Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher und den Hofrat Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K M, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2021, W212 1309312-3/17E, betreffend Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und befristetes Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein kosovarischer Staatsangehöriger, reiste im September 2005 im Alter von zwölf Jahren nach Österreich ein. Ein am 12. Oktober 2005 gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. Jänner 2007 abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Mai 2011 abgewiesen, wobei unter einem festgestellt wurde, dass die Ausweisung gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig sei.
2 In der Folge erhielt der Revisionswerber Aufenthaltstitel, zuletzt eine am 19. Juni 2017 ausgestellte Rot-Weiß-Rot-Karte Plus mit Gültigkeit bis 20. Juni 2020, deren Verlängerung er am 12. Juni 2020 beantragte.
3 Der Revisionswerber wurde mehrfach strafgerichtlich verurteilt: Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 25. Februar 2015 wegen des Vergehens des schweren Diebstahls zu einer bedingten Zusatzfreiheitsstrafe von letztlich drei Monaten; mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 24. September 2015 wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage, des Verbrechens der Verleumdung, des Vergehens der Bestimmung zur falschen Beweisaussage und des Verbrechens der Bestimmung zur Verleumdung zu einer teilbedingten Zusatzfreiheitsstrafe von neun Monaten; mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 16. Oktober 2018 wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG (Besitz von Waffen entgegen einem Waffenverbot) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten; mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 28. Jänner 2019 wegen Verbrechen und Vergehen nach dem SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten; mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 5. April 2019 wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Monaten; und schließlich mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 6. Juli 2020 wegen der Vergehen der falschen Beweisaussage und der Begünstigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten.
4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erließ gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 14. März 2019 gemäß § 52 Abs. 4 FPG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo zulässig sei, wobei gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt wurde; unter einem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von neun Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
5 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. Mai 2021 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots auf sechs Jahre herabgesetzt wurde; im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
6 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass ein weiterer Aufenthalt des Revisionswerbers im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG iVm § 11 Abs. 4 Z 1 NAG öffentlichen Interessen widerstreiten würde und daher der Rückehrentscheidungstatbestand des § 52 Abs. 4 Z 1 bzw. Z 4 FPG erfüllt sei. Dabei stützte sich das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst darauf, dass der Revisionswerber zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von insgesamt 35 Monaten verurteilt worden sei und ihn weder dies noch das vom BFA erstinstanzlich verhängte Einreiseverbot davon abgehalten hätten, neuerlich straffällig zu werden. Die besondere Gefährlichkeit des Revisionswerbers resultiere aus der Vielzahl der Straftaten, die er über einen Zeitraum von fünf Jahren kontinuierlich begangen habe und die die von ihm ausgehende kriminelle Energie verdeutlichten. Hervorzuheben seien auch die hohe Menge des tatverfangenen Suchtgifts (so sei dem Urteil vom 28. Jänner 2019 zugrunde gelegen, dass der Revisionswerber insgesamt 12,5 kg Cannabiskraut zu einem Preis von € 20.000,-- zum Kauf angeboten habe) und die hohe Schadenssumme der wiederholt begangenen gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstähle (so sei der Verurteilung vom 5. April 2019 zugrunde gelegen, dass der Revisionswerber fremde bewegliche Sachen in einem € 50.000,-- übersteigenden Wert weggenommen habe).
7 Der Revisionswerber sei am 30. Oktober 2019 aus der Justizanstalt und am 14. Jänner 2021 bedingt aus dem elektronisch überwachten Hausarrest entlassen worden. Der seither vergangene Beobachtungszeitraum sei noch zu kurz, um von einem Wegfall der Gefährlichkeit des Revisionswerbers ausgehen zu können, auch wenn er seit dem 21. März 2021 im Unternehmen seiner Eltern als Prokurist angestellt sei und in der Beschwerdeverhandlung beteuert habe, künftig ein straffreies Leben führen zu wollen.
8 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG nahm das Bundesverwaltungsgericht darauf Bedacht, dass der Revisionswerber eine österreichische Lebensgefährtin und mit dieser eine im August 2020 geborene Tochter habe. Er lebe mit diesen sowie mit der vierjährigen Tochter seiner Lebensgefährtin zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern im Eigentumshaus seiner Eltern. Das Familienleben mit seiner Lebensgefährtin sei jedoch erst nach der erstinstanzlichen Erlassung des Einreiseverbots begründet worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem der Revisionswerber nicht auf einen weiteren Aufenthalt in Österreich vertrauen habe können. Die Fortsetzung des Familienlebens wäre auch im Kosovo möglich und zumutbar, zumal die Lebensgefährtin des Revisionswerbers in Österreich zuletzt beruflich nicht eingegliedert gewesen sei sowie gegenwärtig die albanische Sprache lerne und die Kinder noch sehr jung seien. Das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung des straffälligen Revisionswerbers sei im Übrigen so groß, dass auch eine Trennung von den Familienangehörigen in Kauf zu nehmen wäre.
9 Insgesamt sei das BFA zu Recht davon ausgegangen, dass die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG der Rückkehrentscheidung nicht entgegenstehe.
10 Das Einreiseverbot erachtete das Bundesverwaltungsgericht dem Grunde nach ebenfalls als zulässig. Allerdings sei es im Hinblick auf die familiären Bindungen des Revisionswerbers und angesichts der Schritte zur Bekämpfung seiner Suchtgiftabhängigkeit auf sechs Jahre herabzusetzen gewesen.
11 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
12 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
14 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber in der nach Ablehnung und Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 23.6.2021, E 2011/2021) ausgeführten Revision geltend, dass dem Bundesverwaltungsgericht die „Gesamtausleuchtung der Persönlichkeit“ des Revisionswerbers nicht gelungen sei. Wären alle Aspekte ins Kalkül gezogen worden, so hätte sich „eine andere Rechtsfolge auf seine Verurteilungen bei Abwägung der betroffenen Interessen ergeben“.
15 Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist aber im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. etwa VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, Rn. 7, mwN). Das in Bezug auf die genannten Gesichtspunkte vom Bundesverwaltungsgericht fallbezogen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erzielte Ergebnis kann angesichts der dem Revisionswerber zur Last liegenden wiederholten Straftaten, zu deren konkreten Umständen das Bundesverwaltungsgericht ausreichende Feststellungen getroffen hat, nicht als unvertretbar angesehen werden.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210237.L00Im RIS seit
01.04.2022Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022