TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/27 94/18/0353

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.1996
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. April 1994, Zl. SD 223/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. April 1994 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes (FrG), BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer bestreite nicht, am 29. Juni 1993 in der Pizzeria "F" in W anwesend gewesen zu sein, als dieses Lokal von Beamten des Landesarbeitsamtes Wien kontrolliert worden sei. Seinem Vorbringen, in der dortigen Küche keinesfalls gearbeitet zu haben, seien allerdings die Feststellungen der Beamten des Landesarbeitsamtes Wien entgegenzuhalten, wonach er am Pizzaofen arbeitend angetroffen worden sei. Der Erklärung des Beschwerdeführers, er habe sich lediglich mit dem Inhaber des Lokals in der Küche unterhalten, müsse "schon alleine deshalb die Plausibilität abgesprochen werden, weil in diesem Fall die Beamten des Landesarbeitsamtes keinerlei Veranlassung gehabt hätten, gegen den Berufungswerber einzuschreiten". Für die belangte Behörde stehe somit fest, daß der Beschwerdeführer eine Beschäftigung ausgeübt habe, die den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes "zuwiderlief". Demnach lägen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG vor und das Fehlverhalten des Beschwerdeführers rechtfertige die Annahme, daß sein weiterer Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der MRK genannten öffentlichen Interessen, namentlich dem an der "Aufrechterhaltung einer geordneten Beschäftigungspolitik", zuwiderlaufe. Von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 leg. cit. könne keine Rede sein, weil der Beschwerdeführer erst relativ kurz in Österreich aufhältig sei und nach Ablauf des ihm erteilten Sichtvermerks, also seit 1. April 1994, über keine Aufenthaltsberechtigung mehr verfüge. Der am 4. März 1993 (richtig: 1994) geschlossenen Ehe des Beschwerdeführers komme in diesem Zusammenhang keine rechtliche Relevanz zu. Es sei daher weder zu überprüfen, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der MRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet der Beschwerdeführer mit dem Hinweis, die belangte Behörde habe die von ihm vorgelegten schriftlichen Zeugenerklärungen in keiner Weise gegenüber der Anzeige des Landesarbeitsamtes berücksichtigt. Vielmehr gehe die belangte Behörde von Vermutungen aus und stelle lediglich fest, daß andernfalls die Beamten des Landesarbeitsamtes keinerlei Veranlassung gehabt hätten, gegen ihn einzuschreiten.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zur Begründung ihrer Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde lediglich auf die Feststellungen des Landesarbeitsamtes Wien (im Erhebungsbericht vom 29. Juni 1993). Zur vorgelegten Erklärung des Geschäftsinhabers, der Beschwerdeführer habe ihm lediglich einen Freundschaftsbesuch abgestattet, ihm in der Küche Gesellschaft geleistet und keinesfalls irgendeine Küchentätigkeit ausgeübt, führte die belangte Behörde nur aus, in diesem Fall hätten die Beamten des Landesarbeitsamtes keinerlei Veranlassung gehabt, gegen den Beschwerdeführer einzuschreiten. Von der Tatsache des Einschreitens auf die Richtigkeit des Erhebungsberichtes zu schließen, stellt keinesfalls eine schlüssig begründete Beweiswürdigung i.S.d.

§ 60 AVG dar. Davon abgesehen ging die belangte Behörde auch mit keinem Wort auf die vorgelegte Erklärung des M ein, derzufolge der Beschwerdeführer keine Arbeiten in der Pizzeria verrichtet, sondern lediglich mit dem Chef gesprochen habe.

2. Wegen des Fehlens einer ausreichenden und nachvollziehbaren Begründung ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des Begehrens (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ein Stempelgebührenaufwand von lediglich S 510,-- erforderlich war (drei Beschwerdeausfertigungen S 360,--, eine Bescheidausfertigung S 30,--, eine Vollmacht S 120,--).

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994180353.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten