TE Lvwg Beschluss 2021/11/23 VGW-124/074/16146/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.11.2021
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Entscheidungsdatum

23.11.2021

Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018 §2 Z15 lita sublitdd
WVRG 2020 §18
WVRG 2020 §19 Abs1
WVRG 2020 §25 Abs1
WVRG 2020 §26 Abs1
WVRG 2020 §26 Abs3
WVRG 2020 §26 Abs4

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Mandl über den Antrag der A. GmbH auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Linienverkehr B." Zuschlagsentscheidung Los 5, der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Rechtsanwalt, den

BESCHLUSS

gefasst:

I.   Zur Prüfung der von der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten wird ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet.

II.  Folgende Einstweilige Verfügung wird erlassen:

     Der Antragsgegnerin, Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) Gesellschaft m.b.H., wird im Verfahren zur Vergabe „Linienverkehr B.", Los 5, für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Zuschlagserteilung untersagt.

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Gemäß § 26 Abs. 5 WVRG 2020 ist diese Verfügung sofort vollstreckbar.

Begründung

Die Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) Gesellschaft m.b.H. (im Folgenden Auftraggeberin, Antragsgegnerin) führt ein offenes Verfahren zur Erbringung von Beförderungsleistungen „Linienverkehr B.“ mit insgesamt 7 Losen. Für das Los 5 soll der Vertrag auf ca. 8 Standardkalenderjahre mit der Option auf Verlängerung abgeschlossen werden. Es handelt sich um einen Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich.

Die Angebotsfrist wurde mit 2.6.2021, 10:00 Uhr festgelegt, die Antragstellerin hat fristgerecht ein Angebot gelegt.

Am 5.11.2021 wurde über die Vergabeplattform die Zuschlagsentscheidung bekanntgemacht und der Antragstellerin mitgeteilt, dass für das Los 5 beabsichtigt sei, der C. AG den Zuschlag zu erteilen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der am 15.11.2021 postalisch eingebrachte Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung betreffend das Los 5. Das Interesse am Vertragsabschluss sowie der drohende Schaden wurden im Antrag dargelegt.

Begründend wurden als Rechtswidrigkeiten zusammengefasst im Wesentlichen angeführt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin wegen Nichteinhalten von Ausschreibungsbedingungen und Qualitätskriterien auszuscheiden sei, wobei insbesondere genannt werden ein falscher Fahrzeugeinsatz, eine falsche Fahrzeugausstattung, ein Fehlverhalten von Fahrern, stark verschmutzte Fahrzeuge, nicht funktionierende Monitore, Fahrzeugalter. Damit werde gegen Vorgaben des Auftraggebers aus der Leistungsvereinbarung verstoßen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe durch den falschen Einsatz der Fahrzeuge über mehrere Monate die Leasingraten bzw. Kreditraten für Neufahrzeuge gespart und sich damit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafft. Es werde davon ausgegangen, dass die Auftraggeberin die entsprechenden Pönalen vorgeschrieben hat.

Beantragt wurde, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten, die Zuschlagsentscheidung betreffend Los 5 nichtig zu erklären, der Auftraggeberin aufzutragen, der Antragstellerin die Pauschalgebühren zu ersetzen.

Die Erlassung der einstweiligen Verfügung sei im gegenständlichen Fall zusammengefasst erforderlich, da eine bloße Feststellung einer rechtswidrigen Zuschlagserteilung und allenfalls zustehende Schadenersatzforderungen die Chance der Antragstellerin, den Auftrag zu erhalten, nicht aufzuwiegen vermögen. Es bestehe nach der Judikatur ein öffentliches Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter. Nach der Rechtsprechung habe ein Auftraggeber bei der zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens einzukalkulieren.

Zur Sicherung ihrer Rechtsposition begehre die Antragstellerin daher, der Auftraggeberin bis zur rechtskräftigen Entscheidung im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Antragsgegnerin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags im Los 5 untersagt werde, sowie Pauschalgebührenersatz.

Mit Schriftsatz vom 17.11.2021 hat die Antragsgegnerin zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung genommen und vorgebracht, dass in Kenntnis der ständigen Spruchpraxis keine Einwendungen gegen den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der die Erteilung des Zuschlags im gegenständlichen Vergabeverfahren für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt werde, erhoben würden.

Ausgehend vom Vorbringen der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht Wien zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erwogen:

Die Antragsgegnerin ist öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018. Sie führt ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages. Das Ende der Angebotsfrist war der 2.6.2021, 10 Uhr. Die Antragstellerin hat sich an dem Vergabeverfahren beteiligt und fristgerecht ein Angebot gelegt.

Die Antragstellerin ist eine Unternehmerin, die einen Nichtigerklärungsantrag gemäß § 18 WVRG 2020 auf Nichterklärung der Zuschlagsentscheidung, einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht und auf Kostenersatz am 15.11.2021 beim Verwaltungsgericht eingebracht hat.

Der Antrag auf Einleitung des Nichtigerklärungsverfahrens ist rechtzeitig (§ 19 Abs. 1 WVRG 2020) und auch zulässig, da damit eine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 2 Z 15 lit. a sublit. dd BVergG 2018 bekämpft wird. Die Beibringung der Pauschalgebühren für ein Nachprüfungsverfahren ist nachgewiesen. Die Antragstellerin hat ihr Interesse und am allenfalls drohenden Schaden bei Nichterlangung des gegenständlichen Auftrages dargelegt. Der Antrag auf Einleitung eines Nichtigerklärungsverfahrens entspricht den Bestimmungen der §§ 18 Abs. 1, 20 Abs. 1 WVRG 2020. Es war daher das von der Antragstellerin begehrte Nichtigerklärungsverfahren einzuleiten.

Für die Behandlung des gegenständlichen Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien gemäß § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 WVRG 2020 gegeben, wobei gemäß § 2 Abs. 3 WVRG 2020 Entscheidungen über Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen durch die Einzelrichterin erfolgen.

Der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung entspricht grundsätzlich den Bestimmungen des § 25 Abs. 2 WVRG 2020.

Gemäß § 25 Abs. 1 WVRG 2020 hat das Verwaltungsgericht Wien, sobald ein Nichtigerklärungsverfahren eingeleitet ist, auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers oder der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

Die von der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind bei ihrem Vorliegen grundsätzlich geeignet, im Ergebnis die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung herbeizuführen. Dazu bedarf es aber einer eingehenden Prüfung der von der Antragsgegnerin vorzulegenden Vergabeakten sowie der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung.

Gemäß § 26 Abs. 1 WVRG 2020 hat das Verwaltungsgericht Wien vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahmen für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers oder der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bewerberinnen oder Bieter oder Bieterinnen und des Auftraggebers oder der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Interessensabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf deren Erlassung abzuweisen.

Vorliegend hat die Antragstellerin ihr Interesse an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung dargelegt und im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Schutz ihrer Interessen entsprechend der Judikatur der Vorrang gegenüber den Interessen der Auftraggeberin an einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens einzuräumen wäre.

Eine weitergehende Prüfung der Interessenslage konnte im Hinblick auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 17.11.2021 unterbleiben.

Gemäß § 26 Abs. 3 WVRG 2020 ist im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die jeweils gelindeste, noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes wird dem Sicherungszweck mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßnahme ausreichend Rechnung getragen.

Gemäß § 26 Abs. 4 WVRG 2020 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen.

Im vorliegenden Fall gilt die einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens, welche mit der gesetzlichen Entscheidungsfrist des
§ 24 WVRG 2020 bestimmbar ist und innerhalb welcher das Gericht voraussichtlich zu einer Entscheidung finden wird.

Der Hinweis auf die sofortige Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung gründet auf § 26 Abs. 5 WVRG 2020.

Aus diesen Gründen war daher die beantragte einstweilige Verfügung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erlassen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Einstweilige Verfügung; offenes Verfahren; Oberschwellenbereich; Nichtigerklärungsantrag; gesondert anfechtbare Entscheidung; Akteneinsicht; drohender Schaden; Interessensabwägung; gelindeste Maßnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.124.074.16146.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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