TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/27 95/06/0184

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Veröffentlicht am 27.06.1996
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;

Norm

BauO Tir 1989 §56 Abs7;
BauRallg;
LBauO Tir §45;
LBauO Tir §58;
LBauO Tir §70;
LBauO Tir;
ROG Tir 1972 §15;
Zulässigkeit Gebäuden Freiland Tir 1994 §2 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der I in H, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. Juli 1995, Zl. Ve1-554-16/1-1, betreffend Feststellung gemäß § 2 Abs. 2 Tiroler Landesgesetz über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. Nr. 11/1994 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 21. September 1994 wurde gemäß § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. für Tirol Nr. 11/1994, festgestellt, daß das gegenständliche Gebäude mit Aufenthaltsraum im Freiland ohne baurechtliche Bewilligung zu einem anderen als dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck verwendet werde. Das Gebäude, eine ehemalige Mühle auf der Bp. Nr. 1050 in Y Nr. 583 sei im Jahre 1959 von der Beschwerdeführerin käuflich erworben worden und seither als Ferienhütte in Verwendung. Aufgrund der Anmeldung eines Freizeitwohnsitzes durch die Beschwerdeführerin sei im Verfahren festgestellt worden, daß in der Registratur des Gemeindeamtes eine Baubewilligung für die genannte Mühle nicht auffindbar sei. Aufgrund des Alters der Mühle könne zwar angenommen werden, daß für das Gebäude eine Baubewilligung zu vermuten sei. Für die Änderung der Zweckwidmung als Ferienhütte sei jedoch niemals eine Baubewilligung erteilt worden und könne diesbezüglich auch kein vermuteter Baukonsens festgestellt werden. Für die Genehmigung zur Nutzung als Freizeitwohnsitz nach den Bestimmungen des TROG 1994 sei die Baubewilligung gemäß § 3 des genannten Gesetzes Voraussetzung. Ob eine solche erteilt werden könne, müsse in einem eigenen Bauverfahren festgestellt werden.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei vom 10. Dezember 1994 als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Verwendungszweck der ursprünglichen Mühle sei entgegen der Aussage der Gemeinde baurechtlich bewilligt worden, da sich die Beschwerdeführerin nicht vorstellen könne, daß ein Umbau ohne die genannten Bewilligungen erfolgt sei, sei nicht geeignet, die zutreffende Begründung des bekämpften Berufungsbescheides in Zweifel zu ziehen. Zum einen habe in der Registratur der Gemeinde keine Bewilligung für diesen Verwendungszweck gefunden werden können, zum anderen könne der Umstand, daß bislang keine behördlichen Beanstandungen erfolgt seien, eine Baubewilligung nicht ersetzen. Tatsache sei weiters, daß die Verwendungszweckänderung einer Mühle, welche ursprünglich im Besitz des Hofes "H" in Y gestanden und als solche genutzt worden sei, in eine Ferienhütte einer baurechtlichen Bewilligung bedürfe. Da eine solche aufgrund der Aktenlage nicht vorliege, sei zu Recht gemäß § 2 Abs. 2 des genannten Gesetzes festgestellt worden, daß eine unzulässige Verwendung vorliege. Sollte eine Verwendung tatsächlich bereits seit dem Jahr 1959 in Form einer Feriennutzung vorliegen, bestehe die Möglichkeit, für diesen geänderten Verwendungszweck nachträglich auf Grundlage des genannten Gesetzes um die Bewilligung anzusuchen. Dies werde in einem eigenen Verfahren zu prüfen sein.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, LGBl. Nr. 11/1994, lautet:

"§ 2

Feststellungsverfahren

(1) Der Bürgermeister hat unverzüglich nach der Erhebung nach § 1 Abs. 2 hinsichtlich jener Gebäude, für die die Baubewilligung nicht nachgewiesen werden kann, mit Bescheid festzustellen, ob das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist oder nicht. Das Vorliegen der Baubewilligung ist zu vermuten, wenn auf Grund des Alters des betreffenden Gebäudes oder sonstiger besonderer Umstände davon auszugehen ist, daß aktenmäßige Unterlagen darüber nicht mehr vorhanden sind, und überdies kein Grund zur Annahme besteht, daß das betreffende Gebäude entgegen den zur Zeit seiner Errichtung in Geltung gestandenen baurechtlichen Vorschriften ohne entsprechende Bewilligung errichtet worden ist.

(2) Wird ein Gebäude, für das die Baubewilligung nachgewiesen wird oder das Vorliegen der Baubewilligung zu vermuten ist, ohne Bewilligung zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck verwendet, so hat der Bürgermeister dies mit Bescheid festzustellen."

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß das verfahrensgegenständliche Gebäude schon vor langer Zeit errichtet worden sei, es sei anzunehmen, daß dies im vorigen Jahrhundert gewesen sei. Schon in den fünfziger Jahren sei, als Verwandte der Beschwerdeführerin dieses Gebäude erworben hätten, dort kein Getreide mehr gemahlen worden. Es sei davon auszugehen, daß das Gebäude, das im Grundbuch als "Alphüttl" bezeichnet werde, selbstverständlich schon im vorigen Jahrhundert bewohnbar errichtet worden und damals eine Baubewilligung nicht erforderlich oder wenn erforderlich, leicht zu erreichen gewesen wäre. Die Verwaltungsbehörden gingen unzutreffend von der Tiroler Bauordnung mit ihren Novellen, die ab dem Jahr 1974 in Geltung stehe, aus. Bis dahin habe die Tiroler Landesbauordnung aus dem Jahre 1901 bestanden. Gemäß deren § 45 sei nur für wesentliche Abänderungen an bestehenden Gebäuden eine Bewilligung erforderlich gewesen. Der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin habe in den fünfziger Jahren keine Abänderungen am Gebäude vorgenommen, die in irgendeiner Weise auf die Festigkeit oder Feuersicherheit des Gebäudes, auf die Gesundheit seiner Bewohner oder auf die Rechte der Nachbarn Einfluß gehabt hätten, wie dies gemäß § 45 Tiroler Landesbauordnung für eine allfällige Bewilligungspflicht erforderlich gewesen wäre. Es seien bloß Ausbesserungen und Abänderungen geringerer Art erfolgt, die gemäß § 45 Tiroler Landesbauordnung lediglich angezeigt werden müßten. Es sei wahrscheinlich, daß diese Bauanzeige verlorengegangen sei. Wäre die Änderung des Gebäudes ohne notwendige Baubewilligung erfolgt, so wäre es ausgeschlossen gewesen, daß das in Rede stehende Gebäude eine Hausnummer erhalten hätte und die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin stets zu den Gemeindeversammlungen geladen worden wären. Gemäß § 2 Abs. 1 des genannten Gesetzes seien im Feststellungsverfahren über das Vorliegen einer Baubewilligung das Alter des betreffenden Gebäudes und sonstige Umstände heranzuziehen. Wäre die belangte Behörde auf die geschilderte Rechtslage vor dem Jahre 1974 eingegangen, hätte sie vermuten müssen, daß die Änderung des Gebäudes im außerordentlich geringen Ausmaß von 36 m2 rechtmäßig erfolgt sei.

Von der Beschwerdeführerin unbestritten ist die Annahme der belangten Behörde und auch der Berufungsbehörde, daß für die verfahrensgegenständliche ehemalige Mühle aufgrund ihres Alters das Vorliegen eines Baukonsenses anzunehmen sei. Nicht näher dargelegt wurde im verfahrensgegenständlichen Bauverfahren, wann die Errichtung dieser ehemaligen Mühle auf dem in Frage stehenden Grundstück anzunehmen ist. Die Frage, ob diese Errichtung vor oder nach dem Inkrafttreten der Tiroler Landesbauordnung von 1901 erfolgt ist, muß nicht geklärt werden, da mangels gegenteiliger Übergangsbestimmungen in der Tiroler Landesbauordnung von 1901 und in der TBO 1974 in beiden Fällen von einem rechtmäßigen Baubestand auszugehen ist, für welchen eine Beschränkung des Verwendungszweckes nicht festgelegt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 95/06/0265). Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 19. November 1981, Slg. Nr. 10.596/A, dargelegt hat, hat die Tiroler Landesbauordnung von 1901 keine Bestimmung des Inhaltes enthalten, daß der Verwendungszweck von Bauten oder Bauteilen in den Bauplänen oder im Baugesuch festzulegen sei, ebensowenig sei eine Beschränkung des Verwendungszweckes im Rahmen der "Erlaubnis zur Benützung des Baues" (§ 58) vorgesehen gewesen, vielmehr sei nach dieser Rechtsvorschrift beim Lokalaugenschein festzustellen gewesen, ob Plan und Bedingungen des Baues eingehalten, der Bau ordnungsgemäß geführt und gehörig ausgetrocknet sei. Eine Bewilligungspflicht für Veränderungen des Verwendungszweckes eines Gebäudes in einen Freizeitwohnsitz läßt sich aus der Tiroler Landesbauordnung auch nicht aus den Vorschriften über das Erfordernis einer Bewilligung zur "Vornahme wesentlicher Abänderungen an bestehenden Gebäuden" (§ 45) ableiten, da nach dieser Gesetzesstelle zu den wesentlichen Abänderungen nur diejenigen gerechnet werden, "wodurch in irgendeiner Weise auf die Festigkeit und Feuersicherheit des Gebäudes wie bei Neuanlagen oder Abänderung von Feuerstätten, Öfen und Rauchleitungen, auf die Gesundheit seiner Bewohner oder auf die Rechte der Nachbarn Einfluß geübt wird". Auch aus § 70 leg. cit. ist keine Bewilligungspflicht für die Änderung des Verwendungszweckes ableitbar, weil sich diese Bestimmung nur auf die Herstellung von Gebäuden bezieht, was sich nicht nur aus der Verwendung des Wortes "Herstellung" ableitet, sondern auch daraus, daß Erleichterungen in bezug auf die Statik vorgesehen waren. Auch die Schaffung der Widmungskategorie "Freiland" im Tiroler Raumordnungsgesetz 1972 in Verbindung mit der Erlassung eines Flächenwidmungsplanes mit einer solchen Widmung änderte daran für auf solchen nunmehr als Freiland gewidmeten Grundstücken bereits bestehende Gebäude nichts.

In den Fünfziger Jahren war somit der Umstand, daß ein Gebäude nunmehr als Freizeitwohnsitz oder Ferienwohnung benützt wurde, von keiner Baubewilligungspflicht nach der Tiroler Landesbauordnung erfaßt.

Der Umstand, daß die Änderung des Verwendungszweckes unter der Geltung der Tiroler Landesbauordnung keiner Bewilligung bedurfte und gemäß der Tiroler Landesbauordnung kein Verwendungszweck bewilligt wurde, ergibt, daß der Tatbestand des § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Gebäuden im Freiland, daß ein Gebäude ohne Bewilligung zu einem anderen als dem bewilligten verwendet wird, nicht zum Tragen kommen kann. Zu fragen ist weiters, von welchem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. beim verfahrensgegenständlichen Gebäude auszugehen ist. Bei der Beantwortung der Frage nach dem sich aus der baulichen Zweckbestimmung ergebenden Verwendungszweck eines Gebäudes ist der Umstand beachtlich, daß der ursprüngliche aus der baulichen Zweckbestimmung sich ergebende Verwendungszweck eines Gebäudes rechtmäßigerweise später aufgrund der geltenden Rechtslage ohne das Erfordernis einer Baubewilligung geändert wurde. In diesem Sinne wurde unbestritten der Verwendungszweck des in Rede stehenden Gebäudes in den Fünfziger Jahren in einen Freizeitwohnsitz geändert. Ausgehend davon kann nicht davon gesprochen werden, daß das verfahrensgegenständliche Gebäude zu einem anderen als dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck verwendet wird. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht eine Feststellung gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen. Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995060184.X00

Im RIS seit

23.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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