TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/17 LVwG 30.35-2226/2019

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Entscheidungsdatum

17.08.2020

Index

93 Eisenbahn
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

EisbKrV 1961 §96 Abs1 Z1
EisbKrV 1961 §96 Abs1 Z2
EisbKrV 1961 §99 Abs3
EisbKrV 1961 §99 Abs3 Z2
StVO 1960 §17 Abs4
StVO 1960 §18 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schönegger über die Beschwerde des AB, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. CD, S, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 29.05.2019, GZ: BHMU-15.1-18083/2018,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 1. des bekämpften Straferkenntnisses stattgegeben, das Straferkenntnis diesbezüglich behoben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich Spruchpunkt 1. dieses Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.

II.    Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses als unbegründet abgewiesen.

III.    Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses mit der Maßgabe abgewiesen, als der Beschwerdeführer dadurch, dass er als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen

**** die Eisenbahnkreuzung übersetzt hat, ohne dass die Schrankenbäume vollständig geöffnet und sämtliche Lichtzeichen erloschen waren, die Rechtsvorschrift des § 99 Abs 3 Z 2 Eisenbahnkreuzungsverordnung verletzt hat.

              

IV.    Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 4. des Straferkenntnisses stattgegeben und diesbezüglich das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

V.     Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 5. des Straferkenntnisses stattgegeben und diesbezüglich das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

Der Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren gemäß § 64 VStG reduziert sich dadurch auf € 20,00.

VI.    Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer binnen zwei Wochen ab Zustellung bei sonstiger Exekution einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 26,00 zu leisten.

VII. Gemäß § 25a Abs 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

VIII. Der belangten Behörde steht die Möglichkeit einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht offen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Straferkenntnis vom 29.05.2019 hat die Bezirkshauptmannschaft Murau Herrn AB als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen **** insgesamt fünf am **** um 18.52 Uhr in Neumarkt in der Steiermark, L 502 StrKm 5, Mariahof, Richtung/Kreuzung: Richtung Neumarkt, begangene Übertretungen zur Last gelegt:

1.       Er habe ein mehrspuriges Kraftfahrzeug innerhalb von etwa 80 Meter vor bis unmittelbar nach einer Eisenbahnkreuzung überholt.

2.       Er sei als Lenker des angeführten Fahrzeuges an Fahrzeugen, die gemäß § 18 Abs 3 StVO angehalten haben, vorbeigefahren, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorhanden gewesen seien.

3.       Er habe eine durch Schrankenanlage gesicherte Eisenbahnkreuzung übersetzt, obwohl die Schrankenbäume noch nicht vollkommen geöffnet gewesen seien.

4.       Er habe trotz Rückstaus als Lenker eines nachkommenden Fahrzeuges nicht vor dieser Kreuzung angehalten, wodurch der Querverkehr behindert worden sei.

5.       Er habe eine durch Schrankenanlage gesicherte Eisenbahnkreuzung übersetzt, obwohl nach Öffnen der Schrankenbäume sämtliche Lichtzeichen noch nicht erloschen waren.

Er habe dadurch die folgenden Rechtsvorschriften verletzt und wurden über ihn deswegen folgende Strafen verhängt:

1.       Für die 1. Übertretung wurde wegen Verletzung des § 96 Abs 1 Z 2 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012, BGBl. II Nr. 216/2012 (im Folgenden EisbKrV) eine Geldstrafe iHv € 80,00 bzw. im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 6 Stunden gemäß § 162 Abs 3 Eisenbahngesetz 1957 verhängt.

2.       Für die 2. Übertretung, mit welcher § 17 Abs 4 StVO verletzt wurde, wurde über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe von € 50,00 bzw. im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt.

3.       Für die 3. Übertretung, welche eine Verletzung von § 99 Abs 3 Z 3 EisbKrV darstelle, wurde gemäß § 162 Abs 3 Eisenbahngesetz 1957 eine Geldstrafe iHv € 80,00 bzw. im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 6 Stunden verhängt.

4.       Durch die 4. Übertretung sei § 18 Abs 3 StVO verletzt worden und wurde gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in Höhe von € 50,00 sowie im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt.

5.       Die 5.Übertretung stelle eine Verletzung von § 99 Abs 3 Z 2 EisbKrV dar, für die gemäß § 162 Abs 3 Eisenbahngesetz 1957 eine Geldstrafe iHv € 80,00 bzw. Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 6 Stunden verhängt wurde.

Der zu zahlende Gesamtbetrag einschließlich des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 50,00 betrage daher € 390,00. Begründend wurde im Wesentlichen auf eine Anzeige der Polizeiinspektion Neumarkt in der Steiermark vom 29.11.2018 verwiesen.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des AB fristgerecht und in formal zulässiger Weise Beschwerde erhoben. In dieser wurde zum einen moniert, dass das gegenständliche Straferkenntnis nicht in Übereinstimmung mit § 60 AVG begründet worden sei, da es diesem an Sachverhaltsfeststellungen, einer Beweiswürdigung und schließlich an einer rechtlichen Beurteilung fehle, weswegen ein gezieltes Entgegentreten unmöglich gemacht werde. Zu den einzelnen zur Last gelegten Übertretungen wurde wie folgt ausgeführt:

1.       Gemäß § 2 Abs 1 Z 29 StVO sei als „Überholen“ das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem anderen Fahrzeug bezeichnet; da jedoch alle Fahrzeuge vor dem Beschwerdeführer im Stillstand gewesen seien, habe ein Überholvorgang nicht stattgefunden und gehe der Tatvorwurf daher ins Leere.

2.       Der Beschwerdeführer habe gegen das Vorbeifahrverbot im Sinne des § 17 Abs 4 StVO nicht verstoßen. Der Zweck dieser Bestimmung liege darin im Interesse der Flüssigkeit des Verkehrs und einer besseren Ausnützung der vorhandenen Verkehrsflächen das Vorbeifahren an gemäß § 18 Abs 3 StVO vor einer Querstraße oder Gleisanlage anhaltenden Fahrzeugen zu gestatteten, wenn mehr als ein Fahrstreifen vorhanden ist. Da die Voraussetzungen zum Vorbeifahren vorgelegen seien, gehe der Tatvorwurf ins Leere.

3.       Zu den Spruchpunkten 3. und 5. wurde vorgebracht, dass zum Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer seine Fahrt wieder aufgenommen hat und in die Eisenbahnkreuzung eingefahren ist, sowohl die Schrankenbäume vollständig geöffnet als auch das zum Beschwerdeführer gerichtete Lichtzeichen erloschen gewesen seien.

4.       Zu Spruchpunkt 4. wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ursprünglich vor der Bahnübersetzung nach rechts in Richtung Ortsteil Schachen abbiegen habe wollen und deshalb an den stehenden Fahrzeugen vorbeigefahren sei. Sodann habe er festgestellt, dass das erste Fahrzeug rund 15 Meter vor der Haltelinie angehalten hatte, als die Schrankenbäume wieder geöffnet wurden. In weiterer Folge habe er sein Fahrzeug vor der Haltelinie als erstes Fahrzeug angehalten, habe das vollständige Öffnen und Erlöschen der Lichtzeichen abgewartet. Er habe sein Fahrzeug vor der Haltelinie angehalten und sei zu keinem Zeitpunkt eine Behinderung des Querverkehrs im Sinne des § 18 Abs 3 StVO vorgelegen.

Aus diesen Gründen wolle das Landesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchführen und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos beheben sowie das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 VStG einstellen.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat am 27.07.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt, in welcher RI EF und GI GH als Zeugen vernommen wurden. Unter Berücksichtigung des Verfahrensaktes, des Beschwerdevorbringens und vor allem aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung wird folgender Sachverhalt festgestellt.

AB, geb. ****, ist Zulassungsbesitzer eines Fiat Fullback, dabei handelt es sich um einen Pick-Up, mit dem Kennzeichen ****.

Am **** befuhr er gegen 18.52 Uhr mit diesem Fahrzeug die L 502 von Teufenbach kommend in Richtung Neumarkt, wobei sein Fahrziel sein Friseurgeschäft in K war und er sich allein im Fahrzeug befand. Die L 502 hat im relevanten Bereich jeweils einen Fahrstreifen in beide Fahrtrichtungen.

Als er sich auf der L 502 der bei StrKm 5 im Bereich Mariahof befindlichen, mittels Schrankenbäumen und Lichtzeichen gesicherten Eisenbahnkreuzung näherte, hatte dort bereits eine Kolonne von acht oder neun Fahrzeugen angehalten, um die Vorbeifahrt des Zuges und das Öffnen der zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Schrankenbäume und das Erlöschen der leuchtenden Lichtzeichen abzuwarten.

Im 5. oder 6. Fahrzeug dieser anhaltenden Kolonne befand sich RI EF, der in seinem Privatfahrzeug die L 502 in dieselbe Fahrtrichtung zu befahren hatte, da er am Weg zum Dienstbeginn in der Polizeiinspektion Neumarkt war, welche rund fünf Kilometer von dieser Eisenbahnkreuzung entfernt liegt.

Um 18.52 Uhr konnte RI EF im Zuge seines Wartens wahrnehmen, dass sich von hinten der von Herrn AB gelenkte Fiat Pick-Up mit dem Kennzeichen **** der Kolonne in seiner Fahrtrichtung näherte, die Fahrbahnmitte überfuhr und an sämtlichen wartenden Autos der Kolonne, also auch an seinem eigenen Fahrzeug, links, also am Fahrstreifen für den Gegenverkehr, vorbeigefahren ist. Vor dem ersten wartenden Fahrzeug dieser Kolonne hat AB sein Fahrzeug direkt vor den Schrankenbäumen, im Bereich einer dort angebrachten Haltelinie und der Abzweigung nach Schachen angehalten.

Als der Zug die Eisenbahnkreuzung passiert hatte, die Schrankenbäume zu etwa 3/4 geöffnet waren und die Lichtanlage noch rot aufleuchtete, setzte sich Herr AB mit seinem Fahrzeug in Bewegung, übersetzte die Eisenbahnkreuzung und setzte seine Fahrt entlang der L 502 in Richtung Neumarkt fort.

RI EF hat daraufhin seine Kollegin GI GH telefonisch in der Polizeiinspektion Neumarkt kontaktiert, woraufhin diese nach einigen Minuten direkt vor der Polizeiinspektion Neumarkt, an der B 317, die Anhaltung des AB veranlasst hat. Sie hat ihn im Zuge der folgenden Amtshandlung mit dem Vorwurf des Übersetzens der Eisenbahnkreuzung bei nicht vollständiger Öffnung der Schrankenbäume und bei nicht erloschenen Lichtzeichen konfrontiert, wobei dies vom nunmehrigen Beschwerdeführer sogleich bestritten worden ist.

Nach der entsprechenden von GI GH in der Polizeiinspektion Neumarkt durchgeführten Amtshandlung, übergab diese ihren Dienst an RI EF und wurde Tage später nach einem ausführlicheren Gespräch dieser beiden von GI GH die entsprechende Anzeige mit fünf zur Last gelegten Übertretungen veranlasst.

Beweiswürdigend wird festgehalten, dass sich der zugrundegelegte Sachverhalt aus den oben genannten Grundlagen des Verfahrensaktes der belangten Behörde, dem Beschwerdevorbringen und vor allem aus den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark ergibt.

Der Beschwerdeführer hat nicht bestritten, zur Tatzeit als Lenker des genannten Fahrzeuges am vorgeworfenen Tatort gewesen zu sein und selbst zugestanden, als Fahrziel Klagenfurt gehabt zu haben und in Eile gewesen zu sein. Er hat weiters selbst zugestanden, vor der Eisenbahnkreuzung eine Kolonne mit diversen angehaltenen Fahrzeugen wahrgenommen zu haben, die hinter der Haltelinie auf das Vorbeifahren des Zuges und das Öffnen der Schrankenbäume sowie das Erlöschen der Lichtanlage gewartet hatten. Er hat weiters zugestanden, niemals in die – vor der ersten angebrachten Haltelinie befindliche - Abzweigung zum Ortsteil Schachen zu fahren beabsichtigt gehabt zu haben, sondern hat eingeräumt, sein Fahrzeug nach Vorbeifahren an sämtlichen wartenden Fahrzeugen direkt als erstes Fahrzeug unmittelbar vor der Eisenbahnkreuzung angehalten zu haben, wobei er nicht mehr mit Gewissheit angeben konnte, ob er sein Fahrzeug vor der dort befindlichen zweiten Haltelinie angehalten oder diese Haltelinie mit seinem Fahrzeug (teilweise) überfahren hat.

Die weiteren Tatvorwürfe des Übersetzens der Eisenbahnkreuzung ohne vollständige Öffnung der Schrankenbäume und ohne gänzliches Erlöschen der Lichtzeichen hat der Beschwerdeführer in seinem Rechtfertigungsschreiben und auch in der gegen das Straferkenntnis erhobenen Beschwerde zwar bestritten, in der mündlichen Verhandlung hat er jedoch ausdrücklich ausgesagt, nicht mit Fug und Recht behaupten zu können, dass das Rotlicht bereits zur Gänze erloschen war – die Schrankenanlage sei aber mit Sicherheit zur Gänze geöffnet gewesen.

RI EF hat im Gegensatz dazu sowohl im Rahmen der ersten telefonischen Meldung dieser Begebenheit an seine Kollegin, als auch im weiteren Verlauf des Verfahrens und auch in der am Landesverwaltungsgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung ausdrücklich und eindeutig angegeben, die Schrankenbäume seien noch nicht vollständig geöffnet und die Lichtzeichen noch nicht zur Gänze erloschen gewesen, als der Beschwerdeführer bereits seine Fahrt über die Eisenbahnkreuzung fortsetzte.

Abgesehen von diesem zuletzt genannten Umstand, zu welchem im Rahmen der rechtlichen Beurteilung noch genauer ausgeführt wird, steht daher der sonstige Sachverhalt eindeutig und zweifelsfrei fest.

Hinsichtlich der strittigen Umstände im Zusammenhang mit dem Übersetzen des Beschwerdeführers über die Eisenbahnkreuzung schenkt das Landesverwaltungs-gericht Steiermark im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung der Darstellung des Zeugen RI EF mehr Glauben als den Angaben des Beschwerdeführers. Dies gilt zum einen deshalb, da der Zeuge in der mündlichen Verhandlung einen äußerst kompetenten und glaubwürdigen Eindruck hinterließ und er zudem aufgrund seines Diensteides und seiner verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegt, bei deren Verletzung mit strafgerichtlichen und disziplinären Sanktionen rechnen müsste. Das Landesverwaltungsgericht vermag zudem keine Veranlassung des Zeugen EF zu erkennen, weshalb er als Polizeibeamter den Beschwerdeführer wahrheitswidrig belasten wolle. Es kann ihm als geschulten Polizeibeamten ohne weiteres zugemutet werden, dass er die Vorgänge des Straßenverkehrs richtig beobachtet und auch allfällige Übertretungen richtig beurteilen kann. Er hat zudem die ursprüngliche Meldung bereits unmittelbar nach dem gegenständlichen Vorfall telefonisch an seine Kollegin, welche die weiteren dienstlichen Veranlassungen traf, weitergegeben und liegt auch in dem Umstand, dass er seine Wahrnehmung nicht im Rahmen seiner Dienstzeit, sondern als er sich in seinem Privatfahrzeug am Weg zur Dienststelle befunden hat, kein Grund, seine Aussage in Zweifel zu ziehen oder ihr deswegen geringeres Gewicht beizumessen.

Hingegen hat der am Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens interessierte Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Beschuldigter keine der Wahrheitspflicht vergleichbaren Pflichten bzw. keinerlei Sanktionen im Nichterfüllensfall zu befürchten, zudem war festzuhalten, dass der einzig tatsächlich als vollkommen strittig verbliebene Umstand die Frage der geöffneten Schrankenbäume war – hat doch der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, sich „nicht mit Fug und Recht zu behaupten zu trauen, dass das Rotlicht vielleicht nicht noch kurz geleuchtet hätte“.

Seine leugnende Verantwortung hinsichtlich der vollständigen Öffnung der Schrankenbäume wird daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung als Schutzbehauptung gewertet, um der eigenen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit zu entgehen und wird diesbezüglich den nachvollziehbaren und glaubwürdigen Angaben des Zeugen EF gefolgt.

Rechtliche Beurteilung:

Die belangte Behörde hat aus dem zur Anzeige gebrachten Sachverhalt fünf Übertretungen abgeleitet, wobei drei Übertretungen der Eisenbahnkreuzungs-verordnung 2012 (EisbKrV) und zwei der StVO zugeordnet wurden, und diese jeweils mit einem eigenen Spruchpunkt bezeichnet:

Die entsprechende Strafbestimmung hinsichtlich sämtlicher Übertretungen nach der EisbKrV ist § 162 Abs 3 Eisenbahngesetz. Gemäß dieser Norm sind Zuwiderhandlungen gegen die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Vorschriften über das Verhalten bei Annäherung an schienengleiche Eisenbahnübergänge und bei Übersetzung solcher Übergänge sowie über die Beachtung der den schienengleichen Eisenbahnübergang sichernden Verkehrszeichen mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen. Ist eine Person bereits einmal wegen einer derartigen Zuwiderhandlung bestraft worden, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen verhängt werden; ist eine solche Person bereits zweimal bestraft worden, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um die betreffende Person von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten.

Für die beiden zur Last gelegten StVO-Übertretungen ist § 99 Abs 3 lit a StVO zu beachten: Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu € 726,00, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

Zu den einzelnen Spruchpunkten des bekämpften Straferkenntnisses wird von Seiten des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark ausgeführt wie folgt:

Spruchpunkt 1.

Die BH Murau hat dem Beschwerdeführer eine Verletzung des § 96 Abs 1 Z 2 EisbKrV zur Last gelegt, da er ein mehrspuriges Kraftfahrzeug innerhalb von etwa 80 Meter vor bis unmittelbar nach einer Eisenbahnkreuzung überholt habe.

Nach dieser von der Behörde angezogenen Bestimmung des § 96 Abs 1 Z 2 EisbKrV ist das Überholen mehrspuriger Kraftfahrzeuge innerhalb von etwa 80 m vor bis unmittelbar nach einer Eisenbahnkreuzung verboten.

Die EisbKrV ist eine Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, die diese aufgrund der ihr in § 49 Abs 1 und 3 Eisenbahngesetz ausdrücklich eingeräumten Kompetenz erlassen hat.

Weder das Eisenbahngesetz noch die EisbKrV enthalten in ihren jeweiligen Begriffbestimmungen eine Definition, was unter „Überholen“ exakt zu verstehen ist. Allerdings ist in einer der zentralen Rechtsvorschriften des Straßenverkehrsrechts, der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBL Nr. 159/1960 idgF, in § 2 („Begriffsbestimmungen“) eine solche Definition enthalten:

Nach § 2 Abs 1 Z 29 StVO ist unter „Überholen“ Folgendes zu verstehen:

„Das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einem auf derselben Fahrbahn in der gleichen Richtung fahrenden Fahrzeug; nicht als Überholen gelten das Vorbeibewegen an einem auf einem Verzögerungs- oder Beschleunigungsstreifen fahrenden Fahrzeug oder an einem auf einem Radfahrstreifen fahrenden Radfahrer sowie das Nebeneinanderfahren von Fahrzeugreihen, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, auf Fahrbahnen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung und das Nebeneinanderfahren, auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, im Sinne des § 7 Abs. 3a.“

In der nächstfolgenden Ziffer, der Z 30 des § 2 Abs 1 StVO, ist das  Vorbeifahren erläutert, das Folgendes bedeutet:

„Das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindenden, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache, insbesondere an einem anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug“.

Die StVO unterscheidet also bei diesen beiden Begriffen danach, ob man sich an einem sich fortbewegenden, oder an einem angehaltenen Fahrzeug vorbeibewegt, wobei diese Unterscheidung nach Pürstl durchaus streng zu sehen ist. So ist in Pürstl, StVO-ON15.00 § 2 (Stand 1.10.2019, rdb.at) in Anm 36 zu lesen:

„Auch wenn ein Fahrzeug nur für wenige Augenblicke verkehrsbedingt anhält, wird an ihm vorbeigefahren. Wenn sich ein anderes Fahrzeug während des Vorbeibewegens in Bewegung setzt, wird dies dadurch noch nicht zum Überholen, wenn die Entfernung zwischen den beiden Fahrzeugen geringer ist als der Reaktionsweg.“

Diesen Begriffsdefinitionen folgend sind in den §§ 15 bis 17 StVO weitere – jeweils voneinander getrennte - Normierungen zum Überholen (§ 15) und Vorbeifahren (§ 17) enthalten, wobei in § 16 explizite Überholverbote aufgestellt sind.

Gemäß § 16 Abs 3 StVO richtet sich die Frage, ob und inwieweit das Überholen im Bereich schienengleicher Eisenbahnübergänge verboten ist, nach den eisenbahnrechtlichen Vorschriften. Pürstl verweist dazu in Anm 19 zu § 16 (aaO) ausdrücklich auf § 96 Abs 1 Z 1 und 2 EisbKrV.

Im gegenständlichen Verfahren verhält es sich so, dass sich der Beschwerdeführer nach dem diesbezüglich vollkommen unstrittigen Sachverhalt der Eisenbahnkreuzung genähert hat, als sich davor bereits eine Kolonne von Fahrzeugen gebildet hat, die zur Gänze angehalten waren, also stillgestanden sind und nicht mehr fortbewegt wurden – in weiterer Folge ist er an dieser Fahrzeugkolonne vorbeigefahren und hat sich als erstes Fahrzeug der Kolonne, sozusagen an deren Spitze, positioniert.

Im Sinne der obigen Ausführungen ist davon auszugehen, dass mangels eigener eisenbahnrechtlicher Begriffsbestimmungen der Worte „Überholen“ und „Vorbeifahren“ die entsprechenden Definitionen der StVO heranzuziehen sind. Nachdem die StVO klar zwischen Überholen und Vorbeifahren unterscheidet, ist diese Unterscheidung auch bei der Anwendung eisenbahnrechtlicher Vorschriften geboten.

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 96 Abs 1 Z 1 und 2 EisbKrV ist auf bzw. etwa 80 m vor bis unmittelbar nach einer Eisenbahnkreuzung das Überholen verboten, ein Verbot, an einem angehaltenen Fahrzeug vorbeizufahren, ist dort allerdings nicht enthalten.

Betreffend Vorbeifahren, also dem Vorbeibewegen des Fahrzeuges an einem angehaltenen Fahrzeug, ist jedoch § 17 Abs 4 StVO iVm § 18 Abs 3 StVO zu beachten, wobei im gegenständlichen Verfahren dem Beschwerdeführer von der Behörde durch sein Vorbeifahren ohnehin die Verwirklichung einer gesonderten Übertretung zur Last gelegt wurde – diesbezüglich sei auf die Ausführungen zu den Spruchpunkten 2. und 4. verwiesen.

Da der Beschwerdeführer in unmittelbarer Nähe einer Eisenbahnkreuzung zwar an (angehaltenen) Fahrzeugen vorbeigefahren ist, allerdings (sich fortbewegende) Fahrzeuge nicht überholt hat, hat er die ihm unter Spruchpunkt 1. zur Last gelegte Verletzung des § 96 Abs 1 Z 2 EisbKrV im Sinne der obigen Ausführungen mangels eines von ihm durchgeführten „Überholens“ nicht begangen. Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses war daher zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich gemäss § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG einzustellen.

Zu den Spruchpunkt 2. und 4. wird aufgrund der inhaltlichen Nähe beider Bestimmungen gemeinsam wie folgt ausgeführt:

Gemäß § 17 Abs 4 StVO darf an Fahrzeugen, die gemäß § 18 Abs 3 StVO anhalten, nur vorbeigefahren werden, wenn wenigstens zwei Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung vorhanden sind, auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr die Fahrbahnmitte oder eine zur Trennung der Fahrtrichtungen angebrachte Sperrlinie nicht überfahren wird und für den weiteren Fahrstreifen nicht auch schon die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 gegeben sind.

§ 18 Abs 3 StVO lautet wie folgt:

„Müssen die Lenker hintereinanderfahrender Fahrzeuge anhalten und reicht die Reihe der anhaltenden Fahrzeuge auf dem betreffenden Fahrstreifen bis zu einer Querstraße, einem Schutzweg, einer Radfahrerüberfahrt oder einer die Fahrbahn querenden Gleisanlage zurück, so haben die Lenker weiterer auf demselben Fahrstreifen herannahender Fahrzeuge so anzuhalten, daß der Verkehr auf der Querstraße, dem Schutzweg, der Radfahrerüberfahrt oder Gleisanlage nicht behindert wird.“

Unter Berücksichtigung dieser beiden StVO-Bestimmungen war unter Zugrundelegung des oben festgestellten Sachverhaltes zu bemerken, dass vor der hier gegenständlichen Eisenbahnkreuzung bereits diverse Fahrzeuge angehalten hatten und der Beschwerdeführer sein Fahrzeug als nachfolgender Fahrzeuglenker nicht am Ende der Kolonne anhielt, sondern an sämtlichen Fahrzeugen der wartenden Kolonne links vorbeigefahren ist und sich im Anschluss vor dieser Kolonne als erstes Fahrzeug positioniert und angehalten hat.

Da tatörtlich nur ein Fahrstreifen in seine Fahrtrichtung existiert und Herr AB im Zuge seines Vorbeifahrvorganges den Fahrstreifen, der für den Gegenverkehr bestimmt ist, benützt und die Fahrbahnmitte überfahren hat, und auch die Voraussetzungen des § 18 Abs 3 StVO für den weiteren Fahrstreifen nicht erfüllt sind, hat der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten das Vorbeifahrverbot des § 17 Abs 4 StVO verletzt (vgl. Pürstl, StVO-ON § 17, Anm 1 sowie E 50, wonach das Vorbeifahren dann möglich sein soll, wenn mehr als ein Fahrstreifen in der betreffenden Fahrtrichtung vorhanden ist).

Die als 2. Übertretung zur Last gelegte Verletzung des § 17 Abs 4 StVO hat er mit dem von ihm gesetzten Vorbeifahren an der wartenden Fahrzeugkolonne daher verwirklicht und hat er diese objektiv und subjektiv zu verantworten, weshalb seine Bestrafung für die 2. Übertretung gerechtfertigt ist; entsprechende Ausführungen zur Strafbemessung erfolgen weiter unten.

Die als 4. Übertretung zur Last gelegte Verletzung des § 18 Abs 3 StVO kann jedoch gegenständlich nicht als verwirklicht erkannt werden: Damit ist nämlich ein Freihaltegebot von Kreuzungen bezweckt, das dadurch erreicht werden soll, dass im Falle von hintereinanderfahrenden und in weiterer Folge anhaltenden Fahrzeugen die Reihe der anhaltenden Fahrzeuge bis zu einer Querstraße, einem Schutzweg, einer querenden Gleisanlage und dergleichen mehr zurückreicht - in diesem Fall haben die Lenker weiterer herannahender Fahrzeuge so anzuhalten, dass der Verkehr auf diesen genannten Verkehrsflächen nicht behindert wird. Damit sollen sich einer Kreuzung nähernde Fahrzeuglenker schon vor Erreichen der Kreuzung vergewissern, dass sie diese zur Gänze überqueren werden können – mit anderen Worten soll sichergestellt werden, dass ein allfälliges Anhalten mit der gesamten Fahrzeuglänge erst nach Verlassen der Kreuzung erfolgen werde (vgl. Pürstl, StVO-ON § 18, E 33 mit Verweis auf VwGH 31.10.1990, 90/02/0055).

Im gegenständlichen Fall hat sich der Beschwerdeführer der Reihe der anhaltenden Fahrzeuge genähert, ist dann allerdings zur Gänze an dieser Reihe vorbeigefahren und hat davor als 1. Fahrzeug angehalten. Die Reihe der anhaltenden Fahrzeuge reichte dabei nicht bis zu einer der in § 18 Abs 3 StVO genannten Verkehrsflächen zurück. Durch die Reihe der anhaltenden Fahrzeuge war auch kein „Rückstau“ bis zu einer Querstraße entstanden – die Querstraße befand sich vielmehr am Beginn der Fahrzeugkolonne direkt vor der Eisenbahnkreuzung (vgl. dazu Pürstl, aaO E 30) - zudem hat auch durch seine anschließende Halteposition keinerlei Behinderung eines allfälligen Querverkehrs die Abzweigung nach Schachen betreffend stattgefunden bzw. wäre eine solche nicht möglich gewesen. Die konkret vorliegenden Begebenheiten erfüllen daher gar nicht die in § 18 Abs 3 leg cit genannten Voraussetzungen und ist aus diesem Grund diese gesetzliche Bestimmung auf diese Situation gar nicht anzuwenden.

Da der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die Bestimmung des § 18 Abs 3 StVO nicht verletzt hat, war das Straferkenntnis hinsichtlich der 4. zur Last gelegten Übertretung des § 18 Abs 3 StVO zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren zu Spruchpunkt 4. gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Zu Spruchpunkt 3. und 5. sei Folgendes ausgeführt:

Die belangte Behörde hat für die vorgeworfenen Handlungen des Übersetzens der durch Schrankenanlage gesicherten Eisenbahnkreuzung, obwohl die Schrankenbäume noch nicht vollkommen geöffnet und sämtliche Lichtzeichen noch nicht erloschen waren, zwei Übertretungen zur Last gelegt, nämlich eine Übertretung des § 99 Abs 3 Z 3 EisbKrV und eine weitere des § 99 Abs 3 Z 1 EisbKrV.

§ 99 Abs 3 EisbKrV lautet wie folgt:

„Die Eisenbahnkreuzung darf erst dann übersetzt werden, wenn

1.       sämtliche Lichtzeichen erloschen sind,

2.       die Schrankenbäume vollständig geöffnet sind und sämtliche Lichtzeichen erloschen sind oder

3.       die Schrankenbäume vollständig geöffnet sind.

Das Übersetzen der Eisenbahnkreuzung hat ohne Verzögerung und so rasch wie möglich zu erfolgen. Ein Verweilen auf der Eisenbahnkreuzung ist verboten.“

Die betreffenden Bestimmungen des Eisenbahngesetzes sowie die Regelungen der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung dienen der Abwehr der speziellen Gefahr, die sich aus der Querung einer Eisenbahnlinie und einer den öffentlichen Verkehr dienenden Straße ergibt. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass noch vor dem vollständigen Öffnen der Schrankenbäume bzw. dem gänzlichen Erlöschen der Lichtzeichen ein weiterer Zug die Eisenbahnkreuzung durchfährt, sich die Schrankenbäume erneut schließen und es dem Fahrzeuglenker nicht mehr möglich ist, die Eisenbahnkreuzung rechtzeitig zu verlassen.

Aus diesem Grund ist in § 99 Abs 1 EisbKrV eine umfangreiche Anhalteverpflichtung vor Eisenbahnkreuzungen normiert, die in neun explizit beschriebenen Fällen gilt. In § 99 Abs 2 leg cit sind vier unterschiedlich gelagerte Verpflichtungen zum raschestmöglichen Verlassen der Eisenbahnkreuzung, wenn man sich bereits auf dieser befindet, geregelt.

Im hier relevanten Abs 3 werden schließlich die Voraussetzungen für das Übersetzen der Eisenbahnkreuzung normiert, wobei im Falle der zuvor geschlossenen Schrankenbäume und leuchtender Lichtzeichen die Aktivitäten dieser beiden Sicherungseinrichtungen wieder beendet sein müssen, bevor zu übersetzen ist. Es müssen also die Schrankenbäume vollständig geöffnet und sämtliche Lichtzeichen erloschen sein.

Für diesen Fall ist die anzuwendende Rechtsvorschrift daher § 99 Abs 3 Z 2 EisbKrV, die eben beide genannten Elemente umfasst; im Falle der Übersetzung der Eisenbahnkreuzung trotz nicht vollständiger Öffnung der Schrankenbäume und nicht erloschener Lichtzeichen ist die verletzte Bestimmung daher (ausschließlich) jene des § 99 Abs 3 Z 2 EisbKrV (vgl. dazu ua Erk des LVwG Steiemark vom 05.08.2019, GZ: LVwG 30.11-1752/2019; Erk des LVwG Tirol vom 30.11.2017, GZ: LVwG-2017/25/2589-3).

Die belangte Behörde hat mit ihrer Entscheidung, darin zwei Verwaltungsübertretungen zu sehen, nämlich eine nach Z 1 und eine nach Z 3, gegen den Wortlaut dieser Bestimmung verstoßen und rechtsunrichtig diese beiden als getrennte Übertretungen gewertet. Würde man der Anschauung der Behörde folgen und diese Übertretung einmal nach Z 1 und einmal nach Z 3 zur Last legen, wäre die dritte Normierung, nämlich die Z 2, ihrer Anwendbarkeit gänzlich beraubt und würde nie zum Tragen kommen, da ohnehin Z 1 und Z 3 parallel anwendbar wären – eine derartige Vorgangsweise bei Erlassen dieser Verordnung, eine eigene Ziffer ohne jeglichen Anwendungsfall in den Verordnungstext aufzunehmen, würde jedoch jeder Rechtfertigung entbehren und kann dem Verordnungsgeber nicht unterstellt werden. Es ist daher vielmehr davon auszugehen, dass in einem Fall wie dem hier gegenständlichen, in dem sowohl die Schrankenbäume als auch die Lichtzeichen vorhanden und in Betrieb sind, § 99 Abs 3 Z 2 EisbKrV anzuwenden ist.

Zudem ist der Ausspruch der BH Murau zu Spruchpunkt 5. inhaltlich inkorrekt, da eben gerade nicht „nach Öffnen der Schrankenbäume“ sämtliche Lichtzeichen noch nicht erloschen waren – die Schrankenbäume waren zum Zeitpunkt des Übersetzens ja noch nicht vollkommen geöffnet.

Der Beschwerdeführer hat nach dem festgestellten Sachverhalt die Eisenbahnkreuzung vor vollständigem Öffnen der Schrankenbäume und vor Erlöschen sämtlicher Lichtzeichen übersetzt, womit er tatbildlich im Sinne des 99 Abs 3 Z 2 EisbKrV gehandelt hat.

Aus diesem Grund war ihm eine Übertretung des § 99 Abs 3 Z 2 EisbKrV subjektiv und objektiv zur Last zu legen und das Straferkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 3. entsprechend zu korrigieren.

Hinsichtlich Spruchpunkt 5. war hingegen das Straferkenntnis der BH Murau zu beheben und das entsprechende Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Somit sind in Gesamtbetrachtung der gegenständlichen Angelegenheit dem Beschwerdeführer tatsächlich zwei Übertretungen objektiv und subjektiv zur Last zu legen, das ist zum einen eine Übertretung des § 17 Abs 4 StVO sowie weiters eine Übertretung des § § 96 Abs 1 Z 2 EisbKrV.

Für diese beiden in Spruchpunkt 2. und 3. des Straferkenntnisses vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen hat die BH Murau Geldstrafen von € 50,00 bzw. von

€ 80,00 und die korrespondierenden Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und war diese Bemessung in weiterer Folge eine Überprüfung zu unterziehen.

Zur Strafbemessung sei Folgendes bemerkt:

§ 19 Abs 1 VStG bestimmt, dass Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat ist.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer ist an Fahrzeugen, die gemäß § 18 Abs 3 StVO angehalten haben, vorbeigefahren, ohne dass hiebei die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen wären. Er hat überdies in weiterer Folge das vollständige Öffnen der Schrankenbäume und das Erlöschen sämtlicher Lichtzeichen bei der Eisenbahnkreuzung vor dem Übersetzen nicht abgewartet. Dass es zu einem rechtmäßigen Verhalten einer besonderen Aufmerksamkeit seinerseits bedurft hätte oder die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nur schwer hätten vermieden werden können, ist im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht hervorgekommen, sodass das Verschulden des Beschwerdeführers nicht als geringfügig angesehen werden kann und ihm zumindest Fahrlässigkeit anzulasten ist.

Als erschwerend sowie als mildernd war – wie es die Behörde auch getan hat – im Rahmen der Strafbemessung nichts zu werten. Der Beschwerdeführer hat in der Verhandlung ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse und Sorgepflichten für minderjährige Kinder vorgebracht.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer zur Strafhöhe kein Vorbringen erstattet hat, sind die von der Verwaltungsbehörde verhängten Geldstrafen von € 80,00 bzw. € 50,00 unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat sowie der bereits angeführten objektiven und subjektiven für die Strafbemessung entscheidenden Kriterien auch in Anbetracht der vorgebrachten schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse als durchaus angemessen und gerechtfertigt zu bezeichnen. Von der Judikatur wird allgemein die Verhängung von Geldstrafen auch im Falle vollkommener Einkommenslosigkeit nicht als ungerechtfertigt qualifiziert, zum anderen wurden die jeweiligen Geldstrafen (sowie die korrespondierenden Ersatzfreiheitsstrafen) ohnedies nur im untersten Bereich der gesetzlichen Strafrahmen (siehe Ausführungen auf Seite 8 dieses Erk.) festgesetzt.

Die Beschwerden zu den zwei letztlich aufrecht verbleibenden Spruchpunkten 2. und 3. waren daher nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach abzuweisen.

Infolge der unter I. bis V. erfolgten Aussprüche des Landesverwaltungsgerichts zu den Spruchpunkten 1. bis 5. des bekämpften Straferkenntnisses war auch der von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG vorgeschriebene Kostenbeitrag richtigzustellen.

Zu VI: Zum Kostenbeitrag für das gerichtliche Beschwerdeverfahren ist auszuführen, dass sich dieser aus § 52 VwGVG ergibt, wonach im Fall der Bestätigung des Straferkenntnisses durch das Verwaltungsgericht dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit € 10,00 für jedes zur Last gelegte Delikt, festzusetzen ist.

Zu VII. - Revision:

Gemäß Artikel 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

Gemäß § 25a Abs 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer

Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,00 verhängt wurde.

Nachdem die Voraussetzungen des § 25a Abs 4 VwGG hier für sämtliche Spruchpunkte vorliegen, kann der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark keine Revision erheben.

Zu VIII. - Revision der belangten Behörde:

Der belangten Behörde steht eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht offen, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Eisenbahnkreuzung, Kolonne von Fahrzeugen, stillgestanden, an Fahrzeugkolonne vorbeigefahren, Überholen, Vorbeifahren, keine eigene eisenbahnrechtliche Definition, Definition nach StVO, § 96 Abs 1 Z 1 und 2 EisbKrV "Überholen" verboten, kein Verbot "Vorbeifahren", "Vorbeifahren" gemäß § 17 Abs 4 StVO strafbar, Übersetzen der Eisenbahnkreuzung, Schrankenbäume, geöffnet, Lichtzeichen, erloschen, Sicherungseinrichtungen, beendet, Straftatbestand § 99 Abs 3 Z 2 EisbKrV

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.30.35.2226.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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