Entscheidungsdatum
26.01.2022Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG 2014 §33Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seine Richterin Mag.a Hillisch über die Beschwerde von A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 20.10.2021, Zl. MA 63-.../2021, sowie über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG den
BESCHLUSS:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 i.V.m. § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 41 Abs. 1 Personenstandsgesetz 2013 (PStG) den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Änderung des Geschlechtseintrages in der Geburtsbeurkundung (früher: „Geburtenbuch“) ab.
2. Dagegen richtet sich die am 29. November 2021 per E-Mail eingebrachte Beschwerde. Darin wurde – neben einem umfassenden Beschwerdevorbringen zur Abweisung des Antrags auf Änderung des Geschlechtseintrages – zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde ausgeführt, „dass ich auf meine Ablehnung, in der auch noch zweimal mein Name falsch geschrieben war, über 4 Monate warten musste, aber ich dann nur 4 Wochen Zeit bekomme um zu antworten und dazu noch Gründe einbringen soll die Stützen dass ich die Beschwerde rechtzeitig eingebracht habe, wovon ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe was für Gründe es geben sollte, beweisen kann ich jedenfalls nicht wann ich den Brief erhalten habe, ich kann nur hoffen dass es mir geglaubt wird.“
3. Diese Beschwerde wurde dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt, welche zur Zahl VGW-101/069/16959/2021 protokolliert wurde, sowie ein lesender Zugriff zum Bezug habenden ELAK eingerichtet. Von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung wurde seitens der belangten Behörde Abstand genommen.
4. Mit Verspätungsvorhalt vom 9. Dezember wurde der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht, dass die Beschwerde der Aktenlage nach verspätet bei der belangten Behörde eingebracht worden sei, und ihr die Möglichkeit gegeben, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich Stellung zu nehmen.
5. Mit am 21. Dezember 2021 eingelangten Schreiben erstattete die beschwerdeführende Partei eine Stellungnahme, in der sie im hier Wesentlichen vorbrachte, sie habe den Brief erst am 2. November 2021 erhalten, sie habe sich den Termin auch im Kalender markiert, es könne sein, dass sie den Brief zu spät erhalten habe, da sie ihn weder persönlich entgegengenommen habe noch er an sie (sondern an „C. D. B.“) adressiert war. Übernommen habe den Brief der Mann der beschwerdeführenden Partei. Da sie beide Schichtdienst leisten würden, komme es oft dazu, dass sie sich tagelang nicht sähen. Es könne sein, dass er den Brief ein paar Tage in seinem Büro gehabt habe. Es sei generell fragwürdig, dass ein derartiger Brief jemand anderem übergeben werde; wäre dem nicht so gewesen, hätte sie einen gelben Zettel gehabt, auf dem das tatsächliche Datum gestanden wäre, an dem der Brief geliefert worden sei, und hätte ihn wahrscheinlich nicht abholen können, da die Person, an die er adressiert worden sei, nicht mehr existiere. Die beschwerdeführende Partei habe über vier Monate auf diesen Brief warten müssen und habe es aus den Augen verloren, jeden Tag auf ihn zu warten. Aufgrund der großen Bedeutung der Angelegenheit für die beschwerdeführende Partei habe sie jede Sekunde nutzen wollen, um ihn so gut wie möglich zu formulieren. Dabei habe die beschwerdeführende Partei den Fehler gemacht, sich nach dem „persönlichen Erhaltenstermin“ zu richten anstatt einfach das Absendedatum zu nehmen, um auf Nummer sicher zu gehen. Sie hoffe, dass das Gericht diesen Fehler verzeihe und die Relevanz des Anliegens über einen persönlichen Fehler einer Einzelperson stelle.
Das Verwaltungsgericht Wien wertete diese Ausführungen als Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist, welcher zur Zahl VGW-101/V/069/17940/2021 protokolliert wurde.
II. Sachverhalt
1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
Der angefochtene Bescheid vom 20. Oktober 2021, welcher laut seiner Adressierung am Bescheid selbst an „B. A.“ adressiert ist, enthielt eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung und wurde mittels Rsb-Briefes zugestellt. Der Rückschein betreffend dieses Schreiben weist als Empfängerin „C. D. B.“ aus, laut „Übernahmebestätigung“ wurde das Schreiben zum „Übernahmedatum“ am 28. Oktober 2021 vom „Empfänger“ übernommen und dessen „Identität geprüft“. Weiters ist auf dem Rückschein eine unleserliche Unterschrift ersichtlich.
Die beschwerdeführende Partei führte bis 8. August 2021 die Vornamen „C. D.“, mit 9. August 2021 wurde die Namensänderung auf „A.“ rechtskräftig bewilligt.
Am 29. November 2021 brachte die beschwerdeführende Partei ihre Beschwerde per E-Mail bei der belangten Behörde ein.
2. Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere gründen sich die Feststellungen zum Rückschein auf der im ELAK gespeicherten Kopie des Rückscheines.
III. Rechtliche Beurteilung
1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 27.11.2008) muss der Adressat eines Bescheides eindeutig bezeichnet sein. Die Bezeichnung hat mit dem in der richtigen Form gebrauchten Namen zu erfolgen. Für die Gültigkeit eines Bescheides reicht es allerdings, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung in Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den VwGH die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht. Solange erkennbar ist, wem gegenüber die Behörde den Bescheid erlassen will, führt eine fehlerhafte Bezeichnung des Bescheidadressaten nicht zur absoluten Nichtigkeit des Bescheides.
Gemäß § 5 zweiter Satz Zustellgesetz hat die Zustellverfügung den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.
Auf dem angefochtenen Bescheid selbst ist als Adressat der Erledigung „A. B.“ und damit der nunmehrige Name der beschwerdeführenden Partei genannt, weswegen die Zustellverfügung zweifelsfrei an die beschwerdeführende Partei gerichtet ist.
Darüber hinaus schadet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Fehlbezeichnung des Adressaten (oder seine nicht eindeutige Bezeichnung) nur dann, wenn ein Empfänger, auf den die tatsächliche Bezeichnung passt, auch wirklich existiert und daher eine Verwechslungsfähigkeit gegeben ist. Fehlt eine solche Verwechslungsfähigkeit, ist also völlig klar, dass die Zustellverfügung jene Person bezeichnet, an die sich der Bescheid richtet, dann liegt ein Zustellmangel nicht vor. Da es sich bei „C. D. B.“ um den früheren Namen der beschwerdeführenden Partei handelt, ist eine Verwechslungsgefahr nicht ersichtlich und liegt auch vor diesem Hintergrund kein Zustellmangel vor.
2. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen, wobei gemäß Z 1 in den Fällen des Artikels 132 Abs. 1 Z 1 B-VG die Frist zu Erhebung der Beschwerde, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung beginnt.
Der angefochtene Bescheid wurde laut Rückschein am 28. Oktober 2021 von der beschwerdeführenden Partei persönlich übernommen, nach den Angaben der beschwerdeführenden Partei hingegen von ihrem Mann. Da gemäß § 16 Zustellgesetz jedoch auch eine Zustellung an einen an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnenden Ersatzempfänger rechtswirksam ist, ist die Zustellung – unabhängig davon, ob das Schreiben von der beschwerdeführenden Partei selbst oder ihrem Mann übernommen wurde – jedenfalls am 28. Oktober 2021 erfolgt.
Die gesetzliche Rechtsmittelfrist von vier Wochen begann daher am 28. Oktober 2021 zu laufen und endete mit Ablauf des 25. November 2021. Die erst am Montag, 29. November 2021, per E-Mail eingebrachte Beschwerde war daher verspätet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Rechtsmittelfrist eine zwingende, auch durch die Behörde nicht erstreckbare gesetzliche Frist (VwGH 16.9.1968, 526/68). Dem Verwaltungsgericht Wien ist es daher nicht möglich, die Rechtzeitigkeit der Beschwerde anhand von Billigkeitserwägungen abseits des gesetzlichen Fristenlaufs zu beurteilen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es im Falle der verspäteten Einbringung eines Rechtsmittels der Behörde bzw. dem nunmehr zuständigen Verwaltungsgericht verwehrt, auf das (materielle) Rechtsmittelvorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0504).
Somit hat das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.
3. Da die beschwerdeführende Partei in ihrer Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt vorbrachte, sie hoffe, man möge ihr diesen Fehler verzeihen, wurden die Ausführungen in der Stellungnahme als Antrag auf Wiedereinsetzung der Beschwerdefrist in den vorherigen Stand gewertet.
Gemäß § 33 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 109/2021, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Ein derartiger minderer Grad des Versehens liegt im vorliegenden Fall nicht vor: Ausgehend vom Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, ihr Mann habe das Schreiben mit dem angefochtenen Bescheid übernommen, wäre es der beschwerdeführenden Partei möglich und zumutbar gewesen, diesen zu fragen, wann die Zustellung erfolgt ist bzw. – hätte sich dieser nicht verlässlich daran erinnern können, was die beschwerdeführende Partei nicht vorgebracht hat – im Hinblick auf den Zustellzeitpunkt bei der Post oder bei der belangten Behörde nachzufragen.
4. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte in Hinblick auf § 24 Abs. 1 Z 2 VwGVG entfallen.
5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde bzw. zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Verwaltungsgericht ist von den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgegeben Leitlinien nicht abgewichen (vgl. zur Einzelfallbeurteilung des Verschuldensgrades VwGH 8.3.2018, Ra 2017/11/0289). Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheidadressat; Zustellverfügung; eindeutige Bezeichnung; Verwechslungsfähigkeit; Änderung des GeschelchtseintragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.101.069.16959.2021Zuletzt aktualisiert am
29.03.2022