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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)Norm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch den Ausschluss unehelicher Kinder vom gesetzlichen Erbrecht zum Nachlass der Verwandten des (verstorbenen) Vaters gemäß einer (historischen) Bestimmung des ABGB; Schlechterstellung unehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern nicht durch "Rücksicht auf die eheliche Familie" zu rechtfertigen; Unsachlichkeit des generellen – selbst gegenüber dem Heimfallsrecht des Staates – Ausschlusses des gesetzlichen ErbrechtsRechtssatz
Verfassungswidrigkeit des §754 Abs3 des ABGB idF BGBl 342/1970.
Mit der angefochtenen Regelung, die ein gesetzliches Erbrecht eines unehelichen Kindes zum Nachlass der Verwandten des (vorverstorbenen) Vaters ausschloss, differenzierte der Gesetzgeber im Hinblick auf die Rechtsstellung einerseits ehelicher und andererseits unehelicher Kinder. §754 Abs3 ABGB idF BGBl 342/1970 bewirkte eine Schlechterstellung unehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern insofern, als unehelichen Kindern - anders als ehelichen Nachkommen - kein Erbrecht zum Nachlass der Verwandten ihres leiblichen Vaters nach der gesetzlichen Erbfolge zukam.
Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung war auch vor deren Abschaffung im Zuge der Erbrechtsreform 1989, BGBl 656/1989, nicht gegeben. Insbesondere kann die angefochtene Bestimmung nicht mit dem Schutz der Ehe bzw der "Rücksicht auf die eheliche Familie" gerechtfertigt werden. Im Übrigen stellt die vermeintliche Wahrung des ehelichen Familienfriedens keinen ausreichend schwerwiegenden Grund dar, uneheliche Kinder gegenüber ehelichen Kindern in ihrer Rechtsstellung schlechter zu stellen.
Der VfGH verkennt nicht, dass die gesellschaftlichen (Lebens-)Umstände ehelicher und unehelicher Kinder zum Zeitpunkt des Inkraftstehens der angefochtenen Bestimmung im Allgemeinen andere waren als heute. Dessen ungeachtet war die durch §754 Abs3 ABGB idF BGBl 342/1970 bewirkte Ungleichbehandlung unehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern im Hinblick auf deren Rechtsstellung zum Nachlass der Verwandten des Vaters mangels sachlicher Rechtfertigung gleichheitswidrig.
Im Übrigen erweist sich die angefochtene Regelung auch deshalb als mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar, weil §754 Abs3 ABGB idF BGBl 342/1970 dem unehelichen Kind in keinem Fall ein gesetzliches Erbrecht nach den Verwandten des Vaters einräumte. Für den VfGH ist insbesondere nicht ersichtlich, aus welchen sachlichen Gründen es gerechtfertigt war, dass der Nachlass der Verwandten väterlicherseits gemäß §754 Abs3 ABGB idF BGBl 342/1970 eher heimfällig geworden ist als dem unehelichen Kind zuzukommen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Erbrecht, Kinder, Eherecht, Kindschaftsrecht, Zivilrecht, VfGH / Parteiantrag, Gleichbehandlung, Ehe und VerwandtschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G359.2021Zuletzt aktualisiert am
08.04.2022