TE Vwgh Beschluss 2022/3/1 Ra 2021/21/0335

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Veröffentlicht am 01.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des E A A M, vertreten durch Dr. Martin Hembach, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Herzog-Leopold-Straße 26/1/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Oktober 2021, I406 2229558-2/9E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der 1973 geborene Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste im Jänner 2001 in das österreichische Bundesgebiet ein. Infolge seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin im November 2001 wurde dem Revisionswerber zunächst ein befristeter und mehrmals verlängerter Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt. Der Ehe, die im Jahr 2017 geschieden wurde, entstammen vier Kinder, die 2002, 2004, 2008 und 2012 geboren wurden und im Haushalt ihrer Mutter im Bundesgebiet leben. Die Kinder sind alle österreichische Staatsbürger.

2        Ab März 2011 verfügte der Revisionswerber über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. Das durch diesen Aufenthaltstitel dokumentierte unbefristete Niederlassungsrecht des Revisionswerbers wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt vom 26. Juli 2019 im Wege einer Rückstufung gemäß § 28 Abs. 1 NAG beendet und ihm eine bis August 2022 gültige „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ erteilt.

3        Der Revisionswerber war nämlich im Laufe seines Aufenthaltes im Bundesgebiet wiederholt straffällig geworden: Im Zeitraum von 2001 bis 2016 wurde der Revisionswerber von verschiedenen Bezirksgerichten wegen der Vergehen des Diebstahls, der Körperverletzung und der Sachbeschädigung insgesamt achtmal zu meist bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen rechtskräftig verurteilt.

4        In der Folge verurteilte das Bezirksgericht Wiener Neustadt den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 27. März 2017 wegen der Vergehen der Sachbeschädigung und des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, mit rechtskräftigem Urteil vom 2. Oktober 2017 wegen des Vergehens des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten und mit rechtskräftigem Urteil vom 28. März 2019 neuerlich wegen des Vergehens des Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, wobei die Freiheitsstrafen nunmehr unbedingt ausgesprochen wurden.

5        Des Weiteren verhängte das Landesgericht Wiener Neustadt über den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 14. Juni 2019 wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung und des Diebstahls eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 12. November 2019 wurde der Revisionswerber sodann noch wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und der versuchten Sachbeschädigung nach §§ 15, 125 StGB verurteilt, wobei unter Bedachtnahme auf das Urteil vom 14. Juni 2019 eine Zusatzstrafe in der Dauer von zwei Monaten verhängt wurde. Diesem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe eine ältere gebrechliche Frau, die ein Elektro-Behindertenfahrzeug benützte, mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zum Stehenbleiben und zur Unterlassung der Weiterfahrt genötigt, indem er ihr den Weg abschnitt, sich vor ihr Fahrzeug stellte, den auf dem Vehikel montierten Einkaufskorb herunterriss und zur Einschüchterung heftige Tritte gegen das Fahrzeug ausführte.

6        Zuletzt verurteilte das Landesgericht Wiener Neustadt den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Dezember 2020 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe im November 2020 mehrere Zeitungsjournalisten vor ihrem Redaktionsgebäude zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er zur Bekräftigung seiner verbalen Drohung mit seinem Zeigefinger über seinen Hals gefahren sei.

7        Im Hinblick darauf erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 11. März 2021 gemäß § 52 Abs. 4 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Das BFA stellte weiters fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei, und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise vier Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

8        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. Oktober 2021 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.

10       Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

12       Unter diesem Gesichtspunkt macht die Revision geltend, das BVwG sei sowohl hinsichtlich der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK als auch bezüglich der Verhandlungspflicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

13       Diese Vorwürfe sind nicht berechtigt.

14       Im Rahmen seiner Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG ausreichend den über zwanzig Jahre dauernden legalen Aufenthalt im Bundesgebiet, bezog aber neben den zahlreichen, durch einschlägige Rückfälle gekennzeichneten strafgerichtlichen Verurteilungen und gegen den Revisionswerber ebenfalls zahlreich verhängten Verwaltungsstrafen zu Recht auch mit ein, dass der Revisionswerber im Vergleich zur Dauer seines Aufenthaltes in Österreich nur geringe Zeiträume sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen aufzuweisen habe und sein Unterhalt primär durch staatliche Sozialleistungen sowie durch die Unterstützung seiner geschiedenen Ehefrau und seines in Ägypten lebenden Bruders finanziert worden sei, wobei er seiner letzten Erwerbstätigkeit im April 2014 nachgegangen sei. Darüber hinaus durfte das BVwG die persönlichen Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet wegen seiner familiären Bindungen als relativiert erachten, weil es auf zahlreiche Vorfälle häuslicher Gewalt verwies, in denen der Revisionswerber den Feststellungen zufolge Gewalt gegen seine damalige Ehefrau und auch gegen seine Tochter (teilweise in Anwesenheit der übrigen Kinder) ausgeübt habe und die immer wieder polizeiliche Wegweisungen und Betretungsverbote nach sich gezogen hätten. Angesichts des hohen Aggressionspotentials des Revisionswerbers, welches das BVwG zutreffend sowohl aus den innerfamiliären Konflikten als auch aus den zuletzt gegenüber unbekannten Personen verübten Straftaten ableitete, ist die Beurteilung des BVwG, wonach die privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nicht überwögen, nicht zu beanstanden. Die durch das Einreiseverbot bewirkte Trennung von seinen Kindern und allfällige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung nach der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sind - entgegen der Meinung in der Revision - im großen öffentlichen Interesse an der Unterbindung von wiederholten Straftaten der vorliegenden Art in Kauf zu nehmen. Auch diesbezüglich kann dem BVwG nicht entgegengetreten werden.

15       Vor diesem Hintergrund durfte das BVwG im Ergebnis sogar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung abzusehen (zu der auch vom BVwG zitierten Rechtsprechung, wonach eine Verhandlung in eindeutigen Fällen unterbleiben kann, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, vgl. etwa VwGH 7.10.2021, Ra 2021/21/0289, Rn. 13, mwN).

16       In der Revision, die zur Dauer des Einreiseverbotes keine Ausführungen enthält, werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

17       Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 1. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210335.L00

Im RIS seit

01.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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