Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.DDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Oktober 1992, Zl. GA 11-1093/92, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erhob in seiner Eigenschaft als berufsmäßiger Parteienvertreter für vier Staatsangehörige von Sri Lanka Beschwerde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im folgenden: UVS NÖ) gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG und beantragte im selben Schriftsatz für diese vier Parteien die Gewährung der Verfahrenshilfe. Der UVS NÖ wies diese Verfahrenshilfeanträge ab.
Dem amtlichen Befund über eine Verkürzung von Stempel- oder Rechtsgebühren des UVS NÖ vom 11. Juli 1991 ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer telefonisch zur Beibringung der Stempelmarken aufgefordert erklärte, daß er an einer grundsätzlichen Klärung der Gebührenpflicht interessiert sei.
Mit Bescheid vom 13. April 1992 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (im folgenden: Finanzamt) die Stempelgebühr für vier Eingaben und vier Ansuchen gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG i.V.m. § 12 Abs. 1 GebG mit S 960,-- fest; außerdem wurde eine 50 %-ige Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG vorgeschrieben.
In seiner dagegen erstatteten Berufung machte der Beschwerdeführer insbesondere geltend, der Antrag auf Verfahrenshilfe sei nicht als gesonderter Antrag zu werten, weil er in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Beschwerde stehe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen mehreren Begehren, wenn über jedes einzelne selbständig und unabhängig vom anderen zu entscheiden sei. Die Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe seien kein Akzessorium der Hauptbeschwerde. Hinsichtlich der Gebührenerhöhung sei zufolge der objektiven Rechtsfolge des § 9 Abs. 1 GebG auf Billigkeitserwägungen nicht Bedacht zu nehmen.
Die Behandlung der dagegen ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 22. März 1993 abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung abgetreten. Nach Ergänzung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer legte der Bundesminister für Finanzen die Akten des Verwaltungsverfahrens und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, für Verfahrenshilfeanträge keine Eingabengebühr entrichten zu müssen. Der weiteren Begründung der Beschwerde ist allerdings zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer auch gegen die Gebührenerhöhung gemäß § 9 GebG zur Wehr setzt.
Abgesehen von den Folgen der Bewilligung der Verfahrenshilfe, stellt ein Verfahrenshilfeantrag eine Eingabe von Privatpersonen an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises dar, welche die Privatinteressen des Einschreiters betrifft, und somit einer festen Gebühr von S 120,-- unterliegt (§ 14 TP 6 Abs. 1 GebG).
Nach Auffassung des Beschwerdeführers wurden aber nicht in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt, sodaß die entsprechende Mehrfachvergebührung gemäß § 12 Abs. 1 GebG nicht zur Anwendung käme.
Gemäß § 12 Abs. 1 GebG ist dann, wenn in einer Eingabe mehrere Ansuchen gestellt werden, für jedes Ansuchen die Eingabengebühr zu entrichten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Kumulierung mehrerer Anträge anzunehmen, wenn in ein und demselben Schriftsatz mehrere Amtshandlungen begehrt werden, die untereinander in keinem Zusammenhang stehen. Ein innerer, sachlicher oder rechtlicher Zusammenhang zweier Anträge dergestalt, daß ein Antrag nur ein Akzessorium zu dem anderen Antrag darstellt, schließt die Erhebung einer mehrfachen Eingabengebühr aus. Das Verhältnis der Akzessorietät eines Antrages zu einem anderen Antrag liegt vor, wenn ein Antrag nur zur Stützung des Hauptantrages und der Wahrung von Parteienrechten dient. Die willkürliche Zusammenfassung mehrerer Anträge in einem Gesuch, ohne daß ein Begehren von den anderen derart abhängig ist, daß es an das Bestehen des anderen gebunden ist, führt zur mehrfachen Gebührenpflicht (siehe die Nachweise bei Gaier, Kommentar zum Gebührengesetz3, RZ 8 zu § 12 GebG).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Reihe von Fällen (siehe die Nachweise bei Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuern Band I, zweiter Teil, § 12 GebG, Ergänzung 30/1995) eine derartige Akzessorietät abgelehnt; hervorgehoben sei etwa die gesonderte Gebührenpflicht des in einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gestellten Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 25. Jänner 1988, Zl. 87/15/0143). Hingewiesen sei auch auf das Erkenntnis vom 14. April 1986, Zl. 85/15/0324, 0332, in welchem der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung wiederholte, daß selbst ein Urgenzschreiben hinsichtlich gebührenpflichtiger Eingaben für sich gebührenfplichtig ist.
Anerkannt wurde die Akzessorietät in dem Fall, als gleichzeitig mit einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof führte im Erkenntnis vom 13. April 1972, Slg. 4.372/F, aus, daß der innere Zusammenhang der an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und des in der Beschwerdeschrift gestellten Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus dem Gesetz (§ 30 VwGG) folge. Der Antrag, der nach der damaligen Rechtslage
BGBl. Nr. 459/1965 gleichzeitig mit der Beschwerde einzubringen war, stelle ein Akzessorium zur Beschwerde dar, da der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Einbringung einer Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zur Voraussetzung habe, mit welcher er nach dem Gesetz bei sonstiger Zurückweisung zu verbinden sei. Daran ändere der Umstand nichts, daß in der Regel über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgesondert mit Beschluß entschieden werde.
Abgesehen davon, daß die geltende Rechtslage diese zwingende Verbindung des Aufschiebungsantrages mit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht mehr vorsieht, bestehen hinsichtlich der Akzessorietät entscheidende Unterschiede zwischen einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und einem Verfahrenshilfeantrag. Der Verfahrenshilfeantrag kann im allgemeinen jederzeit, insbesondere auch VOR dem verfahrenseinleitenden Antrag gestellt werden. Dem Antragsteller wird - auch durch entsprechende Fristbestimmungen - die Möglichkeit gegeben, erst nach Abspruch über den Verfahrenshilfeantrag darüber zu entscheiden, ob er das Verfahren überhaupt einleitet oder nicht. Der Verfahrenshilfeantrag dient also nicht NUR zur Stützung des Hauptantrages und der Wahrung von Parteienrechten, sondern erlaubt dem Antragsteller die Disposition über das mit der Verfahrenseinleitung verbundene Kostenrisiko. Keineswegs besteht zwischen beiden Anträgen ein solcher Zusammenhang, daß ein Begehren von dem anderen derart abhängig ist, daß es an das Bestehen des anderen gebunden ist.
Dazu kommt im vorliegenden Fall, daß der Beschwerdeführer gar keine taugliche Rechtsgrundlage für seine Verfahrenshilfeanträge nennen konnte. Hinsichtlich des hier gegenständlichen Maßnahmebeschwerdeverfahrens sieht nämlich das AVG keine Verfahrenshilfe vor (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, 174). Auch aus diesem Grund kann bei einem Antrag, der im Gesetz keine Deckung findet, von einem der Stützung des Hauptantrages und der Wahrung von Parteienrechten dienenden Antrag keine Rede sein. Die belangte Behörde ist also auch aus diesem Grunde zu Recht von einer Gebührenkumulation gemäß § 12 Abs. 1 GebG ausgegangen.
Gemäß § 9 Abs. 1 GebG ist eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 v.H. der verkürzten Gebühr zu erheben, wenn eine Gebühr, die nicht vorschriftsmäßig in Stempelmarken entrichtet wurde, mit Bescheid festgesetzt wurde. Diese Gebührenerhöhung wird als objektive Rechtsfolge einer nicht vorschriftsmäßigen Entrichtung von Gebühren in Stempelmarken zwingend angeordnet; infolge der Ausgestaltung der Gebührenerhöhung als objektive Säumnisfolge bleibt für die Berücksichtigung von Billigkeitsgründen kein Raum (siehe die Nachweise bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren5, 52). Es kommt daher auf die Frage, ob der Beschwerdeführer die Gebührenpflicht erkennen konnte, überhaupt nicht an; das von ihm zitierte Erkenntnis vom 1. Dezember 1976, Slg. 5.051 F, erging zu § 9 GebG vor der durch das Abgabenänderungsgesetz 1987, BGBl. Nr. 80, geändeten Fassung des § 9 GebG.
Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes DiversesVerfahrensrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1993160082.X00Im RIS seit
07.06.2001Zuletzt aktualisiert am
28.12.2009