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StVONorm
StVO 1960 §52 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Degischer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Sperlich, über die Beschwerde des MB, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 14. April 1983, Zl. MA 70-IX/B 101/81/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 1 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, einschließlich des diesbezüglichen Ausspruches über die Kosten des Strafverfahrens, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.285,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Landstraße, vom 1. September 1980 wurde der Beschwerdeführer u. a. für schuldig befunden, „am 25. 6. 1980 in Wien 1., Domgasse 1, als Lenker des Pkws ... das deutlich sichtbar angebrachte VZ gem. § 52/1 StVO ‚Fahrverbot‘ nicht beachtet“ zu haben und in die Domgasse eingefahren zu sein. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 Z. 1 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn unter Berufung auf die erstgenannte Bestimmung eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) verhängt worden ist.
Nachdem der Beschwerdeführer gegen diese Strafverfügung rechtzeitig Einspruch erhoben hatte und ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden war, erging das mit 29. Jänner 1981 datierte Straferkenntnis derselben Behörde, mit welchem gegen den Beschwerdeführer ein mit der erwähnten Strafverfügung hinsichtlich der in Rede stehenden Übertretung wörtlich übereinstimmender Schuldvorwurf erhoben und neuerlich eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzarreststrafe 24 Stunden) festgesetzt worden ist.
Auf Grund der gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig eingebrachten Berufung erließ die Wiener Landesregierung nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens den Bescheid vom 14. April 1983, mit welchem das erwähnte Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hinsichtlich der Strafzumessung und Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Ergänzung bestätigt worden ist, daß die Tatumschreibung hinsichtlich der gegenständlichen Übertretung wie folgt zu lauten hat: „Der Beschuldigte ... hat am 25. 6. 1980 vor 15.05 Uhr in Wien 1, Domgasse 1, als Lenker des Personenkraftwagens ... das deutlich sichtbar angebrachte Verkehrszeichen gemäß § 52 Z. 1 ‚Fahrverbot in beiden Richtungen‘ mit dem Zusatz: ‚ausgenommen Zufahrt zu Einstellplätzen und zur Ladetätigkeit gestattet‘ nicht beachtet, sondern ist in die Domgasse eingefahren ...“
Gegen diesen Schuldspruch des angefochtenen Bescheides (und nicht auch gegen jenen Teil desselben, mit welchem der Beschwerdeführer wegen einer weiteren Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig befunden und bestraft worden ist) richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 203/1982 gebildeten Senat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, daß weder in der erwähnten Strafverfügung noch in dem in der Folge ergangenen Straferkenntnis eine Feststellung darüber getroffen worden sei, zu welchem Zeitpunkt der Beschwerdeführer am 25. Juni 1980 in die Domgasse eingefahren sei und dadurch die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen haben soll. Die Tatzeit gehöre jedoch zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen jeder Verwaltungsübertretung, wobei die im Spruch des angefochtenen Bescheides vorgenommene ergänzende Einfügung der Tatzeit deshalb rechtswidrig sei, weil dem Beschwerdeführer innerhalb der Frist für die Verfolgungsverjährung nicht vorgehalten worden sei, zu welchem Zeitpunkt des Tattages das in Rede stehende Fahrverbot mißachtet worden sei.
Der Beschwerdeführer ist mit diesem Vorbringen aus nachstehenden Erwägungen im Recht:
Gemäß § 31 Abs. 2 VStG 1950 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 101/1977 beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgungsverjährung sechs Monate, gerechnet von dem Zeitpunkt an, an dem die strafbare Handlung abgeschlossen worden ist. Sie endete daher im Beschwerdefall am 25. Dezember 1980, sodaß bis zu diesem Tag von der Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Verfolgungshandlung vorgenommen worden sein mußte, um die Verfolgungsverjährung auszuschließen. Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs. 2 VStG 1950 jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.). Die Verfolgungshandlung unterbricht nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat. (Vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Oktober 1978, Slg. N. F. Nr. 9664/A.) Im Hinblick auf den selbstverständlichen Grundsatz jedes Strafverfahrens, die Möglichkeit auszuschließen, daß der Täter wegen derselben Handlung nochmals zur Verantwortung gezogen werden könnte (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1974, Zl. 382/72), ist u. a. auch die Angabe der Zeit der Begehung einer Verwaltungsübertretung ein wesentliches Sachverhaltselement (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1958, Zlen. 2780, 2781/55, Slg. N. F. Nr. 4549/A - nur Rechtssatz).
In der schon in der Sachverhaltsdarstellung dieses Erkenntnisses erwähnten Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Landstraße, vom 1. September 1980, welche als einzige innerhalb der sechsmonatigen Frist für die Verfolgungsverjährung gesetzte Verfolgungshandlung anzusehen ist, wurde dem Beschwerdeführer lediglich zur Last gelegt, „am 25. 6. 1980“ gegen das in Rede stehende Fahrverbot verstoßen zu haben. Die im Spruch des angefochtenen Bescheides erstmals getroffene Feststellung, der Beschwerdeführer habe die in Rede stehende Verwaltungsübertretung „vor 15.05 Uhr“ des Tattages begangen, erfolgte daher außerhalb der erwähnten Verjährungsfrist und verstößt sohin gegen § 31 Abs. 1 VStG 1950. Es ist daher nicht mehr von Belang, daß die Berufungsbehörde in Ausübung des ihr gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) zustehenden Rechtes, den Spruch des Straferkenntnisses zu ändern, nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, zur Vermeidung einer in einem Verstoß gegen § 44a lit. a VStG 1950 gelegenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides die in Rede stehende Ergänzung des Spruches vorzunehmen, weil dies eine Unterbrechung der Frist für die Verfolgungsverjährung hinsichtlich sämtlicher Sachverhaltselemente voraussetzt.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der in Rede stehenden Übertretung gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b leg. cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 9. September 1983
Schlagworte
Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1983:1983020163.X00Im RIS seit
31.03.2022Zuletzt aktualisiert am
31.03.2022