Entscheidungsdatum
27.10.2021Index
41/01 SicherheitsrechtNorm
SPG 1991 §31Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Grois über die Richtlinienbeschwerde des Herrn A. B., Wien, C.-straße, vertreten durch Rechtsanwalt, anlässlich einer Amtshandlung am 30.06.2020 durch Organe der Landespolizeidirektion Wien,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 53 iVm § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und gemäß § 89 Abs. 4 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG festgestellt, dass § 5 Abs. 1 der Richtlinien-Verordnung – RLV verletzt wurde.
2. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat gemäß §§ 35 und 53 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer 737,60 Euro für Schriftsatzaufwand und 922,00 Euro für Verhandlungsaufwand an Aufwandersatz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.
3. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.
BEGRÜNDUNG
I.1. Mit dem am 10.08.2020 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Schriftsatz erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde (hg zu GZ VGW-102/067/9786/2020 protokolliert) samt nunmehr verfahrensgegenständlicher Richtlinienbeschwerde und brachte darin vor:
„Der BF erhebt durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist die nachstehende
Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 88 SPG
an das Verwaltungsgericht Wien und führt dazu wie folgt aus:
Sachverhalt
Der BF hielt sich am 30.06.2020 gegen 17:00 Uhr in Begleitung eines Freundes im Bereich der Kreuzung D.-straße/E. auf. Der Begleiter des BF spuckte auf den Boden, woraufhin er von Insassen eines vorbeifahrenden PKWs darauf aufmerksam gemacht wurde, dass dieses Verhalten angesichts der COVID-19-Pandemie zu unterlassen sei. In weiterer Folge entspann sich eine Diskussion zwischen dem BF und den Insassen des PKWs, im Zuge derer der Beifahrer den BF und seinen Begleiter fragte, warum sie „nicht in Afrika seien“. Der BF zeigte in weiterer Folge den gestreckten Mittelfinger in Richtung des PKW.
Die Insassen des PKW fuhren zunächst ein Stück weiter, stiegen aus dem Fahrzeug und wiesen sich als Beamte der LPD Wien aus. Der Begleiter des BF wies sich mittels seines in der Hosentasche befindlichen Schülerausweises aus, der BF wurde ohne weitere Vorwarnung gegen eine Auslagenscheibe gedrückt und mittels Körperkraft fixiert.
Der BF wollte sich ausweisen und ersuchte die Beamten, die als schmerzhaft empfundene Fixierung zu lockern. Der BF wies auch seinen Begleiter in deutscher Sprache darauf hin, dass seine E-Card und seine Wiener Linien Karte in seiner Hosentasche seien. Die Beamten begannen jedoch selbst die Bekleidung des BF zu durchsuchen. Im Zuge der Durchsuchung wurde die Geldbörse, die der BF bei sich trug durch die Beamten zu Boden geworfen. Nachdem die Beamten bei der Durchsuchung der Bekleidung des BF letztlich die Fahrkarte der Wiener Linien gefunden hatten, lösten sie die Fixierung des BF.
Der BF wurde im Zuge der Amtshandlung verletzt und erlitt eine blutende Wunde am rechten Unterarm. Ein eingeleitetes Strafverfahren gegen die Beamten F. G. und I. H. wurde mittlerweile durch die Staatsanwaltschaft Wien eingestellt.
Beweis:
- Vernehmung des BF als Partei;
- Beizuschaffender Akt der Staatsanwaltschaft Wien zur Zahl ...
- weitere Beweismittel ausdrücklich vorbehalten
Zulässigkeit der Maßnahmenbeschwerde
(...)
Der BF erhebt durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist weiters die nachstehende
Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 89 SPG
1) Sachverhalt
Siehe oben unter II.1.
2) Zur Zulässigkeit
Gemäß § 89 Abs. 1 SPG hat das Landesverwaltungsgericht Beschwerden, in denen die Verletzung einer gemäß § 31 SPG festgelegten Richtlinie behauptet wird, an die in der Sache zuständigen belangten Behörde weiterzuleiten. Der BF behauptet die Verletzung von § 5 Abs. 1 der Richtlinienverordnung durch jenen Beamten der LPD Wien, der auf dem Beifahrersitz saß.
Das Landesverwaltungsgericht ist folglich sachlich zuständig.
Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 VwGVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG nach dem Ort, an dem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begonnen wurde. Im gegenständlichen Fall fand die Amtshandlung in Wien statt, weshalb das Landesverwaltungsgericht Wien örtlich zuständig ist.
Gemäß § 89 Abs. 2 SPG ist eine Beschwerde gemäß §89 Abs. 1 SPG binnen sechs Wochen einzubringen. Der Vorfall ereignete sich am 30.06.2020, die Beschwerde erfolgt sohin rechtzeitig.
3) Begründung
Gemäß § 5 RL-VO haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken, oder als „Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung“ empfunden zu werden.
Durch die Frage, warum der BF und sein Begleiter „nicht in Afrika“ seien, setzte der Beamte der LPD Wien ein Verhalten, das den Eindruck rassistischer Vorbehalte erweckt. Der Beamte verletzte durch diese Äußerung § 5 der RL-VO.
Während der Durchsuchung des BF warfen die amtshandelnden Beamten zudem dessen Geldbörse zu Boden, die dieser bei sich trug, obwohl dazu kein Anlass bestand. Auch durch dieses Verhalten wurde § 5 der RL-VO verletzt.
Anträge
Der Beschwerdeführer stellt daher durch seinen ausgewiesenen Vertreter die nachstehenden
Anträge
an das Verwaltungsgericht, dieses möge
1. eine mündliche Verhandlung anberaumen;
2. feststellen, dass die Fixierung und Durchsuchung des BF am 30.06.2020 unter unverhältnismäßiger Anwendung von Körperkraft und somit rechtswidrig erfolgte, wodurch der BF in seinen Rechten gemäß § 29 SPG iVm. 50 SPG, sowie Art. 3 EMRK verletzt wurde
3. (…)
4. (…)
5. dem Rechtsträger der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens gemäß der anzuwendenden Aufwandersatz-Verordnung, sowie die Kosten für die Eingabegebühren gemäß §§ 35 VwGVG iVm. § 52 Abs. 3 VwGG auferlegen.“
2. Die Beschwerde wurde der belangten Behörde gemäß § 89 Abs. 1 SPG zugeleitet.
Mit Eingabe vom 25.09.2020 beantragte der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsfreundes unter Hinweis darauf, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer mit Schreiben von 17.09.2020, zugestellt am 22.09.2020, mitgeteilt, ein Verstoß gegen die Richtlinienverordnung liege nicht vor, gemäß § 89 Abs. 4 SPG die Feststellung der Verletzung des § 5 Abs. 1 der Richtlinienverordnung, weil die Polizeibeamten den Beschwerdeführer und seine Begleiter fragten, warum diese nicht in Afrika seien, sowie durch das Zubodenwerfen der Geldbörse des Beschwerdeführers.
Das Verwaltungsgericht Wien ersuchte die belangte Behörde um Übermittlung der Sachverhaltsmitteilung, welche sodann zugeleitet wurde. Darin ist zusammengefasst festgehalten:
„Laut festgestelltem Sachverhalt wurde eine derartige Aussage zu keinem Zeitpunkt von irgendeinem der einschreitenden Beamten getätigt. Auch wurde ihre Geldbörse von den Beamten nicht mutwillig auf dem Boden geworfen.
Es liegt kein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 RLV vor.“
3. Dem Verwaltungsgericht Wien erwuchsen Bedenken bezüglich der in § 89 Abs. 2 SPG normierten sechswöchigen Beschwerdefrist, welche von der in § 7 Abs. 4 VwGVG festgelegten Beschwerdefrist abweicht. Beantragt wurde die Aufhebung der Wortfolge „binnen 6 Wochen“ in § 89 Abs. 2 SPG beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. A iVm Art. 135 Abs. 4 und Art. 89 Abs. 2 B-VG. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24.06.2021, G 363/2020-12, wurde der Antrag abgewiesen.
4. Das Verwaltungsgericht Wien forderte in weiterer Folge beide Verfahrensparteien auf binnen zwei Wochen jene Personen zu benennen, die zu den in Beschwerde gezogenen Handlungen (Fragestellung des Polizeibeamten, warum der Beschwerdeführer und sein Begleiter „nicht in Afrika seien“ sowie Zubodenwerfen der Gegenstände, die der Beschwerdeführer bei sich trug) Wahrnehmungen haben und deren Einvernahme zur Klärung des beschwerdegegenständlichen Sachverhaltes zweckdienlich ist.
Weiters teilte das Verwaltungsgericht Wien mit, es gehe davon ausgehe, die belangte Behörde habe ihre Sachverhalts- und Rechtsansicht zum Beschwerdevorbringen in der Sachverhaltsmitteilung von 17.09.2020 abschließend zum Ausdruck gebracht – wenn sich dazu eine Änderung ergeben habe, es sei der belangten Behörde jedoch unbenommen eine entsprechende Gegenschrift zu erstatten.
Seitens des Beschwerdeführers wurde bekannt gegeben, dass der bereits im parallel geführten Maßnahmenbeschwerdeverfahren einvernommene Zeuge J. K. Zeuge auch für die verfahrensgegenständlichen Verhaltensweisen sei. Für das Zubodenwerfen der Geldbörse wurde auf das ebenso bereits im parallel geführten Maßnahmenbeschwerdeverfahren vorgelegte Video verwiesen.
Seitens der belangten Behörde erging keine Reaktion.
5. In der Beschwerdesache fand am 22.10.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung zur Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen BzI L. M., BzI F. G. und RvI. I. H. statt. Auf die erneute Einvernahme des Zeugen J. K. wurde von den Parteien verzichtet und dessen im Rahmen des Maßnahmenbeschwerdeverfahrens getätigte Zeugenaussage vom 02.12.2020, GZ VGW-102/067/9786/2020, verlesen.
5.1. In der Beschwerdesache wird folgender Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Am 30.06.2020 gegen 17:00 Uhr waren BzI M., BzI G. und RvI. H. im Rahmen eines Suchtmittelschwerpunktes in ziviler Kleidung und einem zivilen Fahrzeug tätig. BzI G. war der Fahrzeuglenker, RvI. H. saß hinter dem Beifahrersitz und BzI M. ging zum Fahrzeug bzw. zum Beifahrersitz. Das Fahrzeug befand sich auf der D.-straße in Fahrtrichtung stadteinwärts. Der Beschwerdeführer ging gemeinsam mit Herrn K. nach einem Einkauf auf der D.-straße ebenso stadteinwärts in Richtung Station der U....
Herr K. spukte auf den Gehsteig – nahe bei den Füßen von BzI M.. Er wurde daraufhin von BzI M., der gerade am Beifahrersitz Platz nehmen wollte, schärfer darauf angesprochen, dass das in Zeiten von Corona nicht angebracht ist. Es entspann sich eine Diskussion zwischen BzI M. und Herrn K.. Der Beschwerdeführer trat zum Fahrzeug hinzu und mengte sich in das Gespräch ein. Zu diesem Zeitpunkt saßen die drei Beamten bereits gemeinsam im Fahrzeug. Der Beschwerdeführer warf im Zuge dieses Gespräches ein, dass es in Coronazeiten ebenso wenig sinnvoll sei zu dritt im Auto ohne Maske zu sitzen. Im Zuge dieses Gespräches ließ BzI M. mit einer wegdeutenden Handbewegung die sinngemäße Fragestellung fallen, warum der Beschwerdeführer und sein Begleiter nicht nach Afrika gingen.
Der Beschwerdeführer wurde emotional und erhob den gestreckten Mittelfinger in Richtung der im Fahrzeug sitzenden Beamten. Er ging in weiterer Folge weg und erhob ein weiteres Mal den gestreckten Mittelfinger. Die Beamten stiegen in weiterer Folge aus dem Fahrzeug aus und forderten den Beschwerdeführer und seinen Begleiter zur Identitätsfeststellung auf. Herr K. wies sich aus. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen der Identitätsfeststellung stehend fixiert, wobei BzI G. den rechten Arm des Beschwerdeführers am Handgelenk hinter dessen Rücken und RvI. H. den linken Arm des Beschwerdeführers am Handgelenk hinter dessen Rücken fixierte. BzI M. hielt in weiterer Folge die Geldbörse des Beschwerdeführers in der Hand. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer noch an beiden Armen fixiert und auch Herr K. stand im unmittelbaren Nahebereich der agierenden Personen. BzI M. warf/legte dann die Geldbörse (Lederetui) vor die Füße des Beschwerdeführers. Kurze Zeit später wurde diese Geldbörse und (vermutlich) Kopfhörer von Herrn K. vom Boden aufgehoben.
5.2. Diese Feststellungen wurden aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Unterlagen, des vorgelegten Videos, der unbedenklichen und unbestrittenen Aktenlage, der Parteieneinvernahme und der Einvernahme der genannten Zeugen getroffen.
Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig.
Die Feststellung im Zusammenhang mit dem Zubodenwerfen/Ablegen der Geldbörse auf dem Boden stützen sich im Wesentlichen auf das vorgelegte Video und die Aussagen der einvernommenen Personen.
Strittig ist in der Beschwerdesache im Wesentlichen, ob BzI M., am Beifahrersitz sitzend, die an den Beschwerdeführer und seinen Begleiter gerichtete Fragestellung tätigte, warum denn diese nicht nach Afrika gingen.
Die einvernommenen Beamten bestritten diese Aussage im Zuge ihrer Einvernahme im persönlichen und unmittelbaren Eindruck durchaus glaubhaft. Ebenso im persönlichen und unmittelbaren Eindruck durchaus glaubhaft sagten jedoch der Beschwerdeführer und der Zeuge K. aus, dass aus dem Auto von der am Beifahrersitz sitzenden Person diese Wendung in ihre Richtung getätigt wurde.
Das Verwaltungsgericht Wien stützt die getroffene Feststellung in der Beschwerdesache insbesondere auf die Aussage des Zeugen K.: Dieser machte im Zuge seiner Einvernahme einen an der Wahrheitsfindung interessierten Eindruck. Er wirkte weder besonders emotional aufgebracht. Auch im vorgelegten Video von der Amtshandlung machte Herr K. einen unaufgeregten Eindruck und unterhielt sich dabei, dem optischen Eindruck nach, entspannt mit BzI M.. Letzterer sagte dazu im Zuge seiner Einvernahme aus, dass der Begleiter des Beschwerdeführers (Herr K.) kooperativ war. Noch wirkte Herr K. bei seiner Zeugeneinvernahme so, als wolle er bloß im Sinne des vom Beschwerdeführer Vorgebrachten bzw. Ausgesagten selbst aussagen. Beim Verwaltungsgericht Wien erwuchs deshalb Eindruck, dass der Zeuge K. diese Formulierung aus dem Fahrzeug kommend selbst tatsächlich wahrgenommen hat.
II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen (§ 28 Abs. 6 VwGVG).
Gemäß § 53 VwGVG sind auf Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sinngemäß anzuwenden.
2.1. Die im Beschwerdeverfahren relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 148/2021, lauten auszugsweise:
„Richtlinien für das Einschreiten(1) Der Bundesminister für Inneres hat zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen.
(2) In diesen Richtlinien ist zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen insbesondere vorzusehen, daß
1.
bestimmte Amtshandlungen Organen mit besonderer Ausbildung vorbehalten sind;
2.
die Bekanntgabe der Dienstnummern der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in einer der jeweiligen Amtshandlung angemessenen Weise, in der Regel durch Aushändigung einer mit der Dienstnummer, der Bezeichnung der Dienststelle und deren Telefonnummer versehenen Karte zu erfolgen hat;
3.
vor der Ausübung bestimmter Befugnisse mögliche Betroffene informiert werden müssen;
4.
bei der Ausübung bestimmter Befugnisse besondere Handlungsformen einzuhalten sind;
5.
die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beim Eingriff in Rechte von Menschen auf die Erkennbarkeit ihrer Unvoreingenommenheit Bedacht zu nehmen haben, sodaß ihr Einschreiten von den Betroffenen insbesondere nicht als Diskriminierung auf Grund ihres Geschlechtes, ihrer Rasse oder Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder ihrer politischen Auffassung empfunden wird;
6.
die Durchsuchung eines Menschen außer in Notfällen durch eine Person desselben Geschlechtes vorzunehmen ist;
7.
der Betroffene über geschehene Eingriffe in seine Rechte in Kenntnis zu setzen ist;
8.
der Betroffene in bestimmten Fällen auf sein Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes hinzuweisen ist und daß er deren Verständigung verlangen kann.
(3) Soweit diese Richtlinien auch für Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuständigkeitsbereich anderer Bundesminister gelten sollen, erläßt der Bundesminister für Inneres die Verordnung im Einvernehmen mit den in ihrem Wirkungsbereich berührten Bundesministern.“
„Beschwerden wegen Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten(1) Insoweit mit einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat das Landesverwaltungsgericht sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.
(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim Landesverwaltungsgericht (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, daß ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.
(3) Wenn dies dem Interesse des Beschwerdeführers dient, einen Vorfall zur Sprache zu bringen, kann die Dienstaufsichtsbehörde eine auf die Behauptung einer Richtlinienverletzung beschränkte Beschwerde zum Anlaß nehmen, eine außerhalb der Dienstaufsicht erfolgende Aussprache des Beschwerdeführers mit dem von der Beschwerde betroffenen Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu ermöglichen. Von einer Mitteilung (Abs. 2) kann insoweit Abstand genommen werden, als der Beschwerdeführer schriftlich oder niederschriftlich erklärt, klaglos gestellt worden zu sein.
(4) Jeder, dem gemäß Abs. 2 mitgeteilt wurde, daß die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs. 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Das Landesverwaltungsgericht hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.“
2.2 § 5 der Richtlinien-Verordnung - RLV, BGBl. Nr. 266/1993, zuletzt geändert durch Verordnung, BGBl. II Nr. 155/2012, lautet:
„Achtung der Menschenwürde(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung empfunden zu werden.
(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben alle Menschen, bei denen dies dem üblichen Umgang entspricht oder die es verlangen, mit „Sie“ anzusprechen.
(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben dafür zu sorgen, daß die Durchsuchung eines Menschen (Durchsuchung der Kleidung und Besichtigung des Körpers) nur von jemandem desselben Geschlechtes oder von einem Arzt vorgenommen wird; dies gilt nicht, soweit ein hiezu erforderlicher Aufschub der Durchsuchung deren Zweck gefährden würde. Hievon ist die Durchsuchung von Kleidungsstücken ausgenommen, die nach den Umständen ohne Verletzung des Anstandes und ohne Verletzung anderer schutzwürdiger Interessen des Betroffenen abgelegt werden können.“
3.1. Die Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt regelt § 35 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, welcher lautet:
(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1.
die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2.
die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3.
die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“
3.2. Die Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, lautet auszugsweise:
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird wie folgt festgesetzt:
1.
Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei
737,60 Euro
2.
Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei
922,00 Euro
3.
Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei
57,40 Euro
4.
Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei
368,80 Euro
5.
Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei
461,00 Euro
6.
Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)
553,20 Euro
7.
Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand)
276,60 Euro“
III.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG iVm § 89 Abs. 4 SPG hat das Verwaltungsgericht Wien auf Antrag dessen, dem von der Dienstaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde, dass die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, festzustellen, ob eine gemäß § 31 SPG festgelegten Richtlinie verletzt worden ist. Bei einer Richtlinienbeschwerde nach § 89 SPG handelt es sich um den Sonderfall einer Dienstaufsichtsbeschwerde, in der die Verletzung einer Richtlinie nach der Richtlinien-Verordnung, welche einen Verhaltenskodex für Exekutivorgane bei der Ausübung von Befugnissen festlegt, die durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Erfüllung ihrer Aufgaben – insbesondere jener, die durch Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt und Zwangsgewalt zu besorgen sind, geltend gemacht wird (VwGH vom 09.09.2003, Zl 2002/01/0517). Gegenstand einer Richtlinienbeschwerde ist das Verhalten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (§ 5 SPG), das am Maßstab der gemäß § 31 SPG erlassenen Richtlinien-Verordnung zu messen ist. Damit ist die Richtlinienbeschwerde eine „Verhaltensbeschwerde“ nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG und hat „typenfreies“ Verwaltungshandeln zum Gegenstand (etwa VwGH vom 13.10.2015, Ra 2015/01/0166 mwN).
Die auf Grundlage des § 31 SPG erlassene Richtlinien-Verordnung stellt einen Berufspflichtenkodex der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dar und bezweckt, eine wirkungsvolle einheitliche Vorgangsweise der Sicherheitsexekutive sicherzustellen und die Gefahr von Konflikten mit den Betroffenen zu mindern. Sie legt jedoch nicht die Modalitäten fest, auf deren Einhaltung der Betroffene bei Ausübung bestimmter Befugnisse durch Exekutivbeamte einen Rechtsanspruch hat. Die Frage von Richtlinienverletzungen ist eine Angelegenheit des „inneren Dienstes“ unabhängig davon, in Ausübung welcher Staatsfunktion eine Tätigkeit vorgenommen bzw. eine Befugnisnorm in Anspruch genommen wird, und ist auf Dienstaufsichtsebene zu klären und gegebenenfalls in weiterer Folge von den Verwaltungsgerichten der Länder nach § 89 Abs. 4 SPG zu entscheiden. Die Frage einer allfälligen Verletzung von Richtlinien ist daher ausschließlich anhand der konkreten Einzel-Anordnungen der Richtlinien-Verordnung zu beantworten (etwa VwGH vom 17.10.2017, Ra 2017/01/0309, vom 21.10.2011, Zl 2010/03/0058, vom 24.08.2004, Zl 2003/01/0041, vom 17.09.2002, Zl 2000/01/0138, oder vom 07.09.2000, Zl 99/01/0429).
Bei der Frage, ob beim Einschreiten eines Exekutivorganes Richtlinien verletzt worden sind, kommt es nicht auf den subjektiven Eindruck des von der Amtshandlung Betroffenen, sondern nur auf das objektive Erscheinungsbild an (VwGH vom 24.08.2004, Zl 2004/01/0147).
Die Anordnung des § 5 Abs. 1 Richtlinien-Verordnung geht so wie § 31 Abs. 2 Z 3 SPG davon aus, dass Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Unvoreingenommenheit nicht eigens angeordnet werden muss, da sich das Sachlichkeitsgebot bereits aus ihrer Stellung als öffentlich Bedienstete ergibt. Es kommt aber darauf an, dass der Beamte nicht bloß unvoreingenommen ist, sondern auch den Schein der Voreingenommenheit vermeidet. Ob er letztlich mit seinem Bemühen beim Betroffenen Erfolg hat, liegt nur insoweit in seiner Verantwortung, als er eine Handlung gesetzt hat, die objektiv auf Voreingenommenheit hinweist; ob der Beamte tatsächlich voreingenommen war, ist nicht maßgeblich (VwGH vom 17.09.2002, Zl 2000/01/0138, oder vom 29.06.2000, Zl 96/01/1233 = VwSlg 15445 A/2000).
Ein in einem als aggressiv, unfreundlich, rüpelhaft, herrisch, streitsüchtig oder provokant empfundenen Tonfall ausgesprochener Befehl eines Organs der öffentlichen Aufsicht übersteigt – abgesehen von der Schwierigkeit, ein solches Empfinden mit objektiven Maßstäben zu werten – zwar den iZm der Erteilung einer zu befolgenden Anordnung üblichen zwischenmenschlichen Umgangston. Ein solches Verhalten ist aber noch nicht so gravierend, dass hieraus eine Verletzung der Richtlinie gem. § 5 Richtlinien-Verordnung resultiert. Auch eine als abfällig empfundene Handbewegung bzw. ein als sarkastisch gewertetes Lächeln sind nicht geeignet, den Eindruck von Voreingenommenheit in objektiv nachvollziehbarer Form zu erwecken (VwGH vom 29.06.2000, Zl 96/01/1233 mwN).
1.2. Zur Frage „warum der Beschwerdeführer und sein Begleiter ‚nicht in Afrika‘ seien“
Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens steht fest, dass die monierte Fragestellung am beschwerdegegenständlichen Tag von einem zivilen Organ der belangten Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer und seinem Freund getätigt wurde.
Dem Verwaltungsgericht Wien sind keine Zweifel erwachsen, dass diese Fragestellung, als solche oder gerichtet an Menschen mit dünklerer Hautfarbe und mit Migrationshintergrund, objektiv geeignet ist, als Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe oder der ethnischen Herkunft empfunden zu werden.
Durch diese Fragestellung wird § 5 Abs. 1 RLV verletzt.
1.3. Zum Zubodenwerfen der Geldbörse während der Durchsuchung des Beschwerdeführers:
In der Beschwerdesache steht fest, dass ein kleines Lederetui von einem zivilen Organ der belangten Behörde zu Boden geworfen wurde, während der Beschwerdeführer mit fixierten Händen vom Beamten durchsucht wurde. Der Beschwerdeführer erachtete diese Handlung als eine seine Menschenwürde beeinträchtigende Verhaltensweise, weil die Geldbörse entweder ihm persönlich zurückzugeben oder an eine andere Person auszuhändigen gewesen wäre – aber „nicht wie Dreck“ zu Boden zu werfen gewesen wäre. Der einschreitende Beamte erklärte seine Handlung dahingehend, dass diese nicht in böser Absicht erfolgt sei. Auch sei es kein Herunterwerfen oder dergleichen gewesen, sondern einfach ein Ablegen, wie er das schon hundertmal zuvor getan habe. Er räumte aber ein, dass diese Handlung unglücklich aussehe.
Das Verwaltungsgericht Wien kann in der hier beschwerdegegenständlichen Handlung des Zubodenwerfens der Geldbörse keine § 5 Abs. 1 RLV verletzende Verhaltensweise erkennen:
§ 5 Abs. 1 RLV zielt darauf ab, dass die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei ihrer Aufgabenerfüllung alles unterlassen zu haben, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung empfunden zu werden.
Dafür, dass in der verfahrensgegenständlichen faktischen Verhaltensweise eine Handlung gesetzt wurde, die im Kontext einer Diskriminierung im Sinne des § 5 Abs. 1 RLV gesehen werden könnte, gab es in der Beschwerdesache keinen Anhaltspunkt. BzI M. warf bzw. legte die Geldbörse vor den Füßen des Beschwerdeführers ab.
Ebenso vermittelt der Umstand des (bloßen) Ablegens der Geldbörse vor den Füßen des Beschwerdeführers für sich nicht den Eindruck, dass BzI M. gegenüber dem Beschwerdeführer voreingenommen gewesen wäre. Insbesondere war das Zubodenwerfen der Geldbörse nicht mit einer schleudernden oder vergleichbaren Bewegung vorgenommen worden. Auch ist im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen, dass diese Handlung etwa mit Äußerungen verbunden wurde, welche in Zusammenschau den Eindruck der Voreingenommenheit zu erwecken geeignet gewesen wären.
Es ist dem Verwaltungsgericht Wien durchaus nachvollziehbar, dass das Zubodenwerfen der Geldbörse des Beschwerdeführers während dieser daneben mit fixierten Händen stand, bei diesen den subjektiven Eindruck erweckte, seine Sachen würden wie Dreck bzw. respektlos behandelt und er das auf seine Person bezog. Doch ist das Zubodenwerfen der Geldbörse letztlich nicht geeignet, den Eindruck von Voreingenommenheit in objektiv nachvollziehbarer Form zu erwecken (VwGH vom 29.06.2000, Zl 96/01/1233 mwN).
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
2. Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 53 iVm § 35 Abs. 1, 2 und 4 Z 3 VwGVG iVm § 1 Z 1 und 2 VwG-AufwErsV und war im Hinblick darauf zu treffen, dass die Verletzung der Richtlinie des § 5 Abs. 1 RLV festgestellt wurde.
3. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen klar aus dem Gesetz lösbar sind (vgl. Köhler, Der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 589 ff, mwN).
Schlagworte
Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes; Unvoreingenommenheit; Sachlichkeitsgebot; Schein der Voreingenommenheit; Richtlinien für das Einschreiten; Achtung der Menschenwürde; Diskriminierung; Herunterwerfen; Maßnahmenbeschwerde; RichtlinienbeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.102.067.9788.2020Zuletzt aktualisiert am
29.03.2022