TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/14 LVwG 47.2-99/2021

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Veröffentlicht am 14.06.2021
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Entscheidungsdatum

14.06.2021

Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark
20/01 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

SHG Stmk 1998 §1
SHG Stmk 1998 §4
SHG Stmk 1998 §5
SHG Stmk 1998 §7
SHG Stmk 1998 §9
SHG Stmk 1998 §13
ABGB §879
ASVG §330a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Dr. Drexel über die Beschwerde der Frau A B, geb. am ****, vertreten durch DDr. C D, Rechtsanwalts GmbH, M, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 10.12.2020, GZ: BHGU-126223/2020,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet

abgewiesen.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz
(im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid vom 10.12.2020 hat die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung als belangte Behörde den Antrag von Frau A B, geb. am ****, vom 17.07.2020, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt DDr. C D, auf Zuerkennung von Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in Form von Übernahme der Restkosten in der stationären Einrichtung der E, mangels Vorliegen der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, dass festgestellt worden sei, dass mittels Geschenks- und Übergabevertrag vom 21.12.2000 die im Eigentum der Frau A B stehenden Liegenschaften zu Grundbuch L, EZ ****, ****, **** und ****, an deren Tochter, Frau F G und deren Ehemann, Herrn DI H G, geschenkt und übertragen worden seien. Als Gegenleistung für die Übergabe sei zu Gunsten von Frau A B ihr das Recht der liebevollen Pflege und Betreuung, welche entweder von den Übernehmern selbst erbracht werde oder durch zu Hilfenahme fremder Personen bewerkstelligt werde, eingeräumt worden. Für den Fall einer notwendigen Pflegeheimunterbringung, seien diese Kosten, sofern sie mit dem Eigeneinkommen der Übergeberin nicht abgedeckt werden können, von den Übernehmern zur ungeteilten Hand – im Innenverhältnis je zur Hälfte – zu tragen.

Gegen diesen Bescheid wurde von Frau A B, vertreten durch Herrn DDr. C D, rechtzeitig eine Beschwere eingebracht und ausgeführt, dass für die Unterbringung der Beschwerdeführerin in der E monatlich Kosten in der Höhe von durchschnittlich € 4.090,28 entstehen würden. Bei einer Gegenüberstellung des monatlichen Gesamteinkommens der Beschwerdeführerin samt zuerkanntem Pflegegeld der Pflegestufe 4, ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, die monatlichen Kosten der stationären Pflege aus eigenem Einkommen und Pflegegeld zu tragen und sei daher eine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes gegeben. Hintergrund des Geschenks- und Übergabevertrages vom 21.12.2000 sei es gewesen, dass die damals nicht bedachten und weichenden Töchter, Frau I J, Frau K L und Frau M N aus etwaigen Haftungen bzw. Restansprüchen in Hinblick auf eine etwaige Heimunterbringung entlassen werden sollten. Entgegen der Annahme der belangten Behörde, ergebe sich aus dem Inhalt des Geschenks- und Übergabevertrages eindeutig, dass durch diese Regelungen ausschließlich die damals nicht bedachten und weichenden Töchter entlassen werden sollten. Diesbezüglich werde auf den klaren Wortlaut des Punktes III (4) dieses Vertrages verwiesen. Gemäß § 914 ABGB sei bei der Auslegung von Verträgen, nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und den Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Keinesfalls habe es den Parteienabsichten bzw. den Parteienwillen entsprochen, dass mit dem Vertragspunkt ein Anspruch der Beschwerdeführerin gegenüber einem Sozialhilfeträger im Zuge einer Heimunterbringung ausgeschlossen werden sollte bzw. dass die seinerzeitige Geschenknehmerin, Frau F G und Herr DI H G, diesbezüglich vorrangig in Anspruch genommen werden sollten. Im Nachtrag zum Geschenk- und Übergabevertrag vom 21.12.2000, vom 27.10.2020, sei diese Parteienabsicht neuerlich ausdrücklich festgehalten. Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und in der Sache durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark selbst zu entscheiden und dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.08.2020 auf Übernahme der Restkosten für die Unterbringung in der stationären Pflegeeinrichtung Folge zu geben, in eventu den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat Folgendes erwogen:

Am 4. März 2021 fand vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin selbst, deren Einvernahme in der Beschwerde ausdrücklich gefordert wurde, wurde von ihrem Rechtsvertreter für Ihre Nichtteilnahme an dieser Verhandlung aufgrund ihres altersbedingten Gesundheitszustandes unter Beilage eines ärztlichen Kurzbefundes entschuldigt. Im Beisein des Vertreters der belangten Behörde wurden Frau F G, Herr DI H G, Frau I J, Frau Dr. O P, Frau K L als Zeugen befragt. Frau M N entschlug sich der Zeugenaussage.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, des Akteninhaltes der belangten Behörde, der vorgelegten Unterlagen sowie der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung wird nachfolgender Sachverhalt festgestellt:

Frau A B wurde am **** geboren und war mit Herrn R B verheiratet; aus dieser Ehe gingen die Kinder Frau F G, Frau I J, Frau K L und Frau M N hervor. Im Jahr 1984 verstarb der Ehegatte der Beschwerdeführerin und aufgrund eines Ehevertrages erhielt die Beschwerdeführerin die Liegenschaften zu Grundbuch L, EZ ****, ****, **** und ****, als Alleineigentümerin. Frau I J, Frau M N und Frau K L erhielten jeweils Grundstücke vorab und unterfertigten in diesem Zusammenhang teilweise Erbverzichte.

Frau F G war zum Zeitpunkt des Todes des Vaters noch minderjährig. Mit Geschenks- und Übergabevertrag vom 21.12.2000, wurden die im Eigentum von Frau A B stehenden Liegenschaften zu Grundbuch L, EZ ****, **** und ****, an deren Tochter, Frau F G und deren Ehemann, Herrn DI H G, geschenkt und übertragen. Die Liegenschaft EZ **** zu Grundbuch L wurde dem Ehepaar übergeben und wurde diese Übergabe im Vertrag genauer geregelt und an Gegenleistungen geknüpft.

Frau Dr O P, war mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Vertrages von den Ehegatten F G und H G beauftragt worden. Der Beschwerdeführerin wurde bei diesem Vertrag die Wohnversorgung durch Zurverfügungstellung von Wohnfläche als Gegenleistung zugesichert. Die Dienstbarkeit des persönlichen Wohnungsgebrauchsrechtes umfasste das im Erdgeschoss des Hauses Dstraße gelegenen Badezimmer inklusive WC, die Küche, die Veranda sowie das Wohnzimmer und das daran angrenzendem Schlafzimmer; weiters wurden die Berechtigungen zur erforderlichen Zufahrt- und dem Zutritt zur ordentlichen Ausnützung des Wohnungsgebrauchsrechtes zugesichert. Die Übergeberin hatte die Betriebskosten für das persönliche Wohnungsgebrauchsrecht selbst zu bezahlen wobei hier klare Regelungen aufgestellt wurden. Im Falle einer Behinderung der Inanspruchnahme verpflichteten sich die Übernehmer, eine etwa 50 m² große Wohnung zur Verfügung zu stellen. Weiters verpflichteten sich die Übernehmer zur liebevollen Pflege und Betreuung der Beschwerdeführerin, welche entweder von den Übernehmern selbst erbracht wird oder aber durch Zuhilfenahme fremder Personen bewerkstelligt wird. Für den Fall einer notwendigen Pflegeheimunterbringung wurde vereinbart, dass diese Kosten, sofern sie mit dem eigenen Einkommen der Übergeberin nicht abgedeckt werden können, von den Übernehmern zur ungeteilten Hand getragen werden. Explizit wurde festgehalten, dass im Innenverhältnis die Übernehmer je zur Hälfte diese Kosten tragen sollten.

Im Absatz 4 des Vertrages wurde angeführt, dass die Übernehmer, Frau F G und Herr DI H G, die ausdrückliche und widerrufliche Erklärung abgeben, dass sie, betreffend der Kosten für Heimunterbringung oder nicht von der gesetzlichen Krankenkasse gedeckte Krankenhausaufenthalte zur ungeteilten Hand haften, soweit diese Kosten mit dem Eigeneinkommen der Übergeberin nicht gedeckt werden können. Die Ehegatten verpflichten sich für den Fall der Inanspruchnahme im Zusammenhang mit den vorgenannten Kosten die leiblichen Töchter der Übergeberin Frau I J, Frau K L und Frau M N und deren Rechtsnachfolger schad- und klaglos zu halten. Die bei dieser Vertragserrichtung anwesenden weiteren Töchter der Beschwerdeführerin nahmen diese Erklärung vertragsgemäß an. Frau K L musste zur Durchführung des Wohnungsgebrauchsrechtes ein Zimmer bis 31.12.2001 räumen, damit die Beschwerdeführerin ihr eingeräumtes Wohnungsgebrauchsrecht nützen konnte. Für die Geschwister von Frau F G war wichtig, dass sie in Hinkunft aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen keine Zahlungen für die Betreuung der Mutter übernehmen mussten. Sie waren der Ansicht, dass aufgrund der Aufteilung des Vermögens durch diesen Übergabevertrag sie aus dieser Haftung zu entlassen seien; die weichenden Geschwister wollten hier - auch in Hinblick auf die jeweils persönlichen Einkommenssituationen in Verbindung mit der damals geltenden Regressmöglichkeit nicht zusätzlich finanziell benachteiligt werden.

Die Übergabe der im Vertrag genau bezeichneten Grundstücke - teilweise Wald, teilweise landwirtschaftlich genutzte Fläche sowie des Grundstückes, auf dem sich das Haus mit der Nummer Dstraße befinden - wurde vertragskonform realisiert.

Vereinbarungsgemäß wurde die Beschwerdeführerin auch tatsächlich von Frau F G ca. 5 Jahren mit Unterstützung der Hauskrankenpflege (Angaben zum Betreuungs- und Pflegebedarf anlässlich der Antragstellung zum Kostenzuschuss) betreut und gepflegt; am 26.05.2019 ist die Beschwerdeführerin in die E in L gezogen. Am 17.07.2020 stellte die Verwaltung des genannten Seniorenwohnheims an die belangte Behörde einen Antrag auf Zuzahlung zu den Heimkosten gemäß § 13 Abs. 1 SHG ab 17.07.2020. Im dazu ausgefüllten notwendigen Formular (vom 13.08.2020) wurde die Seite 7, auf der die Angaben für ein allfälliges Ersatzverfahren aufgrund vertraglicher/gesetzlicher Verpflichtungen zu vermerken sind, einfach durchgestrichen; im restlichen Antrag findet sich auch kein Hinweis auf den oben angeführten, verfahrensgegenständlichen Übergabevertrag.

Ein Sparbuch mit einem Guthaben von € 10.030,45 war beim Eintritt der Beschwerdeführerin in das Pflegeheim vorhanden, am 21.07.2020 wurden € 4.000.00 behoben, wobei die Beschwerdeführerin ihren Aufenthalt im Pflegeheim offensichtlich als Selbstzahlerin finanzierte bzw. ihr dieser bis zur Antragstellung und in weiterer Folge bis zum Austritt finanziert wurde.

Aufgrund des Grundbuchsauszuges stellte die belangte Behörde fest, dass der oben erwähnte Schenkung- und Übergabsvertrag von 21.12.2000 vorhanden ist; mit Schreiben vom 18. August 2020 wurde die Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde aufgefordert, eine Kopie dieses Vertrages vorzulegen. Herr DI H G hat aufgrund dieses Schreibens den nunmehrigen Vertreter der Beschwerdeführerin kontaktiert und um Unterstützung ersucht; dieser hatte dann die Lösung in Form eines sogenannten „Nachtages“ vorgeschlagen (Aussage von Herrn DI H G in der mündlichen Verhandlung vom 04.03.2021). Ohne dass es zur Bestellung eines Kollusionskurators gekommen wäre, wurde vom nunmehrigen Vertreter der Beschwerdeführerin, ein Schreiben, das als „Nachtrag zum Geschenks- und Übergabevertrag vom 21.12.2000“ betitelt wurde, verfasst und am 27.10.2020 von der Beschwerdeführerin, von Frau F G und von Herrn DI F G unterfertigt.

In diesem Schreiben sollte zu III Abs. 3 lit b und Abs 4 des ursprünglichen Vertrages klargestellt werden, dass zwischen den Vertragsparteien und den leiblichen Töchter der Frau A B, nämlich der Frau I J, der Frau K L und der Frau M N der ausschließliche Zweck dieser Vertragspunkte gewesen sei, eine Haftung für allenfalls anfallende Kosten für eine Heimunterbringung der Beschwerdeführer für der leibliche Töchter auszuschließen, „wie dies auch aus dem Punkt III Abs 4 hervorginge“.

Keinesfalls habe es der Parteienvereinbarungen entsprochen, dass mit diesen Vertragspunkten ein Anspruch der Beschwerdeführer gegenüber dem Sozialhilfeträger ausgeschlossen werden sollte bzw. dass die Tochter und der Ehemann in Anspruch genommen werden sollten.

Weiters wurde in diesem Schreiben festgehalten, dass die Vertragsteile aus juristischer Vorsicht, aber auch zur Klarstellung vereinbaren, dass die Passage des unter Punkt 1 angeführten Vertrages zu Punkt III.(3) „…. Für den Fall einer notwendigen Pflegeheimunterbringung sind diese Kosten, sofern Sie mit dem Einkommen der über Geberin nicht abgedeckt werden können von den Übernehmern zur Hand, im Innenverhältnis je zur Hälfte“ sowie

die Passage unter Punkt III. Abs. 4 „Die Übernehmer H G und F G geben die ausdrückliche und unwiderrufliche Erklärung ab, dass sie die Kosten für Heimunterbringung oder nicht von der gesetzlichen Krankenkasse auf Aufenthalten zur ungeteilten Hand, soweit diese Kosten mit dem Eigeneinkommen der Übergeberin nicht abgedeckt werden können“

einvernehmlich vollinhaltlich aufgehoben werde.

Die anderen Töchter der Beschwerdeführerin wurden von der Errichtung des sogenannten Nachtrages erst anlässlich der Ladungen zur mündlichen Verhandlung informiert.

Feststellungen, inwieweit die Beschwerdeführerin den Inhalt dieses Schreibens vom 27.10.2020 bei der Unterschriftsleistung auch tatsächlich erfassen konnte, können vom Landesverwaltungsgericht nicht getroffen werden.

Die Beschwerdeführerin ist am 29.01.2021 wieder aus dem Pflegeheim ausgetreten. Im verfahrensrelevanten Zeitraum bezog die Beschwerdeführerin eine Witwenpension in der Höhe von € 741,65 und Pflegegeld der Pflegestufe 4.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die unbedenklichen Aktenunterlagen der belangten Behörde sowie auf die Ergebnisse der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 04.03.2021.

Vom Landesverwaltungsgericht konnte aufgrund des Alters der Beschwerdeführerin diese nicht einvernommen werden, insofern musste hinsichtlich der Vereinbarung vom 21.12.2000 auf die Aussagen ihrer Töchter und des Schwiegersohnes zurückgegriffen werden; wobei dem Landesverwaltungsgericht der Schenkungs- und Übergabsvertrag in Kopie vorliegt und sich aus diesem für das erkennende Gericht zweifelsfrei der Wille der Vertragsparteien bei der Schenkung bzw. Übergabe ergibt. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht ersichtlich, dass „die Klarstellung“, die mit dem vorgelegten Nachtrag zum Übergabsvertrag geschaffen werden sollte tatsächlich den Willen der Parteien insbesonders jenen der Beschwerdeführerin bei Vertragsabschluss entspricht. Vielmehr scheint diese nachträglich errichtete Urkunde einen Versuch darzustellen, den Übernehmern nun (nachträglich) die Übernahme der Restkosten für die Heimunterbringung zu ersparen. Besonders die Aussage von Herrn DI H G in diesem Zusammenhang, dass dieser Nachtrag im Zuge der Problemanalyse von Herrn DDr. C D in der vorliegenden Form vorgeschlagen wurden, zeigt, dass es sich hier nicht um eine Klarstellung, sondern vielmehr um eine Korrektur des Parteiwillens - insbesondere jenen der Beschwerdeführerin – handelt; zweifelsfrei wurde damit ganz bewusst versucht, eine Möglichkeit zu schaffen, dass die vertraglich übernommene Zahlungsverpflichtung nun auf den Sozialhilfeverband übergewälzt wird, wobei durchaus in Kauf genommen wurde, dass damit die Beschwerdeführerin zur Sozialhilfeempfängerin wird.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin hielt in der mündlichen Verhandlung vorerst den Antrag auf Einvernahme der Beschwerdeführerin aufrecht, auf dem Einwand der Richterin, dass ein Gutachten zu erstellen sein wird, ob die Beschwerdeführerin überhaupt in der Lage ist, die Angelegenheit noch zu erfassen und ob sie im Oktober 2020 bei der Errichtung des Nachtrages noch entsprechend handlungsfähig gewesen sei, zog der Vertreter der Beschwerdeführerin diesen Beweisantrag zurück. Feststellungen hinsichtlich der Entscheidungsfähigkeit der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Nachtrages, mit dem sie auf ihre eingeräumten Rechte verzichtete, können vom Landesverwaltungsgericht nicht getroffen werden.

Rechtliche Beurteilung:

Mit dem vorliegenden bekämpften Bescheid vom 10.12.2020 hat die belangte Behörde einen Antrag auf Gewährung der Sozialhilfe unter Verweis auf diverse Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl Nr. 29/1998 idgF, (SHG) abgewiesen. Aufgrund des Geschenks- und Übergabevertrages vom 21.12.2000 habe Frau A B nach Ansicht der Behörde einen vertraglichen Anspruch auf Übernahme der Heimrestkosten. Der Nachtrag vom 27.10.2020 habe den Zweck gehabt, eine Leistungspflicht der Sozialhilfe herbeizuführen, sei rechtsmissbräuchlich und liege somit Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 ABGB vor.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des SHG lauten auszugsweise:

„§ 1

(1) Durch die Sozialhilfe soll jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

(2) Die Sozialhilfe umfaßt:

         a)       Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs,

         b)       Hilfe in besonderen Lebenslagen,

         c)       Soziale Dienste.

(3) Die Sozialhilfe ist zu gewähren, um eine bestehende Notlage zu beseitigen oder eine drohende Notlage abzuwenden. Sie ist fortzusetzen, wenn dies notwendig ist, um die Wirksamkeit der geleisteten Hilfe zu sichern.“

„§ 4

(1) Auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes besteht für Personen, die den Lebensbedarf für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen können und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes ein Rechtsanspruch.

         1.       Wer sich in der Steiermark aufhält und zu einem mehr als dreimonatigen Aufenthalt berechtigt ist, hat einen Rechtsanspruch auf Leistungen im Sinne der §§ 7 und 14.

(2) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege, durch die der Lebensbedarf nicht ausreichend gesichert wird, sind nicht zu berücksichtigen.

(3) Pflegegeld nach bundes- oder landesgesetzlichen Bestimmungen gilt nicht als Einkommen im Sinne des § 5. Es ist jedoch bei einer Hilfeleistung nach §§ 7 Abs. 1 lit. b, 9 Abs. 2 lit. a und b, 13 und 16 zu berücksichtigen.“

„§ 5

(1) Hilfeleistungen gemäß § 13 sind nur soweit zu gewähren, als das Einkommen der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers nicht ausreicht, um den Lebensbedarf zu sichern. Alle übrigen Hilfeleistungen sind nur soweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.

(1a) Nähere Bestimmungen zum Einkommensbegriff und zum Nachweis des Einkommens hat die Landesregierung durch Verordnung zu erlassen.

(2) Hilfeempfänger haben Ansprüche gegenüber Dritten zu verfolgen, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar oder mit einem unverhältnismäßigen Kostenrisiko verbunden ist. Keine Rechtsverfolgungspflicht besteht bei Ansprüchen gemäß § 947 ABGB, bei Schmerzengeldansprüchen sowie bei nichttitulierten Unterhaltsansprüchen des Hilfeempfängers.

(3) Zum verwertbaren Vermögen gehören nicht jene Sachen, die zur persönlichen Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Befriedigung allgemein anerkannter kultureller Bedürfnisse dienen.

(4) Hat der Hilfeempfänger Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder zumutbar ist, kann im Zuerkennungsbescheid oder in einem getrennten Verfahren die Sicherstellung des Ersatzanspruches verfügt werden.“

„§ 7

(1) Zum Lebensbedarf gehören:

         a)       der Lebensunterhalt (§ 8);

         b)       die erforderliche Pflege (§ 9);

         c)       die Krankenhilfe (§ 10);

         d)       die Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen (§ 11);

         e)       die Erziehung und Erwerbsbefähigung (§ 12).

(2) Der ausreichende Lebensbedarf ist durch geeignete Maßnahmen zu sichern. Je nach Bedarf und Zweckmäßigkeit werden gewährt:

         a)       Geldleistungen:

1.       als richtsatzgemäße Geldleistungen, wenn Sozialhilfe voraussichtlich über einen längeren Zeitraum zu gewähren sein wird;

                  2.       zur Kostendeckung einer notwendigen Heim- oder Anstaltsunterbringung;

                  3.       für einmalige Unterstützungen.

         b)       Sachleistungen,

wie insbesondere Unterkunft, Bekleidung und Lebensmittel. Sachleistungen sind vor allem dann zu gewähren, wenn eine zweckentsprechende Verwendung einer Geldleistung nicht gesichert ist oder erwartet werden kann.“

„§ 9

(1) Zum Lebensbedarf gehört jene Pflege, die erforderlich wird, wenn auf Grund des körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes die Fähigkeit fehlt, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen.

(2) Die erforderliche Pflege umfaßt

         a)       die mobile Pflege;

         b)       die Pflege in geeigneten stationären Einrichtungen;

         c)       die Versorgung mit Pflegemitteln und Pflegebehelfen.

Kosten der Hilfe zu mobiler Pflege sind bis zu jenem Betrag zu gewähren, der vergleichsweise für dieselben Leistungen in einer stationären Einrichtung anfällt.“

„§ 13

(1) Pflegebedürftige Personen, die ihren Lebensbedarf auf Grund ihrer Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit sonst nicht in zumutbarer Weise ausreichend decken können, haben Anspruch auf Übernahme der Kosten oder Restkosten der Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Bei Personen, die zumindest Pflegegeld der Stufe 4 beziehen, ist das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen anzunehmen. Bei Personen, die nach den pflegegeldrechtlichen Bestimmungen ein Pflegegeld der Stufe 1 bis 3 beziehen oder bei denen das Verfahren der Pflegegeldeinstufung noch nicht abgeschlossen ist, ist die tatsächliche Notwendigkeit der Unterbringung sowie der Pflege- und Betreuungserfordernisse durch ein amtsärztliches und/oder pflegerisches und/oder sozialarbeiterisches Gutachten zu bestätigen.

(2) Hilfeempfänger dürfen nur Einrichtungen in Anspruch nehmen, die von der Landesregierung gemäß § 13a anerkannt sind.

(3) Wird einem Hilfeempfänger, der über kein eigenes Einkommen verfügt, Hilfe gemäß Abs. 1 gewährt, so gebührt ihm, insbesondere zur Sicherung des Aufwandes für persönliche Bedürfnisse, ein Taschengeld. Das Taschengeld darf 20% des Richtsatzes für den alleinstehend Unterstützten (§ 8 Abs. 8 lit. a) nicht überschreiten. Das Taschengeld gebührt in den Monaten Juni und November in zweifacher Höhe.

(4) Wird einem Hilfeempfänger, der über eigenes Einkommen verfügt, Hilfe gemäß Abs. 1 gewährt, so haben ihm 20 % des eigenen Einkommens und Sonderzahlungen, die mit einem Pensionsbezug im Zusammenhang stehen, als Taschengeld zu verbleiben.

(5) Die dem Hilfeempfänger zuerkannten Kosten/Restkosten sind vom Sozialhilfeträger direkt mit der Einrichtung zu verrechnen.

(6) Ist zum Zeitpunkt des Todes der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers ein Verfahren auf Gewährung von Leistungen gemäß Abs. 1 noch nicht abgeschlossen, so ist der Rechtsträger der stationären Einrichtung, in der die Hilfeempfängerin/der Hilfeempfänger untergebracht war, auf Antrag zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt. Der Antrag ist binnen drei Monaten nach dem Tod der Hilfeempfängerin/des Hilfeempfängers zu.“

Im Jahr 2000 hat die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter bzw. ihren Schwiegersohn eine Vereinbarung geschlossen hat, wonach das Ehepaar G die gesamten im Übergabevertrag näher beschriebenen Liegenschaften der Beschwerdeführerin erhalten soll; im Gegenzug für die Übergabe der Liegenschaft EZ **** zu Grundbuch L wurde der Beschwerdeführerin zugesichert, dass im Falle, dass ihre Einkünfte zur Deckung von notwendigen Pflegeheimkosten nicht ausreichen, diese vom Ehepaar zur ungeteilten Hand getragen werden.

Als es im Jahr 2020 zur Tragung dieser Kosten kommen sollte, hat sich das Ehepaar G an die Rechtsanwaltskanzlei gewandt und wurde durch einen sogenannten Nachtrag versucht, diesen Anspruch nicht zu erfüllen, obwohl im Geschenks- und Übergabevertrag vom 21.12.2000 die Ausführungen hinsichtlich der Gegenleistung für die Übergabe des Übergabegegenstandes im Vertrag zweifelsfrei und nachvollziehbar unter anderen als Verpflichtung zur Übernahme der notwendigen Restkosten für eine Pflegeheimunterbringung ohne weitere Einschränkungen, Bedienungen oder Klauseln festgelegt wurden. Dieser Vertragsteil bedarf auch für einen juristischen Laien keiner weiteren Interpretation.

Nur der Vollständigkeithalber sei angemerkt, dass die Auslegung des Geschenks- und Übergabevertrag sich nach den Grundsätzen, die auch sonst für die Vertragsauslegung gelten (§§ 914 f ABGB), richtet. Im vorliegenden Fall liegt eine klare Formulierung für die Gegenleistungen für die Übergabe in Verbindung mit einer ausdrücklichen Verpflichtung diese zu bringen, vor.

Für eine Auslegung bzw. sogar einen Nachtrag - wie er von nunmehrigen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vorgenommen wurde - ist verfahrensgegenständlich keine Notwendigkeit ersichtlich. Nach den in §§ 914 und 915 sowie § 863 ABGB normierten Vertragsauslegungsregeln ist bei der Auslegung von Erklärungen grundsätzlich ausgehend vom wörtlichen Inhalt die Absicht der Parteien zu erforschen und die Erklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (vgl. Barta, Zivilrecht, Wien (2000) 399 ff).

Im Hinblick auf diese Ausführungen ist die von Frau Dr. O P im Vertrag gewählte Formulierung der Verpflichtungsübernahme jedenfalls als ausdrücklich erklärte Zustimmung zur Übernahme der Heimkosten bzw. zur Tragung je der Hälfte im Innenverhältnis zu werten und ist ausgehend vom wörtlichen Inhalt in Anbetracht der Verkehrssitte und Sprachüblichkeit jedenfalls von einer klaren Zustimmung durch das Ehepaar F G und DI H G auszugehen. Die weiteren Ausführungen in dem sogenannten Nachtrag aus dem Jahr 2020 dienen nicht – wie von den Angehörigen der Beschwerdeführerin vorgebracht - einer Auslegung oder Klarstellung, sondern vielmehr ausschließlich dazu die seinerzeitige übernommene Zahlungsverpflichtung einseitig zu widerrufen.

Zu berücksichtigen ist weiters der Umstand, dass die Restkosten für die Beschwerdeführerin auch durch die Übernehmer der Liegenschaft tatsächlich restlos beglichen wurden.

In Subsumtion dieser besonderen Umstände des Beschwerdefalles unter die maßgeblichen Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes war zunächst die tatsächliche Hilfsbedürftigkeit der Beschwerdeführerin festzustellen; dies umfasst gemäß §§ 4 und 5 SHG die Ermittlung, ob die Antragstellerin über ein (ausreichendes) Einkommen verfügt, um ihren Lebensbedarf zu sichern, bzw. ob sie den Lebensbedarf von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Erst wenn feststeht, dass Einkommen, Pflegegeld und sonstige Leistungen anderer nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern, kann es zur Prüfung im Sinne des § 13 SHG kommen.

Die Sozialhilfe ist geprägt von zwei Grundprinzipien, nämlich der Subsidiarität und der Individualität. Die Sozialhilfe ist gewissermaßen das letzte soziale Auffangnetz und hat die Aufgabe, jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Sie greift daher nur dann, wenn keine anderen ausreichenden Mittel vorhanden sind und sie soll im Sinne der Individualität den konkreten Bedürfnissen des jeweils einzelnen Hilfsbedürftigen entsprechen (vgl. u.a. Manuel Mayr/Walter J. Pfeil, Mindestsicherung und Sozialhilfe, in Pürgy (Hrsg), Das Recht der Länder II/1 (2012) 263 f.). Die Gewährung der Sozialhilfe erfolgt im Sinne eines letzten Auffangnetzes also lediglich im Falle der Hilfsbedürftigkeit (vgl. dazu auch J. Müllner, Von der Abschaffung des Pflegeregresses und was daraus folgt, in: Journal für Rechtspolitik 25, 182 bis 194 (2017), welcher u.a. davon spricht, dass „die Hilfeleistung bei stationärer Pflege bereits jetzt ausschließlich von zwei Faktoren abhängt: der aktuellen Mittellosigkeit und der Pflegebedürftigkeit“ (185); weiters bezeichnet er die Sozialhilfe ausdrücklich als „letztes Auffangnetz“ (186)).

Im Sinne der Subsidiarität hat der Hilfesuchende zuerst eigene Mittel einzusetzen, um seinen Bedarf zu decken, und kann sich nur dann, wenn diese nicht reichen, an die Gemeinschaft wenden. Der Begriff der eigenen Mittel ist hiebei umfassend zu verstehen – die im Konkreten tatsächlich zufließenden Einkünfte fallen jedenfalls darunter (vgl. dazu wiederum M.Mayr/W.J. Pfeil, aaO, 277f.).

Es ist somit gar nicht nötig, dass der Sozialhilfeträger einer Restkostenübernahme durch Dritte bei der Vertragserrichtung zustimmt, wie man aus der Zeugenaussage von Herrn DI H G entnehmen könnte; dieser gab an, dass das Land Steiermark bei der Vertragserrichtung nicht anwesend gewesen sei bzw. quasi als „Geschenk“ die Restkostenübernahme durch ihn und seine Gattin erhalten hätte.

Als weitere Leistungsvoraussetzung ist die mangelnde Bedarfsdeckung der hilfsbedürftigen Person durch Dritte anzusehen, wobei hier zwischen Leistungen Dritter und Ansprüchen gegenüber Dritten zu unterscheiden ist. Während Leistungen Dritter zur Deckung des Lebensbedarfes einer hilfesuchenden Person neben tatsächlichen Geldleistungen auch faktische Hilfen einschließen können, also alle Maßnahmen, durch die eine zumindest teilweise Deckung von Bedürfnissen im Rahmen der materiellen Existenzsicherung möglich ist und diese Leistungen Dritter der hilfesuchenden Person somit tatsächlich zur Verfügung stehen, verhält es sich mit Ansprüchen gegenüber Dritten etwas anders: Diese sind Forderungen gegenüber Dritten, auf die der Hilfeempfänger einen Anspruch hat und die zum Bedarf kongruent sind – dabei kann es sich ums Geld, aber genauso um Sachleistungen (z.B. Wohnrecht) handeln (vgl. dazu LVwG 47.35-655/2020-20 vom 10.10.2020).

Zu einem Spannungsverhältnis kann es hier dann kommen, wenn derartige Ansprüche gegen Dritte bestehen, aber Leistungen daraus nicht zufließen, weshalb in den unterschiedlichen Sozialhilfegesetzen der Länder (so auch in § 5 Abs 2 SHG) Rechtsverfolgungspflichten normiert sind, nach denen die Hilfe der Gemeinschaft davon abhängig sein kann, dass die hilfesuchende Person bedarfsdeckende Ansprüche gegen Dritte verfolgt (vgl. wiederum M.Mayr/W.J. Pfeil ,aaO, 284 ff). Die Rechtsprechung zur Sozialhilfe steht dabei auf dem Standpunkt, dass die Sozialhilfe dann nicht zusteht, wenn der Leistungspflichtige nicht schon zum Zeitpunkt der Bedarfsprüfung zur Leistung aufgefordert wurde; der Anspruch auf Sozialhilfe entsteht erst dann, wenn der Verpflichtete nach Aufforderung die Leistung verweigert (vgl. u.a. VwGH 14.06.1988; 87/11/0244). Die Übernehmer der Liegenschaft sind der Verpflichtung zur Betreuung und Pflege der Beschwerdeführerin offensichtlich jahrelang nachgekommen und haben auch anfänglich die Heimrestkosten ohne weiters beglichen, letztendlich wurden die gesamten Kosten vom Ehepaar G bezahlt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24.10.2017 (Ra 2017/10/0107) ausgesprochen, dass es bei der Gewährung der Sozialhilfe maßgeblich auf die Frage, ob der Bedarf eines Hilfesuchenden tatsächlich gedeckt wird oder nicht, ankommt. Darauf, ob Dritte diesen Aufwand freiwillig oder unfreiwillig aus jederzeit abänderbaren Gründen tragen, kommt es – unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt des tatsächlich dem Hilfesuchenden erwachsenden Aufwandes – nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich nicht an.

Für die konkrete Situation der Beschwerdeführerin bedeutet dies, dass sie zwar grundsätzlich mit ihrem Einkommen nicht in der Lage war, die Kosten ihrer Unterbringung von rund € 4.090,28 monatlich selbst zur Gänze zu bestreiten, allerdings sind die von ihr nicht zu tragenden restlichen Aufwendungen im Sinne von „Pflegeheim(rest)kosten“ tatsächlich von den Übernehmern der Liegenschaft im Sinne der eingegangenen Verpflichtung übernommen worden.

Der tatsächliche Lebensbedarf der Beschwerdeführerin war mit der gleichzeitigen Übernahme der Pflegeheimrestkosten durch das Ehepaar G jedenfalls gedeckt, weswegen gemäß § 4 Abs 1 SHG ein Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nicht besteht. Nochmals sei dabei ausdrücklich auf das genannte Judikat des VwGH vom 24.10.2017 hingewiesen, wonach es maßgeblich nur darauf ankommt, ob der Bedarf tatsächlich gedeckt ist, oder nicht – ob diese Bedarfsdeckung durch Dritte freiwillig, oder unfreiwillig aus jederzeit abänderbaren Gründen erfolgt, hat auf die konkrete und aktuelle Hilfsbedürftigkeit des Hilfesuchenden keinen Einfluss.

Mangels tatsächlicher Hilfsbedürftigkeit von Frau A B ist daher ihr Antrag von der belangten Behörde zu Recht abgewiesen worden.

Wie bereits oben ausgeführt, kann neben der Berücksichtigung von tatsächlichen Leistungen Dritter auch eine Berücksichtigung von (theoretischen) Ansprüchen gegen Dritte erfolgen, weswegen in § 5 Abs 2 SHG auch eine Rechtsverfolgungspflicht statuiert ist. Im Sinne dieser Rechtsverfolgungspflicht und in Entsprechung des Grundsatzes der Subsidiarität der Sozialhilfe ist daher ein Verzicht auf Ansprüche mit Einkommenscharakter oder auf Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes sehr kritisch zu prüfen.

So hat der VwGH in seinem Erkenntnis zu 2009/08/0286 Folgendes festgehalten:

„Ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht dann, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens (sowie gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigender Beträge) nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes) erreicht. Stehen einem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage Ansprüche mit Einkommenscharakter zu, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Ansprüche tatsächliches Einkommen darstellen. Der subsidiäre, fürsorgeähnliche (sozialhilfeähnliche) Charakter der Ausgleichszulage verbietet im Allgemeinen die Berücksichtigung eines Verzichtes des Berechtigten auf derartige Leistungen.

Entgegen der früheren Rechtsprechung, wonach ein Verzicht auf übrige Einkünfte nur dann beachtlich sei, wenn er in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung der Leistung durch den Verpflichteten begründet sei (vgl. RIS-Justiz RS0085238), ist es nunmehr aber ständige Rechtsprechung, dass ein Verzicht auf übrige Einkünfte bei der Feststellung der Ausgleichszulage zu beachten ist, es sei denn, er hatte offenbar den Zweck, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen (vgl. den Beschluss des OGH vom 23. Februar 1993, 10 ObS 161/91), wenn dieser Verzicht also rechtsmissbräuchlich erfolgte (vgl. das Urteil des OGH vom 18. Februar 2005, 10 ObS 190/04w .

In seinem Erkenntnis vom 01.07.1997 hat der VwGH entschieden, dass die Nichtigkeit eines Vertrages wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 879 Abs. 1 ABGB) dann anzunehmen sein kann, wenn ein Vertrag (hier: ein sogenannter Nachtrag zum Übergabsvertrag) nur oder zumindest primär der Herbeiführung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers gedient hätte (95/08/0326).

Der OGH hat in seinem Erkenntnis vom 30.03.1993 von konkreten Anhaltspunkten für ein rechtsmissbräuchliches Handeln gesprochen, wenn ein Verzicht offenbar deshalb erfolgt ist, um die Leistungslast eines Schuldners auf die öffentliche Hand abzuwälzen (10 ObS 233/92).

In seiner zu 10 ObS 77/13s ergangenen Entscheidung hat der OGH am 23.7.2013 judiziert wie folgt:

„Ein Verzicht auf Einkünfte ist zwar zulässig, vermindert den Anspruch auf Ausgleichszulage aber dann, wenn der Verzicht offenbar den Zweck hatte, den Versicherungsträger zu schädigen. Ein Rechtsmissbrauch liegt in diesem Zusammenhang schon vor, wenn das unlautere Motiv des Verzichts die lauteren Motive eindeutig überwiegt. Der subsidiäre sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage verbietet es im Allgemeinen, dass der Pensionsberechtigte von sich aus auf realisierbare Leistungen anderer Art verzichtet. Auch wenn ein Bezieher einer Ausgleichszulage die Durchsetzung gesetzlicher oder vertraglicher Ansprüche ohne ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht unterlässt, obwohl sie möglich und zumutbar wäre und er sie auch durchsetzen würde, wäre der Ausfall nicht durch die Ausgleichszulage gedeckt, so sind diese Ansprüche bei Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Nur wenn der Verzicht auf die Geltendmachung von vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüchen in der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erfüllung durch den dazu Verpflichteten begründet ist, ist er für den Anspruch auf Ausgleichszulage beachtlich. In diesem Fall ändert sich nämlich an der Einkommenssituation des Pensionisten nichts.“

Aus diesen höchstgerichtlichen Entscheidungen ist jedenfalls abzuleiten, dass ein Verzicht auf Einkünfte dann nicht beachtlich sein soll, wenn er offenbar den Zweck hatte, den Versicherungsträger zu schädigen bzw. die Leistungspflicht der Sozialhilfe herbeizuführen.

Bezogen auf den Beschwerdefall war festzuhalten, dass das ursprüngliche Motiv für den Vertragsabschluss, unzweifelhaft darin lag, dass die Beschwerdeführerin zu Lebzeiten sich einen vertraglichen Anspruch auf Übernahme der Pflegeheimrestkosten sicherte und sie dafür ihre grundbücherliches Eigentumsrecht an die diesbezüglich Verpflichteten übergab. Festzuhalten war der Vollständigkeit halber auch, dass die ursprüngliche Vereinbarung unter keinerlei auflösender Bedingung oder Ähnliches abgeschlossen wurde, wonach dies nur für die damalige gesetzliche Lage, also für den aufrechten Bestand des Vermögensregresses, gelten sollte.

Seitens der Beschwerdeführerin kann auch aufgrund der geschilderten Umstände kein tatsächlicher Verzicht auf die Übernahme der Pflegekosten bei Unterzeichnung dieses „Nachtrages“ festgestellt werden; so bestehen doch erhebliche Zweifel an der Dispositionsfähigkeit der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Unterfertigung im Oktober 2020, wobei seitens des Vertreters auch keine Maßnahmen ergriffen wurden, um die vertraglichen Ansprüche seiner Mandantin zu schützen.

Zur Qualifikation dieses Nachtrages als Vertrag, mit dem die Leistungspflicht der Übernehmer beendet wurde, mit dem Frau K L also auf die Leistung der Tochter bzw. des Schwiegersohnes effektiv verzichtet hat, ist im Lichte der genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes jedenfalls festzuhalten, dass eine derartige Erklärung den vorrangigen und überwiegenden Zweck hatte, die Leistungspflicht der Sozialhilfe herbeizuführen. Das Ermittlungsverfahren hat jedenfalls zweifelsfrei ergeben, dass auf Leistungen der Sozialhilfe ursprünglich eher verzichtet werden sollte, um einen Zugriff auf das Einkommen bzw. Vermögen der anderen Töchter zu verhindern.

Der vorgelegte Nachtrag vom 27.10.2020 kann daher, sofern er überhaupt als tatsächlicher Verzicht zu werten ist, jedenfalls als rechtsmissbräuchlich gedeutet werden. Im Lichte dieser Erwägungen wäre daher ein tatsächlicher Verzicht auf die ursprünglich zugesagte Übernahme der Pflege(rest)kosten als rechtsmissbräuchlich und daher im Rahmen der Gewährung der Sozialhilfe nicht beachtlich einzustufen. An dieser rechtlichen Beurteilung ist auch aus dem Blickwinkel des vom Bundesverfassungsgesetzgeber per 1. Jänner 2018 abgeschafften Vermögens-regresses nichts zu beanstanden, da ja hier die öffentliche Hand nicht zur Finanzierung der Pflege auf das Vermögen eines zu Pflegenden zugreift, sondern auf eine mittels Vertrag zugesicherte (und auch tatsächlich geleistete) regelmäßige finanzielle Leistung, die die Pflegekosten abdeckt.

Abschließend sei nochmals festgehalten, dass der Lebensbedarf der Beschwerdeführerin während des gesamten Heimaufenthaltes durch Begleichung der Heimkosten vollends gedeckt war, weswegen ihre Hilfsbedürftigkeit zu verneinen ist. Zudem bestehen aufgrund des Geschenks- und Übergabevertrag vom 21.12.2000 Ansprüche der Beschwerdeführerin auf Tragung der Heimrestkosten, auf die im Sinne der Subsidiarität der Sozialhilfe und der ausdrücklichen gesetzlich normierten Rechtsverfolgungspflicht grundsätzlich wirksam dann nicht verzichtet werden kann, wenn der Verzicht offenbar den Zweck hat, den Träger der Sozialhilfe zu schädigen bzw. die Leistungspflicht der Sozialhilfe herbeizuführen.

Die weitere Besonderheit im vorliegenden Verfahren stellt auch die Rolle des Vertreters der Beschwerdeführerin dar. Dieser hat von Anbeginn an die Ehegatten G beraten und naturgemäß diesbezüglich auch deren Interessen auf Nichteinhaltung der eingegangenen Verpflichtung unterstützt. Obwohl weder Frau F G noch ihr Ehegatte als Vertreter der Beschwerdeführerin fungieren, ist deren Anwalt gleichzeitig als Vertreter der Beschwerdeführerin vor Gericht aufgetreten und hat in diesem Zusammenhang bei Beginn der mündlichen Verhandlung angegeben, dass es der Beschwerdeführerin im Sinne des § 5 Abs. 2 SHG nicht zumutbar sei bzw. mit einem unverhältnismäßig hohen Kostenrisiko verbunden sei, die von der belangten Behörde behaupteten Ansprüche gegen deren Tochter Frau F G und deren Ehemann Herrn Ing. H G – also seine eigentlichen Mandanten – zu verfolgen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführerin auch von Seiten des Landesverwaltungsgerichts Steiermark die beantragte Leistung der Sozialhilfe nicht zuzuerkennen waren und musste der gegen den bekämpften Bescheid erhobenen Beschwerde ein Erfolg versagt sein. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Sozialhilfe, Übergabsvertrag, Übernahme der Pflegeheimrestkosten, Nachtrag zum Übergabsvertrag, Beendigung der Leistungspflicht, rechtsmissbräuchlich, Vermögensregress

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.47.2.99.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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