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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Juni 1995, Zl. 4.313.371/17-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität und alevitischen Glaubens, reiste am 26. März 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. April 1991 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner am 7. April 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, er sei nie Mitglied einer politischen Organisation gewesen, Sympathisant der Tikko ("Türkischer Arbeiter- und Bauernverein") hingegen schon. Er sei am 11. Oktober 1983 in den Morgenstunden zu Hause festgenommen worden, nachdem er erst ein paar Tage vor diesem Zeitpunkt in sein Dorf zurückgekehrt gewesen sei. Fast gleichzeitig mit ihm seien auch ein paar andere Männer, die sich verdächtig verhalten hätten, gekommen, sodaß zwischen ihm und diesen Männern ein Zusammenhang vermutet worden sei, was jedoch nicht gestimmt habe. Er sei drei Tage in Mercan festgehalten und geschlagen worden. Danach sei er dem Staatsanwalt vorgeführt und anschließend wegen einer Gegenüberstellung für zwei Monate nach Istanbul gebracht worden. Der Grund sei ihm nie mitgeteilt worden. Nach den zwei Monaten sei er aus der Haft entlassen worden. Nach seiner Enthaftung sei er für sechs Monate nach Osmaneli gebracht worden, wo er "Anwesenheitspflicht" gehabt habe. Er habe sich zweimal täglich bei der Polizei melden müssen. Danach habe er ohne Angabe von Gründen wieder in sein Dorf zurückkehren dürfen. Ab diesem Zeitpunkt sei er immer, "wenn etwas passiert" sei, für ein bis drei Tage in Haft genommen worden. Das letzte Mal sei er acht Monate (vor seiner Flucht?) verhaftet worden, wobei die Dauer dieser Haft 24 Stunden betragen habe. Er sei immer, wenn er verhaftet worden sei, auch geschlagen und mißhandelt worden, er habe noch heute eine Narbe unter dem Haar und eine Knorpelbildung auf der rechten Seite in der Mitte des Rückens in der Größe etwa einer halben Faust. Er habe die Schikanen nicht mehr ausgehalten und habe sich daher zur Flucht entschlossen. Er sehe keine Zukunft mehr für sich in der Türkei. Zu seiner Reiseroute gab er im wesentlichen an, er sei von Istanbul aus über Bulgarien nach Rumänien und von dort nach Ungarn gereist und habe nach einem etwa zehntägigen Aufenthalt in Ungarn illegal die Grenze zu Österreich überschritten.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Mai 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
In der dagegen erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer lediglich auf die anläßlich seiner Einvernahme gemachten Angaben und betonte neuerlich, in seinem Heimatstaat Opfer politischer Verfolgungen gewesen zu sein und daher nicht in diesen Staat zurückkehren zu wollen.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Februar 1993 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl. Infolge der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1994, Zl. 94/20/0264, diesen Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) auf, sodaß das Verfahren bei der belangten Behörde wiederum anhängig wurde. Bereits mit Schriftsatz vom 26. März 1993 hatte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Behauptung begehrt, es sei ihm nunmehr am 2. März 1993 durch einen Freund die Kopie eines gegen ihn ergangenen Haftbefehls zugekommen und legte diesen in Kopie mit beglaubigter Übersetzung vor. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. April 1993 (infolge Verspätung) rechtskräftig zurückgewiesen.
In dem von der belangten Behörde fortgesetzten Berufungsverfahren räumte diese dem Beschwerdeführer die Möglichkeit ein, einfache Verfahrensverletzungen des Verfahrens erster Instanz geltend zu machen und daraus etwa folgende Sachverhaltsergänzungen vorzunehmen, sowie Stellung zu nehmen zu dem Vorhalt, er sei auf Grund seines ca. zehntägigen Aufenthaltes in Ungarn vor Einreise in das Bundesgebiet bereits vor Verfolgung sicher gewesen, dies unter Hinweis auf ein "Gutachten des UNHCR vom 4. Juli 1994", sowie zu einzelnen ins Detail gehenden Fragen zu seiner Flüchtlingseigenschaft. Anläßlich seiner daraufhin am 14. April 1995 vor dem Bundesasylamt vorgenommenen ergänzenden Vernehmung gab der Beschwerdeführer zur Frage der Verfolgungssicherheit in Ungarn lediglich an, er habe damals nicht gewußt, daß er in Ungarn einen Asylantrag hätte stellen können, von Bekannten und Freunden habe er gehört, daß Österreich ein sicheres Land sei und habe aus diesem Grund beschlossen, nach Österreich zu reisen. Zu seiner Flüchtlingseigenschaft gab er ergänzend an, seit dem Jahre 1980 sei er Sympathisant der Tikko gewesen, wobei es seine Aufgabe gewesen sei, Flugblätter zu verteilen und Mitglieder zu werben. Diese Aktivitäten hätten auch zu seiner ersten Festnahme im Jahre 1983 geführt. Nach seiner Enthaftung im Jahre 1984 sei er dann offizielles Mitglied dieser Bewegung geworden. Von 1984 bis 1991 sei er politisch aktiv gewesen. Seine Aufgabe sei es wiederum gewesen, Mitglieder anzuwerben. Er sei für die Provinz Erzincan in den Bezirken Tercan und Cayirli zuständig gewesen. Er sei in der mittleren Parteiebene der Tikko eingegliedert worden, deren Ziel es sei, einen Staat zu gründen, in dem alle Arbeiter und Bauern unabhängig von ihrer Abstammung friedlich miteinander leben könnten. Die Partei gebe es noch, sie sei jedoch in der Türkei verboten. Wer der derzeitige Anführer sei, wisse er nicht, da er seit seiner Flucht nach Österreich keinen Kontakt mehr zu dieser Partei habe. Der Unterschied zur PKK liege vor allem darin, daß die PKK einen kurdisch-nationalen Staat gründen wolle, während die Tikko für die Rechte aller unterdrückter Menschen, egal welcher Volksgruppenzugehörigkeit sie seien, kämpfe. Die Tikko führe einen bewaffneten Kampf gegen die Armee des jetzigen türkischen Staates, aus diesem Grunde sei sie verboten. Zu Nachteilen aus seiner angeblichen Haft im Jahr 1983 befragt, gab der Beschwerdeführer ergänzend an, er und seine Frau seien im Oktober 1983 von Polizisten in Ogultas festgenommen und zur Polizeistation nach Tercan gebracht worden, wo man ihn zwei Tage lang festgehalten habe. Seine Gattin sei eine Woche lang festgehalten und auch geschlagen worden. Während der zwei Tage seiner Haft sei ihm vorgeworfen worden, für die Tikko tätig zu sein, was er jedoch nicht zugegeben habe. Bei den Verhören sei er auch mißhandelt worden. Durch Schläge auf den Kopf habe er eine Platzwunde erlitten, deren Narbe auch heute noch sichtbar sei, durch Schläge auf die Hüfte habe er eine Gewebsveränderung (Knorpel) erlitten, die auch heute noch tastbar sei. Es sei ihm auch ein Schneidezahn ausgeschlagen worden. Nach zwei Tagen sei er nach Istanbul überstellt worden, wo er lediglich zwei Tage zwecks Gegenüberstellung festgehalten worden sei, die Gegenüberstellung habe jedoch nichts gebracht, da er diese Person, und diese ihn, nie zuvor gesehen hätte. Er sei dann nach Erzincan zurückgebracht worden, wo er noch einen weiteren Monat habe absitzen müssen. Danach sei er wiederum nach Istanbul gebracht worden, wo er weitere drei bis vier Monate im Gefängnis Sagmalcilar festgehalten worden sei. Dort sei er nur am ersten Tag geschlagen worden. Während der Zeit seiner Haft sei es zu einem Gerichtsverfahren gekommen, in dem ihm Mitgliedschaft zur Tikko vorgeworfen worden sei, er sei jedoch mangels an Beweisen aus der Haft entlassen worden. In dem Gebiet um Erzincan sei es laufend zu bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen, so seien Armeeposten überfallen und auch laufend Flugblätter sichergestellt worden. Immer wenn es zu einem solchen Zwischenfall gekommen sei, sei der Beschwerdeführer von Polizisten seiner Ortschaft für einige Stunden festgehalten und über diese Vorfälle befragt worden. Immer habe er beweisen müssen, daß er damit nichts zu tun gehabt habe. Ab seiner Haftentlassung im Jahr 1984 bis zu seiner Ausreise habe er sich wöchentlich bei der örtlichen Polizeistation melden müssen. Die letzte 14-tägige Verhaftung und Befragung habe Ende des Jahres 1989 stattgefunden. Er sei von einem Kameraden verraten worden. Bei den Verhören sei er auch geschlagen worden. Von Ende des Jahres 1989 bis zu seiner Ausreise im März 1991 sei er dann nicht mehr von türkischen Sicherheitsbehörden belangt worden, weil er sich bei den verschiedensten Bekannten in den Bergen von Tunceli aufgehalten habe. Motiv für die wiederholte Inhaftnahme durch die türkische Polizei sei wohl, daß er für die Tikko aktiv tätig gewesen sei. Die türkischen Behörden hätten jeweils jedoch nicht genügend Beweise gegen ihn in der Hand gehabt. Ab der Haftentlassung Ende 1989 habe er sein Heimatdorf verlassen und in den Bergen von Tercan gelebt. In Istanbul habe er sich lediglich einige Tage vor seiner Ausreise aufgehalten und dabei versteckt gehalten. Auf die Frage, warum er sich in Istanbul versteckt gehalten habe, antwortete der Beschwerdeführer, ab seiner Enthaftung im Jahre 1989 sei er polizeilich gesucht worden. Es hätte sein können, daß er anläßlich einer Ausweiskontrolle festgenommen hätte werden können. Anläßlich seiner Enthaftung im Jahre 1989 habe ihm nämlich ein Offizier mitgeteilt, daß er wahrscheinlich mit weiteren Verhaftungen zu rechnen hätte, in diesem Falle würde er jedoch nicht mehr freigelassen werden. Daraus habe er geschlossen, daß er polizeilich gesucht werde. Über Vorhalt, er habe auch in anderen Gebieten seines Heimatstaates Schutz vor allfälliger Verfolgung finden können, antwortete der Beschwerdeführer, er sei alevitischer Kurde und als solcher im gesamten Gebiet der Türkei Verfolgungen ausgesetzt, im übrigen sei er ja polizeilich gesucht worden. Den Originalhaftbefehl könne er nicht vorlegen, weil sich dieser nach wie vor bei den türkischen Behörden befinde. Ein Beamter der Staatsanwaltschaft, den sein Vater bestochen habe, habe lediglich eine Kopie besorgt. Diese habe er dann von einem Verwandten, der in Deutschland arbeite und zu Besuch in der Türkei gewesen sei, bekommen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte damit die Gewährung von Asyl.
Nach Darstellung des Verfahrensganges und allgemein gehaltenen Ausführungen rechtlicher Natur führte sie im wesentlichen aus, aus im einzelnen aufgezeigten Widersprüchen in den Angaben des Beschwerdeführers und der Tatsache, daß er offenbar problemlos einen türkischen Reisepaß ausgestellt erhalten habe, lasse sich entnehmen, daß der türkische Staat offenbar kein weiteres Interesse an einer Verfolgung seiner Person gehabt habe bzw. nach wie vor habe, weshalb die von ihm behaupteten bzw. befürchteten Verfolgungshandlungen als nicht glaubwürdig anzusehen seien, und ergänzte:
"Als Gesamtbild Ihres Vorbringens in beiden Instanzen Ihres Verfahrens läßt somit diese große Anzahl von Widersprüchen, Unglaubwürdigkeiten, Ungereimtheiten und Steigerungen für die erkennende Behörde den Schluß zu, daß Ihrem Vorbringen die Glaubwürdigkeit zu versagen ist und Sie sich nicht auch nur wahrscheinlicherweise aus objektiv wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb Ihres Heimatlandes befinden."
Darüber hinaus zweifelte die belangte Behörde die Authentizität des vom Beschwerdeführer vorgelegten Haftbefehles unter Hinweis auf die in Deutschland bestehende "ausgezeichnete Infrastruktur für die Herstellung solcher Schriftstücke" an und ergänzte ihre Ausführung dahingehend, daß auch die vom Beschwerdeführer behauptete Furcht vor Verfolgung in keinem zeitlichen Naheverhältnis zu seiner Ausreise stünde, habe er doch "mit keinem Wort erwähnt", daß er während der letzten acht Monate seines Aufenthaltes in der Türkei irgendwelchen Beeinträchtigungen ausgesetzt gewesen wäre. Darüber hinaus nahm die belangte Behörde Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Ungarn an und verwies hiezu - im wesentlichen gleichlautend mit dem Vorhalt anläßlich der ergänzenden Befragung des Beschwerdeführers am 14. April 1995 - auf das "Gutachten des UNHCR vom 4. Juli 1994".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG erwogen hat:
Zunächst wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Würdigung der belangten Behörde, den Angaben des Beschwerdeführers mangle es an Glaubwürdigkeit. Ausgehend von der von der belangten Behörde hiefür genannten Begründung ("Widersprüche, Unglaubwürdigkeiten, Ungereimtheiten und Steigerungen") ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen als nicht wahr, das heißt nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend, qualifiziert hat und nicht etwa eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auf der Grundlage von grundsätzlich für wahr gehaltenen Angaben verneinen wollte. Gründet die belangte Behörde ihre rechtliche Beurteilung auf (negative) von der Darstellung der Partei abweichende Feststellungen, so hat sie gemäß § 60 AVG (u.a.) die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die so vorgenommene Beweiswürdigung unterliegt einer nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur insoweit, als es sich um die Schlüssigkeit des Denkvorganges als solchen, vornehmlich um die Übereinstimmung mit den Erfahrungen des Lebens und mit den Denkgesetzen, handelt (vgl. hiezu die in Dolp3, Seiten 548 ff zitierte Judikatur). Gerade im Hinblick auf die von der belangten Behörde offenbar erachtete Notwendigkeit des Vorhaltes ins einzelne gehender Punkte der Erstbefragung sowie den Auftrag an das mit der ergänzenden Vernehmung betraute Bundesasylamt, "allfällig auftretende Widersprüche, Ungereimtheiten und Unglaubwürdigkeiten" sofort zu klären, ist nicht erkennbar, worauf sich die Würdigung der belangten Behörde stützt, Unglaubwürdigkeiten, Widersprüche und Ungereimtheiten lägen zwischen beiden Vernehmungsergebnissen vor, die offenbar dem Bundesasylamt anläßlich der Befragung des Beschwerdeführers am 14. April 1995 selbst nicht aufgefallen und auch nicht zum Anlaß von ergänzenden Vorhalten gemacht worden sind. Die von der belangten Behörde zitierten Widersprüche in der Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers betreffen zum Beispiel die Frage der Mitgliedschaft bei der (oder der bloßen Sympathie für die) Tikko, oder die Dauer seines Gefängnisaufenthaltes im Jahre 1983/84. Die belangte Behörde zieht auch nicht diese erkennbaren Divergenzen im Rahmen der Beweiswürdigung zur Beurteilung heran, sondern verweist auf Umstände, die dem Beschwerdeführer - im übrigen auch nicht im Rahmen der ergänzenden Befragung durch das zur Klärung allfälliger von Widersprüchlichkeiten aufgeforderte Bundesasylamt - nicht vorgehalten wurden. Auf diese von der belangten Behörde erstmals im angefochtenen Bescheid aufgezeigten angeblichen Widersprüche antwortet der Beschwerdeführer daher ohne Verletzung des Neuerungsverbotes des § 41 VwGG nunmehr in der Beschwerde und entzieht damit der Beweiswürdigung der belangten Behörde ihre Grundlage. Da sich aus der Gesamtschau der vom Beschwerdeführer geschilderten, seine Person konkret betreffenden Umstände das Vorliegen einer aktuellen Verfolgungsgefahr ergeben kann, belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit einem Verfahrensfehler.
Dieser hätte für sich allein genommen noch nicht zu einer anderen Entscheidung führen können, wäre die belangte Behörde zutreffend vom Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ausgegangen. Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner ergänzenden Befragung am 14. April 1995 die Gelegenheit, auch zu dem von der belangten Behörde zitierten "Gutachten des UNHCR vom 4.7.1994 für das deutsche Bundesverfassungsgericht" Stellung zu nehmen. Wohl beschränkte sich diese Stellungnahme lediglich auf den Hinweis, er habe von der Möglichkeit einer Asylantragstellung in Ungarn nichts gewußt, doch gereicht ihm dies nicht zum Nachteil, hat doch die belangte Behörde es unterlassen, weitere (insbesondere zeitliche) Bezüge ihrer Entscheidung erkennbar zugrunde zu legen, aus denen sich erkennen ließe, ob tatsächlich ein "faktisch lückenloser Abschiebungsschutz auch für außereuropäische Flüchtlinge und Asylwerber" bereits zu dem hier relevanten Zeitpunkt März 1991 gegeben gewesen war. Dabei handelt es sich keineswegs um eine offenkundige Tatsache, weshalb die belangte Behörde auch nicht davon befreit sein kann, darzulegen, aus welchen Erwägungen sie zur Annahme gelangt, das von ihr zitierte "Gutachten" habe sich auch auf diesen Zeitpunkt bezogen. Dies wird auch vom Beschwerdeführer zutreffend gerügt.
Der belangten Behörde ist auch zu widersprechen, wenn sie aus der Darstellung des Beschwerdeführers ein zeitliches Naheverhältnis der von ihm zur Dartuung seiner Fluchtgründe bezeichneten Umstände zu seiner Ausreise aus seinem Heimatland vermißt, zumal dieser Themenkreis Gegenstand der ergänzenden Befragung des Beschwerdeführers war und er auf die diesbezüglichen Fragen auch eingehend geantwortet hat. Daraus geht aber hervor, daß er sich nach seiner Enthaftung Ende des Jahres 1989 an verschiedenen Orten in den Bergen von Tunceli aufgehalten bzw. versteckt gehalten hat, um nicht in eine Ausweiskontrolle und damit in eine Gefahr einer neuerlichen Festnahme zu kommen. Damit aber erscheint der zeitliche Konnex zu seiner Flucht hergestellt.
Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben (ohne daß die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung - wie beantragt - erforderlich gewesen wäre).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
An Bundesstempeln konnten lediglich S 390,-- (zweifacher Ausfertigung) der Beschwerde S 240,-- und einfacher Bescheid (Bundesstempel S 150,--) zuerkannt werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200428.X00Im RIS seit
20.11.2000