TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/27 95/18/1343

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Veröffentlicht am 27.06.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. August 1995, Zl. SD 861/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. August 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Fremde seien gemäß § 17 Abs. 1 FrG unter Bedachtnahme auf § 19 FrG auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.

Die Beschwerdeführerin lebe seit dem Jahre 1990 im Bundesgebiet und habe seit damals, nach Vorlage von Verpflichtungserklärungen, über einen Sichtvermerk bzw. bis 1. Juni 1994 über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt.

Ein Verlängerungsantrag sei von der "Magistratsabteilung 62" mit Bescheid vom 5. August 1994, rechtskräftig seit 2. September 1994, mit der Begründung abgewiesen worden, daß das Landesarbeitsamt eine positive Stellungnahme nicht abgegeben hätte. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe versäumt, um Verlängerung anzusuchen, sei daher nicht ganz verständlich und treffe auch nicht zu. Ihr Aufenthalt sei nur bis 2. September 1994 rechtmäßig gewesen. Der von ihr - ihren eigenen Angaben zufolge - am 2. September 1994 neuerlich gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung habe ihr jedenfalls keine (vorläufige) Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes zu verschaffen vermocht. Da die Beschwerdeführerin ihren Angaben zufolge bisher keine Aufenthaltsbewilligung erlangt habe, sei ihr Aufenthalt jedenfalls seit 3. September 1994 nicht rechtmäßig. In einem solchen Fall sei die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 19 FrG entgegenstünde.

Eine Lebensgemeinschaft stehe zwar nicht unter dem Schutz des § 19 FrG, doch sei im Hinblick auf den etwa vier Jahre dauernden legalen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet von einem Eingriff in das Privatleben im Sinn des § 19 FrG auszugehen. Dessen ungeachtet sei dieser Eingriff aber angesichts des immerhin schon längere Zeit dauernden illegalen Aufenthaltes und der im November 1994 bereits erfolgten Bestrafung der Beschwerdeführerin zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, also zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, dringend geboten. Einem geordneten Fremdenwesen komme nämlich ein erheblicher Stellenwert zu. Dazu komme, daß es der Beschwerdeführerin nicht möglich sei, im Inland um die Erteilung der für einen Wohnsitz erforderlichen Aufenthaltsbewilligung anzusuchen. Um den dafür notwendigen Antrag stellen zu können, werde sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung, den illegalen Aufenthalt zu beenden und das Bundesgebiet zu verlassen, nachkommen müssen. Der Beschwerdeführerin bleibe es unbenommen, vom Ausland aus um die Erteilung der für den Wohnsitz erforderlichen Bewilligung anzusuchen. Eine neuerliche Einreise werde, sobald die Beschwerdeführerin die erforderliche Bewilligung erhalten habe, nichts im Wege stehen.

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 11. Oktober 1995, B 2983/95). Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Anders als in der Beschwerde ausgeführt hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung ihrer mit 1. Juni 1994 befristet erteilten Aufenthaltsbewilligung nicht erst am 2. September 1994 gestellt, da der Landeshauptmann von Wien - nach den durch den Akteninhalt gedeckten Feststellungen im angefochtenen Bescheid - bereits mit Bescheid vom 5. August 1994 über ihren Verlängerungsantrag negativ abgesprochen hat. Damit hat die belangte Behörde das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - für die Erlassung einer Ausweisung gegen die Beschwerdeführerin zutreffend bejaht.

2. Die Beschwerde hält den bekämpften Bescheid im Grunde des § 19 für rechtswidrig, da die Ausweisung nicht zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die Beschwerdeführerin halte sich seit vielen Jahren in Österreich auf, sie lebe in Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger und beabsichtige, diesen "in Kürze zu heiraten". Eine dringende Notwendigkeit zur Ausweisung könne nicht angenommen werden, da die Beschwerdeführerin weder die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung gefährde noch gegen sonstige im Art. 8 Abs. 2 MRK angeführte Ziele verstoßen habe.

Dieses Vorbringen ist verfehlt. Zwar vermag der Verwaltungsgerichtshof die im angefochtenen Bescheid gegebene Begründung, daß der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin nicht vom Anwendungsbereich des § 19 FrG erfaßt sei, in dieser pauschalen Form nicht zu teilen. Der Gerichtshof hegt keine Zweifel, daß eine außereheliche Beziehung in Form einer tatsächlich praktizierten Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau jedenfalls eine vom Begriff des Privatlebens im Sinne des § 19 FrG erfaßte Beziehung darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/0784). Die Begründung des angefochtenen Bescheides bringt aber dennoch zweifelsfrei zum Ausdruck, daß unter der Annahme eines im Sinn des § 19 FrG relevanten Eingriffs in das Privatleben der Beschwerdeführerin deren persönliche Interessen gegenüber dem einen hohen Stellenwert einnehmenden maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, welches die Ausweisung der Beschwerdeführerin dringend gebieten würde, zurückzustehen hätten. Diese Beurteilung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Denn einerseits kommt den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 96/18/0116 mwH). Andererseits sind die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Verbleib in Österreich angesichts ihres insgesamt noch keineswegs langen - ihren eigenen Angaben nach immer wieder unterbrochenen - Aufenthaltes in der Dauer von etwas mehr als fünf Jahren, wovon ein Zeitraum von etwa einem Jahr als unrechtmäßiger Aufenthalt zu Buche schlägt, nicht so stark ausgeprägt, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin relevierten Lebensgemeinschaft, daß sie schwerer zu gewichten gewesen wären als das besagte maßgebliche öffentliche Interesse.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995181343.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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