Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und den Senatspräsidenten Dr. Knell sowie den Hofrat Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde 1. des Dipl.Ing. J, 2. der M und 3. des P, alle in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des BMAS vom 20. Juli 1994, Zl. 122.308/1-7/94, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mP: 1. WGKK, 2. PVA der Angestellten, 3. AUVA), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- und der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit drei Bescheiden vom 27. Jänner 1993 sprach die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführer aufgrund ihrer Beschäftigung beim Dienstgeber L ab 1. Oktober 1990 (Erstbeschwerdeführer), 16. April 1990 (Zweitbeschwerdeführerin) bzw. 16. März 1991 (Drittbeschwerdeführer) gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlägen. Begründet wurden die Bescheide im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführer als Direktor (der Erstbeschwerdeführer) bzw. als Angestellte (die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer) der österreichischen Vertretung der L. in deren Wiener Büro bzw. (hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers) am Flughafen Wien jeweils ab dem in den Sprüchen genannten Zeitpunkt tätig seien. Da das Wiener Büro - unter Zugrundelegung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1989, Zl. 87/08/0042 - als Betriebsstätte anzusehen sei, begründe die Beschäftigung der drei Beschwerdeführer ihre Versicherungspflicht nach den in den Sprüchen genannten gesetzlichen Bestimmungen.
Die Bescheide wurden zwar der L. und den Beschwerdeführern (am 22. Februar bzw. - hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin - am 23. Februar 1993) zugestellt, aber nur von der L. beeinsprucht; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die drei Beschwerdeführer zwar Dienstnehmer der L. in Warschau, nicht aber der Wiener Zweigniederlassung der L. seien. Nach Auffassung der L. bestehe nämlich keine Versicherungspflicht für entsendete Dienstnehmer, weil sich § 3 Abs. 3 ASVG nur auf Dienstnehmer eines ausländischen Betriebes beziehe, der im Inland keine Betriebsstätte unterhalte. Der Umkehrschluß, daß alle entsendeten Dienstnehmer eines ausländischen Dienstgebers, der im Inland eine Betriebsstätte habe, dem ASVG unterlägen, lasse sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Vielmehr sei anzunehmen, daß - so wie nach § 3 Abs. 2 lit. d ASVG die von österreichischen Unternehmen ins Ausland entsendeten Mitarbeiter weiterhin der österreichischen Sozialversicherungspflicht unterlägen - auch die von Polen entsendeten Mitarbeiter weiterhin (allein) in Polen versicherungspflichtig blieben. Überdies übten die Beschwerdeführer ihre Tätigkeit teils in Wien und teils in Polen aus.
Mit drei Bescheiden vom 20. September 1993 wies der Landeshauptmann von Wien die Einsprüche als unbegründet ab und bestätigte die bekämpften Bescheide. Nach den Begründungen der drei Bescheide stehe aufgrund der Aktenlage fest, daß es sich bei den Beschwerdeführern um Dienstnehmer handle, deren Beschäftigungsort im Inland gelegen sei. Deshalb hätten die Bestimmungen des ASVG über die Vollversicherungspflicht zur Anwendung gelangen müssen. Wenn die Einspruchswerberin vermeine, daß das Heimatrecht des entsandten Personals für die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht heranzuziehen sei, so sei auszuführen, daß derzeit keine gesetzlichen Bestimmungen oder bilaterale Abkommen mit Polen existierten, die eine Ausnahme von der Vollversicherungspflicht für entsandte polnische Dienstnehmer in Österreich rechtfertigten.
Gegen die Einspruchsbescheide erhoben sowohl L. als auch die drei Beschwerdeführer Berufung, in denen sie (ausführlicher als dies im Einspruch der L. geschehen war) darlegten, aus welchen Erwägungen die Beschwerdeführer nach Auffassung der Berufungswerber ab den in den Bescheiden der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannten Zeitpunkten nicht versicherungspflichtig nach dem ASVG und dem AlVG seien. Daß seit der Zustellung der Bescheide der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse an die Beschwerdeführer am 22. bzw. 23. Februar 1993 eine Änderung in den maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten sei, behaupteten sie nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte die Einspruchsbescheide. In der Bescheidbegründung ging die belangte Behörde vom außer Streit gestellten Umstand aus, daß die Beschwerdeführer Dienstnehmer der L. seien und im Rahmen ihrer Beschäftigung bei ihr in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stünden. Nach ausführlichen Feststellungen über die unveränderte Tätigkeit der drei Beschwerdeführer ab dem in den Bescheiden der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannten Zeitpunkten führte die belangte Behörde aus, es ergebe sich aus diesen Feststellungen, daß die Beschwerdeführer Dienstnehmer der L. seien, die ihren Sitz in Polen und in Österreich eine Betriebsstätte habe. Weiters ergebe sich aus diesen Feststellungen, daß jeder der drei beschwerdeführenden Parteien sich im Rahmen ihrer Beschäftigung zwar häufig und regelmäßig in Warschau aufhalte, daß jedoch der überwiegende Teil der Arbeitszeit in Österreich verbracht und der Schwerpunkt der gegenständlichen Arbeiten im Inland verrichtet werde. Daraus ergebe sich, daß der Beschäftigungsort der drei Beschwerdeführer im Inland liege und sie somit als im Inland beschäftigt anzusehen seien. Dem Einwand der Berufungswerber, es liege kein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zwischen den Dienstnehmern und der Wiener Zweigniederlassung der L. vor, sei entgegenzuhalten, daß ein solches nach der Gesetzeslage auch nicht vorliegen müsse. § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG fordere nicht die Beschäftigung bei einem Dienstgeber, der seinen Betriebssitz im Inland habe. Die Versicherungspflicht setze vielmehr eine unselbständige Beschäftigung im Inland voraus; § 3 Abs. 3 ASVG sehe Ausnahmen von dieser Regelung vor, die jedoch im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung kämen. Eine analoge Anwendung von bilateralen Abkommen, die Österreich mit anderen Staaten zur Vermeidung einer doppelten Beitragspflicht geschlossen habe, sei nicht zulässig, aber auch nicht möglich, weil die Abkommen unterschiedliche Regelungen enthielten und in den Abkommen neben dem persönlichen und sachlichen Geltungsbereich jeweils auch die unter Berücksichtung der unterschiedlichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften gegebenenfalls erforderlichen ergänzenden Regelungen festzulegen seien. Im Hinblick auf das Fehlen eines entsprechenden Abkommens zwischen Österreich und Polen sei der Entscheidung daher ausschließlich der innerstaatliche Gesetzeswortlaut zugrundezulegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber - ebenso wie die zweit- und drittmitbeteiligte Partei - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die erstmitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mit den obgenannten drei Bescheiden vom 27. Jänner 1993 die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht der drei Beschwerdeführer aufgrund ihrer Beschäftigung beim Dienstgeber L. ab näher bestimmten Zeitpunkten festgestellt. Mangels Anführung eines Endzeitpunktes in den Sprüchen dieser Bescheide sind diese so zu verstehen, daß damit einerseits für die Zeit vom 1. Oktober 1990 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers), 16. April 1990 (hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin) bzw. 16. März 1991 (hinsichtlich des Drittbeschwerdeführers) bis zur Erlassung des jeweiligen Bescheides gegenüber einem der Beschwerdeführer am 22. Februar bzw. 23. Februar 1993 die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht des jeweiligen Beschwerdeführers festgestellt wurde und andererseits für die Zukunft offene Absprüche über das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflichtversicherung der Beschwerdeführer, jeweils für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, erfolgt sind. Durch die Bestätigung dieser Bescheide zunächst mit den obgenannten Bescheiden der Einspruchs- und sodann der belangten Behörde wurde der normative Inhalt der Bescheide der Gebietskrankenkasse mit der Maßgabe übernommen, daß die bindende Feststellung der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht der drei Beschwerdeführer jeweils bis zur Erlassung des jeweiligen Einspruchs- bzw. des angefochtenen Bescheides erweitert wurde, es im übrigen aber bei den "offenen Absprüchen" blieb (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 85/08/0041, und vom 31. Mai 1994, Zlen. 93/08/0162 bis 0165).
Da die Beschwerdeführer den jeweils sie betreffenden Bescheid der Gebietskrankenkasse unbekämpft gelassen haben, erwuchsen diese Bescheide ihnen gegenüber in Rechtskraft. Da sie in den Berufungen gegen den jeweils sie betreffenden Einspruchsbescheid keine Änderung der maßgeblichen rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse behaupteten und derartiges auch im Berufungsverfahren nicht hervorkam, wären ihre Berufungen - ungeachtet ihrer unstrittigen Parteistellung, auf die sie in ihrer Stellungnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verweisen - von der belangten Behörde wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 28. April 1988, Zl. 84/08/0002). In dem Umstand, daß die belangte Behörde statt der formellen Zurückweisung der Berufungen ihre Abweisung ausgesprochen und damit letztlich nur einen bereits rechtskräftigen Abspruch wiederholt hat, liegt aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsverletzung (vgl. außer dem eben zitierten Erkenntnis jene vom 27. November 1985, Zl. 85/11/0116, und vom 8. Februar 1994, Zl. 93/08/0234).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994080228.X00Im RIS seit
20.11.2000