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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art18 Abs1, Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Halteverbotsverordnung in Villach mangels Determinierung des zeitlichen und örtlichen GeltungsbereichsSpruch
I. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 6. Oktober 1986, Z IC-Str/I/152/86, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Kärnten, der
"Verfassungsgerichtshof möge erkennen, dass die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach im eigenen Wirkungsbereich, mit der Maßnahmen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Halteverbotsregelungen) auf allen Straßen und Plätzen in Villach anlässlich der Durchführung von Arbeiten durch den Straßenerhalter erlassen werden, vom 06.10.1986, Zahl: IC-Str/I/152/86, als gesetzwidrig aufgehoben werde."
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 6. Oktober 1986, Z IC-Str/I/152/86, betreffend vorübergehende Verkehrsbeschränkungen anlässlich der Durchführung von Arbeiten des Straßenerhalters lautet:
"Verordnung
des Gemeinderates der Stadt Villach im eigenen Wirkungsbereich, mit der Maßnahmen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Halteverbotsregelung) auf allen Straßen und Plätzen in Villach anläßlich der Durchführung von Arbeiten durch den Straßenerhalter erlassen werden.
Diese Verordnung wird als dringende Verfügung gemäß §58 des Villacher Stadtrechtes, LGBl.Nr 2/1986 i.d.g.F. am 6. 10. 1986 erlassen.
Gemäß §94 d Abs4 der StVO 1960, BGBl.Nr 159 i.d.g.F. wird in Verbindung mit den §§43 Abs1 litb Z1 und 44 leg cit verordnet:
§1
Für die Dauer der Durchführung von Arbeiten durch den Straßenerhalter ist auf allen Straßen und Plätzen im Gebiet der Stadt Villach nach Maßgabe der Erfordernisse das Halten und Parken verboten.
§2
Diese Verordnung ist durch die Aufstellung der Verbotszeichen gemäß §52a Z13b der StVO 1960 'Halten und Parken verboten' mit den Zusatztafeln gemäß §54 der StVO 'Anfang' und 'Ende' kundzumachen und tritt mit Anbringung der Straßenverkehrszeichen in bzw zum Zeitpunkt der Beseitigung wieder außer Kraft.
Der Zeitpunkt (Datum und Uhrzeit) der erfolgten Anbringung bzw Beseitigung der Straßenverkehrszeichen ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG 1950) festzuhalten. Dieser ist der Straßenaufsichtsbehörde des Magistrates Villach unverzüglich vorzulegen.
§3
Übertretungen dieser Verordnung werden gemäß den Bestimmungen des §99 Abs3 der StVO 1960 mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen geahndet.
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159/1960, lauten – auszugsweise – wie folgt:
§24. Halte- und Parkverbote.
(1) Das Halten und das Parken ist verboten:
a) im Bereich des Vorschriftszeichens 'Halten und Parken verboten' nach Maßgabe der Bestimmungen des §52 Z13b,
b) – p) […].
(2) – (8) […]
§27. Fahrzeuge des Straßendienstes, der Müllabfuhr und der Kanalwartung
(1) Die Lenker von Fahrzeugen des Straßendienstes, wie Streufahrzeuge, Schneeräumfahrzeuge und -geräte, Arbeitsmaschinen und sonstige Fahrzeuge, die für den Straßenbau, die Straßenerhaltung, die Straßenpflege, die Straßenreinigung oder die Instandhaltung von Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs, der öffentlichen Beleuchtung oder der Straßenbahnanlagen verwendet werden, sind bei Arbeitsfahrten an die Bestimmungen über das Verhalten bei Bodenmarkierungen und über das Einordnen sowie an Zufahrtsbeschränkungen, an Halte- und Parkverbote und an die Verbote bezüglich des Zufahrens zum linken Fahrbahnrand nicht gebunden. Sie dürfen auch durch Nebenfahrbahnen durchfahren sowie an Schutzinseln in Einbahnstraßen oder in einer Fahrbahnhälfte, für die das Gebot, rechts vorbeizufahren, angeordnet ist, links vorbeifahren und dürfen die Betriebszufahrten und -abfahrten sowie die Betriebsumkehren einer Autobahn befahren. Weiters dürfen die Lenker von Fahrzeugen des Straßendienstes auch auf der linken Fahrbahnseite fahren, wenn durch die Ausstattung dieser Fahrzeuge oder durch sonstige Maßnahmen in ausreichender Weise für die Sicherheit anderer Straßenbenützer gesorgt ist.
(2) – (5) […]
§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. […]
c) – d) […].
(1a) Sofern es sich nicht um Arbeitsfahrten im Sinne des §27 Abs1 handelt, hat die Behörde zur Durchführung von Arbeiten auf oder neben einer Straße, die zwar vorhersehbar sind und entsprechend geplant werden können, bei denen aber die für die Arbeitsdurchführung erforderlichen Verkehrsregelungen örtlich und/oder zeitlich nicht genau vorherbestimmbar sind, durch Verordnung die aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs oder zur Sicherheit der mit den Arbeiten beschäftigten Personen erforderlichen Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsverbote und/oder Verkehrsgebote zu erlassen. In diesen Fällen sind die Organe des Bauführers ermächtigt, nach Maßgabe der Arbeitsdurchführung den örtlichen und zeitlichen Umfang der von der Behörde verordneten Verkehrsmaßnahmen durch die Anbringung oder Sichtbarmachung der betreffenden Straßenverkehrszeichen mit der Wirkung zu bestimmen, als ob der örtliche und zeitliche Umfang von der Behörde bestimmt worden wäre. Der Zeitpunkt und der Ort (Bereich) der Anbringung (Sichtbarmachung) ist von den Organen des Bauführers in einem Aktenvermerk (§16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl Nr 51/1991) festzuhalten.
(2) – (11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. […] Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a) – (5) […]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
1. – 13a. […]
13b. 'HALTEN UND PARKEN VERBOTEN'
[Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel 'ANFANG' den Beginn und mit der Zusatztafel 'ENDE' das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Halten und Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.
Eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'AUSGENOMMEN ZUSTELLDIENSTE' zeigt an, dass das rasche Auf- oder Abladen geringer Warenmengen vom Halteverbot ausgenommen ist.
Eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'AUSGENOMMEN LADETÄTIGKEIT' zeigt eine Ladezone an.
Hinsichtlich weiterer Zusatztafeln gelten die Bestimmungen der Z13a sinngemäß.
13c. – 25b. […]
§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde
Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:
1. – (3a) […]
4. die Erlassung von Verordnungen nach §43, mit denen
a) Beschränkungen für das Halten und Parken,
b) – d) […]
erlassen werden,
4a. – 21. […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Beim Landesverwaltungsgericht Kärnten ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Kärnten anhängig, mit dem der Beschwerdeführerin zur Last gelegt wurde, sie habe am 26. Februar 2020 von 7 Uhr 10 bis 7 Uhr 35 in Villach, Dollhopfgasse gegenüber ONr 11, im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" mit der Zusatztafel "gültig am 26.2.2020 von 05.00 bis 08.30" samt Abschleppsymbol mit einem näher bezeichneten Kraftfahrzeug gehalten. Die Beschwerdeführerin habe dadurch §24 Abs1 lita StVO verletzt. Es wurde über sie eine Geldstrafe in der Höhe von € 40,- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 18 Stunden) verhängt.
2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Kärnten den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag, "die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach im eigenen Wirkungsbereich, mit der Maßnahmen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (Halteverbotsregelungen) auf allen Straßen und Plätzen in Villach anlässlich der Durchführung von Arbeiten durch den Straßenerhalter erlassen werden, vom 06.10.1986, Zahl: IC-Str/I/152/86,“ als gesetzwidrig aufzuheben.
2.1. Zur Präjudizialität führt das Landesverwaltungsgericht Kärnten aus, dass die angefochtene Verordnung in der Entscheidung über das Beschwerdeverfahren heranzuziehen sei, weil diese die rechtliche Grundlage für das Aufstellen der Verkehrszeichen bilden würde.
2.2. Das Landesverwaltungsgericht Kärnten legt seine Bedenken zur Gesetzwidrigkeit der Verordnung wie folgt dar:
"Bei der Verfügung einer Verkehrsbeschränkung gemäß §43 Abs1 litb StVO hat die verordnungserlassende Behörde den (örtlichen und zeitlichen) Umfang der Verkehrsbeschränkung genau zu bestimmen. Dies trifft aber bei der hier in Prüfung zu ziehenden Verordnung nicht zu, da der zeitliche und örtliche Geltungsbereich mit dem Wortlaut 'Für die Dauer der Durchführung von Arbeiten durch den Straßenerhalter, ist auf allen Straßen und Plätzen im Gebiet der Stadt Villach nach Maßgabe der Erfordernisse das Halten und Parken verboten‘ zu unbestimmt ist, um den Anwendungsbereich exakt abzugrenzen. Faktisch obliegt es dem Straßenreinigungsorgan festzulegen, wann und wo Arbeiten durchgeführt werden und die entsprechenden Vorschriftszeichen aufzustellen. Die Behörde bedient sich in der Praxis der Subdelegation für die Bestimmung der Örtlichkeit und der Zeit, für die eine bestimmte Beschränkung zu gelten hat.
Da nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27.06.1986, VfSlg 10949, §43 Abs1 litb StVO nur geringfügig geändert wurde und keine Grundlage geschaffen wurde für eine Subdelegation und zudem der damals eingeführte Abs1a des §43 StVO Arbeitsfahrten von dieser Regelung ausschließt, ist es nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes nach wie vor so, dass die gesetzliche Grundlage für die von der Behörde gewählte Vorgehensweise fehlt.
Darüber hinaus ist auch hier das zusätzliche Bedenken gegeben, dass der zeitliche Geltungsbereich vom Aufstellen der Vorschriftszeichen abhängig gemacht wird, wobei der Termin dieser Aufstellung von einem durch die Verordnung selbst nicht näher determinierten Willensakt der mit der Aufstellung befassten Organe abhängig gemacht wird. Der Straßenarbeiter bestimmt wann und wo im gesamten Gebiet der Stadt Villach die Vorschriftszeichen aufgestellt werden."
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung nicht vorgelegt, aber eine Äußerung erstattet. Sie führt – auszugsweise – aus:
"zu III.) rechtliche Beurteilung:
Den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten wird zur Gänze gefolgt. Der Verordnungsprüfungsantrag wird daher zur Kenntnis und von einer weiteren Gegenäußerung dazu Abstand genommen."
4. Die Kärntner Landesregierung und die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgericht gaben keine Äußerung ab.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht beginnend mit VfSlg 20.182/2017 davon aus, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003, 19.058/2010, 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; s. auch VfGH 18.9.2015, V96/2015, sowie die Rechtsprechung zu nicht ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen VfSlg 16.152/2001, 16.848/2003 und die darin zitierte Vorjudikatur). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich.
Die angefochtene Verordnung ist durch die Aufstellung von Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z13b sowie §54 Abs5 litj StVO 1960 kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinne des Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzung zweifeln ließe.
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss der Inhalt einer Verordnung als Gesetz im materiellen Sinn das weitere Vollzugsgeschehen im Sinne des Art18 Abs1 B-VG ausreichend vorherbestimmen (vgl VfSlg 7072/1973, 8658/1979, 19.592/2011) und insbesondere dem Normunterworfenen die Möglichkeit geben, sich dem Recht gemäß zu verhalten (VfSlg 19.592/2011, 19.721/2012 mwN).
2.3.1. Die Behörde hat gemäß §43 Abs1 litb StVO 1960 für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert, dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen.
2.3.2. Nach dieser Bestimmung ist der Verordnungsgeber verpflichtet, den zeitlichen und örtlichen Geltungsbereich einer auf §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Es ist daher unzulässig, den zeitlichen und örtlichen Geltungsbereich nicht oder bloß in groben Zügen anzuführen, sondern vielmehr erforderlich, festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehene Verkehrsbeschränkung einzuhalten haben (VfSlg 20.251/2018). Die Verordnung muss so bestimmt sein, dass für den Normunterworfenen bereits anhand des Verordnungstextes selbst – und einer allenfalls von der Verordnung mitumfassten planlichen Darstellung oder dergleichen (vgl auch VfSlg 7072/1973, 10.469/1985, 18.840/2009) – zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, für welche Bereiche bzw welche Strecke diese Anordnung bzw Verkehrsbeschränkung gilt, sodass er sich danach richten kann (VfSlg 8658/1979).
2.4. Die ausdrücklich auf §43 Abs1 litb StVO gestützte Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach entspricht diesen Anforderungen nicht:
2.4.1. Der Geltungsbereich der Verordnung wird ausschließlich damit beschrieben, dass "[f]ür die Dauer der Durchführung von Arbeiten durch den Straßenerhalter […] auf allen Straßen und Plätzen im Gebiet der Stadt Villach nach Maßgabe der Erforderlichkeit das Halten und Parken verboten" ist und dass die Verordnung "durch Aufstellen der Verbotszeichen gemäß §52a Z13 der StVO 1960 […] kundzumachen" ist. Weiters wird angeordnet, dass die Verordnung mit Anbringung der Straßenverkehrszeichen in Kraft und zum Zeitpunkt der Beseitigung wieder außer Kraft tritt.
2.4.2. Der Regelungsgegenstand der Verordnung wird damit nicht im Sinne des §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 bestimmt. Der zeitliche und örtliche Geltungsbereich wird vielmehr ausschließlich vom Aufstellen der Vorschriftszeichen abhängig gemacht, wobei weder der Ort noch der Zeitpunkt der Aufstellung in der Verordnung selbst determiniert, sondern ausschließlich von einem Willensakt der mit der Aufstellung befassten Organe abhängig gemacht wird (vgl zur mangelnden Determinierung des zeitlichen Geltungsbereiches einer Verordnung im Sinne des – soweit hier relevant unverändert in Geltung stehenden – §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 VfSlg 18.840/2009).
V. Ergebnis
1. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 6. Oktober 1986, Z IC-Str/I/152/86, ist als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG iVm §2 Abs1 Z8 KundmachungsG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Halte(Park-)verbot, Straßenverkehrszeichen, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Geltungsbereich (örtlicher) einer Verordnung, Verordnung Kundmachung, VfGH / Gerichtsantrag, VerkehrsbeschränkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V216.2021Zuletzt aktualisiert am
01.04.2022