TE Vwgh Beschluss 1996/7/2 96/08/0109

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.1996
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über den Antrag des R in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 8. August 1995, Zl. 5-226 Ka 349/5-95, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird stattgegeben.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 26. April 1996 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Begründet wurde dieser Antrag im wesentlichen damit, daß der Sekretärin des Beschwerdevertreters, Renate O, im Zuge eines Verbesserungsverfahrens von diesem der Auftrag erteilt worden sei, eine weitere Ausfertigung der Beschwerde für die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse herzustellen und diese zur Unterfertigung vorzulegen. Nach Unterfertigung durch den Beschwerdevertreter sei der Sekretärin aufgetragen worden, diese Ausfertigung eingeschrieben an den Verwaltungsgerichtshof abzusenden. Die Sekretärin habe jedoch irrtümlich die nicht unterschriebene Durchschrift der Beschwerde, die üblicherweise im Handakt verbleibe, mit der unterschriebenen Ausfertigung vertauscht und die nicht unterfertigte Durchschrift der Beschwerde der Post zur Beförderung übergeben. Mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0280, mit dem das Beschwerdeverfahren gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt wurde, am 24. April 1996 habe der Beschwerdevertreter erstmals Kenntnis von der fehlerhaften Mängelverbesserung erhalten. Bei der genannten Sekretärin handle es sich um eine sehr zuverlässige und gewissenhafte Kanzleikraft, die seit 16. November 1993 in der Kanzlei des Beschwerdevertreters beschäftigt sei, und der noch nie ein solcher Fehler unterlaufen sei. Es sei daher unerklärlich, weshalb sie entgegen der ausdrücklichen Weisung die unterfertigte Ausfertigung der Beschwerde in den Handakt gelegt und die nicht unterfertigte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgesendet habe.

Als Beweis wurde eine "eidesstättige Erklärung" des Beschwerdevertreters und seiner Sekretärin vorgelegt.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG idF BGBl. Nr. 564/1985, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Vertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ein bevollmächtigter Vertreter der ihm zumutbaren Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist, dem Vertreter selbst an der Versäumung keinerlei Verschulden, insbesondere auch nicht in Form der "culpa in custodiendo", trifft. Lediglich rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken kann der Rechtsanwalt ohne nähere Beaufsichtigung einer verläßlichen Kanzleikraft überlassen. Im übrigen trifft ihn aber an Irrtümern seiner Angestellten bei Vernachlässigung der ihm zumutbaren Überwachungspflicht ein Verschulden (vgl. z.B. den Beschluß vom 26. April 1994, Zl. 94/08/0070).

Im Beschwerdefall liegt ein Versehen beim rein technischen Vorgang des Abfertigens von Schriftstücken vor. Die regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft die rein manipulativen Tätigkeiten im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zumutbar (vgl. z.B. den Beschluß vom 24. Februar 1993, Zl. 93/02/0004).

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996080109.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten