TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/27 93/06/0234

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Veröffentlicht am 27.06.1996
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauO Stmk 1968 §61;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde

1. des GJ und 2. der HJ, beide in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 16. September 1993, Zl. A-17-K-7.550/1991-5, betreffend Nachbareinwendungen in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Dipl.-Ing. HF in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 1127/5, EZ 2061, KG W, welches von der Liegenschaft des H.F. (Grundstück Nr. 1125/2, EZ 2419) durch einen über das Grundstück Nr. 1124/1, EZ 837, KG W, führenden, gemeinsam zu benutzenden Servitutsweg getrennt ist. Am 11. Mai 1988 suchte H.F. (in der Folge: der Mitbeteiligte) um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines ein- bis zweigeschoßigen Einfamilienhauses mit teilweise ausgebautem Dachgeschoß und eingebauter Kleingarage für zwei PKWs auf seinem Grundstück Nr. 1125/2 an. Nach Einholung eines geotechnischen Gutachtens und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle, zu der die Beschwerdeführer nicht geladen worden waren, erging am 6. September 1988 ein Bescheid des Stadtsenates Graz, durch den dem Mitbeteiligten die Baubewilligung unter Vorschreibung bestimmter Auflagen erteilt wurde. So sollten etwa die Schmutzwässer in eine zu errichtende Senkgrube sowie die Niederschlagswässer von den Dachflächen und die Drainagewässer in einen Sickerschlitz eingeleitet werden. In ihrer Begründung führt die Behörde aus, daß die Bewilligung erteilt werden könne, da vom öffentlich-rechtlichen Standpunkt aus keine Bedenken bestünden und von den Nachbarn keine Einwendungen erhoben worden seien. Am 17. Mai 1989 fand nach Anzeige des Mitbeteiligten eine Rohbaubeschau statt, bei der seitens der Behörde festgestellt wurde, daß gegen die Weiterführung des Baues keine Bedenken bestünden.

2. Mit Schreiben vom 27. März 1990 beantragten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf die vom Mitbeteiligten angeblich vorgenommenen Veränderungen am Zufahrtsweg die Durchführung einer Bauverhandlung (in diesem Antrag findet sich auch der Satz, daß "die Errichtung des Eigenheimes nicht Gegenstand dieser Antragstellung" sei). Die Beschwerdeführer seien zur ersten Bauverhandlung deshalb nicht geladen worden, weil die Behörde offensichtlich davon ausgegangen sei, daß sie über keinen Anrainerstatus verfügten. Der Mitbeteiligte habe allerdings das Niveau des gemeinsamen Servitutsweges um mehr als 1 m geändert, wodurch die gesamte Situation im Bereich der Liegenschaft verändert sei. Die abfließenden Wässer würden "nicht kontrolliert und vom Mitbeteiligten umgeleitet". Durch die Niveauveränderung und Ableitung der Oberflächenwässer sei es mehrfach zu Überschwemmungen im Keller der Beschwerdeführer gekommen. Aus diesem Grunde sei die Durchführung einer Bauverhandlung, bei der ausgesprochen werden solle, daß die Änderungen am Servitutsweg einer baubehördlichen Genehmigung bedürften, und die Auflage erteilt werden müsse, daß die Oberflächenwässer entsprechend der Bauordnung zu entsorgen seien, unter Teilnahme der Beschwerdeführer als Anrainer notwendig. Am 17. April 1990 teilte das Baupolizeiamt dem Beschwerdeführer mit, die auf den beschwerdegegenständlichen Liegenschaften durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, daß das Ausmaß der Geländeveränderung keine Bewilligungspflicht nach der Steiermärkischen Bauordnung bedinge. Unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des am 27. März 1990 gestellten Antrages übermittelten die Beschwerdeführer Fotoaufnahmen, welche die Nichteinhaltung der im Widmungsbescheid vom 14. Jänner 1982 erteilten Auflagen ebenso wie die dadurch verursachten "sintflutartigen Überschwemmungen" auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer dokumentieren sollten.

3. Am 11. September 1991 erließ der Stadtsenat von Graz einen Bescheid, mit dem der Antrag der Beschwerdeführer auf Durchführung einer Bauverhandlung als unzulässig zurückgewiesen wurde. In der Begründung verwies die Behörde auf die Judikatur der Höchstgerichte, nach der eine Partei nicht mit Erfolg rügen könne, wenn ihr durch die Bauordnung kein gesetzliches Nachbarrecht eingeräumt sei. Der zur Anwendung kommende § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung enthalte eine taxative Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte und habe überdies auch der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, daß den Nachbarn aus den Bestimmungen über die Sicherstellung einer Abwasserbeseitigung keinerlei Rechte erwachsen.

4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung und führten zur Frage, wer als Nachbar angesehen werden müsse, verschiedenste Punkte an. So sei nach ihrem Dafürhalten Nachbar nicht ausschließlich der unmittelbar angrenzende Anrainer, d.h. jener, der eine gemeinsame Grenze habe. Vielmehr sei auch der Anrainer im rechtlichen Sinne Nachbar, wie es etwa gegeben sei, wenn ein schmaler Privatweg zwischen zwei Bauparzellen liege. § 8 AVG dürfe im übrigen nicht so eng ausgelegt werden, sondern es müsse die Parteistellung danach beurteilt werden, inwiefern ein Nachbar durch die Handlung der Behörde bzw. die Bauführung betroffen sei. Die Parteistellung der Beschwerdeführer ergebe sich außerdem aus dem Recht am Weg, da die Beschwerdeführer nicht nur in ihren rechtlichen, sondern auch in ihren faktischen Interessen am Weg durch den erhöhten Verkehrsaufwand und die Bauführung berührt seien. Eine Servitutserweiterung seitens der Behörde sei ohne Absprache bzw. Zustimmung der Beschwerdeführer nicht möglich und sei es angesichts der auf den Fotos abgebildeten "Geröllhalden" Aufgabe der Behörde, eine einvernehmliche Lösung herzustellen und die Auflagen entsprechend auszudehnen. Der Mitbeteiligte leite entgegen den ihm erteilten Auflagen, deren Einhaltung von der Behörde nicht überprüft würde, Niederschlags- und andere Gewässer auf die Nachbargrundstücke ab. Die Beschwerdeführer seien aufgrund der Untätigkeit der Behörde gezwungen, einzuschreiten, und käme ihnen aufgrund dieser Tatsache zur Wahrung des öffentlichen Interesses Parteistellung zu. Abschließend machten die Beschwerdeführer in ihrer Berufung Ausführungen zu den durch die abgeleiteten Wässer verursachten Zuständen auf ihrem Grundstück und dem von anderen Nachbarn. Der Mitbeteiligte habe offensichtlich eine Quelle angestochen, durch die es, verbunden mit überstarken Regenfällen, zu Abtragungen des Geländes und tieferliegendem Anspülen dieses Geländes auf den umliegenden Grundstücken gekommen sei.

5. Mit Bescheid vom 29. Juni 1992 gab der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz der Berufung der Beschwerdeführer statt. Die Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht klar zum Ausdruck gekommen sei, welche Absicht die Beschwerdeführer mit ihren Anbringen verfolgten. Die erstinstanzliche Behörde sei dazu verpflichtet, sich die notwendige Klarheit über den Parteiwillen zu verschaffen. Erst danach könne eine Entscheidung getroffen werden.

6. Über Aufforderung der Behörde erster Instanz, Auskunft über den wahren Parteiwillen zu geben, teilten die Beschwerdeführer am 28. Oktober 1992 mit, im BAUVERFAHREN und im WIDMUNGSVERFAHREN übergangene Partei zu sein. Aus der Bezugnahme auf die von der Behörde dem Mitbeteiligten erteilten Auflagen kann geschlossen werden (eine exakte Bezugnahme auf ein bestimmtes Verfahren oder einen Antrag des Mitbeteiligten ist auch in diesem Schreiben nicht enthalten), daß die Verfahren betreffend die Errichtung des Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 1125/2 gemeint sind (in dem Schriftsatz wird im übrigen das schon im Antrag vom 27. März 1990 enthaltene Vorbringen betreffend die Veränderungen am Servitutsweg wiederholt). Die Nachbareigenschaft ergebe sich nicht nur aus den fast unmittelbar aneinander grenzenden Grundstücken, sondern auch aus dem Recht am Servitutsweg. Die Parteistellung der Beschwerdeführer müsse sich sowohl auf das Widmungs- als auch das Bauverfahren beziehen. In beiden Verfahren seien Auflagen betreffend die Gewässerentsorgung erteilt worden, um eine Beeinträchtigung anrainender Grundstücke zu vermeiden. Die Behörde verletze durch die Nichtüberprüfung dieser Auflagen ihre Pflicht. Das Wegniveau sei unmittelbar beim Grundstück der Beschwerdeführer derart verändert worden, daß Oberflächenwässer abgeleitet worden seien. Ein Sachverständiger habe an Ort und Stelle die Veränderung des Höhenunterschiedes um 1,5 m bis 2 m nicht festgestellt; wären die Beschwerdeführer geladen gewesen, hätten sie auf die Veränderungen hinweisen können. Der Sachverständige hätte sodann auch feststellen können, daß entgegen den Auflagen im Bescheid die Niederschlagswässer von Dächern, die Oberflächenwässer sowie die Wässer auf Verkehrsflächen nicht am Grundstück des Mitbeteiligten zum Versickern gebracht, sondern bewußt auf ein Nachbargrundstück abgeleitet würden. Ein Nachbar habe das Recht auf Einhaltung von Auflagen und auf Abbruch eines Bauwerkes, wenn eine Erdbewegung von mehr als 1,5 m ohne Bau- oder Widmungsbewilligung unmittelbar an der Grenze durchgeführt werde. Die Behörde sei verpflichtet, sämtliche faktischen und rechtlichen Schritte zu ergreifen, um einerseits dem Parteiengehör Genüge zu tun und andererseits den Bescheid samt den darin enthaltenen Auflagen durchzusetzen. Es werde daher der Antrag gestellt, eine Bauverhandlung durchzuführen, die Überwachung der Auflagen vorzunehmen und gegegebenfalls den Abbruch für konsenslos errichtete Bauwerke zu verfügen.

7. Mit Bescheid vom 18. Jänner 1993 mit den Zlen. A-17-K-7550/1991-3 (offensichtlich für das Baubewilligungsverfahren) und A -17-K-24.052/1981-3 (offensichtlich für das Widmungsbewilligungsverfahren) wurde dem Antrag der Beschwerdeführer auf Einräumung der Parteistellung vom Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz abermals keine Folge gegeben. Wie schon in ihren früheren Bescheiden verwies die Behörde auf die in § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte, die ein Recht auf Einhaltung der erteilten Auflagen im Zusammenhang mit der Ableitung von Oberflächenwässern und Niveauveränderungen bzw. auf deren Überprüfung durch die Baubehörde nicht vorsähen. Die von § 44 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung erfaßte Frage der Abwässerbeseitigung käme im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung. Wenn den Beschwerdeführern kein solches von der Bauordnung eingeräumtes Recht gegen die von ihnen befürchteten Rückwirkungen zukomme, sei die Einräumung der Parteistellung ausgeschlossen.

8. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Sie verwiesen darin auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der dem Eigentümer einer Liegenschaft Parteistellung zukäme, wenn nachteilige Wirkungen tatsächlich eintreten bzw. damit gerechnet werden müsse. Die Fotos hätten gezeigt, daß diese tatsächliche Wirkung gegeben sei. Eine diesbezügliche mögliche Wirkung sei von der Behörde auch vorhergesehen und im Widmungs- und Baubescheid dergestalt berücksichtigt worden, daß Auflagen bezüglich der Oberflächenwässerentsorgung erteilt worden seien. Da die Behörde von Amts wegen die Einhaltung dieser Auflagen nicht überwacht habe, sei sie von den Beschwerdeführern dazu aufgefordert worden. Daraus sei die Parteistellung der Beschwerdeführer ebenso ableitbar, wie aus dem Anspruch des Nachbarn auf ordnungsgemäße Abwässerbeseitigung. Darüber hinaus sei es die Pflicht der Behörde, aufgrund der konsenslos durchgeführten Erdbewegungen unmittelbar an der Grenze in der Höhe von ca. 1,5 m von Amts wegen einzuschreiten.

9. In weiterer Folge kam es mehrmals zu Mitteilungen der Beschwerdeführer, nach denen der Mitbeteiligte erneut ohne entsprechende Bewilligung Erdbewegungsarbeiten durchgeführt habe, die dadurch entstandenen Aufschüttungen mehr als 1 m betrügen und der Servitutsweg in einer Art und Weise umgebaut worden sei, die einer Genehmigung bedürfe. Durch die eingetretene Wegniveauerhöhung um ca. 1.5 m sei den Beschwerdeführern ein Schaden entstanden und es werde der Antrag gestellt, dem Bauführer die Entfernung des konsenslos errichteten Bauwerkes und die Wiederherstellung des früheren Zustandes aufzutragen.

10. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz wies mit zwei Bescheiden vom 16. September 1993 mit den Zlen. A-17-K-7.550/1991-5 und A 17-K-24.052/1981-5 die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab (die Bescheide sind wortgleich und weisen außer der unterschiedlichen Geschäftszahl kein Unterscheidungsmerkmal auf). Gegen den Bescheid zur Zl. A-17-K-7.550/1991-5 richtet sich die vorliegende Beschwerde. In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die taxative Aufzählung des § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung und führte dazu aus, daß die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Abwässerbeseitigung kein dort genanntes subjektiv-öffentliches Recht betreffe. Der im § 61 Abs. 2 lit. e genannte § 44 Abs. 2 leg. cit. beziehe sich ausschließlich auf die Abwässerbeseitigung im Zusammenhang mit Abständen zu Bauten, Brunnen, Quellen, Wasserversorgung und Nachbargrundgrenzen. Hinsichtlich sonstiger Abwässerbeseitigung käme den Nachbarn allerdings kein Mitspracherecht zu. Die gegenständlichen Verfahren, in denen die Beschwerdeführer Parteistellung begehrt hätten, beträfen das Grundstück Nr. 1125/2 und das dort errichtete Wohnhaus, nicht jedoch den Zufahrts(Servituts)weg und die dortigen Erdbewegungen. Die möglicherweise verursachten Immissionen durch Schüttungen auf dem Weg seien nicht Gegenstand des Baubewilligungs- und Widmungsbewilligungsverfahrens, in dem die Beschwerdeführer Parteistellung begehrten, und berechtige daher nicht zu den gemachten Vorbringen. Anläßlich der Endbeschau werde von der Behörde überprüft, ob sämtliche Auflagen sowohl der Widmungsals auch der Baubewilligung eingehalten worden seien, wobei auch die Auflage hinsichtlich des Verbotes der Ableitung von Abwässern auf Nachbargrundstücke überprüft werden müsse. Unter Hinweis auf den von den Beschwerdeführern gestellten Beseitigungsantrag führte die belangte Behörde weiters aus, daß die Behörde erster Instanz zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet sei, in dem den Beschwerdeführern Parteistellung zukäme. Darüber hinaus bestünden Möglichkeiten zur Setzung zivilgerichtlicher Schritte, da eine Beeinträchtigung durch unzumutbare Immissionen auch Belange des Zivilrechtes beträfen.

11. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Ungeachtet des Umstandes, daß den Beschwerdeführern nicht zu folgen ist, wenn sie in Zweifel ziehen, daß § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 eine taxative Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte enthalte, ist die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, daß den Beschwerdeführern deshalb nicht Parteistellung zukomme, weil durch die erteilte Bewilligung nicht in ihre Rechte eingegriffen werde, verfehlt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten hat, kommt es bei der Prüfung, ob einem Nachbarn in einem Bauverfahren (oder ganz allgemein in einem anlagenrechtlichen Verfahren) Parteistellung zukommt, - sofern nicht ausdrückliche präzisierende Vorschriften, wie eine Beschränkung auf eine bestimmte Entfernung des Grundstückes vom Baugrundstück, vorhanden sind - nicht darauf an, ob durch die beantragte Bewilligung tatsächlich in die subjektiven Rechte des Nachbarn eingegriffen wird, sondern lediglich darauf, ob durch die beantragte Maßnahme Eigentümer von Grundstücken durch das Vorhaben in ihren Rechten beeinträchtigt werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0145, sowie - zu § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 - vom 24. September 1992, Zl. 91/06/0233). Dies gilt auch für die Steiermärkische Bauordnung 1968, die in § 61 den Begriff des Nachbarn nicht näher definiert, sondern voraussetzt (vgl. Hauer, Steiermärkisches Baurecht, 2. Auflage, Anm. 15 zu § 61, und Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, 26ff). Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, ob jemand, der im Widmungs- oder Baubewilligungsverfahren aufgrund seiner Nachbareigenschaft als Partei dem Verfahren beizuziehen ist, auch erfolgreich bestimmte Einwendungen erheben kann. Im konkreten Fall hat die Behörde die Beschwerdeführer nicht in das Bauverfahren einbezogen und dies stets damit begründet, daß den Beschwerdeführern kein subjektiv-öffentliches Mitspracherecht hinsichtlich der Abwässerbeseitigung zustehe. Diese Frage ist jedoch für die Beurteilung, ob die Parteistellung gegeben ist, nicht von ausschlaggebender Bedeutung, sondern spielt erst bei der Beurteilung, ob die erhobenen Einwendungen auch materiell berücksichtigt werden müssen, eine Rolle (für das fortgesetzte Verfahren ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden kann, wenn sie die Auffassung vertritt, daß § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung ein Mitspracherecht des Nachbarn hinsichtlich der Abwässerbeseitigung nicht normiere; vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, Zl. 93/06/0007). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, kommt - sofern nicht diesbezüglich eine ausdrückliche Einschränkung normiert ist - als Nachbar nicht nur der unmittelbare (seitliche) Anrainer, sondern etwa auch der Eigentümer eines durch eine öffentliche Verkehrsfläche getrennten, gegenüberliegenden Grundstückes in Betracht (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1955, Zl. 862/53, und vom 24. September 1992, Zl. 91/06/0233). Daraus ergibt sich, daß - auf den Beschwerdefall bezogen - die Stellung als Nachbar (und daher als Partei) auch dem Eigentümer eines Grundstückes zukommen kann, das von der bauverfahrensgegenständlichen Liegenschaft durch einen (schmalen) Servitutsweg getrennt ist.

Ob der Nachbar als Partei erfolgreich Einwendungen gegen ein Bauprojekt erheben kann, ist eine von der Parteistellung zu trennende Frage und ergibt sich aus der taxativen Aufzählung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 iVm mit dem jeweiligen konkreten Sachverhalt. Dies hat die belangte Behörde verkannt und dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

2. Unter diesen Umständen ist nicht mehr auf die in der Beschwerde weiters angeschnittene Frage einzugehen, ob die gewählte Rechtstechnik bei der Entscheidung über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, welcher sowohl über den Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Widmungsverfahren als auch über den Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Baubewilligungsvefahren abgesprochen hat, den Anforderungen an Bescheide entspricht.

Die Beschwerdeführer führen dazu aus, es sei nicht erklärlich, weshalb zwei Bescheide mit wörtlich identem Inhalt mit zwei verschiedenen Geschäftszahlen erlassen worden seien. Betreffend den Bescheid mit der GZ. A-17-K-24.052/1981-5 habe kein Verfahren stattgefunden. Dem angefochtenen Bescheid sei ebenso wie dem Bescheid mit der GZ. A-17-K-24.052/1981-5 nicht zu entnehmen, welcher Berufung keine Folge gegeben worden sei. Behördliche Entscheidungen hätten übersichtlich und eindeutig zu sein, um keinen Anlaß für Irrtümer zu geben.

Es kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob durch die Bezugnahme auf die jeweilige Geschäftszahl des Verfahrens bei der Erlassung der zwei getrennten Bescheide für das Widmungsverfahren und das Baubewilligungsverfahren im Beschwerdefall ausreichend klargestellt war, auf welchen Berufungsantrag sich jeweils welcher Bescheid beziehen sollte, da der (hier allein angefochtene) Bescheid zur Zl. A-17-K-7.550/1991-5 schon aus den obigen Überlegungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zu viel verzeichneten Stempelgebührenaufwand.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993060234.X00

Im RIS seit

09.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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