Entscheidungsdatum
06.12.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
COVID-19-MG §4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schattauer über die Beschwerde der Frau Mag. A. B., Wien, C.-gasse, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 22.10.2021, Zahl MBA/…/2021, wegen einer Verwaltungsübertretung nach §§ 8 Abs. 2 Z 2, 4 Abs. 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl. l Nr. 12/2020 idF BGBl. l Nr. 33/2021, iVm § 1 Abs. 1 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. COVID-19-SchuMaV) BGBl. ll Nr. 58/2021 idF BGBl. ll Nr. 162/2021,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde in der Schuldfrage als unbegründet abgewiesen, die verhängte Geldstrafe jedoch auf € 50,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Stunden herabgesetzt. Gemäß § 64 Abs. 2 VStG beträgt der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag EUR 10,--, das ist der gesetzlich vorgesehene Mindestkostenbeitrag.
II. Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Straferkenntnis vom 22.10.2021 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, einen öffentlichen Ort im Freien betreten zu haben und gegenüber anderen, nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, den Mindestabstand von zwei Metern nicht eingehalten zu haben.
Mit Schreiben vom 19.11.2021 erhob die Beschwerdeführerin gegen dieses Straferkenntnis Beschwerde mit dem Begehren, das gegen sie eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren ersatzlos einzustellen.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:
Die Beschwerdeführerin, Frau Mag. A. B., betrat am 10.04.2021 die Örtlichkeit Wien, D., wo sie um 15.53 Uhr verweilte, ohne gegenüber einer weiteren, nicht mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Person, einen Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre.
Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgeblich:
Diese Feststellungen gründen sich auf den unbedenklichen Akteninhalt (Akt des Verwaltungsgerichts sowie Akt der belangten Behörde). Das angelastete Verhalten ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Anzeige der Landespolizeidirektion Wien. In der Anzeige ist eindeutig vermerkt, dass sich die Beschwerdeführerin zur Tatzeit an der genannten Örtlichkeit in Bezug auf eine weitere, namentlich genannte Person (Frau E. F.) in einem Abstand von lediglich ungefähr einem Meter aufgehalten hat. Die Anzeige wurde von einem polizeilichen Meldungsleger, somit einem geschulten Organ, erstattet, welches bei Anzeigelegung der Wahrheitspflicht unterliegt. Eine entsprechende Distanzschätzung ist bezogen auf den in der Anzeige vermerkten Abstand und den von Gesetzes wegen zu wahrenden Mindestabstand auch nach dem Augenmaß leicht möglich und ist nicht ersichtlich, weshalb, wie die Beschwerdeführerin vermeint, die Ahndung der zur Last gelegten Übertretung eines Fotobeweises und einer zentimetergenauen Vermessung bedarf. Dass die genannte Person mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt lebt, wurde nicht behauptet und finden sich aktenkundig für eine derartige Annahme keine Anhaltspunkte. Dass es sich bei der Örtlichkeit Wien, D., um einen öffentlichen Ort handelt, ist gerichtsbekannt und wird dies auch nicht bestritten.
Der entsprechende Sachverhalt wurde der Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren und im Straferkenntnis mehrfach vorgehalten und von ihr nicht substantiiert bestritten. Die Beschwerdeführerin beschränkte sich auf das allgemeine Zitieren abstrakter Beweisregeln, aus denen sie folgert, die Feststellung der Nichteinhaltung des Mindestabstandes müsse mit Foto dokumentiert werden und der Abstand vermessen werden, sowie auf allgemeine Behauptungen, wonach die pandemierechtlichen Regelungen in vielfacher Hinsicht verfassungswidrig seien.
Rechtlich folgt daraus:
§§ 4 und 8 des Covid-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 12/2020 in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung (di. betr. § 4 BGBl I Nr. 104/2020, betr. § 8 BGBl. I Nr. 23/2021) lauten (auszugsweise):
Betreten und Befahren von bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
§ 4. (1) Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten und das Befahren von
1. bestimmten Orten oder
2. öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit
geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
(2) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 kann entsprechend der epidemiologischen Situation festgelegt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit oder unter welchen Voraussetzungen und Auflagen diese Orte betreten und befahren werden dürfen. Weiters kann das Betreten und Befahren bestimmter Orte gemäß Abs. 1 Z 1, nicht aber öffentlicher Orte in ihrer Gesamtheit gemäß Abs. 1 Z 2 untersagt werden, sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen.
Strafbestimmungen
§ 8. …
(2) Wer
…
2. die in einer Verordnung gemäß § 4 genannten Orte entgegen den dort festgelegten Zeiten, Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen betritt oder befährt,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.
Mit § 1 Abs. 1 und § 16 der 4. Covid-19-Schutzmaßnahmenverordnung (4. Covid-19-SchuMaV), BGBl. II Nr. 58/2021 (§ 16 in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 111/2021), war verordnet:
Öffentliche Orte
§ 1. (1) Beim Betreten öffentlicher Orte im Freien ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. …
Betreten
§ 16. Als Betreten im Sinne dieser Verordnung gilt auch das Verweilen (§ 1 Abs. 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes [COVID-19-MG], BGBl. I Nr. 12/2020).
Nach den zitierten gesetzlichen Bestimmungen war beim Betreten öffentlicher Orte im Freien, wozu nach o.a. Legaldefinition auch das Verweilen rechnet, gegenüber nicht haushaltszugehörigen Personen ein Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten.
Nach den getroffenen Feststellungen hat die Beschwerdeführerin dieser Verpflichtung zur Tatzeit an der Tatörtlichkeit zuwidergehandelt.
Soweit die Beschwerdeführerin moniert, die der Bestrafung zugrundeliegenden Rechtsnormen wären in verschiedenster Hinsicht verfassungswidrig, lässt dieses Vorbringen völlig offen, worin die Verfassungswidrigkeit einer Regelung, wonach bei Aufenthalten an öffentlichen Orten im Freien gegenüber nicht haushaltszugehörigen Personen ein Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten ist, eine Verfassungswidrigkeit konkret zu erblicken sei. Für das Verwaltungsgericht sind derartige Verfassungswidrigkeiten jedenfalls nicht zu erkennen.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt - wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt - zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Die angelastete Verwaltungsübertretung ist als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren. Bei solchen Delikten obliegt es sohin gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass im konkreten Fall die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne vorwerfbares Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge.
Die Beschwerdeführerin hat mangelndes Verschulden an der Übertretung weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Auch aus dem Akteninhalt haben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass sie an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. Es war daher auch vom Vorliegen der subjektiven Tatseite auszugehen.
Zur Strafbemessung:
Gemäß § 10 VStG richtet sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. In Anbetracht der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Z. 2 Covid-19-MG der Strafrahmen bis zu 500,- Euro, im Nichteinbringungsfall die Freiheitsstrafe bis zu einer Woche.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches – StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Ausmaß das öffentliche Interesse am Gesundheitsschutz, insbesondere der Eindämmung der Ausbreitung von Coronaviren und Covid-19 Erkrankungen. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat kann daher nicht als geringfügig erachtet werden.
Das Verschulden konnte nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.
Nach der vorliegenden Aktenlage kommt der Beschwerdeführerin der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute. Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Aktenkundig hat die Beschwerdeführerin kein eigenes Einkommen und obliegen ihr Sorgepflichten.
Vor dem Hintergrund der genannten Strafbemessungskriterien und des anzuwendenden gesetzlichen Strafsatzes (bis zu 500,- Euro) erweist sich die verhängte Strafe idH von 120,- Euro unter Berücksichtigung der als ungünstig zu wertenden wirtschaftlichen Lage und bestehenden Sorgeverpflichtungen jedoch als überhöht, und war die Geldstrafe, sowie in Relation hierzu die Ersatzfreiheitsstrafe, auf ein tat- und schuldangemessenes Maß herabzusetzen. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle. Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden, da im angefochtenen Straferkenntnis eine 500,- Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwatungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Betreten von öffentlichen Orten; öffentliche Orte; Betreten; Betretungsverbot; Verfassungskonformität; Verschulden; StrafbemessungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.V.059.16467.2021Zuletzt aktualisiert am
29.03.2022