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20/02 Familienrecht;Norm
AuslBG §15 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde der D in Wien, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. April 1996, Zl. SD 67/96, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine mazedonische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin habe nach einer sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet am 21. April 1989 aufgrund einer Verpflichtungserklärung einen bis 9. Februar 1990 gültigen Sichtvermerk erhalten. Am 26. September 1989 um 17.30 Uhr sei sie in einer Schneiderei in Wien, H-Gasse 10/4, an der Nähmaschine beim Nähen eines braunen Rockes (Damenrock) angetroffen worden. Sie sei zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung gewesen. Vom 9. Februar 1990 bis 12. Dezember 1990 habe sie sich ohne Sichtvermerk in Österreich aufgehalten.
Am 25. Juli 1990 habe sie vor dem Standesamt Wien-Favoriten einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Aufgrund dieser Eheschließung habe sie am 3. August 1990 einen Befreiungsschein und in der Folge Sichtvermerke bis einschließlich
10. Oktober 1994 erhalten. Ihr Antrag vom 4. Oktober 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien am 8. Februar 1995 und dem aufgrund einer Berufung ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Mai 1995 abgewiesen worden. Die Beschwerdeführerin befinde sich seither nicht rechtmäßig im Bundesgebiet.
Das Bezirksgericht Favoriten habe mit Urteil vom 9. März 1994, rechtskräftig seit 26. April 1994, die zwischen dem österreichischen Staatsbürger und der Beschwerdeführerin am 25. Juli 1990 geschlossene Ehe gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt. Aus dem Ehenichtigkeitsurteil ergebe sich, daß die Ehe zu dem Zweck geschlossen worden sei, der Beschwerdeführerin eine Arbeits- bzw. eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich zu verschaffen bzw. ihr in weiterer Folge die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern, und daß keinerlei Absicht bestanden habe, tatsächlich eine Lebensgemeinschaft zu begründen und eine solche tatsächlich nie errichtet worden sei.
Bei der Eingehung einer Ehe nur zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen handle es sich um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten sei (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1995, Zl. 95/18/0505). Dieses Fehlverhalten sei seinem Gehalt nach der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten und stelle eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG dar, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige.
Die Beschwerdeführerin bringe vor, daß es nicht nachvollziehbar wäre, weshalb ein Tatbestand, der vor mehr als fünf Jahren verwirklicht worden wäre (nach verwaltungsstrafrechtlichen Kategorien bereits längst verjährt wäre), nunmehr zur Begründung eines Aufenthaltsverbotes herangezogen würde. Dem sei entgegenzuhalten, daß es sich beim gegenständlichen Aufenthaltsverbotsverfahren nicht um ein Verwaltungsstrafverfahren handle und dabei keine Verjährungsbestimmungen gelten würden. Außerdem gehe der Einwand fehl, daß der Tatbestand bereits vor fünf Jahren verwirklicht worden wäre. Es sei zwar die Ehe am 25. Juli 1990 geschlossen worden; sie sei aber erst am 9. März 1994, rechtskräftig seit 26. April 1994, vom Bezirksgericht Favoriten für nichtig erklärt worden. Wenn man dabei, wie die Beschwerdeführerin es tue, in der Sprache des Strafrechts bleibe, so handle es sich hier um ein "Dauerdelikt", das erst im Jahre 1994 beendet worden sei. Diese Erwägungen seien aber irrelevant, wie die weiteren Ausführungen zeigen würden.
Die Beschwerdeführerin behaupte, daß die fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen, d.h. Aufenthaltsbewilligung und Befreiungsschein, über die sie zur Zeit verfüge, mit der Eheschließung in keinem Zusammenhang mehr stünden. Die Beschwerdeführerin hätte diese Bewilligungen, insbesondere die Arbeitserlaubnis, erhalten, nachdem die Ehe bereits für nichtig erklärt worden sei. Es bestünde daher keinerlei Zusammenhang bezüglich der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen sowie der Eheschließung. Bezüglich der Aufenthaltsbewilligung sei diese Behauptung aktenwidrig. Die Beschwerdeführerin habe ihre letzte Aufenthaltsberechtigung (Visum) im Jänner 1993, als die Ehe noch aufrecht gewesen sei, erhalten. Der Antrag vom 4. Oktober 1994 sei am 8. Februar 1995 vom Landeshauptmann für Wien und am 31. Mai 1995 mit Bescheid des Bundesministers für Inneres, der aufgrund einer Berufung ergangen sei, abgewiesen worden.
Bezüglich des Befreiungsscheines werde festgehalten, daß die Beschwerdeführerin den Beweis dafür, daß dieser erst nach der Nichtigerklärung der Ehe erteilt worden sei, schuldig geblieben sei. Aktenkundig sei jedenfalls, daß die Beschwerdeführerin im Besitze einer Arbeitserlaubnis gewesen sei, die am 3. August 1990, also neun Tage nach der Eheschließung, ausgestellt worden sei. Der zeitliche Zusammenhang sei hier offensichtlich. Zumindest diese Arbeitserlaubnis sei aufgrund der Eheschließung mit dem österreichischen Staatsbürger erworben worden. Ob die Beschwerdeführerin später - ohne Rechtsmißbrauch - eine Beschäftigungsbewilligung erhalten habe, sei unerheblich (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. September 1995, Zl. 95/18/1161).
Die Beschwerdeführerin wende sich gegen die Annahme der Behörde erster Instanz, daß der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben dringend geboten sei. In diesem Zusammenhang verweise sie nochmals darauf, daß "weder strafrechtliche noch schwerwiegende verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen" vorliegen würden. Letzteres sei auch nicht behauptet worden. Nochmals sei jedoch zu betonen, daß die Aufenthaltsbewilligung und die Beschäftigungsbewilligung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger basierten. Auch wenn man unbeschadet dessen einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin annehme, so sei damit für sie nichts zu gewinnen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei nämlich in einem solchen Fall dringend geboten und daher nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie die Beschwerdeführerin, rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.
Bei Annahme dieses Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin und der demnach auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Auch wenn die Beschwerdeführerin darauf verweise, daß sie bereits seit 1989 in Österreich lebe, seit Jahren ordnungsgemäß beschäftigt und die ganze Familie in Österreich sozial und wirtschaftlich integriert wäre und die minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin bereits die Schule besuchten, komme die belangte Behörde zur Auffassung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keineswegs schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme davon.
Wie bereits eingangs ausgeführt, sei die Beschwerdeführerin als Touristin nach Österreich gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei sie noch mit einer Person ohne österreichische Staatsbürgerschaft verheiratet gewesen. Wie oben bereits ausgeführt, habe sie dann einen Sichtvermerk, der bis 9. Februar 1990 gültig gewesen sei, erhalten. Während der Gültigkeit dieses Sichtvermerkes sei sie bei einer Beschäftigung betreten worden, die sie aufgrund des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht hätte ausüben dürfen. Vom Februar 1990 bis Dezember 1990 habe sich die Beschwerdeführerin illegal im Bundesgebiet aufgehalten. Während dieses illegalen Aufenthaltes habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, nachdem sie sich von ihrem Ehemann hätte scheiden lassen. Wie das Gericht im Ehenichtigkeitsurteil festgestellt habe, wohne in der Wohnung der Beschwerdeführerin weiterhin ihr geschiedener Ehemann. Das Gericht habe weiters festgestellt, daß die Beschwerdeführerin während der aufrechten Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger am 11. Oktober 1992 ein Kind zur Welt gebracht habe, dessen Vater aber nicht der österreichische Staatsbürger sei. Angesichts dessen halte die belangte Behörde das rechtsmißbräuchliche Verhalten der Beschwerdeführerin für derart gravierend, daß eine "Ausdehnung des Aufenthaltsverbotes auf zehn Jahre" gerechtfertigt erscheine.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und - entgegen der in Beschwerde vertretenen Ansicht - solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahmen im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1441).
Dem Beschwerdevorbringen, daß die Beschwerdeführerin (gemeint ist offenbar: im verwaltungsbehördlichen Verfahren) erklärt habe, daß sie die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger nicht nur deshalb eingegangen wäre, um eine Aufenthaltsbewilligung bzw. einen Befreiungsschein zu erhalten, ist das rechtskräftige Ehenichtigkeitsurteil entgegenzuhalten, wonach diese Ehe zu dem Zweck geschlossen worden sei, der Beschwerdeführerin eine Arbeits- bzw. Aufenthaltsbewilligung in Österreich zu verschaffen.
Von daher gesehen bedurfte es auch - anders als die Beschwerde meint - weder aus dem Blickwinkel des § 18 Abs. 1 FrG noch dem des § 19 leg. cit. einer Bedachtnahme darauf, daß die Beschwerdeführerin bislang "niemals strafrechtlich bzw. wegen schwerwiegender Verwaltungsstrafen rechtskräftig verurteilt" worden sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1996, Zl. 96/18/0234).
2. Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde für den Fall der Annahme eines im Sinn des § 19 FrG relevanten Eingriffes in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin zu Recht als erforderlich angesehenen Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG stößt auf keinen Einwand.
Die Beschwerdeführerin hält dem angefochtenen Bescheid entgegen, daß bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes eine Interessenabwägung gemäß § 20 FrG nicht vorgenommen worden sei. Diese Rüge wird zu Unrecht erhoben. Die belangte Behörde hat auf die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte private und familiäre Situation Bedacht genommen und zutreffend darauf hingewiesen, daß der mehrjährige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich und auch ihre Beschäftigung hinsichtlich ihrer jeweiligen Berechtigung auf das besagte mißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien und darauf gründend den einwandfreien Schluß gezogen, daß weder Aufenthalt noch Beschäftigung noch das daraus ableitbare Ausmaß einer Integration der Beschwerdeführerin wesentlich zu ihren Gunsten zu veranschlagen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1996, Zl. 96/18/0234).
Auch das Beschwerdevorbringen, daß die Eheschließung schon mehr als fünf Jahre zurückliege und der Beschwerdeführerin damit nicht mehr vorwerfbar wäre, ist aus den im angefochtenen Bescheid (vgl. Punkt I.1.) angeführten Gründen nicht zielführend. Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin sind, und zwar auch unter Bedachtnahme auf ihre familiäre Situation (nach dem Beschwerdevorbringen lebt sie gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt), nicht so stark ausgeprägt, daß sie schwerer zu gewichten wären als das große Gewicht der durch ihr Fehlverhalten beeinträchtigten maßgeblichen öffentlichen Interessen, was die belangte Behörde zu der berechtigten zusammenfassenden Beurteilung geführt hat, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme (vgl. das schon genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes
Zl. 96/18/0234).
3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist der Verfahrensrüge, die Beschwerdeführerin sei nicht dazu vernommen worden, daß es sich bei ihrer für nichtig erklärten Ehe um keine "Scheinehe" gehandelt habe, der Boden entzogen.
4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996180247.X00Im RIS seit
20.11.2000