TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/26 95/16/0077

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Veröffentlicht am 26.06.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
23/01 Konkursordnung;
23/02 Anfechtungsordnung Ausgleichsordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

AusgleichsO §48;
AusgleichsO §53;
BAO §224 Abs1;
BAO §289;
BAO §4;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
KO §151;
KO §156 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 21. Dezember 1994, Zl. 352/6-10/F-1994, betreffend Haftung für Umsatzsteuer und Straßenverkehrsbeitrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird betreffend Haftung für den Straßenverkehrsbeitrag wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Entscheidung über die Haftung betreffend Umsatzsteuer ergeht unter Zl. 95/14/0031.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid vom 17. Februar 1992 nahm das Finanzamt Linz den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß §§ 9 und 80 BAO für die im Ausmaß von S 160.815,-- (davon S 49.240,-- Staßenverkehrsbeitrag) aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der L Ges.m.b.H. in Anspruch.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insoweit stattgegeben, als der Haftungsbetrag auf S 75.843,61 (davon S 10.789,81 Straßenverkehrsbeitrag) vermindert wurde. In der Begründung ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus: Der Beschwerdeführer sei alleiniger Geschäftsführer der genannten, im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaft gewesen. Mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 15. Oktober 1991 sei über Schuldnerantrag das Konkursverfahren über die Gesellschaft eröffnet worden. Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 1992 habe der Vertreter der Gemeinschuldnerin dem Finanzamt mitgeteilt, daß ein Antrag auf Abschluß eines 40 %-igen Zwangsausgleiches bei Gericht eingebracht worden sei. Mit Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 10. März 1992 sei der am 6. März 1992 angenommene Zwangsausgleich bestätigt worden. Wesentlicher Inhalt des Zwangsausgleiches sei gewesen, daß die Konkursgläubiger binnen 30 Tagen ab Annahme eine 40 %-ige Quote erhielten. Weiters wurde mit Beschluß vom 31. März 1992 der Konkurs über die Primärschuldnerin aufgehoben. Mit Entrichtungstag 1. April 1992 sei die Zahlung der Zwangsausgleichsquote erfolgt. Diese Zahlung sei anteilig auf die einzelnen im Konkurs angemeldeten Forderungen verrechnet worden. Dadurch habe sich der Haftungsbetrag auf insgesamt S 75.843,63 (davon Straßenverkehrsbeitrag für September 1991 S 10.789,81) vermindert. Dieser Betrag sei bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Einerseits wäre eine Durchsetzung dieser Abgabenansprüche aufgrund des § 156 Abs. 1 der Konkursordnung gegenüber der Primärschuldnerin rechtlich, andererseits auch aufgrund der amtswegigen Löschung der Gesellschaft faktisch nicht möglich, sodaß der Abgabenausfall und somit auch der objektive Schaden hinsichtlich dieser angeführten Abgabenschuldigkeiten feststehe. Durch die Erlassung eines Haftungsbescheides sei der Beschwerdeführer zum Gesamtschuldner hinsichtlich der im Haftungsbescheid angeführten Abgabenschuldigkeiten geworden. Gemäß § 151 Konkursordnung (KO) könnten die Rechte der Konkursgläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des Gemeinschuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete ohne ausdrückliche Zustimmung des Berechtigten durch den Zwangsausgleich nicht beschränkt werden. Die Haftung der Mitverpflichteten werde durch den Zwangsausgleich nicht eingeschränkt (vgl. OGH SZ 40/121). Die im § 156 Abs. 1 KO angeordnete, in der Befreiung von der Verbindlichkeit bestehende Rechtswirkung des Zwangsausgleiches trete daher nur in der Person der Gemeinschuldnerin ein. Der Beschwerdeführer könne daher die durch den Ausgleich bewirkte Befreiung der Primärschuldnerin von der Abgabenverbindlichkeit nicht für sich in Anspruch nehmen (vgl. Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0106). Weiters wurden die übrigen für die Heranziehung zur Haftung nach § 9 BAO erforderlichen Voraussetzungen begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nicht nach § 9 BAO zur Haftung herangezogen zu werden sowie auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die Haftung des § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt. Sie darf erst zur Leistung herangezogen werden, wenn die Abgabe beim Hauptschuldner uneinbringlich ist (Subsidiarität). Die Haftungsschuld ist weiters ihrem bloß sichernden Charakter zufolge in ihrem Bestand von der Existenz der Hauptschuld abhängig. Ist die Hauptschuld nicht (nicht gültig) entstanden oder ist sie erloschen, ist auch eine Haftung für diese nicht denkbar, ihre Geltendmachung wäre unzulässig, die Haftung somit rechtswidrig begründet. Aus dem Wesen dieser Akzessorietät ergibt sich auch, daß die Haftung für mehr nicht besteht und für mehr nicht begründet werden kann, als der Hauptschuldner leisten muß (Stoll, BAO-Kommentar, S. 104 und 105).

Gemäß § 156 Abs. 1 KO wird durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich der Gemeinschuldner von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Konkursverfahren oder an der Abstimmung über den Ausgleich teilgenommen oder gegen den Ausgleich gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist. Der rechtskräftig bestätigte Ausgleich führt zu einem teilweisen Erlöschen der Verbindlichkeit, der Schuldner braucht seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich nicht zu ersetzen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10, 284). Daß die Verbindlichkeit nicht untergeht, sondern zu einer natürlichen Verbindlichkeit herabgedrückt wird (vgl. OGH in JBl. 1991, 52) bedeutet nur, daß sie im Umfang der durch FRÜHER gestellte Bürgen und Pfänder gesichert bleibt.

Die Rechte der Konkursgläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des Gemeinschuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete können gemäß § 151 KO ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten durch den Ausgleich nicht beschränkt werden.

Die belangte Behörde stützte ihren angefochtenen Bescheid auf die vor Annahme und rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches erfolgte Erlassung des Haftungsbescheides, wodurch der Beschwerdeführer zum Gesamtschuldner hinsichtlich der im Haftungsbescheid angeführten Abgabenschuldigkeiten geworden sei. Die Haftung der Mitverpflichteten würden gemäß § 151 KO nicht eingeschränkt.

Gemäß § 7 Abs. 1 BAO werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1) zu Gesamtschuldnern.

Der Haftungsbescheid hat im Verhältnis zum Haftungspflichtigen konstitutive Wirkung. Durch die Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides wird die Heranziehung zur Haftung und damit das Gesamtschuldverhältnis wirksam. Damit ist aber über die Heranziehung zur Haftung und die dadurch begründende Mitschuld noch nicht endgültig verbindlich abgesprochen. Haftungsbescheide unterliegen im Berufungsverfahren der vollen Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit. Im Falle einer eingebrachten Berufung wird somit erst mit Ergehen der Berufungsentscheidung rechtskräftig über die Heranziehung zur Haftung und das Entstehen der Gesamtschuld entschieden. Die Rechtskraft des Haftungsbescheides ist daher für das Vorliegen der Mitschuld auch im Sinne des § 151 KO entscheidend und nicht schon die Wirksamkeit des Haftungsbescheides, zumal dieser auch rechtswidrig die Haftung aussprechen könnte.

Die Beurteilung, ob die Haftung dem Grunde nach zu Recht besteht, obliegt im Berufungsverfahren der Berufungsbehörde; sie hat dabei grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen. Es liegt im Wesen einer meritorischen Berufungsentscheidung, daß die Berufungsbehörde die Sache nach allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten neu zu überprüfen hat (Stoll, aaO, 2797). Sie hat im Falle einer Haftungsinanspruchnahme daher die Umstände zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides gegeben sind.

Im Beschwerdefall wurde die Haftung mit erstinstanzlichem Haftungsbescheid noch vor der rechtskräftigen Bestätigung des Zwangsausgleiches und Entrichtung der Ausgleichsquote aber während des Konkursverfahrens geltend gemacht. In diesem Zeitpunkt waren Abgaben aushaftend, die Höhe der uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten aber noch keineswegs feststehend - was das Berufungsverfahren auch aufzeigte. Die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO setzt jedoch die Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus (vgl. Erkenntnis vom 18. November 1991, Zl. 90/15/0123). Aus der Konkurseröffnung allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit (vgl. Erkenntnis vom 7. September 1990, Zl. 89/14/0298). Allerdings ist eine Uneinbringlichkeit bereits dann gegeben, wenn im Laufe des Insolvenzverfahrens feststeht, daß die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann; diesfalls ist daher kein Abwarten der vollständigen Abwicklung des Konkurses erforderlich (Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, Rz. 4 zu § 9). Von einer voraussichtlichen Nichtbefriedigung der Abgabenforderung mangels ausreichenden Vermögens kann im Beschwerdefall keine Rede sein. Die Haftung nach § 9 BAO wurde daher bereits in einem Zeitpunkt geltend gemacht, in dem die Uneinbringlichkeit der Abgaben der Höhe nach keineswegs feststand. Die Haftungsinanspruchnahme erfolgte daher rechtswidrigerweise auch für Abgaben, die im Konkurs- bzw. Zwangsausgleichsverfahren einbringlich waren.

Nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches und Entrichtung der Ausgleichsquote war der Schuldner von den die Quote übersteigenden Verbindlichkeiten befreit (vgl. Erkenntnis vom 24. Mai 1993, Zl. 92/15/0041). Die Geltendmachung der Haftung ist in einem solchen Fall unzulässig. Aber auch im Falle einer Berufung gegen einen Bescheid, mit dem vor diesem Zeitpunkt die Haftung geltend gemacht wurde, hat die Berufungsbehörde die in der Zwischenzeit eingetretene Befreiung des Primärschuldners von den Verpflichtungen zu berücksichtigen. Im Abgabenverfahren verlangt nämlich die Akzessorietät, daß die Abgabenschuld entstanden ist, also ein Abgabentatbestand hinsichtlich seiner persönlichen (steuersubjektbezogenen) und sachlichen (steuergegenstandbezogenen) Komponente verwirklicht und der Abgabenanspruch aufrecht ist, unabhängig davon, ob beim Erstschuldner die Möglichkeit der Geltendmachung oder der Einbringung besteht oder mangelt. Ist jedoch der Steuergegenstand sachlich oder sind die Abgabenschuldner persönlich befreit und ist eine Abgabenschuld erst gar nicht entstanden, kann auch ein prinzipiell Haftender nicht zur Haftung herangezogen werden (Stoll, aaO, 105).

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid sich in zweifacher Hinsicht als rechtswidrig erweist. Zum einen wurde die rechtswidrige Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO durch den erstinstanzlichen Haftungsbescheid noch vor Feststehen der objektiven Uneinbringlichkeit von Abgabenschuldigkeiten durch den angefochtenen Bescheid nicht aufgegriffen und zum anderen wurde die eingetretene Befreiung des Primärschuldners und die infolge der Akzessorietät der Haftung gegebene Befreiung des erst nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches rechtskräftig herangezogenen Haftenden nicht berücksichtigt.

Diese Ausführungen stehen im Widerspruch zu dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 25. Juni 1990, Zl. 89/15/0106, wonach der Beschwerdeführer die durch den Ausgleich bewirkte Befreiung der Primärschuldnerin von der Abgabenverbindlichkeit nicht für sich in Anspruch nehmen konnte. Diese Entscheidung ist zur WAO - somit einem formell anderen Gesetz - ergangen, sodaß es im Beschwerdefall keiner Beschlußfassung durch einen gemäß § 13 Abs. 1 VwGG gebildeten Senat bedarf.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG hinsichtlich seines Abspruches über die Haftung betreffend Straßenverkehrsbeitrag wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die getrennt geltend gemachte Umsatzsteuer für Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 2.500,--, die im Schriftsatzaufwandpauschale enthalten ist.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995160077.X00

Im RIS seit

12.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

17.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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