RS Vfgh 2022/3/1 E1531/2021

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Veröffentlicht am 01.03.2022
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97/01Öffentliches Auftragswesen

Norm

B-VG Art83 Abs2
BundesvergabeG 2018 §2, §154, §155, §342, §344, §350
AVG §13 Abs3
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Nichtigerklärung der – gesondert anfechtbaren – Entscheidung, mit einem anderen Unternehmer eine Rahmenvereinbarung abzuschließen; Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens durch Partei ausreichend klar bezeichnet und vor dem Hintergrund des Verfahrensstadiums unzweifelhaft

Rechtssatz

Nach §344 Abs1 Z1 BVergG 2018 hat ein Antrag gemäß §342 Abs1 BVergG 2018 jedenfalls die Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens sowie der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung zu enthalten. Dabei soll bei der Bezeichnung der gesondert anfechtbaren Entscheidung, wie die Erläuterungen hervorheben, "kein übertrieben strenger Maßstab angelegt werden". Die mitbeteiligte Partei hat als Auftraggeberin der beschwerdeführenden Partei mit Schreiben vom 08.02.2021, amtssigniert am 15.02.2021, mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Rahmenvereinbarung mit einem anderen Unternehmer abzuschließen. Dabei handelt es sich unstrittig um eine im Rahmen des zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Verfahrens getroffene gesondert anfechtbare Entscheidung iSd §2 Z15 lita sublitjj BVergG 2018, nämlich um die "Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll" (eine "Zuschlagsentscheidung" iSd §2 Z15 lita sublitjj BVergG 2018 kann erst nach Abschluss und auf Grund der Rahmenvereinbarung getroffen werden).

Wenn die beschwerdeführende Partei in ihrem auf §342 Abs1 BVergG 2018 gestützten Nachprüfungsantrag begehrt, die "Zuschlagsentscheidung der Republik Österreich, Bundesministerium für Inneres, vom 15.02.2021 im Vergabeverfahren 'Videonachfahreinrichtungen für die Bundespolizei' (Rahmenvereinbarung)" für nichtig zu erklären, bezieht sie sich vor dem Hintergrund des konkreten (Stadiums des) gegenständlichen Vergabeverfahrens unzweifelhaft (es wurde in diesem Verfahren noch keine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, weshalb eine Zuschlagsentscheidung in einem Verfahren nach §155 BVergG 2018 noch gar nicht möglich war) auf die "Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll". Die beschwerdeführende Partei hat somit gemäß §344 Abs1 Z1 BVergG 2018 die gesondert anfechtbare Entscheidung ausreichend klar bezeichnet. Damit erweisen sich die Annahme des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), der Antrag der beschwerdeführenden Partei richte sich iSd §344 Abs2 Z1 BVergG 2018 nicht gegen eine (bereits erlassene) gesondert anfechtbare Entscheidung, sowie die weiteren darauf aufbauenden Ausführungen als denkunmöglich.

Indem das BVwG somit den Inhalt des §344 Abs1 Z1 und Abs2 Z1 BVergG 2018 grob verkannt und deswegen eine Sachentscheidung verweigert hat, verletzt es die beschwerdeführende Partei im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Der angefochtene Beschluss ist daher - auf Grund des untrennbaren Zusammenhanges der weiteren Spruchpunkte - zur Gänze aufzuheben.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Vergabewesen, VfGH / Verwerfungsumfang, Rechtsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E1531.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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