TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/23 LVwG-AV-2138/002-2021

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Veröffentlicht am 23.12.2021
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Entscheidungsdatum

23.12.2021

Norm

ÄrzteG 1998 §62 Abs1 Z2
VwGVG 2014 §13 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch B und C, Rechtsanwälte in ***, ***, gegen Spruchpunkt 2. des Bescheids der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 29. Oktober 2021, ***, betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde i.A. vorläufige Untersagung der ärztlichen Berufsausübung gemäß § 62 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheids ausgesprochenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung richtet, als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und der Beschwerde ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

1.1.  Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheids wurde (nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens) in Bestätigung des Mandatsbescheids vom 11. August 2021, dem Beschwerdeführer die Ausübung des ärztlichen Berufs bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn wegen §§ 88 Abs. 3 und 4 zweiter Fall,

94 Abs. 1 und 2 erster Fall sowie 223 Abs. 2 StGB eingeleiteten Strafverfahrens, derzeit anhängig bei der Staatsanwaltschaft *** zu ***, untersagt.

Mit Spruchpunkt 2. schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus.

Begründend führte die belangte Behörde – soweit für die gegenständliche Entscheidung betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wesentlich – aus (Ausführungen in eckiger Klammer durch das Landesverwaltungsgericht):

Durch die Einsichtnahme in den Akt der Staatsanwaltschaft *** zu *** ergibt sich, dass [der Beschwerdeführer] in Verdacht steht, am 15.1.2020 bei einer Fettabsaugung an der Patientin [D] in seiner Ordination in [Niederösterreich] mehrere gerichtlich strafbare Handlungen begangen zu haben. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wegen §§ 88 Abs. 3 und 4 zweiter Fall, 94 Abs. 1 und 2 erster Fall sowie 223 Abs. 2 StGB ist bei der Staatsanwaltschaft *** anhängig.

[Der Beschwerdeführer] wurde weiter mit rechtskräftigem Urteil des LG *** vom 11.12.2020 schuldig erkannt, am 11. März 2020 in [Niederösterreich die Patientin E] grob fahrlässig am Körper verletzt zu haben, indem er die präoperative Diagnostik infolge unterlassener bildgebender Diagnostik mangelhaft durchführte, sodann den operativen Eingriff unter Missachtung der gebotenen Sorgfalt vornahm, was zu einer mehrfachen, teils doppelwandigen Darmperforation führte, und in der Folge, trotz der vorhandenen Symptome, angezeigte Untersuchungen zur Ursachenabklärung unterließ, wodurch die [Patientin] eine mehrfache Perforation des Dünndarms, eine großflächige Hautnekrose und einen teilweisen Verlust des Dünndarms und der Bauchmuskulatur, sohin eine schwere Körperverletzung erlitt.

Er wurde zu einer Geldstrafe in der Höhe von insgesamt € 15.840,- verurteilt.

[…]

Bei der Behörde ist weiter ein Konvolut von Beschwerden von Bewohnern der Wohnhausanlage [in welcher sich die Praxis des Beschwerdeführers befindet] eingelangt. Dieses beinhaltet unter anderen ein Foto, das [den Beschwerdeführer] am 19. September 2021, also zu einem Zeitpunkt, als eine aufrechte Untersagung des ärztlichen Berufes bestand, in Operationskleidung vor seiner Ordination zeigt.

Aufgrund dieser Eingaben ergab sich der Verdacht, dass [der Beschwerdeführer] am 19.9.2021 in [Niederösterreich] Tätigkeiten, die Ärzten vorbehalten sind, ausgeübt hat, ohne hierzu nach dem Ärztegesetz (oder anderen gesetzlichen Vorschriften) berechtigt zu sein und damit nach § 199 Abs. 1 Ärztegesetz eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Es wurde daher mit Schreiben vom 30.9.2021 eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde übermittelt.

Mit Schreiben vom 5.10.2021 teilte dazu die zuständige Bezirkshauptmannschaft [X] mit, dass gegen [den Beschwerdeführer] ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung gemäß § 199 Abs. 1 i.V.mn. § 62 Abs. 1 Z. 2 Ärztegesetz eingeleitet worden sei.

[…]

Die grundlegende Voraussetzung für die Anwendung dieser [gemeint: § 62 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998] Gesetzesbestimmung ist, dass ein Strafverfahren wegen einer groben Verfehlung bei Ausübung des ärztlichen Berufes eingeleitet wurde. Das ist gegenständlich durch das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft […] der Fall.

Das Strafverfahren beginnt, sobald Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachtes einer Straftat gegen eine bekannte Person ermitteln oder Zwangsmittel einsetzen. Auslösend ist damit jede Tätigkeit eines Strafverfolgungsorgans, welche auf die Gewinnung und Verwendung von Informationen oder Beweisen zur Aufklärung des Verdachtes einer Straftat abzielt (Seiler, Strafprozessrecht10, S 169). Dass von der Staatsanwaltschaft *** eine derartige Tätigkeit z.B. in Form der Einholung eines Sachverständigengutachtens entfaltet wurde, steht ohne Zweifel fest. Die Frage, wann ein Strafverfahren eingeleitet i.S.d. § 62 Abs. 1 Z. 2 Ärztegesetz 1998 ist, wird auch vom Verwaltungsgerichtshof (vgl. dazu VwGH 13.3.2019, Zl. 2018/11/0244) durch Verweis auf § 1 Abs. 2 StPO beantwortet und auch in dieser Entscheidung wird davon ausgegangen, dass für die Einleitung des Strafverfahrens nicht eine bestimmte Art von Ermittlungsschritten der Staatsanwaltschaft vorausgesetzt ist.

Entgegen der Rechtsansicht des Vorstellungswerbers ist demnach nicht die Einbringung einer Anklageschrift bzw. eines Strafantrages erforderlich.

Die dem Bescheidadressaten vorgeworfenen strafbaren Handlungen wurden weiter in Ausübung seines ärztlichen Berufes begangen. Die vorgeworfene Tathandlung hat sich in seiner Ordination ereignet und das Opfer befand sich nach einer vorherigen Terminvereinbarung für eine ärztliche Behandlung an diesem Ort. Eine Fettabsaugung ist dabei unabhängig davon, ob sie dem Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen unterliegt, als ärztliche Tätigkeit einzuordnen, zumal diese jedenfalls unter den § 2 Abs. 1 Z. 4 Ärztegesetz 1998 fällt.

Im gegenständlichen Verfahren betreffend die Untersagung der ärztlichen Berufsausübung kommt es nicht darauf an, ob die Verfehlungen tatsächlich begangen wurden. Dies festzustellen, ist Sache des jeweiligen Strafverfahrens (vgl. dazu wiederum VwGH 25.6.1996, Zl. 95/11/0339). Diese Rechtsansicht wird auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.4.2006 (Zl. 2004/11/0221) bestätigt und kann daher als ständige Rechtsprechung angesehen werden. Die im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens aufgenommenen Beweise sind dahingehend zu würdigen, dass [Beschwerdeführer] ausreichende Verdachtsgründe gegeben sind, dass er bei Ausübung des ärztlichen Berufes gerichtlich strafbare Handlungen begangen hat.

Begründend ist dabei darauf zu verweisen, dass das Gutachten der Sachverständigen F nach Ansicht der bescheiderlassenden Behörde schlüssig und leicht nachvollziehbar ist und – unpräjudiziell einer strafgerichtlichen Entscheidung – dahingehend zu würdigen ist, dass der Bescheidadressat mit größter Wahrscheinlichkeit grobe Verfehlungen mit strafrechtlicher Relevanz, nämlich insbesondere eine schwere Körperverletzung an [D], bei der Ausübung des ärztlichen Berufes begangen hat.

[…]

Bei einer Gesamtwertung des strafrechtlich relevanten Sachverhalts kommt die bescheiderlassende Behörde zu dem Ergebnis, dass weiterhin ein gravierender Verdacht besteht, dass [der Beschwerdeführer] bei der Behandlung von G grobe Verfehlungen begangen hat. Dieser ist keinesfalls so geringfügig, dass von einer vorläufigen Untersagung der Berufsausübung abgesehen werden könnte, da die von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang entwickelten Kriterien für die Geringfügigkeit (vgl. dazu VwGH 13.3.2019, Zl. 2018/11/0244) nicht erfüllt werden. Bei der Nichtbeachtung einer einem durchschnittlich ausgebildeten Facharzt erkennbaren absoluten Kontraindikation handelt es sich jedenfalls um eine grobe Fahrlässigkeit. Weiter stehen aufgrund des Sachverhaltes, der derzeit dem anhängigen Strafverfahren zugrunde liegt, Strafdrohung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe im Raum und auch die anzuwendenden Deliktsqualifikationen, insbesondere zum besonderen Delikt der fahrlässigen Körperverletzung, lassen erkennbar, dass es sich um grobe Verfehlungen handelt.

[…]

Es würden sich bei einer weiteren Berufsausübung durch den Bescheidadressaten ausreichende Gefahrenmomente ergeben, die eine vorläufige Untersagung der Berufsausübung rechtfertigen. Es ist dabei darauf zu verweisen, dass [der Beschwerdeführer] bereits gerichtlich verurteilt wurde. Er wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes [X] vom 11.12.2020 für schuldig erkannt, die präoperative Diagnostik mangelhaft durchgeführt und den Eingriff unter Missachtung der gebotenen Sorgfalt vorgenommen zu haben. Nunmehr steht wiederum der Vorwurf im Raum, dass er an der Patientin [A] eine absolut kontraindizierte Operation durchgeführt hat.

Die [im Verfahren vor der belangten Behörde gemäß § 62 Abs. 5 Ärztegesetz 1998 angehörte] Österreichische Ärztekammer verweist in diesem Zusammenhang nach Ansicht der Behörde zu Recht darauf, dass die verfahrensgegenständlichen Vorwürfe jenem Sachverhalt ähneln, der bereits zu einer Verurteilung geführt hat. Dies erhellt schon daraus, dass in beiden Fällen die präoperative Diagnostik bzw. Indikationsstellung für die Operation offenbar mangelhaft durchgeführt wurde. Weiter ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Vorfällen manifest und es kommt nach Ansicht der Behörde bei einer Gesamtwertung nicht auf die genaue zeitliche Abfolge an.

[…]

Im Rahmen des fortgesetzten Ermittlungsverfahrens ist weiter hervorgetreten, dass gegen [den Beschwerdeführer]bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling ein Verwaltungsstrafverfahren nach § 199 Abs. 1 Ärztegesetz anhängig ist. Dieses wäre für sich abstrakt im Sinne des § 62 Abs. 1 Z. 3 Ärztegesetz 1998 geeignet, zu einer vorläufigen Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes zu führen.

Bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation führt diese Tatsache dazu, dass ein weiterer gravierender Grund gegen die Vertrauenswürdigkeit des Vorstellungswerbers spricht.

Verstärkend tritt hier hinzu, dass diese Verwaltungsübertretung offenkundig während einer aufrechten Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes begangen wurde und deshalb deutlich die Charaktereigenschaft von [des Beschwerdeführers] manifest wird, dass er offenkundig nicht gewillt ist, die für die Ausübung des ärztlichen Berufes geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen, die letztlich dem Schutz der Patienten dienen, einzuhalten. Auch in diesem Fall wird von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu entscheiden sein, ob tatsächlich eine Verwaltungsübertretung begangen wurde.

Für das gegenständliche Verfahren ergibt sich – unabhängig vom Ausgang des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens nach § 199 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 - nach Ansicht der bescheiderlassenden Behörde schon aufgrund der vorliegenden Lichtbilder, die [Beschwerdeführer] in Operationskleidung vor seiner Ordination am 19.9.2021 zeigen, dass dieser eine ärztliche Tätigkeit ausgeübt hat, obwohl ihm bereits vorher die Ausübung des ärztlichen Berufes untersagt worden ist. Die entgegenstehenden Behauptungen des Vorstellungswerbers in der Stellungnahme vom 11.10.2021, wonach er an diesem Tag nur eine Reinigung seiner Ordinationsstätte durchgeführt habe, sind dagegen nach Ansicht der Behörde bloße nachträgliche Schutzbehauptungen, da es lebensfern ist, dass bei Reinigungsarbeiten eine Operationskleidung getragen wird.

Die Behörde legt daher insgesamt ihrer Entscheidung zugrunde, dass Gefahr in Verzug manifest gegeben ist, da aufgrund der Persönlichkeit des Bescheidadressaten und seinem bisherigen Verhalten die Gefahr besteht, dass er im Falle der weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes das Wohl seiner Patienten massiv gefährdet. Es besteht die latente Gefahr, dass [der Beschwerdeführer] bei Fortsetzung der Ausübung des ärztlichen Berufes weiterhin gravierende Verfehlungen von strafrechtlicher Relevanz begehen wird.

Begründend ist dabei im Lichte der vorstehenden Ausführungen hervorzuheben, dass eine einschlägige strafrechtliche Verurteilung wegen eines Behandlungsfehlers, ein anhängiges Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen eines möglichen Behandlungsfehlers sowie ein Verstoß gegen ärztliche Pflichten, nämlich die Dokumentationspflicht, innerhalb eines engen zeitlichen Rahmens und ein Verstoß gegen ein behördliches Verbot der Berufsausübung als Arzt vorliegen.

Nur subsidiär ist auszuführen, dass § 62 Abs. 1 Z. 2 Ärztegesetz 1998 ausschließlich auf den Schutz der Patienten abzielt und daher wirtschaftliche Interessen des Bescheidadressaten sowie in dessen ausschließlicher privater und die Ausübung des ärztlichen Berufes nicht tangierender Sphäre liegende Umstände, wie Familienverhältnisse, in die rechtliche Beurteilung nicht mit einzubeziehen waren.

Aus der Teleologie der vorzitierten Bestimmung, die Patienten vor nicht vertrauenswürdigen Ärzten bis zur endgültigen Klärung aller Umstände zu schützen, ergibt sich, dass die vorläufige Untersagung des ärztlichen Berufes immer für die gesamte Dauer des gerichtlichen Strafverfahrens ausgesprochen werden muss. Diese Rechtsansicht findet auch im Wortlaut des ausschließlich anwendbaren § 62 Abs. 1 Z. 2 Ärztegesetz 1998 und in der zu dieser Bestimmung ergangene Judikatur (vgl. VwGH 25.6.1996, Zl. 95/11/0339) seine vollinhaltliche Deckung.“

Den mit Spruchpunkt 2. ausgesprochenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde begründete die belangte Behörde damit, dass es im Sinne der berührten öffentlichen Interessen des Schutzes von Patienten vor nicht vertrauenswürdigen Ärzten geboten sei, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auszuschließen. Da das Vorliegen von Gefahr im Verzug auch eine Voraussetzung für die vorläufige Untersagung der Berufsausübung sei, könne diesbezüglich vollinhaltlich auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden.

1.2.  Die Beschwerde richtet sich der Anfechtungserklärung nach gegen den „gesamten Inhalt und Umfang“. Begründung wird sie gesamthaft mit dem – nach Ansicht des Beschwerdeführers – Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998.

2.   Rechtliche Erwägungen:

2.1.  In der Sache:

2.1.1.  Gemäß § 62 Abs. 1 Z 2 hat die Landeshauptfrau in Wahrung des öffentlichen Wohles und bei Gefahr in Verzug Ärztinnen/Ärzten die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens zu untersagen, wenn ein Strafverfahren wegen grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes, die mit gerichtlicher Strafe bedroht sind, eingeleitet worden ist.

§ 13 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, lautet:

„Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(4) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.“

2.1.2.  Zunächst ist festzuhalten, dass die Entscheidung lediglich die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung betrifft. Die Entscheidung betreffend die Beschwerde gegen die ausgesprochene vorläufige Untersagung der Berufsausübung wird gesondert ergehen.

2.1.3.  Bei der Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, die auf dem Boden der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage zu treffen ist, darf das Verwaltungsgericht regelmäßig von den nicht von vornherein als unzutreffend erkennbaren Annahmen der belangten Behörde ausgehen (vgl. zum Ganzen nur etwa VwGH vom 16. Dezember 2020, Ra 2020/11/0207).

Das Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ in § 13 Abs. 2 VwGVG bringt zum Ausdruck, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (VwGH vom 27. April 2020, Ra 2020/08/0030).

2.1.4.  Die belangte Behörde sprach die vorläufige Untersagung der Berufsausübung aufgrund des von ihr festgestellten Sachverhalts aus. Eine offensichtliche Fehlbeurteilung durch die belangte Behörde hinsichtlich der Voraussetzungen für die vorläufige Untersagung der Berufsausübung ist mit Blick auf die herangezogene Rechtsgrundlage des § 62 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 nicht zu erkennen.

Ob nach Durchführung des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht die in der Beschwerde begehrten Ersatzfeststellungen zu treffen sind, ist im gegenständlichen Stadium nicht zu prüfen.

2.1.5.  Es kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde (nach dem von ihr angenommenen Sachverhalt) aufgrund des anhängigen Strafverfahrens, der bereits erfolgten Verurteilung wegen einer vergleichbaren Handlung sowie des Umstands, dass der Beschwerdeführer auch nach Zustellung des Mandatsbescheids ärztliche Tätigkeiten ausgeübt hat, das Vorliegen von Gefahr im Verzug iSd § 13 Abs. 2 VwGVG bejahte.

Aufgrund der Feststellungen der belangten Behörde sind jedenfalls gravierende Nachteile für das öffentliche Wohl (Gesundheitsinteressen) zu befürchten, die die (erkennbar) geltend gemachten Interessen des Beschwerdeführers (monetäre und psychische Belastung des Beschwerdeführers) überwiegen (vgl. betreffend die Zulässigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde iZm einer Streichung aus der Ärzteliste auch VwGH vom 16. Dezember 2020, Ra 2020/11/0207).

Zusammengefasst liegen die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vor, weshalb die gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheids gerichtete Beschwerde ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist.

2.2.  Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006).

Schlagworte

Freie Berufe; Ärzte; ärztliche Berufsausübung; Untersagung; aufschiebende Wirkung; Ausschluss;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.2138.002.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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