterung der Abfallarten im nunmehr eingeschränkten Umfang genehmigen und den erstinstanzlichen Bescheid zu diesem Teil bestätigen. Weiters wurde beantragt, den erstinstanzlichen Bescheid im Umfang der Projektmodifikation durch Zurückziehung der Schlüsselnummern ersatzlos zu beheben sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

In der gegenständlichen Beschwerdeangelegenheit wurde am 26. August 2021 am Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, in der unter Beiziehung einer Amtssachverständigen für Abfallchemie und Verlesung der verfahrensrelevanten Akten sowie der bisherigen schriftlichen Korrespondenz Beweis erhoben wurde.

Über Befragen wurde ausgeführt, dass das temporäre Zwischenlager auf der Deponie im mittleren Abschnitt im nördlichen Bereich situiert ist und dort aluminiumhältige Leichtmetallkrätze abgelagert werde. Auch werde diese Abfallart in der Halle abgelagert.

Dieses temporäre Zwischenlager sei mit Bescheid vom 6. Dezember 2019 im vereinfachten Verfahren genehmigt worden.

Die Amtssachverständige für Abfallchemie gab an, dass sich ihre Ausführungen in ihrer fachlichen Stellungnahme auch auf das temporäre Zwischenlager bezogen habe. Sie führte auch aus, dass es sich hierbei um eine Genehmigung nach
§ 34 DVO also um eine andere Anlage im Deponiebereich gehandelt habe.

Der Vertreter der belangten Behörde führte hierzu aus, dass im beschwerdegegenständlichen Bescheid das temporäre Zwischenlager nicht erwähnt sei. Das erwähnte Zwischenlager im Bescheid betreffe das genehmigte Zwischenlager der ehemaligen Kompostierhalle.

Die Amtssachverständige für Abfallchemie führte auch aus, dass bei Lagerungen der aluminiumshaltigen Leichtmetallgrenze am temporären Zwischenlager keine wesentliche Beeinträchtigung der Schutzgüter auftreten werde. Es handle sich hierbei um nicht gefährlichen Abfall, der vergleichbar mit den Abfällen in der Deponie sei.

Der abfallrechtliche Geschäftsführer der Konsenswerberin gab an, dass dieses temporäre Zwischenlager erst bei Bedarf errichtet werden soll. Es sollen dort Abfälle aus der Altlast N6 zwischengelagert werden. Bis dato sei lediglich die Fläche vorbereitet worden und bei Bedarf werde eine amtliche Begrenzung erfolgen und er verwies hierbei auf die Beschreibung des Projektes des Bescheides vom 6. Dezember 2019. Eine Verbindung des beschwerdegegenständlichen Bescheides mit dem Verfahren zum temporären Zwischenlager sei deshalb nicht gemacht worden, weil sich erst im Laufe der Zeit herausgestellt habe, dass das temporäre Zwischenlager für die Zwischenlagerung von Abfällen aus der Altlast N 6 notwendig werde.

Der Vertreter der belangten Behörde gab an, dass die Zwischenlagerung der Abfälle der Altlast N6 nicht Bestandteil des gegenständlichen Bescheides gewesen sei. Die Schlüsselnummer für aluminiumshältige Leichtmetallkrätze sei zwar im gegenständlichen Bescheid vorhanden, jedoch nur für die Zwischenlagerung in der ehemaligen Kompostierhalle, genehmigt mit Bescheid vom 29. Oktober 2019, und für die Ablagerung auf der Reststoffdeponie. Auch finde sich die Schlüsselnummer für die Behandlung in der Verfestigungsanlage.

Der abfallrechtliche Geschäftsführer gab diesbezüglich auch an, dass derzeit noch keine Abfälle der Altlast N 6 übernommen wurden.

Zu Eingangskontrolle bei der Deponie gab der abfallrechtliche Geschäftsführer bekannt, dass diese Eingangskontrolle derzeit noch bei der Deponie *** stattfinde. In Zukunft werde diese Eingangskontrolle auf der Deponie *** im nordwestlichen Bereich nach der Einfahrt bei der errichteten Brückenwaage und dem errichteten Terminal stattfinden. Beschrieben wurde dies dahingehend, dass einer Schrankenanlage kontrolliert werde, welche Abfälle geladen wurden und die verantwortliche Person bei der Eingangskontrolle aufgrund der Eingaben im Terminal genau wisse, an welcher Stelle die Abfälle gelagert bzw. zwischengelagert werden.

Zur Frage, ob die Auflagen 1 und 2 des beschwerdegegenständlichen Bescheides Auswirkungen bei der Eingangskontrolle bei der einer Lieferung der Abfälle der Altlast N 6 haben, wurde ausgeführt, dass eine gegenwärtige Lieferung auf die Begleitpapiere kontrolliert werde und ob der Beurteilungsnachweis vorhanden sei.

Diesbezüglich wurde von der Beschwerdeführervertretung auf § 33 DVO verwiesen. Diese Bestimmung besagt, dass eine Eingangskontrolle auf einem anderen Deponiekörper stattfinden könne, jedoch sei hierzu eine Ausnahmegenehmigung notwendig. Von der Konsenswerberin wurde diesbezüglich ausgeführt, dass es mit 30. Oktober 2019 einen Anpassungsbescheid der belangten Behörde an die DVO 2008 gegeben habe. Im technischen Bericht dieses Projektes werde dargelegt, dass eine Eingangskontrolle für die Deponie *** durchgeführt werde. Mit Anzeige vom 6. September 2018 wurde beantragt, die Eingangskontrolle temporär an der Deponie Mistelbach für die Deponie *** durchzuführen. Diese Anzeige wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Februar 2020 zur Kenntnis genommen.

Die Beschwerdeführervertretung brachte vor, dass bei der Vielzahl an zusätzlichen Abfällen wie im gegenständlichen Fall eine Eingangskontrolle genauer durchzuführen sei. Es sei schwierig, eine Eingangskontrolle auf einem anderen Deponiestandort durchzuführen und die kontrollierten Abfälle auf einem anderen Deponiestandort zu lagern. Diesbezüglich ist die Beschwerdeführervertretung der Meinung, dass dies nur durch zusätzliche Maßnahmen garantiert werden könne und diese Maßnahmen gutachterlich bzw. in einem Bescheid festzuhalten seien.

Die Vertretung der Konsenswerberin brachte diesbezüglich vor, dass die Eingangskontrolle mit Bescheid vom 18. Februar 2020 zur Kenntnis genommen worden sei und aus diesem Grund eine Diskussion über dieses Thema im gegenständlichen Verfahren entbehrlich sei.

Der Vertreter der belangten Behörde verwies auf den Inhalt des Bescheides vom 18. Februar 2020 und gab an, dass die Beschreibung der genehmigten Eingangskontrolle zu Bestandteil des Bescheides erhoben wurde und auch im Bescheid der zuständige Amtssachverständige für Deponietechnik Ausführungen darüber getroffen habe, dass die zu genehmigende Kontrolle in keinem Widerspruch mit dem bisherigen Bescheiden und zur DVO stehe.

Über Befragen gab die Amtssachverständige für Abfallchemie an, dass auch bei der Hinzunahme der großen Anzahl an zusätzlichen Abfallarten keine Anlagenänderungen durchzuführen seien. Sie verwies hierzu auf den Bescheid vom 8. Februar 2017, mit dem das Abfallzwischenlager in der Kompostierhalle und zusätzliche Abfallarten im Abfallzwischenlager genehmigt wurden.

Zum Asbestkompartiment befragt wurde vom abfallrechtlichen Geschäftsführer ausgeführt, dass die Abfallart Asbestzement bereits mit Bescheid der Behörde vom 30. Oktober 2013 zur Ablagerung in der Massenabfalldeponie genehmigt worden sei. Er gab auch an, dass die Massenabfalldeponie derzeit noch nicht errichtet worden sei und diese südlich der Reststoffdeponie situiert sein werde.

Mit Anpassungsbescheid an die DVO 2008 vom 30. Oktober 2013 wurde die bisherige Massenabfalldeponie bereits unterteilt in Massenabfall-und Reststoffdeponie, wodurch diese Reststoffdeponie genehmigt wurde.

Derzeit seien noch keine Asbestabfälle in der Reststoffdeponie eingelagert worden. Sollte dies der Fall sein, werde ein eigener Abschnitt der Reststoffdeponie hierfür vorbereitet und ein eigener Kompartimentsabschnitt hergestellt, der mit Wallen aus feinkörnigen Material umrandet wird und auch abgedeckt werden könne. Diese Vorkehrungen sollen gemäß § 10 DVO 2008 entstehen.

Hierzu gab die Amtssachverständige für Abfallchemie an, dass sie sich bei diesen Maßnahmen im Sinne des § 10 DVO um eine deponietechnische Maßnahme aber um keine bautechnische Maßnahme handle. Dies stelle auch keine wesentliche Änderung der Deponie dar.

Die Beschwerdeführervertretung brachte hierzu vor, dass ein Asbestkompartimentabschnitt ein eigener Anlagenteil einer Anlage sei und hierzu ein eigenes Projekt notwendig sei. Generell wurde ausgeführt, dass alle Änderungen gemeinsam zu betrachten seien und nicht nur zum Beispiel das Asbestkompartiment alleine. Zusätzlich gab sie an, dass alle Anlagen bereits vorhanden sein müssen, damit für diese Anlage eine zusätzliche Abfallart genehmigt werden könne. Es könne nicht möglich sein, dass etwas genehmigt werde, wozu die Genehmigung einer Anlage noch fehle.

Der Vertreter der belangten Behörde brachte hierzu vor, dass es nicht im Sinne der DVO sei, dass ein eigener Asbestkompartimentabschnitt in einem eigenen Verfahren zu genehmigen sei. Dies würde die DVO ad absurdum führen. Es gebe gewisse Abschnitte in der DVO, wie zum Beispiel die Grenzwerterhöhung, bei der ein eigenes Genehmigungsverfahren durchzuführen wäre. Jedoch gebe die DVO nicht her, dass für ein Asbestkompartiment ein eigenes Verfahren durchzuführen ist.

Vom Vertreter der Konsenswerberin wurde vorgebracht, dass § 10 DVO 2008 vom Betreiber einzuhalten sei. Eine Bewilligung für die Reststoffdeponie sei vorhanden und diesbezüglich sei ein eigener Kompartimentsabschnitt nicht nochmals zusätzlich zu genehmigen.

Die Amtssachverständige für Abfallchemie gemäß gab diesbezüglich an, dass eine Genehmigung eines jeglichen Kompartimentsabschnittes den Vollzug unmöglich machen würde und einen immensen Aufwand für den Antragsteller darastellen würde.

Von der Beschwerdeführervertretung wurde vorgebracht, dass es sich bei den Asbestabfällen und bei den teerhaltigen Abfällen aus Straßenaufbruch um gefährliche Abfälle handle. Diese sollen auf einer Reststoffdeponie, die für nicht gefährliche Abfälle genehmigt wurde, abgelagert werden. Dies sei wegen einer Sonderregelung möglich und handle sich somit um eine zulässige Ausnahme. Da jedoch gefährliche Abfälle auf einer Reststoffdeponie für nicht gefährliche Abfälle abgelagert werden, handle es sich hier um eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Genehmigungsbescheides. Er verwies diesbezüglich auch auf den Asbestabfall. Dieser werde, bevor er eingebaut wird, längere Zeit gelagert und ist dieser Asbest aufgrund der Fasern, die wegen Wind vertragen werden, auch für die Umwelt und für Menschen gefährlich.

Die Amtssachverständige für Abfallchemie gab diesbezüglich an, dass Asbestabfälle in gebundener Form oder verpackt zu Deponie geliefert werden und regelmäßig abgedeckt werden. Auch vor dem Einbau werden sie befeuchtet und müssen bei der Einlagerung bzw. Ablagerung die Maßnahmen nach § 10 DVO beachtet werden. Es liege hier im Zuständigkeitsbereich des Betreibers, die Maßnahmen nach § 10 DVO einzuhalten und war die Amtssachverständige nach wie vor der Meinung, dass es sich bei der Ablagerung von Asbestabfällen in einem eigenen Abschnitt auf der gegenständlichen Reststoffdeponie und keine wesentliche Änderung handelt.

Vom Vertreter der belangten Behörde wurde auf § 2 Abs. 8 Z 3 AWG 2002 verwiesen und gab an, dass er ohnehin immer daran gehalten sei, eine wesentliche Änderung zu prüfen. Vor allem im gegenständlichen Fall, da es sich auch um eine IPPC-Behandlungsanlage handle. Er gab auch an, dass im gegenständlichen Fall diesbezüglich eine Anfrage bei einem Deponietechniker und bei einer Abfallchemikerin gestellt worden sei, um herauszufinden, ob es sich bei der Errichtung eines Asbestskompartiment um eine wesentliche Änderung handle.

Verwiesen wurde auch auf die aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine wesentliche Änderung im Einzelfall konkret zu prüfen sei. Im gegenständlichen Fall gehe es um zwei gefährliche Abfallarten für die § 10 DVO eigene Maßnahmen festlege. Hinzugefügt wurde vom Vertreter der Konsenswerberin, dass die Abfallart Asbestzement bereits für die Massenabfalldeponie genehmigt worden sei.

Von der Beschwerdeführervertretung wurde wiederholt au

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten