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97/01 Öffentliches AuftragswesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GerichtsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Festsetzung jeweils einer Pauschalgebühr für jede gesondert angefochtene Losentscheidung hinsichtlich der Lieferung von digitalen Endgeräten nach dem (geschätzten) Gesamtwert sämtlicher angefochtener Lose gemäß dem BundesvergabegesetzSpruch
I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die beschwerdeführende Partei hat sich an einem von der Republik Österreich (Bund) im Dezember 2020 ausgeschriebenen Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung beteiligt. Gegenstand der Ausschreibung war die Lieferung von digitalen Endgeräten in fünf Losen, wobei die beschwerdeführende Partei zu vier Losen Angebote legte. Mit Schreiben vom 7. Mai 2021 wurde ihr mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Vergabeverfahren zu einem Los zu widerrufen und hinsichtlich der anderen vier Lose mit anderen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abzuschließen.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2021 beantragte die beschwerdeführende Partei, die Widerrufsentscheidung zu Los 3 für nichtig zu erklären. Gleichzeitig stellte sie im selben Schriftsatz hinsichtlich der Lose 4 und 5 einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, und zu diesen drei Losen jeweils einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Für diese Anträge entrichtete die beschwerdeführende Partei Pauschalgebühren in der Höhe von € 58.320,– und wies gleichzeitig darauf hin, dass ihrer Ansicht nach richtigerweise nur € 19.440,– an Pauschalgebühren zu entrichten seien und der Mehrbetrag bloß aus Gründen anwaltlicher Vorsicht gezahlt werde. Schließlich begehrte die beschwerdeführende Partei den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren für den Fall des (teilweisen) Obsiegens.
Mit Erkenntnis vom 23. Juli 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht gemäß §334 BVergG 2018 alle drei Nachprüfungsanträge iSd §342 Abs1 BVergG 2018 sowie gemäß §341 BVergG 2018 die Gebührenersatzanträge der beschwerdeführenden Partei ab.
2. Am 30. August 2021 stellte die beschwerdeführende Partei den Antrag auf Rücküberweisung der ihrer Ansicht nach rechtsgrundlos entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € 38.880,– mit der Begründung, dass für die Anfechtung mehrerer Lose in einem (gesamthaften) Antrag gemäß §2 Abs4 zweiter Satz BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 die Pauschalgebühr nur einmal zu entrichten sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Beschluss vom 6. Oktober 2021 gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag der beschwerdeführenden Partei insoweit statt, als es aussprach, dass der Betrag von € 7.776,– zurückzuerstatten ist. Hinsichtlich des Mehrbetrages in der Höhe von € 31.104,– wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag jedoch als unbegründet ab.
Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass jeder Antrag auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung gemäß §340 Abs1 iVm §342 Abs1 BVergG 2018 gesondert zu vergebühren sei. Dies gelte auch für jeden Antrag gemäß §350 Abs1 BVergG 2018. Die beschwerdeführende Partei habe die Nachprüfung von drei gesondert anfechtbaren Entscheidungen und jeweils die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt. Dies ergebe sohin sechs zu vergebührende Anträge.
Habe aber ein Antragsteller zum selben Vergabeverfahren bereits einen Antrag gemäß §342 Abs1 BVergG 2018 oder gemäß §353 Abs1 oder 2 BVergG 2018 eingebracht, so sei von diesem Antragsteller gemäß §340 Abs1 Z5 BVergG 2018 für jeden weiteren Antrag gemäß §342 Abs1 BVergG 2018 eine Gebühr in der Höhe von 80 Prozent der festgesetzten Gebühr zu entrichten. Da die beschwerdeführende Partei für alle Nachprüfungsanträge die Pauschalgebühr in voller Höhe – und nicht nur in der Höhe von 80 Prozent – entrichtet habe, seien die bereits rechtsgrundlos entrichteten Mehrbeträge für den zweiten und den dritten Nachprüfungsantrag sowie für die beiden entsprechenden Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückzuerstatten. Insgesamt seien somit Pauschalgebühren in der Höhe von € 50.544,– zu entrichten gewesen, weshalb der beschwerdeführenden Partei der Betrag von € 7.776,– zurückzuerstatten sei.
Insoweit die beschwerdeführende Partei vorbringe, dass für die Anfechtung mehrerer Lose in einem (gesamthaften) Antrag gemäß §2 Abs4 zweiter Satz BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 nur einmal eine Pauschalgebühr zu entrichten sei, übersehe sie, dass diese Bestimmung lediglich festlege, dass sich die Höhe der Pauschalgebühr gemäß §2 Abs1 und 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 im Falle der (gleichzeitigen) Anfechtung mehrerer Lose nach dem geschätzten Gesamtwert bzw dem Gesamtwert der angefochtenen Lose richte. Dies bedeute jedoch nicht, dass nur eine Pauschalgebühr zu entrichten sei.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die beschwerdeführende Partei die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (§340 Abs1 und §342 Abs1 BVergG 2018 sowie §2 Abs4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt:
§340 Abs1 iVm §342 Abs1 BVergG 2018 bzw §2 Abs4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 sei dahingehend auszulegen, dass bei der Anfechtung mehrerer gesondert anfechtbarer Entscheidungen hinsichtlich unterschiedlicher Lose in einem Antrag der Gesamtwert sämtlicher anfechtungsgegenständlicher Lose für die Bemessung der Pauschalgebühr heranzuziehen sei, wobei die so ermittelte Gebühr nur einmal und nicht mehrfach (nämlich für jedes Los gesondert) entrichtet werden müsse.
Dieses Verständnis entspreche auch der Intention des Verordnungsgebers. In den Erläuterungen werde zu §2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 festgehalten, dass es sich um eine Regelung für den Fall der gleichzeitigen Anfechtung mehrerer Lose handle. Die Höhe der Pauschalgebühr richte sich demnach nach dem geschätzten Gesamtwert der angefochtenen Lose, sofern die betreffenden Lose mit demselben Antrag angefochten würden. Werde demgegenüber die Vergabe mehrerer Lose jeweils mit einem eigenständigen Antrag angefochten, "etwa weil die jeweiligen anfechtbaren Entscheidungen nicht zeitgleich ergangen sind", solle nach den Erläuterungen lediglich die Reduktionsmöglichkeit für Folgeanträge zur Anwendung kommen.
Da das Bundesverwaltungsgericht diesen Inhalt der §§340 Abs1 iVm 342 Abs1 BVergG 2018 sowie des §2 Abs4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 verkannt habe, habe es §2 Abs4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 einen gesetz- bzw verfassungswidrigen Inhalt unterstellt. Mit diesem gröblichen Verkennen der Rechtslage habe das Bundesverwaltungsgericht zudem Willkür geübt.
4. Das Bundesverwaltungsgericht hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 65/2018, idF BGBl II 91/2019 lauten auszugsweise wie folgt:
"Gesamt- oder Losvergabe
§28. (1) Die Leistungen eines Vorhabens können gemeinsam oder getrennt vergeben werden (Gesamt- oder Losvergabe). Eine getrennte Vergabe in Losen kann in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht, nach Menge und Art der Leistung oder im Hinblick auf Leistungen verschiedener Gewerbe oder Fachrichtungen erfolgen. Für die Gesamt- oder Losvergabe sind wirtschaftliche oder technische Gesichtspunkte, wie zB die Notwendigkeit einer einheitlichen Ausführung und einer eindeutigen Gewährleistung, maßgebend.
(2) […]
Gebühren
§340. (1) Für Anträge gemäß den §§342 Abs1, 350 Abs1 und §353 Abs1 und 2 hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:
1. Die Pauschalgebühr ist gemäß den von der Bundesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten. Bieter- und Arbeitsgemeinschaften haben die Pauschalgebühr nur einmal zu entrichten. Die Gebührensätze sind entsprechend dem Verhältnis des durch den Antrag bewirkten Verfahrensaufwandes zu dem für den Antragsteller zu erzielenden Nutzen festzusetzen. Die Gebührensätze sind nach objektiven Merkmalen abzustufen. Als objektive Merkmale sind insbesondere der Auftragsgegenstand, die Art des durchgeführten Verfahrens, die Tatsache, ob es sich um Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung oder um sonstige gesondert anfechtbare Entscheidungen bzw ob es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich oder im Unterschwellenbereich handelt, heranzuziehen.
2. […]
4. Für Anträge gemäß §350 Abs1 ist eine Gebühr in der Höhe von 50% der festgesetzten Gebühr zu entrichten.
5. Hat ein Antragsteller zum selben Vergabeverfahren bereits einen Antrag gemäß §342 Abs1 oder gemäß §353 Abs1 oder 2 eingebracht, so ist von diesem Antragsteller für jeden weiteren Antrag gemäß §342 Abs1 oder gemäß §353 Abs1 oder 2 eine Gebühr in der Höhe von 80% der festgesetzten Gebühr zu entrichten.
6. Bezieht sich der Antrag lediglich auf die Vergabe eines Loses, dessen geschätzter Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert gemäß den §§12 Abs1 oder 185 Abs1 nicht erreicht, so ist lediglich die Pauschalgebühr für das dem Los entsprechende Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich zu entrichten.
7. […]
2. Abschnitt
Nachprüfungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) […]
3. Abschnitt
Einstweilige Verfügungen
Antragstellung
§350. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach §342 Abs1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
(2) […]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Bundesregierung betreffend die Pauschalgebühr für die Inanspruchnahme des Bundesverwaltungsgerichtes in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens (BVwG-Pauschalgebührenverordnung Vergabe 2018 – BVwG-PauschGebV Vergabe 2018), BGBl II 212/2018, lauten auszugsweise wie folgt:
"Gebührensätze
§1. Für Anträge gemäß den §§342 Abs1 und 353 Abs1 und 2 BVergG 2018, für Anträge gemäß §135 BVergGVS 2012 in Verbindung mit den §§342 Abs1 und 353 Abs1 und 2 BVergG 2018 und für Anträge gemäß den §§86 Abs1 und 97 Abs1 und 2 BVergGKonz 2018 hat der Antragsteller nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten:
[…]
Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie Wettbewerbe im
Oberschwellenbereich
2 160 €
[…]
Erhöhte Gebührensätze
§2. (1) […]
(2) Die zu entrichtende Pauschalgebühr beträgt das Sechsfache der jeweils gemäß §1 festgesetzten Gebühr, wenn
1. der geschätzte Auftragswert bzw der Auftragswert den jeweiligen in den §§12 Abs1 und 2 und 185 Abs1 und 2 BVergG 2018 und §10 Abs1 BVergGVS 2012 genannten Schwellenwert um mehr als das 20fache übersteigt oder
2. […]
(4) Bezieht sich der Antrag lediglich auf die Vergabe eines Loses, so richtet sich die Höhe der Pauschalgebühr gemäß den Abs1 und 2 nach dem geschätzten Wert bzw dem Wert des Loses. Bezieht sich der Antrag auf die Vergabe mehrerer Lose, so richtet sich die Höhe der Pauschalgebühr gemäß den Abs1 und 2 nach dem geschätzten Gesamtwert bzw dem Gesamtwert der angefochtenen Lose."
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) vor, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat. Von einem willkürlichen Verhalten ist auch dann auszugehen, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtslage gröblich bzw in besonderem Maße verkennt (zB VfSlg 19.838/2013).
2. Die beschwerdeführende Partei hat mit (demselben) Schriftsatz vom 17. Mai 2021 und somit gleichzeitig sowohl einen Antrag auf Nachprüfung der Widerrufsentscheidung zu Los 3 des ausgeschriebenen Lieferauftrages als auch der Entscheidungen, mit welchem Unternehmer bzw mit welchen Unternehmern zu den Losen 4 und 5 eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, und weiters jeweils einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt. Sie hat dabei Pauschalgebühren in der Höhe von insgesamt € 58.320,– entrichtet. Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag vom 30. August 2021 fordert die beschwerdeführende Partei den bloß aus anwaltlicher Vorsicht entrichteten Mehrbetrag von € 38.880,– zurück.
3. Das Bundesverwaltungsgericht weist in seiner insoweit den Antrag abweisenden Entscheidung zunächst auf die Erläuterungen zu §1 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 hin, wonach gemäß §340 Abs1 Z1 BVergG 2018 die Gebühren so festzusetzen seien, dass ein ausgewogenes Verhältnis des durch den Antrag bewirkten Verfahrensaufwandes mit dem für den Antragsteller zu erzielenden Nutzen erzielt werde. Da jeder Antrag auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung ein anderes rechtliches Schicksal haben könne und eigenständig zu würdigen sei, sei auf Grund des dadurch bewirkten Verfahrensaufwandes jeweils eine Pauschalgebühr zu entrichten.
Anknüpfend daran führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die beschwerdeführende Partei insgesamt sechs Anträge – drei Nachprüfungsanträge und drei entsprechende Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung – gestellt und somit sechs Anträge zu vergebühren habe. Die beschwerdeführende Partei habe aber für alle Nachprüfungsanträge die Pauschalgebühr in voller Höhe entrichtet, obwohl gemäß §340 Abs1 Z5 BVergG 2018 für den zweiten und dritten Nachprüfungsantrag nur eine reduzierte Gebühr in der Höhe von 80 Prozent anfalle. Aus diesem Grund seien ihr die insoweit rechtsgrundlos entrichteten Mehrbeträge für den zweiten und den dritten Nachprüfungsantrag sowie für die beiden entsprechenden Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in der Höhe von € 7.776,– zurückzuerstatten.
Im Übrigen sei der darüber hinausgehende zurückgeforderte Betrag nicht zurückzuerstatten. Es treffe nämlich nicht zu, dass gemäß §2 Abs4 zweiter Satz BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 bei einer Anfechtung mehrerer Losentscheidungen in einem (gesamthaften) Antrag dieser nur einmal zu vergebühren sei. Diese Bestimmung lege lediglich fest, dass sich die Höhe der Pauschalgebühr gemäß §2 Abs1 und 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 im Falle der (gleichzeitigen) Anfechtung mehrerer Lose nach dem geschätzten Gesamtwert bzw dem Gesamtwert der angefochtenen Lose zu richten habe. Dies bedeute jedoch nicht, dass nur eine Pauschalgebühr zu entrichten sei.
4. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht §2 Abs4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 einen gesetzwidrigen, die Vorgaben des §340 Abs1 Z1 BVergG 2018 grob verkennenden Inhalt unterstellt:
Gemäß §340 Abs1 Z1 BVergG 2018 ist die Pauschalgebühr für unter anderem Nachprüfungsanträge nach §342 Abs1 BVergG 2018 bzw Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß §350 Abs1 BVergG 2018 gemäß den von der Bundesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen bei Antragstellung zu entrichten. Diese Gebührensätze haben sich, wie sich aus §340 Abs1 Z1 iVm Z5 und Z6 BVergG 2018 ergibt, grundsätzlich am vergabegegenständlichen Auftragswert zu orientieren und sind nach objektiven Merkmalen, wie sie sich insbesondere aus §340 Abs1 Z1 letzter Satz BVergG 2018 ergeben, abzustufen (vgl VfSlg 19.914/2014).
Dementsprechend sieht §2 Abs4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 für einen Nachprüfungsantrag bei einer Losvergabe Folgendes vor:
"Bezieht sich der Antrag lediglich auf die Vergabe eines Loses, so richtet sich die Höhe der Pauschalgebühr [...] nach dem geschätzten Wert bzw dem Wert des Loses. Bezieht sich der Antrag auf die Vergabe mehrerer Lose, so richtet sich die Höhe der Pauschalgebühr [...] nach dem geschätzten Gesamtwert bzw dem Gesamtwert der angefochtenen Lose."
Grundsätzlich richtet sich damit entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des §340 Abs1 BVergG 2018 die Pauschalgebühr bei der Anfechtung von Entscheidungen des Auftraggebers im Zuge der Vergabe eines Loses nach dem (geschätzten) Wert des Loses, bei der Anfechtung von Entscheidungen mehrerer Lose nach dem (geschätzten) Gesamtwert der angefochtenen Lose. Voraussetzung ist allerdings, dass die Anfechtung mehrerer Lose in einem Antrag erfolgt, wie sich aus der Verwendung des Singulars ("der Antrag") in §2 Abs4 zweiter Satz BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 ergibt. Wenn allerdings, wie auch die auf der Website des Bundesministeriums für Justiz abrufbaren Erläuterungen zur BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 deutlich machen, "die Vergabe mehrerer Lose jeweils mit einem eigenständigen Antrag angefochten" wird, wird die Pauschalgebühr, was im Hinblick auf §340 Abs1 Z5 und Z6 BVergG 2018 nicht zu beanstanden ist, für jeden eigenständigen Antrag fällig, wobei sich auch dann wieder die Höhe der Pauschalgebühr nach dem (geschätzten) Gesamtwert des angefochtenen Loses bzw der jeweils angefochtenen Lose richtet.
Das Bundesverwaltungsgericht geht in der angefochtenen Entscheidung demgegenüber davon aus, dass (auch) im Falle der gleichzeitigen Anfechtung mehrerer Losentscheidungen in einem Antrag erstens nicht nur einmal, sondern im Hinblick auf jede angefochtene Losentscheidung jeweils einmal eine Pauschalgebühr anfalle, und sich dabei zweitens diese Pauschalgebühr hinsichtlich jeder einzelnen Anfechtung einer Losentscheidung nach dem (geschätzten) Gesamtwert sämtlicher angefochtener Lose richte. Damit unterstellt aber das Bundesverwaltungsgericht §2 Abs4 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018 einen die Vorgaben der gesetzlichen Grundlage dieser Bestimmung grob verkennenden Inhalt und belastet damit seine Entscheidung mit Willkür.
IV. Ergebnis
1. Die beschwerdeführende Partei ist somit durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88a Abs1 iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Vergabewesen, Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, GebührEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E4194.2021Zuletzt aktualisiert am
01.04.2022