TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/26 93/12/0179

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Veröffentlicht am 26.06.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
72/01 Hochschulorganisation;
72/02 Studienrecht allgemein;

Norm

AHStG §39;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §69 Abs1 lita;
AVG §69 Abs1 Z1 impl;
AVG §69 Abs3;
AVG §69 Abs4;
Führung ausländischer akademischer Grade 1945 §1 Abs1;
Führung ausländischer akademischer Grade 1945 §1 Abs2;
UOG 1975 §109;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des WN in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 23. April 1993, Zl. 56.103/5-I/B/15/93, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens in Sachen Führung eines ausländischen akademischen Ehrentitels, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde mit einer mit 1. März 1958 datierten Urkunde der "Hochschule Phoenix" zu Bari/Italien der Ehrentitel eines "Doktors der Hochschule "Phoenix"" verliehen. Dieses Diplom nahm der Beschwerdeführer am 1. April 1958 durch den damaligen Rektor der Hochschule für Welthandel entgegen.

Mit Schreiben an das Bundesministerium für Unterricht vom 6. Oktober 1965 ersuchte der Beschwerdeführer (nach Einholung einer Auskunft, daß die Führung eines akademischen Ehrentitels der Genehmigung bedurfte, mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 24. September 1965) darum, zu genehmigen, daß er diesen Titel in Österreich führen dürfe. Diesem Ansuchen legte er eine Kopie des Diplomes samt beglaubigter Übersetzung sowie eine beglaubigte Kopie der Einladung zur Diplomüberreichung an der Hochschule für Welthandel bei.

Auf Grund dieser Unterlagen übermittelte das Bundesministerium für Unterricht folgende Erledigung vom 23. November 1965 an den Beschwerdeführer:

I.

Bezugnehmend auf Ihre Zuschrift vom 24. September 1965 wird Ihnen anverwahrt die gewünschte Genehmigung zur Führung des Ihnen von der "Hochschule Phoenix" zu Bari verliehenen akademischen Ehrentitels übermittelt. Die zu diesem Zweck von Ihnen vorgelegten Urkundsabschriften und -übersetzungen sowie ho. nicht benötigte Bundesstempelmarken im Werte von 22.-- S folgen in der Anlage zurück.

Beilagen

II.

B e s t ä t i g u n g :

Es wird hiermit bestätigt, daß Herrn W seitens des BMU die Führung des ihm von der "Hochschule Phoenix" zu Bari/Italien verliehenen akademischen Ehrentitels

"Doctor Academiae Studiorum Phoenix" (Dr.h.c.) für den Bereich der Republik Österreich gemäß § 1 Absatz 2 der Verordnung vom 9. Juli 1945, StGBl. Nr.79/1945, genehmigt wurde."

In verschiedenen Eingaben legte im Jahre 1991 der Rechtsvertreter eines Dritten, gegen den der Beschwerdeführer wegen Ehrenbeleidigung beim Landesgericht für Strafsachen in Wien Privatanklage führte (darunter wegen des Vorwurfes, es sei dem Beklagten nicht bekannt, ob der Beschwerdeführer berechtigt wäre, den Titel eines "Dr.h.c." in Österreich zu führen), der belangten Behörde unter anderem mehrere Ausschnitte italienischer Zeitungen vor, wonach die Hochschule Phoenix keine von der italienischen Rechtsordnung anerkannte Universität gewesen sei, sondern vielmehr Doktorate verkauft habe. Daraufhin entschloß sich die belangte Behörde das Genehmigungsverfahren neuerlich zu überprüfen.

Die belangte Behörde verständigte hievon den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Juli 1991, in dem sie ausführte, § 39 AHStG spreche von "anerkannten ausländischen Hochschulen." Dazu sei anzumerken, daß nach der vorliegenden Sachlage auf Grund der geltenden Rechtsvorschriften eine Genehmigung zur Führung eines "Ehrentitels", der von einer Einrichtung wie der "Academia di Studi Superiori "Phoenix"" verliehen worden sei, zum heutigen Zeitpunkt seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung nicht erfolgen würde. Es sei auch davon auszugehen, daß weder zum damaligen noch zum heutigen Zeitpunkt eine österreichische Universität oder Hochschule Ehrentitel oder akademische Grade einer Einrichtung wie der "Academia" nostrifizieren würde; nach der vorliegenden Aktenlage sei eine Nostrifizierung eines vom Beschwerdeführer innegehabten akademischen Grades oder Ehrentitels nicht erfolgt. Die Rechtsnatur des ihm am 1. April 1958 vom Rektor der damaligen Hochschule für Welthandel in Wien überreichten Diplomes sei ungeklärt. Aus den Unterlagen der nunmehrigen Wirtschaftsuniversität Wien könne nicht mehr festgestellt werden, ob dem Beschwerdeführer seinerzeit vom damaligen Rektor der Hochschule für Welthandel ein Diplom überreicht worden sei; im allgemeinen würden alle Schriftstücke der Hochschule für Welthandel mit Geschäftszahlen versehen: Das den Beschwerdeführer betreffende Schreiben der Hochschule für Welthandel vom 26. März 1958 enthalte keine solche Zahl, womit auch eine ordnungsgemäße Archivierung nicht möglich gewesen sei. Der auf diesem Schreiben unterzeichnete Doktor L. sei auch bereits verstorben. Der Beschwerdeführer scheine weder in den Studien- noch in den Personalunterlagen der Hochschule für Welthandel bzw. der Wirtschaftsuniversität Wien auf. Da er zum Zeitpunkt der Verleihung bereits den Namen "W" geführt habe, sei nicht untersucht worden, ob er unter seinem ursprünglichen Namen in den Unterlagen aufscheine. Für die Überreichung eines ausländischen Diploms über die Verleihung eines Ehrendoktorates durch den Rektor einer österreichischen Universität (Hochschule) habe es 1958 keine Rechtsgrundlage gegeben (und gebe es auch heute keine). Die belangte Behörde weise darauf hin, daß gemäß § 37 Abs. 2 AHStG die Verleihung des akademischen Grades zu widerrufen sei, wenn sich nachträglich ergebe, daß der akademische Grad insbesondere durch gefälschte Zeugnisse erschlichen worden sei. Die Vorkommnisse rund um das Strafverfahren gegen den "Prinzen" und "Präsidenten" der von ihm selbst gegründeten "Hochschule "Phoenix"", deren "Ehrentitel" der Beschwerdeführer führe, könnten geeignet sein, ein behördliches Vorgehen, wie es im § 37 Abs. 2 AHStG vorgesehen sei, nahezulegen. Der Beschwerdeführer habe Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schreiben vom 30. August 1991 Stellung und führte darin im wesentlichen aus, selbstverständlich sei er davon ausgegangen, daß ihm dieses Ehrendoktorat befugt verliehen worden sei. Darüber hinaus sei er in einer Reihe von Auszeichnungen mit diesem Titel angesprochen worden, darunter auch durch den italienischen Präsidenten. Außerdem sei die Rechtsnatur der Überreichung des Diplomes durch den damaligen Rektor der Hochschule für Welthandel keineswegs ungeklärt. Der Rektor sei nicht als Behörde, sondern im Rahmen der universitären Selbstverwaltung tätig geworden.

Mit Datum 23. April 1993 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit dem sie folgendes aussprach:

"Das Verfahren betreffend die Verleihung des Ehrendoktorates der "Academia(e) Studiorum (Minerva et) Phoenix in Bari an Sie wird eines gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1, Z. 1 2. Tatbestand, des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, wiederaufgenommenen. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung als Rechtsnachfolger des Bundesministeriums für Unterricht in den Angelegenheiten, welche die Führung ausländischer akademischer Grade (§ 39 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG), BGBl. Nr. 177/1966, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 306/1992) betreffen, hebt dessen Bescheid vom 23. November 1965, GZ 113.065-I/3/65, auf. Damit ist die Bewilligung zur Führung des ehrenhalber verliehenen ausländischen akademischen Grades eines "Doctor rerum oeconomicarum honoris causa" der "Academia(e) Studiorum ("Minerva et) Phoenix"" ("Accademia/-e di studi superiori ("Minerva e) Phoenix"") in Bari, Italien, im folgenden als "Academia" bezeichnet, mit sofortiger Wirksamkeit widerrufen.

Es ist Ihnen sowohl im privaten Verkehr als auch im Verkehr mit Behörden untersagt, als Ehrendoktor (der Handelswissenschaften) - "D(octo)r (rer(um) oec(onomicarum)) h(onoris) c(ausa)"; "D(okto)r (der Handelswissenschaften) ehrenhalber, h(onoris) c(ausa) oder mit ähnlichen Bezeichnungen - aufzutreten.

Sie haben dafür zu sorgen, daß jeglicher auf Ihr Ehrendoktorat, dessen Führungsbewilligung Ihnen widerrufen worden ist, hinweisende Zusatz zu Ihrem Namen aus sämtlichen Dokumenten und öffentlichen Urkunden entfernt wird."

In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 69 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 AVG sowie des § 39 AHStG aus, was das "Erschleichen" des 2. Tatbestandes des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG betreffe, so könne im Hinblick auf die innere Tatseite ausgeschlossen werden, daß eine Persönlichkeit wie der Beschwerdeführer - ein auch vor fast 30 Jahren erfolgreicher Wirtschaftstreibender und -publizist, der "wiederholt eingeladen gewesen sei, an der Hochschule für Welthandel Vorträge auf dem Fachgebiet des Fremdenverkehrs zu halten" - tatsächlich der Ansicht gewesen sein könnte, eine Institution wie jene Akademie des selbsternannten apulischen "Prinzen" Francesco Amoroso d" Aragona könnte ernsthaft in der Lage sein, akademische Grade zu verleihen, die in Österreich anzuerkennen wären. Die "Academia", an der es nach den ho. Erhebungen nicht die geringsten Ansätze zur Aufnahme oder Führung eines Lehr- oder Forschungsbetriebes gegeben habe, und die akademische Grade in Gegenständen wie den "scienze generali", den "belle arti" und den "affari amministrativi" ("Corriere della Sera" vom 25. Juni 1962) "verliehen" habe, könne auf einen fachpublizistisch tätigen Geschäftsmann, der wiederholt an einer echten Hochschule Vorträge zu halten gepflegt habe, nicht den Eindruck gemacht haben, als sei sie in der Lage, Diplome zu verteilen, denen irgendeine Bedeutung - abgesehen von der mit ihnen verbundenen Bereicherung des "Prinzen" (vom "Corriere della Sera" genannter "Kaufpreis" für akademische Grade der "Academia": 200.000,-- bis 250.000,-- Lire (1958) - zugekommen sei. Das subjektive Tatelement des Erschleichens eines Bescheides, nämlich der Vorsatz, die Ausstellung eines Bescheides in einer Form zu erreichen, in welcher diese unterblieben wäre, hätte die Behörde Kenntnis von den Umständen, wie sie in der Realität herrschten, gehabt, wobei sich der Erschleichende selbst sehr wohl darüber im klaren gewesen sei, daß das Vorgehen der Behörde in der von ihm gewünschten Form nicht eintreten würde, wäre diese mit den wirklich vorliegenden Gegebenheiten vertraut, sei mit Sicherheit anzunehmen. Aktenkundig sei folgendes: Obwohl der Beschwerdeführer gewußt habe, daß es ihm aufgrund des Bescheides des Bundesministeriums für Unterricht vom 23. November 1965 lediglich gestattet gewesen sei, als "Dr. h.c." aufzutreten, habe er es erfolgreich durchgesetzt, im Rahmen des Verfahrens, in welchem in der Regel in Österreich wegen des Prinzips der "Grundbuchswahrheit" die allergrößte Genauigkeit bei der Prüfung von Urkunden und Dokumenten an den Tag gelegt wurde, nämlich des Grundbuchsverfahrens, materiell unrichtige Eintragungen herbeizuführen; zu den EZ 389 und 998 des Grundbuches der Katastralgemeinde X sei er als "Dr. W" eingetragen. Der belangten Behörde liege noch eine Reihe weiterer anderer Nachweise für sein Auftreten sowohl im privaten Verkehr als auch im Verkehr mit Behörden als "Doktor (der Handelswissenschaften)" vor. Anzunehmen, daß eine derart mit der politischen und wirtschaftlichen Spitze sowohl in Österreich als auch in Italien vertraute Persönlichkeit wie der Beschwerdeführer (wie sich aus seiner Stellungnahme ergebe) tatsächlich der Meinung hätte sein können, eine österreichische Behörde, die sich der tatsächlich gegebenen Realitäten bewußt sei, könne bei richtiger Würdigung der Realität einem von einem selbsternannten apulischen "Prinzen" verliehenen Diplom irgendeine Bedeutung zumessen, widerspräche jeder amtlichen Erfahrung. Was die äußere Tatseite betreffe, so sei zu sagen, daß der Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht vom 23. November 1965 sicher weitgehend von dem Umstand bestimmt worden sei, daß der Beschwerdeführer sich in seinen Ansuchen zur Erteilung der Führungsbewilligung vom 24. September und vom 6. Oktober 1965 darauf berufen habe können, daß der Rektor der damaligen Hochschule für Welthandel in Wien durch die Ausrichtung einer Feier samt Überreichung des Diplomes in den gesamten Vorgang involviert gewesen sei. Die "stille Promotion", die Verleihung durch einfache Übergabe der Urkunde (des "Diploms") durch den Promotor, sei ein alter und traditioneller Begriff aus der Universitätsgeschichte, und ebenso habe die einfache Versendung des Diploms für den Fall, daß der mit einer akademischen Würde Ausgestattete der Feierlichkeit nicht beiwohnen könne oder wolle, was in diesem Fall 1958 zugetroffen habe (Erkrankung), Tradition. Es gebe keine Rechtsgrundlage und auch keinen Grund dafür, daß an einer Hochschule das Diplom einer anderen Hochschule ausgehändigt werden sollte, außer die im gegenständlichen Fall sehr naheliegende Vermutung, daß diesem ehrenhalber verliehenen ausländischen akademischen Grad durch die Veranstaltung einer Feier an einer anerkannten inländischen Hochschule der Anstrich von Seriosität verliehen werden sollte. Tatsache sei jedoch jedenfalls, daß das objektive Tatelement des Erschleichens im wesentlichen in der Abhaltung dieser unbegründeten Feier, auf die sich der Beschwerdeführer in seinen an das Bundesministerium für Unterricht gerichteten Ansuchen vom 24. September und vom 6. Oktober 1965 beziehe, liege. Ohne Einbeziehung der damaligen Hochschule für Welthandel als anerkannter inländischer Hochschule wäre es voraussichtlich nie - ohne Prüfung des Sachverhaltes () - zu dem Aktenvermerk "An der Wertigkeit dieses Grades dürften nach der Aktenlage keine Zweifel bestehen", welcher dem Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht vom 23. November 1965 vorangegangen sei, gekommen. Die nicht mit den realen Gegebenheiten übereinstimmenden Eindrücke des Sachbearbeiters im Bundesministerium für Unterricht, die unter den angeführten Umständen entstanden seien, hätten zu der Erlassung eines erschlichenen Bescheides geführt, der bei richtiger Würdigung der wirklich bestehenden Gegebenheiten niemals hätte entstehen dürfen und auch niemals entstanden wäre, und der deshalb nach erfolgter Wiederaufnahme des Verfahrens spruchgemäß aufzuheben gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Beschwerdeführer erstattete unaufgefordert zwei weitere

Stellungnahmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 69 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, lautet (auszugsweise):

"(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

1.

der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2.

...

3.

..."

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z. 1 stattfinden.

§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten vom 9. Juli 1945 über die Führung ausländischer akademischer Grade, StGBl. Nr. 79, lautet:

"(2) Ehrenhalber von einer ausländischen Hochschule verliehene akademische Grade dürfen österreichische Staatsbürger nur mit Genehmigung des Staatsamtes führen."

Vorab weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zutreffend die als "Bestätigung" bezeichnete Erledigung des Bundesministers für Unterricht (im folgenden Genehmigungsbehörde) vom 23. November 1965 als Bescheid gewertet haben. Ihrem Inhalt nach ist sie - wie sich aus dem Zusammenhang mit der oben wörtlich wiedergegebenen Erledigung I. ergibt - die dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Eingabe "gewünschte Genehmigung" zur Führung des ihm verliehenen akademischen Ehrentitels, die nach der damaligen Rechtslage (§ 1 Abs. 2 der Verordnung, StGBl. Nr. 79/1945) erforderlich war. Zwar bezeichnet § 1 Abs. 2 leg. cit. nicht näher die Rechtsform, in der die Genehmigung auszusprechen war. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt es aber keinem Zweifel, daß es sich dabei um einen im Außenverhältnis ergehenden Hoheitsakt handelt, mit dem über eine individuelle Verwaltungssache normativ abzusprechen war. Ungeachtet ihrer Bezeichnung als Bestätigung ist daher die Erledigung der Genehmigungsbehörde vom 23. Oktober 1965 ihrem Inhalt nach als Bescheid zu werten, was auch der von der Behörde angeführten Rechtsgrundlage entsprach.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Ausspruch der belangten Behörde im ersten Satz des angefochtenen Bescheides beziehe sich nicht auf das mit Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 23. November 1965 abgeschlossene Verfahren, sondern auf das von der ausländischen Hochschule Phoenix durchgeführte Verfahren betreffend die Verleihung eines ehrenhalber verliehenen Titels, das aber mangels einer Entscheidung einer österreichischen Verwaltungsbehörde nicht Gegenstand einer Wiederaufnahme sein könne, ist ihm zwar einzuräumen, daß dieser Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides mißverständlich formuliert ist. Er steht aber erkennbar in untrennbarem inhaltlichen Zusammenhang mit den beiden folgenden Sätzen des ersten Absatzes des Spruches, die sich unzweifelhaft auf den Bescheid der Genehmigungsbehörde beziehen. Auch deutet in der Begründung des angefochtenen Bescheides nichts darauf hin, die belangte Behörde wäre von jener Rechtsauffassung ausgegangen, die der Beschwerdeführer dem ersten Satz des ersten Absatzes des Spruches des angefochtenen Bescheides unterstellt. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß dem ersten Satz des angefochtenen Bescheides keine selbständige normative Bedeutung zukommt, die über den vom Bescheid vom 23. November 1965 erfaßten Verfahrensgegenstand hinausgeht.

Strittig ist im Beschwerdefall vor allem, ob die belangte Behörde zu Recht angenommen hat, daß der Beschwerdeführer den Bescheid vom 23. November 1965 erschlichen hat und daher die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme gegeben sind.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 31. Oktober 1957, Zl. 1890/55, VwSlg. 4455/A, vom 27. April 1978, Zl. 2624/76, und vom 9. März 1983,

Zlen. 83/01/0002, 0003) setzt der Tatbestand des Erschleichens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG voraus, daß der Bescheid auf eine solche Art zustande gekommen ist, daß die Partei vor der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und diese unrichtigen Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Hiebei muß die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Situation bestehen, daß ihr nicht zugemutet werden kann, über die Richtigkeit der Angaben noch Erhebungen von Amts wegen zu pflegen. Wenn es die Behörde versäumt hat, von den ihr zur Ermittlung des Sachverhaltes ohne Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, so schließt diese Mangelhaftigkeit des Verfahrens es aus, das Verhalten der Partei unter dem Gesichtspunkt des Erschleichens zu werten (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zlen. 86/08/0212, AW 86/08/0039, sowie vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0137, jeweils mit weiteren Judikaturnachweisen).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann jedoch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe den Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 23. November 1965 in diesem Sinne erschlichen, nicht teilen.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer alle Unterlagen, die ihm die Genehmigungsbehörde in ihrer Auskunft vom 30. September 1965 genannt hat (Originalurkunde bzw. gerichtlich oder notariell beglaubigte Abschrift des dem Beschwerdeführer von der ausländischen Einrichtung verliehenen akademischen Grades, beglaubigte Übersetzung) vorgelegt. Die Genehmigungsbehörde hatte in ihrem behördlichen Verfahren nach § 1 Abs. 2 der Verordnung, StGBl. Nr. 79/1945, als Behörde erster und letzter Instanz gemäß Art. II Abs. 4 EGVG das AVG anzuwenden. Gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz AVG hatte sie daher, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnung enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Das Bundesministerium für Unterricht wäre daher verpflichtet gewesen, das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Genehmigung der Führung eines ehrenhalber verliehenen ausländischen akademischen Grades, insbesondere ob er von einer ausländischen Hochschule verliehen wurde, von Amts wegen zu prüfen.

Zwar umschreibt § 1 Abs. 2 der zitierten Verordnung nicht, wann einer Einrichtung der Rang einer ausländischen Hochschule zukommt. Da aber die genannte Verordnung unter anderem auch den Erwerb akademischer Grade an einer ausländischen Hochschule durch österreichische Staatsbürger regelte, deren Führung eines Nostrifikationsverfahrens bedurfte, in dem die Gleichwertigkeit der Anforderungen mit einem vergleichbaren inländischen Studium zu prüfen waren (vgl. § 3 der Verordnung) und die Verordnung nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür enthält, daß sie den Begriff "ausländische Hochschule" in § 1 in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß eine ausländische Hochschule auch im Sinne des § 1 Abs. 2 der Verordnung nur dann vorliegt, wenn an ihr auch Studien mit dem Erwerb eines akademischen Grades abgeschlossen werden können, die von den Anforderungen her einer Nostrifikation zugänglich waren. In diesem Sinne könnte man auch von einer "anerkannten" Hochschule sprechen.

Das Vorliegen dieser Voraussetzung wäre von der Genehmigungsbehörde von Amts wegen zu klären gewesen. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß der Beschwerdeführer in seinem Ansuchen um Genehmigung auf die "Überreichung des Diploms" am 1. April 1958 unter Anschluß der Einladung des Rektorates der Hochschule für Welthandel hinwies. Dieser Hinweis kann zwar allenfalls den Inhalt des Aktenvermerkes der vor Genehmigung eingeschalteten Abteilung I/5 des Bundesministeriums für Unterricht erklären, enthob aber die Behörde nicht ihrer Verpflichtung, unter Einholung von Auskünften inländischer Hochschulen oder allenfalls ausländischer Stellen unter entsprechender Mitwirkung des Beschwerdeführers diese Frage abschließend zu klären. Solche ergänzenden Ermittlungen standen der Genehmigungsbehörde aber ohne Schwierigkeit offen. Sie war daher keinesfalls allein auf die Parteienangaben des Beschwerdeführers angewiesen. Die Durchführung solcher Ermittlungen waren auch mangels Vorliegens besonderer Umstände zumutbar. Die Genehmigungsbehörde hat aber davon überhaupt keinen Gebrauch gemacht.

Schon deshalb liegt im Beschwerdefall der Tatbestand des Erschleichens im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht vor. Da der von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt von ihr somit zu Unrecht dem Tatbestand des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG unterstellt wurde, waren der erste und dritte Absatz des angefochtenen Bescheides (dieser steht von seinem Inhalt her in untrennbarem Zusammenhang mit dem ersten Absatz) des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Was den zweiten Absatz des angefochtenen Bescheides betrifft (Untersagung der Führung des Ehrendoktorates (der Handelswissenschaften) in verschiedenen Bezeichnungen) ist unklar, worauf die belangte Behörde diesen Spruch stützt. Da die Führung des in diesem Absatz des angefochtenen Bescheides angesprochenen Ehrendoktorates (mit der dort angeführten Bezeichnung) vom Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 23. November 1965 nicht erfaßt war, besteht rechtens kein untrennbarer inhaltlicher Zusammenhang dieses Spruchteiles mit der amtswegigen Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 23. November 1965 abgeschlossenen Genehmigungsverfahrens. Sollte die belangte Behörde aber damit (gleichermaßen aus Anlaß der von Amts wegen verfügten Wiederaufnahme, jedoch unabhängig von ihr) dem von ihr dem Beschwerdeführer in der Vergangenheit unterstellten Verhalten der Führung eines anderen ausländischen akademischen Grades als des mit Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 23. November 1965 genehmigten begegnen wollen, ist ihr zu erwidern, daß ein solches Verhalten des Beschwerdeführers (wenn es zutrifft) unter die Strafbestimmung nach § 109 UOG fällt. Eine Ermächtigung zur Erlassung eines Unterlassungsbescheides, wie ihn die belangte Behörde im zweiten Absatz des angefochtenen Bescheides getroffen hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof dem AHStG nicht zu entnehmen. Im Beschwerdefall konnte daher die Frage offenbleiben, in welcher Form (z.B. Zusatz der verleihenden Einrichtung) der Beschwerdeführer auf Grund des Bescheides vom 23. November 1965 den ausländischen Ehrentitel führen durfte bzw. darf.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für die entbehrliche Vorlage der Zweitausfertigung von der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie später vorgelegter Beilagen, die für eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung entbehrlich waren.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche ErfordernisseSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993120179.X00

Im RIS seit

26.02.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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