TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/26 93/12/0241

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.1996
beobachten
merken

Index

72/02 Studienrecht allgemein;

Norm

AHStG §26 Abs9;
AHStG §37 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Akademischen Senates der Universität Wien vom 29. Juni 1993, GZ. 82/13 - 1990/91, betreffend Widerruf der Verleihung des Akademischen Grades "Doktor der Philosophie", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfaßte im Rahmen seines Doktoratsstudiums die Dissertation "Geschichte der damaszenischen Bibliotheken vom 12. - 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur islamischen Bibliotheksgeschichte." Diese Arbeit wurde am 28. Februar 1974 approbiert. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 10. Juli 1974 promoviert und ihm der akademische Titel "Doktor der Philosophie" verliehen.

...

Mit dem mit 7. März 1991 datierten Bescheid widerrief die Behörde I. Instanz die am 10. Juli 1974 erfolgte Verleihung des akademischen Grades "Doktor der Philosophie", zog die dem Beschwerdeführer darüber ausgestellte Urkunde ein, und verpflichtete ihn, diese binnen einem Monat zurückzustellen.

In der Begründung führte sie nach Darstellung des wesentlichen Sachverhaltes aus, eine Abhängigkeit der Dissertation G von der Dissertation des Beschwerdeführers müsse in erster Linie aus den in eingeholten Gutachten angeführten textkritischen Gründen ausgeschlossen werden. Die von Prof. H und Dr. E in ihren früheren Stellungnahmen noch als mögliche und zu erwägende Alternative, beide Dissertationen könnten auf eine gemeinsame dritte Quelle zurückgehen, würde keine Entlastung des Beschwerdeführers bedeuten, sondern lediglich G in gleicher Weise als Plagiator belasten. Die Aussage des Beschwerdeführers, die dieser als notwendige Erklärung und Begründung seines Plagiatsvorwurfes gegen G gemacht habe, G habe anläßlich eines Besuches beim Beschwerdeführer in der zweiten Hälfte der 60er Jahre die damals bereits fertiggestellte Dissertation einsehen dürfen und diese, wie der Beschwerdeführer vermute, bei dieser Gelegenheit kopiert, lasse sich in ihrer Richtigkeit nicht erweisen. Sie sei eine reine Behauptung, für die der Beschwerdeführer keinen einzigen Beweis beibringen könne. Außerdem müsse man, falls sie zuträfe, annehmen, daß Prof. G, der die Dissertation des Beschwerdeführers betreut habe, aus dem von G angeblich kopierten und nach Aussage des Beschwerdeführers umfangreicheren, ursprünglichen Manuskript der Dissertation genau jene Abschnitte für den Text der einzureichenden Dissertation ausgewählt habe, die auch von G in dessen Dissertation aufgenommen worden seien. Denn auch G habe, wenn die Darstellung des Beschwerdeführers richtig sei, aus dem umfangreicheren Manuskript eine Auswahl treffen müssen. Zwischen Diplomarbeit und Dissertation G"s bestehe wohl ein inhaltlicher, jedoch nur ein geringer formaler Zusammenhang, sodaß die Gleichheiten im Text der beiden Dissertationen nicht auf ein gemeinsames ursprüngliches Manuskript zurückgehen könnten. Andererseits lasse sich ein Fortschreiten von der Diplomarbeit G"s zu dessen Dissertation feststellen. Dem entspreche, daß sich die Benützung von Handschriften der Sammlung Wetzstein - ohne die sich die Ergebnisse der Dissertation des Beschwerdeführers nicht erklären ließen - durch G belegt sei, während der Beschwerdeführer diese Sammlung zugestandener Maßen nie persönlich benützt habe. Falls G die Arbeit des Beschwerdeführers tatsächlich in genannter Weise, d. h. in Fortführung seiner Diplomarbeit, plagiiert hätte, müßte man annehmen, daß er die bei seinem Besuch beim Beschwerdeführer kopierte Arbeit zunächst auf die Form der Diplomarbeit reduziert und sie dann unter Leitung seines Bonner Dissertationsvaters so erweitert hätte, daß sie nahezu wörtlich mit der in Wien eingereichten Dissertation des Beschwerdeführers übereinstimmte. Nehme man jedoch an, daß die Diplomarbeit unabhängig vom Manuskript des Beschwerdeführers verfaßt worden sei, müsse man für G"s Dissertation in ganz analoger Weise das Ausgehen von einer reduzierten Form des plagiierten Manuskriptes und seine kontinuierliche Erweiterung bis zur fast wörtlichen Textierung, wie sie in der vom Beschwerdeführer eingereichten Dissertation vorliege, annehmen. Denn das kontinuierliche Arbeiten an seiner Dissertation in Bonn werde ausdrücklich bestätigt. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer nach eigener Angabe die fertige Dissertation aus Damaskus mitgebracht. Darüberhinaus könne der Beschwerdeführer zum Beweis seiner Angaben nur eidestattliche Erklärungen von Familienmitgliedern und Bekannten bzw. Untergebenen beibringen, oder Bestätigungen, die in keiner Weise erhärtet hätten, daß den betreffenden Gewährsleuten die gegenständliche Arbeit tatsächlich im vorliegenden Wortlaut bekannt gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22. März 1991 Berufung, in der er im wesentlichen geltend machte, der Bescheid entspreche in keiner Weise der Verpflichtung zu einer ordentlichen Bescheidbegründung. Er enthalte u.a. eine Schilderung des Verfahrensablaufes vermischt mit etwas Beweiswürdigung. Weiters seien dem Beschwerdeführer eine Reihe von dem Bescheid offensichtlich zugrundegelegten Stellungnahmen nicht zur Kenntnis gebracht worden, sodaß das Parteiengehör verletzt worden sei. Auch seien keine seiner Beweisanträge berücksichtigt worden.

Mit Datum 29. Juni 1993 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung des Beschwerdeführers abwies.

...

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen aus der Verleihung des akademischen Grades "Doktor der Philosophie" entspringenden Rechten, insbesondere dem Recht auf Führung dieses Titels, verletzt.

Gemäß § 1 Abs. 1 der im Beschwerdefall (gemäß § 18 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen, BGBl. Nr. 326/1971, in Verbindung mit § 45 Abs. 7 AHStG in der Stammfassung) angewandten Verordnung des Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten vom 3. September 1945 über die philosophische Rigorosenordnung, StGBl. Nr. 165, ist zur Erlangung des Doktorgrades an der philosophischen Fakultät einer österreichischen Universität die Vorlage einer wissenschaftlichen Abhandlung und die Ablegung zweier Rigorosen erforderlich. Zweck dieser Prüfungen ist gemäß Abs. 2 leg. cit. festzustellen, ob und in welchem Grade eine Befähigung zur wissenschaftlichen Forschung erreicht wurde.

Nach § 2 leg. cit. hat die geschriebene oder gedruckte Abhandlung eine wissenschaftliche Untersuchung über ein frei gewähltes Thema aus einem der dem Bereiche der philosophischen Fakultät angehörigen und mindestens durch eine Lehrkanzel vertretenen Fächer zu enthalten.

Gemäß § 34 Abs. 1 erster Satz des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG), BGBl. Nr. 177/1966, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 306/1992, werden akademische Grade aufgrund ordentlicher Studien vom zuständigen Organ der Universität im autonomen Wirkungsbereich (§ 64 Abs. 3 lit. q UOG) als Würdigung der in den Prüfungen erwiesenen Leistungen verliehen.

Nach § 36 Abs. 2 AHStG werden die Doktorgrade an Bewerber verliehen, die u.a. ihre Fähigkeit zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit durch die Verfassung einer Dissertation bewiesen haben.

Nach § 37 Abs. 1 leg. cit. geht der akademische Grad unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen unter anderem durch Widerruf (lit. a) verloren.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Verleihung des akademischen Grades zu widerrufen, wenn sich nachträglich ergibt, daß der akademische Grad insbesondere durch gefälschte Zeugnisse erschlichen worden ist.

Für den Widerruf des akademischen Grades ist jene akademische Behörde zuständig, die den Grad verliehen hat (§ 37 Abs. 3 leg. cit.).

Bei Verlust des akademischen Grades ist nach Abs. 5 dieser Bestimmung die Einziehung der Verleihungsurkunde mit Bescheid auszusprechen.

Gemäß § 32 AHStG ist eine Prüfung, zu der die Zulassung oder der Erfolg auch nur in einem Teil erschlichen wurde, für ungültig zu erklären. Nach Erwerbung eines akademischen Grades gilt § 37.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob der Beschwerdeführer seine Dissertation selbständig verfaßt hat, oder ob er die Dissertation G"s plagiiert hat.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, ihm sei im Verfahren nicht ausreichend Parteiengehör gewährt worden. Aus Anlaß seiner Einvernahmen im Verfahren vor der Behörde I. Instanz sei er zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen befragt worden. Weder sei ihm aber der genaue Wortlaut der Vorwürfe vorgehalten noch der exakte und vollständige Inhalt der zu diesem Zeitpunkt vorgelegenen Beweisergebnisse zugänglich gemacht worden. Dies sei im Beschwerdefall, wo es um wissenschaftliche Überprüfungen und Vergleiche gehe, umso gravierender, als zur Überprüfung der Stichhaltigkeit dieser Beweismittel ein ausführliches Studium, für das erhebliche Zeit benötigt werde, erforderlich sei. Ihm sei der Inhalt einer Reihe von (namentlich aufgezählten) Stellungnahmen (aus 1987 bis Jänner 1989) nicht zugänglich gemacht worden.

Dem ist zu entgegnen, daß die vom Beschwerdeführer angeführten Stellungnahmen aus 1987 bis Jänner 1989 aus der Zeit der ersten Ermittlungen vor Einsetzung einer mit der weiteren Prüfung betrauten Kommission der Behörde I. Instanz stammen. Sie sind ihrem Inhalt nach, soweit sie überhaupt verwertet wurden, entweder

a) vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Dies betrifft die Feststellung, wonach G mit dem Beschwerdeführer in Damaskus in Kontakt getreten sei, sowie die aus dem Schreiben von Dr. G, Prof. N und Dr. F über die zeitliche Entstehung der Dissertation Dris. G und die Benützung des Tübinger Depots der Orientabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (vgl. Punkt 2d des angefochtenen Bescheides) getroffenen Aussagen; oder

b) durch den Gang des weiteren Ermittlungsverfahrens überholte Ergebnisse. Dies betrifft vor allem die Stellungnahme Dris. A (vgl. dazu die späteren Stellungnahmen von Dr. H, He und E) sowie von Dr. Sch (zum Auffinden der Hausarbeit Dris. G). Jene (späteren) Gutachten, aus denen die belangte Behörde ihre Schlußfolgerungen betreffend Vorliegen eines Plagiats durch die Arbeit des Beschwerdeführers zog, wurden dem Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs übermittelt; er hat zu ihnen auch unfänglich inhaltlich Stellung genommen (vgl. dazu seine Stellungnahmen vom 29. Dezember 1989 und vom 5. Februar 1990). Abgesehen davon hat sich der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Behauptung der Verletzung des Parteiengehörs begnügt, ohne darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre, obwohl sich die belangte Behörde mit diesem bereits im Berufungsverfahren erhobenen Vorwurf (unter Angabe des wesentlichen Inhalts dieser Stellungnahmen) auseinandergesetzt hat.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, der angefochtene Bescheid berufe sich vor allem auf die Gutachten von Prof. H, ohne auf Widersprüche bzw. auf Aussagen in diesen einzugehen, die den Standpunkt des Beschwerdeführers stützten.

Dem und den folgenden Vorbringen, soweit sie die von der belangten Behörde geübte freie Beweiswürdigung in Kritik ziehen, ist vorab folgendes zu erwidern: Bei der Beweiswürdigung handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht um eine Frage der Gesetzesanwendung, sondern um einen Denkvorgang, der dazu bestimmt ist, den einer Norm zu unterstellenden Tatbestand zu gewinnen. Da der Verwaltungsgerichtshof nur eine nachprüfende Tätigkeit auszuüben, keinesfalls aber (bei einer Bescheidbeschwerde) eine Sachentscheidung zu fällen hat, kann die Beweiswürdigung nur insoweit überprüft werden, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Denkvorgang zu einem den Denkgesetzen entsprechenden Ergebnis geführt hat, bzw. ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (siehe dazu in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 548 ff zu § 41 VwGG wiedergegebene Judikatur).

Dem konkreten obigen Vorbringen ist zu erwidern, daß sich die belangte Behörde bezüglich des Plagiatsvorwurfes nicht nur auf die Gutachten Dris. H, sondern auch auf die von Dr. He und Dr. E stützte. Im übrigen läßt der Einwand des Beschwerdeführers außer Acht, daß die zweite Stellungnahme Dris. H, in der dieser (anders als in seinem ersten Gutachten) zum Ergebnis gelangte, daß der dringende Plagiatsverdacht sich zur "Gewißheit verstärkt" habe, sich mit näherer Begründung auf die Berücksichtigung der im Zeitpunkt der Erstellung des ersten Gutachtens noch nicht vorgelegenen Diplom(Haus)arbeit und ihrem Verhältnis zur Dissertation Dris. G berief und deshalb die (noch im ersten Gutachten erwogene) Möglichkeit ausschloß, beide Autoren hätten eine gemeinsame Vorlage benutzt. Der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, in der zweiten Stellungnahme Dris. H gebe es Hinweise dafür, daß Dr. G die Arbeit des Beschwerdeführers plagiiert habe, läßt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes diesem Gutachten nicht entnehmen. Insbesondere hat sich die belangte Behörde auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gedenkstätte des Urwa auseinandergesetzt und schließlich ausgeführt, daß es sich bei der Abweichung um eine grammatikalische Richtigstellung gehandelt hat. Die Überlegung, daß es beim Kopieren der Arbeit glaubwürdiger sei, daß jemand eine grammatikalisch mißglückte Formulierung der Vorlage durch eine einwandfreie ersetzt als umgekehrt, kann nicht als unschlüssig erkannt werden.

Weiters rügt der Beschwerdeführer die Annahme der belangten Behörde, die Dissertation Dris. G sei eine Weiterführung seiner Diplomarbeit. Diese stütze sich bloß auf das Argument, G sei von seinem Doktorvater betreut worden. Dies sei aber nicht festgestellt worden.

Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Behauptung der Weiterführung der Diplomarbeit zur Dissertation nicht ausschließlich oder überwiegend auf die Behauptung der Betreuung des G durch einen "Doktorvater" stützt.

Ausschlaggebend war dafür vielmehr der inhaltliche Vergleich von Dissertation und Diplomarbeit unter Zugrundelegung der Gutachten von Dr. H und Dr. E.

Der Beschwerdeführer behauptet weiters, die von ihm vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen seien nicht berücksichtigt worden. Wenn die belangte Behörde meine, diese Erklärungen seien nicht ausreichend, so hätte sie diese Personen vernehmen müssen.

Dazu ist zu bemerken, daß die belangte Behörde aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismitteln abgeleitet hat, er habe während seiner Zeit in Damaskus über die Geschichte der Damaszenerbibliotheken gearbeitet, bei seiner Ankunft in Wien sei aber seine Dissertation noch nicht fertiggestellt gewesen. Dies steht mit dem Inhalt der vom Beschwerdeführer vorgelegten Aussagen nicht in Widerspruch, hat doch keine Auskunftsperson hinreichend fundierte Angaben über den Stand der Arbeit gemacht, an der diese Personen in unterschiedlicher Weise im Zuge von Hilfsarbeiten unterstützend mitgewirkt haben. Insbesondere ergibt sich daraus kein Widerspruch zur Stellungnahme von Prof. P vom 18. Jänner 1989, nach dessen Erinnerung die 1967 vorgelegte Arbeit des Beschwerdeführers eher den Eindruck eines guten Konzepts, das noch ergänzungsbedürftig gewesen sei, gemacht habe. Bei dieser Sachlage bestand aber keine Verpflichtung der Behörde zur Einvernahme der Familienmitglieder des Beschwerdeführers als Zeugen.

Der Behauptung, die belangte Behörde habe sich mit der Frage der Verfügbarkeit der Dissertation Dris. G an der Österreichischen Nationalbibliothek nicht auseinandergesetzt, wohl sei dessen Dissertation schon 1970 eingelangt, hätte aber erst katalogisiert werden müssen, was einige Zeit in Anspruch nehme, ist folgendes entgegenzuhalten: Wie der Beschwerdeführer, der (ab 1973) Bediensteter der Österreichischen Nationalbibliothek war, selbst bei seiner Einvernahme am 30. Mai 1989 angegeben hat, dauere es ein bis zwei Jahre vom Erwerb des Buches bis zu seiner Aufstellung. Selbst unter der Annahme des Zutreffens dieser Behauptung wäre damit spätestens ab Oktober 1972 die Dissertation Dris. G auch tatsächlich für Benützer der Österreichischen Nationalbibliothek und damit noch hinreichende Zeit vor Abgabe der Dissertation des Beschwerdeführers (Februar 1974) zur Verfügung gestanden. Es konnte daher im Ergebnis auch die vom Beschwerdeführer unter anderem auch zu diesem Thema beantragte Einvernahme eines anderen Beamten der Österreichischen Nationalbibliothek unterbleiben. Die diesbezüglichen Verfahrensrügen des Beschwerdeführers treffen daher nicht zu, ohne daß sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage auseinanderzusetzen hätte, ob es überhaupt auf die Zugangsmöglichkeit des Beschwerdeführers zur Dissertation Dris. G im Wege der Nationalbibliothek ankommt oder nicht.

Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, die Ergebnisse an der Universität Bonn im Parallelverfahren zur Dissertation Dris. G seien nicht berücksichtigt worden. Vor allem hätte sich die belangte Behörde mit dem wesentlichen Inhalt eines an den Beschwerdeführer gerichteten Schreibens des Dekans der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn vom 15. Dezember 1989 auseinandersetzen müssen, wonach Prof. W nach Vergleich der beiden Dissertationen "spezifische Unterschiede zwischen den beiden Arbeiten" festgestellt habe, die zu dem Ergebnis geführt hätten, daß der "Plagiatsverdacht unhaltbar" sei. Aus der Tatsache, daß Dr. W sein Gutachten nicht dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht haben wollte, könne nur der Schluß gezogen werden, daß Dr. W einen Plagiatsverdacht gegen Dr. G hege. Die belangte Behörde hätte sich nicht mit dieser eigenartigen Erklärung zufrieden geben dürfen, sondern weitere Ermittlungen anstellen müssen.

Dem ist zu erwidern, daß sich die Stellungnahme des Dekans der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn auf den (in einer Anzeige des Beschwerdeführers geäußerten) Verdacht bezog, nicht der Beschwerdeführer habe die Arbeit Dris. G plagiiert, sondern umgekehrt habe Dr. G die Arbeit des Beschwerdeführers kopiert. In dem (vom Beschwerdeführer nur unvollständig zitierten) Schreiben vom 15. Dezember 1989 wird auch unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, "daß der gegen Dr. G gegenüber geäußerte Plagiatsverdacht unhaltbar ist". Im Rahmen des Verfahrensgegenstandes des angefochtenen Bescheides war ausschließlich zu klären, ob der Plagiatsvorwurf gegen den Beschwerdeführer zutrifft oder nicht. Bei der Feststellung des demnach zu klärenden maßgeblichen Sachverhaltes spielte dabei aufgrund der wechselseitigen Plagiatsvorwürfe auch die Frage eine Rolle, ob nicht Dr. G die Arbeit des Beschwerdeführers plagiiert haben könnte, ohne daß freilich der Ausgang des an der Universität Bonn vom Beschwerdeführer gegen Dr. G ausgelösten Verfahrens Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren gegen den Beschwerdeführer entfalten konnte (und umgekehrt). Die Behörden des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben diese Frage auch zutreffend durch Einholung zahlreicher anderer Gutachten, die im wesentlichen auf einen Textvergleich beider Dissertationen und die Entstehungsgeschichte der Dissertation Dris. G beruhen, selbständig geklärt und haben hinreichend begründet, weshalb der Plagiatsvorwurf gegen den Beschwerdeführer zutrifft (was im Ergebnis mit dem Ausgang des Verfahrens gegen Dr. G vor der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn insofern übereinstimmt, als danach Dr. G nicht die Arbeit des Beschwerdeführers plagiiert hat). Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde nicht gehalten, die näheren Umstände zu klären, aufgrund welcher Überlegungen die deutsche akademische Behörde zu ihrem Ergebnis gelangte; insbesondere konnte aus der Weigerung von Prof. W (der im Verfahren gegen Dr. G an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn zum Plagiatsverwurf ein Gutachten erstellt hatte), sein Gutachten im vorliegenden Verfahren gegen den Beschwerdeführer verwerten zu lassen, nicht der vom Beschwerdeführer gezogene Schluß, Dr. G sei in Wahrheit der Plagiator, als einzige richtige Folgerung abgeleitet werden, sodaß auch kein aufklärungsbedürftiger Widerspruch zu den sonstigen Ermittlungsergebnissen vorlag.

Der Beschwerdeführer rügt ferner die Auffassung der belangten Behörde, die Einvernahme des (mittlerweile 1988 verstorbenen) von ihm beantragten Zeugen Dr. D im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung von Kopien von Handschriften aus der Sammlung Wetzstein, sei irrelevant: Dies sei deshalb unrichtig, weil die Behörde I. Instanz bezweifelt habe, daß der Beschwerdeführer Unterlagen dieser Sammlung in Kopie erhalten habe, und daraus ein wesentliches Argument gegen die Urheberschaft des Beschwerdeführers an seiner Dissertation abgeleitet habe. Da es die belangte Behörde unterlassen habe, sich mit Verfahrensmängeln der Behörde I. Instanz zu beschäftigen, habe sie ihren Bescheid mit groben Verfahrensmängeln belastet.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Funktion als Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt war, unter anderem auch in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Dies schließt mit ein, abweichend von der Behörde I. Instanz, die Bedeutung von Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens für die zu treffende Entscheidung anders zu gewichten. Davon hat die belangte Behörde in bezug auf die Bedeutung des durch eine Zeugeneinvernahme Dris. D abgedeckten Beweisthemas (Benützung der Sammlung Wetzstein, obwohl der Beschwerdeführer - unbestritten - nicht als deren Benützer aufschien) - im Hinblick auf die anderen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens - Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen nicht dargetan, daß und warum er diese "Umgewichtung" dieses Beweisthemas durch die belangte Behörde für den Ausgang des Verfahrens für rechtswidrig erachtet. Diesbezüglich sind auch beim Verwaltungsgerichtshof wegen der übrigen Ergebnisse der Ermittlungen keine Bedenken entstanden. Im übrigen wurde der Beschwerdeführer erstmals bei der Besprechung am 17. Juni 1987 vom Plagiatsvorwurf in Kenntnis gesetzt und er darauf hingewiesen, daß er damit rechnen müsse, daß die Geisteswissenschaftliche Fakultät Beweise - etwa in Form von Konzepten oder Materialsammlungen - verlangen würde. Zu diesem Zeitpunkt lebte Dr. D noch (Ableben 1988); der Beschwerdeführer hat im Rahmen seiner ihn treffenden Mitwirkungsverpflichtung (zu diesem Zeitpunkt war nur ihm die Rolle von Prof. D für die - angebliche - Beschaffung von wichtigem Material für die Abfassung der Dissertation bekannt, zumal der Beschwerdeführer Prof. D im Vorwort seiner Dissertation überhaupt nicht erwähnt hatte) weder den Namen und die Rolle von Prof. D bekanntgegeben, noch Schritte unternommen, um seine spätere Argumentationslinie (die der Beschwerdeführer erstmals bei seiner Einvernahme vor der Kommission am 30. Mai 1989 gebrauchte) zu untermauern oder auch nur Gründe dafür anzugeben, warum ihm eine Kontaktnahme zu diesem Zeitpunkt mit Prof. D nicht möglich gewesen wäre.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit seinem weiteren Werdegang und insbesondere seiner einschlägigen Tätigkeit nach Abfassung der Dissertation (Tätigkeit bei der Österreichischen Nationalbibliothek; Lehrauftrag an der Philosophischen Fakultät für arabische Handschriftenkunde, Paläographie, Epigraphie und Kalligraphie; Erstellung eines Systems für die Katalogisierung orientalischer Handschriften; Vorbereitung von Ausstellungen mit dem Schwerpunkt islamische Buchkunst; einschlägige Vorträge und Teilnahme an Kongressen usw.) auseinandergesetzt. Dieses erstmals in der Beschwerde enthaltene Vorbringen ist schon im Hinblick auf das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß seine an der Universität Wien eingereichte Dissertation nahezu wörtlich mit der Dissertation von Dr. G übereinstimmt. Konnte die Behörde aber unbedenklich davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1966/67 noch keine fertige Arbeit vorzuweisen hatte, sondern seine Arbeit erst zu einem späteren Zeitpunkt vollendet hat, und aufgrund der schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Gutachten unter Berücksichtigung der (früheren) Diplomarbeit Dris. G feststellen, daß beide Autoren keine gemeinsame Vorlage benützt haben und der Beschwerdeführer (im Unterschied zu Dr. G) sehr wohl die Möglichkeit hatte, vor Einreichung seiner Dissertation die gedruckte Dissertation Dris. G einzusehen und diese zu verwerten, steht die von ihr gezogene Folgerung, der Beschwerdeführer habe die Arbeit Dris. G plagiiert, mit der Erfahrung des Lebens und den Denkgesetzen im Einklang. An dieser Beweiswürdigung kann der Verwaltungsgerichtshof - jedenfalls in dem oben skizzierten eingeschränkten Überprüfungsrahmen - keinen Anstoß nehmen.

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde zutreffend ausgeführt, daß der Beschwerdeführer durch das Plagiieren der Dissertation G"s den Tatbestand des Erschleichens nach § 37 AHStG erfüllt hat. Dadurch hat er nämlich die Behörde über seine Fähigkeit zu selbständigem wissenschaftlichen Arbeiten, deren Nachweis der Zweck der Dissertation (vgl. dazu § 1 der im Beschwerdefall anzuwendenden Verordnung, StGBl. Nr. 165/1945) ist, getäuscht.

Erschleichen setzt schuldhaftes Vorgehen voraus. Ein solches Vorgehen ist dann gegeben, wenn die Partei unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht macht, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist, wenn die Behörde auf die Angaben einer Partei angewiesen ist und eine Situation besteht, in der ihr nicht zugemutet werden kann, über die Richtigkeit und daher auch Vollständigkeit der Angaben noch Erhebungen von Amts wegen zu pflegen. Dies trifft auf die Stellung des Begutachters einer Dissertation zu, dem nicht zuzumuten ist, die vorgelegte Arbeit mit anderen Arbeiten wortwörtlich zu vergleichen. Er kann im Gegenteil grundsätzlich auf die intellektuelle Redlichkeit des Dissertanten vertrauen. Der Begutachter hat aber bei auftauchendem Plagiatsverdacht das Recht und die Pflicht, dem Verdacht nachzugehen, er hat aber nicht die Pflicht, von vornherein mit einem derartigen Verdacht an die Beurteilung jeder Arbeit heranzugehen (vgl. in diesem Zusammenhang die zu einer Diplomarbeit ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. März 1982,

Zlen. 81/07/0230, 0231, = SlgNF Nr. 10670A). Die Täuschungsabsicht des Beschwerdeführers geht schon daraus hervor, daß seine Dissertation im Falle der Aufdeckung des vollen Umfanges seiner Abschreibearbeit nicht positiv beurteilt hätte werden können.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anwendbaren Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Der belangten Behörde waren, weil sie nicht Beschwerdeführer oder mitbeteiligte Partei ist, nur die Kosten in der im Spruch festgesetzten Höhe zuzusprechen; das darüber hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993120241.X00

Im RIS seit

26.02.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten