TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/24 Ra 2020/05/0231

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Veröffentlicht am 24.02.2022
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E15103030
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AVG §39 Abs2
AWG 2002 §48 Abs4 Z3
AWG 2002 §49
AWG 2002 §49 Abs3
AWG 2002 §49 Abs4
AWG 2002 §49 Abs5
AWG 2002 §49 Abs6
AWG 2002 §63 Abs3
B-VG Art133 Abs6 Z1
EURallg
VwRallg
WRG 1959 §120
31999L0031 Abfalldeponien-RL Art1 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger, Mag. Liebhart-Mutzl, Dr.in Sembacher sowie Dr.in Gröger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der B GmbH in O, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8-9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 24. September 2020, LVwG-AV-689/001-2020, betreffend einen Antrag auf Abbestellung der Deponieaufsicht und Aufhebung des Tätigkeitsumfangs des Deponieaufsichtsorgans (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 16. Jänner 2012 wurde der revisionswerbenden Partei die abfallrechtliche und naturschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer vereinfachten Bodenaushubdeponie sowie eines Zwischenlagers für Bodenaushub erteilt. Im Spruchpunkt E dieses Bescheides wurde Herr DI G. zum Deponieaufsichtsorgan bestellt und in Spruchpunkt F sein Tätigkeitsumfang festgelegt. Unter anderem sei die vorschriftsmäßige Errichtung und der Betrieb der Anlage ungeachtet gesonderter Baukontrollen mindestens zweimal jährlich zu kontrollieren.

2        Mit Schriftsatz vom 3. März 2020 stellte die revisionswerbende Partei einen Antrag auf Abberufung der Deponieaufsicht. Die gegenständliche Deponie werde von der Behörde regelmäßig iSd § 48 Abs. 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) kontrolliert. Für die revisionswerbende Partei sei daher nicht ersichtlich, warum darüber hinaus eine Kontrolle durch das Deponieaufsichtsorgan überhaupt erforderlich sei. § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 räume der Behörde kein Ermessen ein, sondern es handle sich um eine Ermächtigung für die Behörde, von der sonst geltenden Rechtslage (d.h. von jener für nicht vereinfachte Bodenaushubdeponien) abzuweichen. Unter den genannten Voraussetzungen habe die Behörde von der Bestellung eines Deponieaufsichtsorgans abzusehen. Die Voraussetzungen seien im konkreten Fall gegeben. Die gegenständliche Deponie sei seit Bescheiderlassung ca. dreieinhalb Jahre in Betrieb gewesen und in dieser Zeit von der Behörde viermal aufgesucht und dabei überprüft worden. Außerdem hätten 23 Kontrollen durch das Deponieaufsichtsorgan stattgefunden. Es werde daher beantragt, das mit Bescheid vom 16. Jänner 2012 (Spruchpunkt E) bestellte Deponieaufsichtsorgan abzuberufen und den Spruchpunkt F (Tätigkeitsumfang des Deponieaufsichtsorgans) ersatzlos zu beheben.

3        Mit Bescheid vom 18. Mai 2020 wies die belangte Behörde diesen Antrag als unzulässig zurück. Begründend führte sie aus, die Deponiebetreiberin könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr einwenden, dass die Behörde im Genehmigungsbescheid der Deponie nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, nach § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 keine Deponieaufsicht zu bestellen, da dieser Bescheid rechtskräftig sei. Das Vorbringen „in der Art einer Berufung“ auf Abbestellung der Deponieaufsicht und Aufhebung deren Tätigkeitsumfangs sei „wegen entschiedener Sache“ zurückzuweisen. Außerdem werde darauf hingewiesen, dass die gegenständliche Deponie nur knapp unter der Grenze von 100.000 m³ für das vereinfachte Genehmigungsverfahrenliege und der Amtssachverständige ausgeführt habe, dass Bodenaushubdeponien zu den für den vorbeugenden Gewässerschutz sensibelsten Deponien gehörten und aufgrund der wasserwirtschaftlich sensiblen Lage die Bestellung eines Aufsichtsorgans für erforderlich und angemessen erachtet werde. Überdies habe sich das Vorhandensein einer Deponieaufsicht als wesentlich, notwendig und unerlässlich erwiesen, weil die bislang durchgeführten behördlichen Kontrollen nicht dafür ausgereicht hätten, um einen der Rechtsordnung entsprechenden Zustand der Deponie zu gewährleisten. Die Behörde sehe daher keine Veranlassung, das Deponieaufsichtsorgan für die gegenständliche Deponie von Amts wegen abzuberufen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, Gegenstand des Verfahrens sei die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch die belangte Behörde. In diesem Zusammenhang sei daher insbesondere zu klären, ob die revisionswerbende Partei als Deponieinhaberin überhaupt über die Antragslegitimation verfüge, die Abbestellung des rechtskräftig bestellten Deponieaufsichtsorgans zu fordern. Im Verfahren über die Bestellung des Deponieaufsichtsorgans habe die Konsenswerberin, de facto die Deponiebetreiberin in spe, ohne Bestehen einer ausdrücklichen Bestimmung Parteistellung. Dieses Recht leite sich aus dem mit der Bestellung verbundenen Rechtseingriff ab, zumal der Deponiebetreiberin ein Recht auf „nur gesetzmäßige Bestellung eines Deponieaufsichtsorganes“ zugestanden werden müsse, jedoch kein Recht darauf, wen die Behörde mit dieser Funktion betraue. Damit sei nicht das Recht auf Abbestellung eines einmal rechtskräftig bestellten Deponieaufsichtsorgans verbunden, solange sich die Deponie in der Betriebsphase befinde bzw. nicht anschließend aus der Nachsorge entlassen worden sei. Mit dem angefochtenen Bescheid sei der Antrag auf Abbestellung des Deponieaufsichtsorgans zurückgewiesen und de facto die mit der Bestellung verbundene Duldungsverpflichtung bestätigt worden. Eine derartige Aufrechterhaltung greife - anders als eine Deponieaufsichtsbestellung - nicht in die Rechte der Deponiebetreiberin ein, da die mit dem rechtskräftigen Bestellungsbescheid verbundenen Duldungsverpflichtungen gleichsam aufrecht blieben. Die Beibehaltung stelle demnach keine zusätzliche Beeinträchtigung eines Rechtes dar und eine (weitere) Verletzung eines eigenen, tatsächlich bestehenden subjektiven Rechts durch den Bescheid sei nicht möglich, sodass der Deponiebetreiberin kein (neuerliches) materielles Recht iSd § 8 AVG einzuräumen sei. Der beaufsichtigten Deponiebetreiberin komme hinsichtlich der Abberufung der Deponieaufsicht kein Antragsrecht und kein Mitspracherecht zu, sondern die diesbezügliche Letztentscheidung obliege der Behörde und eine Abberufung bzw. Umbestellung könne nur amtswegig erfolgen.

6        Die belangte Behörde irre in ihrer Ansicht, dass der gegenständliche Fall wegen der rechtskräftigen Entscheidung und in der Folge wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei, da Sache des damaligen Bescheides die (gemeint: abfallrechtliche) Bewilligung sowie die Bestellung des Deponieaufsichtsorgans gewesen sei und sich sohin vom gegenständlichen Verfahren, nämlich dem Antrag auf Abberufung der Deponieaufsicht, unterscheide. Im Ergebnis erweise sich die Zurückweisung des Antrags auf Abberufung des Deponieaufsichtsorgans jedoch als rechtmäßig, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

7        Anzumerken sei, dass im Hinblick auf § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 gegen die Einräumung von Ermessen spreche, dass nicht ersichtlich sei, nach welchen weiteren Kriterien als der regelmäßigen behördlichen Kontrolle die Behörde ihr Ermessen ausüben sollte. Es biete sich jedoch eine verfassungskonforme Interpretation dahingehend an, dass der Behörde kein Ermessen eingeräumt werde, sondern sie ein Deponieaufsichtsorgan zu bestellen habe, wenn sie die Deponie nicht so regelmäßig überprüfen könne, dass ein konsens- und rechtmäßiger Deponiebetrieb sichergestellt werde. Diesbezüglich sei keinesfalls auf § 63 Abs. 1 AWG 2002 abzustellen. Diese Norm sei zur Sicherung eines rechtskonformen Deponiebetriebes nicht geeignet. Die Beurteilung der regelmäßig notwendigen Prüfintervalle habe im Einzelfall zu erfolgen.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob dem Inhaber einer vereinfachten Bodenaushubdeponie ein Antragsrecht bezüglich der Abberufung des Deponieaufsichtsorgans bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 zukomme.

10       Die Revision erweist sich diesbezüglich als zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

11       Die maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 24/2020, lauten:

Bestimmungen für Deponiegenehmigungen

§ 48.

[...]

(4) Für Deponien gemäß § 37 Abs. 3 Z 1 (Bodenaushubdeponien unter 100 000 m3, soweit ausschließlich nicht verunreinigtes Bodenaushubmaterial abgelagert wird) gilt Folgendes:

[...]

3.   Von der Bestellung einer Deponieaufsicht kann abgesehen werden, wenn seitens der Behörde die Deponie regelmäßig kontrolliert wird.

[...]

Zusätzliche Bestimmungen betreffend die Überwachung einer Deponie

§ 63. [...]

(3) Die Behörde hat zur Überprüfung von Deponien mit Bescheid eine Deponieaufsicht zu bestellen; § 49 Abs. 3 bis 6 gelten sinngemäß. Die Deponieaufsicht hat die Einhaltung dieses Bundesgesetzes und der darauf beruhenden Verordnungen und Bescheide, insbesondere betreffend die Instandhaltung, den Betrieb, einschließlich der zu führenden Aufzeichnungen, und die Nachsorge, regelmäßig zu überprüfen. Sie hat der Behörde darüber jährlich zu berichten. Wird bei Beanstandungen keine Übereinstimmung zwischen dem Deponieaufsichtsorgan und dem Inhaber der Deponie über die zu treffenden Maßnahmen erzielt, ist unverzüglich der Behörde zu berichten. Weitere Maßnahmen sind, soweit im Einzelfall erforderlich, von der Behörde mit Bescheid festzulegen.

[...]“

12       In der Revision wird vorgebracht, § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 sehe - anders als § 63 Abs. 3 AWG 2002 - keine obligatorische Bestellung eines Deponieaufsichtsorgans vor. Das Verwaltungsgericht habe sich fälschlicherweise auf die zu § 63 AWG 2002 ergangene Rechtsprechung gestützt und diesen Unterschied nicht beachtet. Das AWG 2002 sehe bei der Überprüfung von vereinfachten Bodenaushubdeponien die Notwendigkeit von Kontrollen durch ein Deponieaufsichtsorgan nur dann als gegeben, wenn die Behörde derartige Anlagen nicht regelmäßig kontrolliere. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Deponieaufsichtsorgans lägen fallbezogen aufgrund der regelmäßig stattfindenden Kontrollen nicht (mehr) vor. Der Sachverhalt habe sich seit der Bestellung der Deponieaufsicht durch zahlreiche Kontrollen der Behörde geändert, sodass die Voraussetzungen für eine Bestellung nicht mehr vorlägen, weshalb die Aufrechterhaltung der Deponieaufsicht nicht mehr gesetzmäßig sei. Durch die Beibehaltung der Bestellung ergebe sich eine Beeinträchtigung von Rechten der revisionswerbenden Partei. Schon deshalb sei eine Antragslegitimation evident. Im Ergebnis räume § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 der revisionswerbenden Partei ein subjektives Recht ein und ihr komme aufgrund dieser Rechtsgrundlage Antragslegitimation zu.

13       Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das AWG 2002 keine ausdrücklichen Regelungen zur Abberufung eines Deponieaufsichtsorgans enthält, eine solche jedoch in der bisherigen hg. Judikatur als zulässig erachtet wurde. Der bescheidmäßige Abspruch über die Enthebung einer Person von ihrer Betrauung mit einer Aufsichtsfunktion gestaltet das Rechtsverhältnis zwischen Konsensträger und Aufsichtsorgan, indem die Duldungspflichten des Konsensträgers diesem gegenüber beendet werden (vgl. zu § 120 WRG 1959 VwGH 27.6.1995, 94/07/0102, sowie zur Übertragung der daraus abgeleiteten Grundsätze auf die Abberufung eines Deponieaufsichtsorgans nach § 63 Abs. 3 iVm § 49 Abs. 3 bis 6 AWG 2002 VwGH 28.1.2016, Ra 2015/07/0153 bis 0159 und 0161). In beiden genannten Fällen ging es um die amtswegige Abberufung von Aufsichtsorganen (die in der Folge versuchten, sich gegen diese Abberufungen beim Verwaltungsgerichtshof zur Wehr zu setzen) unter gleichzeitiger Neubestellung eines anderen Aufsichtsorgans. Die Rechtsfrage eines allfälligen subjektiv-öffentlichen Rechts - und damit Antragsrechts - des Konsensträgers auf (ersatzlose) Abberufung eines bestellten Aufsichtsorgans war darin nicht zu lösen.

14       Da das AWG 2002 keine speziellen Regelungen über die Abberufung eines Deponieaufsichtsorgans enthält (vgl. dazu nochmals VwGH 28.1.2016, Ra 2015/07/0153 bis 0159 und 0161), ist dem Inhaber der Deponie auch kein ausdrückliches Recht eingeräumt, eine solche zu beantragen. Vorliegend ist daher die Rechtsfrage zu beantworten, ob dem Inhaber einer vereinfachten Bodenaushubdeponie - wie von der revisionswerbenden Partei vorgebracht - aus § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 ein subjektives Recht auf Abberufung der Deponieaufsicht (samt Durchführung der Kontrollen durch die Behörde) und damit ein entsprechendes Antragsrecht zukommt.

15       Ob durch Rechtsvorschriften subjektive öffentliche Rechte eingeräumt werden, ist eine Frage der Auslegung der betreffenden Vorschriften des materiellen Rechts. Nicht jede Norm des objektiven Verwaltungsrechts gewährt auch eine subjektive Berechtigung. Ein subjektives öffentliches Recht ist dann zu bejahen, wenn eine zwingende Vorschrift - und damit eine sich daraus ergebende Rechtspflicht zur Verwaltung - nicht allein dem öffentlichen Interesse, sondern (zumindest auch) dem Interesse Einzelner zu dienen bestimmt ist (vgl. VwGH 7.7.2017, Ra 2017/03/0003; 18.9.2015, Ra 2015/12/0019; 27.11.2014, Ra 2014/03/0039, oder auch bereits 26.2.2003, 2000/03/0328; und 3.4.1998, 98/19/0025, jeweils mwN).

16       In Bezug auf die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 ist daher zunächst (vgl. dazu nochmals etwa VwGH 26.2.2003, 2000/03/0328) zu hinterfragen, ob es sich dabei um eine im Sinne des Gesagten „zwingende Norm“ handelt, die die Verwaltung - also die Behörde - zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet.

17       Bereits dies ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu verneinen: Nicht nur, dass es sich nach dem klaren Wortlaut der in Rede stehenden Norm um eine „Kann-Bestimmung“ („Von der Bestellung einer Deponieaufsicht kann abgesehen werden, wenn seitens der Behörde die Deponie regelmäßig kontrolliert wird“) handelt, wird es nach deren Inhalt ins Auswahlermessen der Behörde gestellt, entweder die (für andere als vereinfachte Bodenaushubdeponien zwingend vorgesehene) Bestellung einer Deponieaufsicht vorzunehmen oder die erforderliche regelmäßige Kontrolle selbst auszuführen. Von einer die Behörde zu einem bestimmten Verhalten verpflichtenden, also einer „zwingenden“ Vorschrift im Verständnis der oben genannten Rechtsprechung kann daher keine Rede sein; schon aus diesem Grund kommt dem Deponieinhaber nach dem Vorgesagten kein Antragsrecht nach § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 zu.

18       § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 regelt zwar nicht selbst, unter welchen Voraussetzungen die Behörde eine Deponieaufsicht zu bestellen hat oder wann sie von der Möglichkeit der Eigenkontrolle Gebrauch machen kann. Sie ist aber deswegen nicht völlig ungebunden; ihre Entscheidung ist nach den für die Ermessensübung allgemein geltenden Grundsätzen, also im Sinne des Gesetzes, zu treffen (vgl. VwGH 23.7.2018, Ra 2018/07/0372, mwN). Dabei wird sie sich jedenfalls an dem in Umsetzung der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien dem AWG 2002 innewohnenden Ziel, negative Auswirkungen der Ablagerung von Abfällen auf die Umwelt hintanzuhalten (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie) und an dem für das Verfahren allgemein geltenden Grundsatz der Verfahrensökonomie (§ 39 Abs. 2 AVG: „Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis“) zu orientieren haben (vgl. zur Heranziehung des Grundsatzes der Verfahrensökonomie VwGH 22.2.2018, Ra 2018/01/0032, und 24.10.2017, Ra 2016/06/0023, zu § 28 Abs. 7 VwGVG, sowie 18.11.2014, Ro 2014/05/0010, und 4.5.2006, 2004/03/0207, zu § 38 AVG).

19       Ein subjektives Recht auf Nichtbestellung oder Abberufung einer Deponieaufsicht und Eigenkontrolle durch die Behörde wird mit der Einräumung von Ermessen an die Behörde nicht ausgedrückt (vgl. sinngemäß VwGH 20.11.2014, 2011/07/0244 und 0248 bis 0251, zur Verneinung eines subjektiven Rechts auf die im Ermessen der Behörde liegende kassatorische Entscheidung und Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG; VwGH 7.9.2007, 2007/02/0180, zur Verneinung eines subjektiven Rechts auf Erlassung einer im Ermessen der Behörde stehenden Berufungsvorentscheidung).

20       Da § 48 Abs. 4 Z 3 AWG 2002 dem Inhaber einer vereinfachten Bodenaushubdeponie kein subjektives Recht auf Abberufung der Deponieaufsicht und Eigenkontrolle durch die Behörde einräumt, kommt dem Deponieinhaber auch kein diesbezügliches Antragsrecht zu. Ein dennoch gestellter Antrag ist daher - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.

21       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2022

Schlagworte

Ermessen VwRallg8 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020050231.L00

Im RIS seit

08.08.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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